Salim E. Spohr in Islamische Zeitung
Die Publikation als Ausdruck des Lebensstiles aus der Sicht eines muslimischen Verlegers. Von Salim E. Spohr
Man nennt es Buch (1)
… Salim E. Spohr, ein Veteran des muslimischen Verlagswesens im deutschen Sprachraum, schreibt in drei Teilen über sein Wissen bei der Buchproduktion und der Arbeit am Text…
Neben den heiligen Schriften gibt es indes schier unendlich viele Druckwerke verschiedenster Thematik, verschiedenen Genres, verschiedener Machart und Aufmachung, sodass es sich einmal lohnen sollte, der Frage nachzugehen, wessen es bei aller Verschiedenheit grundsätzlich immer schon bedarf, damit ein Buch zustande kommt, und welche Kriterien es sind, an denen sich seine Qualität bemisst. Wir Muslime sollten es als gerade solche, die auch „Leute des Buches” sind, so verstanden zu unserem Lebensstil zählen, so etwas zu wissen.
Sehen wir von Kursbüchern, Atlanten, Photobänden, Grundbüchern und Tabellenwerken verschiedenster Art einmal ab, bestehen Bücher wesentlich aus Texten. Der Text und die in ihm liegende Information sind die Grundlage des Buches und bedürfen zur Vorbereitung auf Satz und Druck ganz besonderer Aufmerksamkeit. Der Autor oder ein Übersetzer liefert den Text und der Lektor des Verlages überprüft ihn zunächst auf logische Stimmigkeit, orthographische, grammatische und typographische Korrektheit.
Ein Text darf sich nicht selbst widersprechen, seine Gliederung darf nicht der Logik widerstreiten, so etwas wie „1. a, b, c 2. a 3. a, b” beispielsweise, dass es also bei 2. nur einen Untergliederungspunkt gibt, darf nicht unkorrigiert bleiben. Bezüglich der Orthographie folgt das Lektorat unseres Verlages den Regeln der alten Rechtschreibung, weil die neue, hundertfach belegt, nur eine einzige große Dummheit, ihre Beibehaltung „Wir haben einen Fehler gemacht, aber da wir es nun einmal sind, die ihn gemacht haben, bleiben wir dabei” eine reine Frechheit der Verantwortlichen gewesen war. Es bleibt für mich ein Rätsel, wie es möglich war, dass sich eine derart eklatante Beschneidung aller feineren Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks durch kategorische Getrenntschreibung zusammengesetzter Verben sich hat durchsetzen können, da ihre Zusammenschreibung früher deutlich gemacht hatte, dass das Verb hier in einer übertragenen Bedeutung gebraucht und entsprechend mit bestimmter Betonung ausgesprochen wird.
Das zeigt sich exemplarisch an Eheleuten, die früher „zusammenkommen”, heute, seit Durchsetzung jenes Irrsinns, aber nur noch „zusammen kommen” können. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist, dass Bertelsmann neidisch auf das Duden-Monopol war und er dieses aufgrund von Korruptheit der beteiligten Instanzen auch hat brechen können, sodass damit das möglich wurde, was auch wirklich geschah, in eine Buchhandlung nämlich zu gehen und den „Bertelsmann-Duden” zu verlangen.
Typographische Korrektheit eines Textes bedeutet beispielsweise, dass sich zwischen den Wörtern nicht mehr als ein Leeranschlag befindet, Punkt, Komma, Doppelpunkt dem vorangehenden Wort unmittelbar angeschlossen sind und hinter ihnen ein Leeranschlag liegt. Wichtig ist auch die Wahl der Anführungszeichen und eine Festlegung darüber, wie eine Anführung innerhalb einer Anführung gekennzeichnet wird.
Für Wörter die einer anderen Sprache, beispielsweise dem Arabischen, entstammen, ist die Wahl des Transliterationssystems von besonderer Bedeutung, da es erlaubt, den fremden Text in unserer lateinischen Schrift eindeutig darzustellen. Bei unserer ersten Ausgabe von Ibn Ishaqs „Das Leben des Propheten” (sira an-nabwiyya) hatte ich Gernot Rotter, den Übersetzer, davon überzeugt, dass wir hier nicht dem System der Deutschen morgenländischen Gesellschaft, sondern dem englischen System folgen sollten, und im Vorwort entsprechend geschrieben: „Dem englischen System gaben wir nach längerer Überlegung schließlich vor allem seiner größeren Einfachheit wegen, aber auch deshalb den Vorzug, weil es der Phonetik der Buchstaben im Deutschen überraschenderweise viel näherkommt als jenes Kunstprodukt deutsch-morgenländischer Gelehrsamkeit, es zudem auf der ganzen Welt (vgl. die Encyclopaedia of Islam, Leiden 1954 ff.) verbreitet ist.
… Nein, es bedarf hier des Zusammen- und Wechselspiels von Autor/Übersetzer und Lektor, in deren Spannungsfeld ein schöner Text entsteht.
Dabei reicht es nicht aus, dass ein Text logisch, orthographisch, typographisch und ideomatisch fehlerfrei ist. Nein, was wir brauchen, ist ein schöner Text. Und was ist ein schöner Text? Ein schöner Text hat einen gewissen Swing, einen Rhythmus in sich, der macht, dass es Spaß macht, ihn zu lesen. Und wenn es Spaß macht, ihn zu lesen, wird man gern das Buch erwerben, in dem er steht. Für einen Verlag also, der ja will, dass sich seine Bücher verkaufen, kommt alles darauf an, sich mit besonderer Sorgfalt um die Schönheit des dem späteren Buch zugrundeliegenden Textes zu bekümmern. Und hier sehe ich mit Grausen eine Tendenz, dass beispielsweise türkischstämmige Brüder Bücher in deutscher Sprache herausgeben, die für muttersprachliche Deutsche ideomatisch einfach ungenießbar bleiben. Denn für alle Übersetzungen gilt die Grundregel, dass die Sprache, in die hinein übersetzt wird, die Muttersprache des Übersetzers sein sollte, wenn sprachliche Feinheiten eine Chance habe wollen, zum Ausdruck gebracht zu werden.
Islamische Zeitung 27.4.2011
[Anm.:„zusammenkommen“ auch reformiert zusammen, aber die häufige Getrenntschreibung ist ein Beweis für die allgemeine Verwirrung.]
|