Duden: Wie schreibt man gutes Deutsch? 2., völlig neu bearb. Auflage von Ulrich Püschel. Mannheim 2000. 222 S. 18,90 DM.
Das Buch ist eine Sammlung plattester Bemerkungen über Stil und Sprache. Immer wieder heißt es, jeder sei letzten Endes selbst für seinen Stil verantwortlich, was vielleicht zutrifft, aber sicher nicht zu besserem Deutsch verhilft. Seitenlang geht Püschel auf die Griceschen Konversationsmaximen ein, um endlich festzustellen, daß sie mit seinem Thema nicht viel zu tun haben. Eine Seite Thomas Mann wird wiedergegeben (in Reformschreibung, wie alle Zitate), und es folgt die Einsicht, daß dies natürlich kein Vorbild für das alltägliche Schreiben sein könne, sondern nur zeige, welche Stilwirkung das Zusammenspiel der Wörter zu entfalten vermag, wenn nur genügend Sorgfalt, Mühe und Zeit auf ihre Auswahl verwendet wird. (S. 200f.) Auf den Inhalt dieses überflüssigen Buches, das auch sachliche Fehler enthält, einzugehen erübrigt sich daher.
Man fragt sich aber, was einen Germanisten, der selbst nicht durch stilistisch bemerkenswerte Schriften aufgefallen ist, überhaupt dazu befähigt, als Stillehrer und nicht nur was allenfalls noch anginge als Stilkritiker aufzutreten. In dem ganzen Buch findet man nicht einen einzigen Abschnitt, der als stilistisch besonders gelungen oder gar glänzend auffiele. Für seine Ungeschicklichkeit im Formulieren einfachster Sachverhalte nur wenige Beispiele:
Wenn schon nicht mehr in der Schule auf gutes Deutsch geachtet wird, dann doch zumindest auf richtiges. (S. 11) Hier ist der Fokus der Einschränkung falsch gesetzt, es müßte heißen: Wenn in der Schule schon nicht mehr auf gutes Deutsch geachtet wird, dann doch zumindest auf richtiges. -
Ein konkreter Fall wäre ein Brief, den wir an die Hausverwaltung schreiben, da sie die Nebenkosten nicht termingerecht abgerechnet hat. (S. 31) Hier muß es natürlich weil und nicht da heißen. -
Gleichermaßen unangemessen sein und den Leser abstoßen können eine komplizierte Darstellung, ein unkontrolliertes Abschweifen, ein hochgestochenes Vokabular. (S. 34) Kein Kommentar. -
das Objekt muss einem potenziellen Käufer schmackhaft gemacht werden, indem seine Vorzüge herausgestellt werden (S. 94) Ähnlich des öfteren: dass der Blick des Lesers als Erstes auf die handelnde Person fällt, indem diese weiter nach hinten im Satz gerückt wird (S. 53); vgl. S. 128 oben. Für jede Art von Kommunikation gelten eine Reihe grundlegender Bedingungen (S. 41). Besser: gilt oder grundlegende. Ich unterlasse es, bei jeder Gelegenheit explizit zum Ausdruck zu bringen, dass Frauen wie Männer schreiben. (S. 64) Gemeint ist, daß sowohl Frauen als Männer schreiben! Nach diesem ersten Überblick sollen im Weiteren die Rolle bestimmt werden ... (S. 78) statt soll. Er will dem Adressat zeigen ... (S. 117) eine Frage der persönlichen Haltung zu dem, was man schreibt, aber auch zu dem (!), wie man schreibt (S. 33), auf was wir achten und vor was wir uns hüten sollten (S. 161) Besser: worauf und wovor. Mit was hätten sie sich sonst küssen sollen? (S. 194f.) Besser: womit; vgl. aber konzentrieren wir uns darauf, was in den einzelnen Artikeln geschrieben steht (S. 208) Besser: auf das. Nun ist es sicher kein Zufall, dass uns nach Aussagesätzen gefragt meist solche einfallen ... (S. 148). Die Planung für den Internationalen Ferienkurs 2000 sind (!) bereits angelaufen. (S. 159) Es bedeutete keinen Zufall, den Wortschatz dazu heranzuziehen. (S. 162) Die Antwort ist schwierig zu geben (S. 204, statt schwer)
Der schulmeisterlich-betuliche Stil des Buches ist durch solche vollkommen ernst gemeinte Wendungen zu kennzeichnen: Herr Christoph schüttelte sinnend den Kopf. (S. 13); der wirklich sorgende Schreiber (S. 109). Mehrmals wird geraten, pfleglich mit dem Adressaten umzugehen, eine seltsame Vorstellung, wenn man Briefe an Kultusminister und ähnliche Adressaten bedenkt, die doch keine Patienten sind. Vielleicht fällt jemandem das Wort Kuhfladen gerade nicht ein, er möchte jedoch nicht Kuhscheiße schreiben, also greift er zu einer Umschreibung: Herr Meyer ist in das getreten, was eine Kuh auf der Wiese hinterlassen hat. (S. 172)
Das Buch folgt natürlich der reformierten Rechtschreibung. Püschel schreibt also ganz kunstgerecht:
Ars bene Dicendi, Ars bene Scribendi, Ars recte Dicendi (S. 11); Pluralis Modestiae, Pluralis Auctoris (S. 49). Sie haben völlig Recht (S. 21); das ziemlich abstrakt und nichts sagend klingt (S. 87) Leider mutet er dem Leser, auf den doch stets Rücksicht zu nehmen sei, die folgende Silbentrennung zu: beo-bachten (S. 49).
Die Kommasetzung nach § 77 (5) beherrscht er so wenig wie andere Autoren:
Es wäre allerdings ein Irrtum zu glauben, ... (S. 23; ähnlich S. 36, S. 53, S. 147 u. ö.)
wobei es gar nicht darauf ankommt zu sagen .. (S. 49)
in denen es wünschenswert ist zu differenzieren (S. 63)
die den Leser dazu anregen sollte weiterzulesen (S. 70)
Es geht lediglich darum zu prüfen ... (S. 80)
Es wäre aber ein Missverständnis zu glauben ... (S. 204)
Ein Komma fehlt auch hier: ebenso wenig dass (S. 22), dann nämlich wenn es eine Tagesordnung gibt (S. 107). Ähnlich an weiteren Stellen.
Falsch sind nach der Reform:
jedesmal (S. 44 u. S. 50)
irre machen (S. 47)
So leid es mir tut (S. 50)
sogenannten (S. 51)
hartgesotten (S. 59; laut amtl. Verzeichnis falsch)
frischgekeltert (S. 76)
von Verschiedenerlei (S. 84)
der erste Vorsitzende, der zweite Vorsitzende (S. 90 passim)
verlangt Dreierlei (S. 95)
auseinandergerissen (S. 105)
den Text als Ganzen (S. 109)
sicher gehen (S. 112)
was werde ich als nächstes tun? (S. 113)
(Der nach Doppelpunkt fälschlich groß geschrieben S. 115)
bereit gestellt (S. 116)
sogar nur ein Einziges (sc. Argument, S. 119)
noch mal (S. 144)
läßt (S. 150)
festgefügte (S. 153)
kleingewachsener (S. 196 u. 198)
Außerdem: um Gottes Willen (S. 18), Moccassin (S. 94) statt Mokassin
Püschel unterstellt, daß die Rechtschreibreform jedermann binde: Bis vor kurzem haben wir gerade im Brief über ein besonderes Mittel verfügt, besonders hervorzuheben, dass auch mit dem Gebrauch von du und ihr Höflichkeit und Respekt verbunden sind. Wir haben die beiden Pronomen im Brief großgeschrieben. Doch mit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung von 1996 ist uns diese Besonderheit genommen worden, indem diese Konvention abgeschafft worden ist. (S. 52)
Zum großen Binnen-I: Nach der neuen amtlichen deutschen Rechtschreibung ist das jedoch nicht vorgesehen, kann also in offiziellen Texten nicht verwendet werden. (S. 61). In Wirklichkeit sind nur die Schüler an die Reformschreibung gebunden.
Druckfehler: eine optimalen Pressemitteilung (S. 15), verletztende Weise (S. 43), ein anderes Textmuster, bei der ... "(dem, S. 69), Fankfurter (S. 79), mit üblichem em (S. 94); S. 95 unten ist der ganze Satz zerrüttet: eine größere Anschaffung sparen; schon langen (S. 105 statt lange); Protkoll (S. 107); alsobeispielsweise (S. 111), Fau (statt Frau S. 170), andere besonderen Eigenschaft (S. 208), Beleidsbekundungen (S. 214)
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Th. Ickler
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