Männerparkplatz im Duden!
Angesichts der gewohnten Aufschneiderei aus der Propaganda-Abteilung des Duden (5000 neue Wörter) und seiner politisch korrekten Tümeleien erinnerte ich mich an zwei Glossen, die Angelika Jahr, die damalige Chefredakteurin der Zeitschrift essen & trinken, vor einem guten Dutzend Jahren an ihre Leserschaft richtete. Die eine erschien im November 1991 und widmete sich der 20. Ausgabe des Duden, in der, trotz 5000 neuer Wörter, noch immer die Mozzarella (Frau Jahr gebraucht das Substantiv maskulin, was mir weh tut), der Prosecco, der Kir Royal und das Chili con carne fehlten. Auf diesem Feld sei, so Frau Jahr damals, ihre Zeitschrift dem Duden voraus.
Unterdessen ist der Duden zwecks Auffrischung seines Wortschatzes zu einer anderen Strategie übergegangen. In seinem alchimistischen Sprachlabor bastelt er sich zu jeder Personenbezeichnung (Nomen agentis) bekanntlich ein feminines, politisch korrektes Pendant (Muster: der Bäcker, die Bäckerin, der Nationalsozialist, die ... hmm, ha!?). Als dieses finstere Gewölk der Beschränktheit den Himmel vorerst nur verdüsterte, äußerte sich Angelika Jahr auch zu diesem Thema. In ihrem Vorwort zur September-Ausgabe 1989 von essen & trinken schrieb sie, eine Ärztin habe beklagt, daß in der Zeitschrift immer nur von Lesern gesprochen werde. Wo blieben denn die Leserinnen? Kokett replizierte Angelika Jahr mit einer gleichermaßen ungewohnten wie spitzzüngigen Anrede: Lieber Esser, liebe Esserin. Im weiteren entgegnete sie mit rührend gelassenen, vom entschlossenen Stiefelschritt der Ideologen längst zertretenen Überlegungen:
Also: Wenn man die Existenz der Frauen nur auf dem Papier erkennen könnte, wäre es traurig um uns bestellt. Ja, es ist richtig: Im deutschen Sprachgebrauch wird in vielen Fällen die männliche Form bevorzugt angewandt aus Gewöhnung. Und weil es albern klingt, wenn man ständig 'Leserinnen und Leser' bemüht oder gar die schöne Klammerform 'Leser(in)'.
Haben wir Frauen denn immer noch so viele Komplexe, daß es nötig ist, auch in der Schriftform das Weibliche zu dokumentieren, liebe Frau Doktor(in)? Mir ist es völlig gleich, ob ich 'Chefredakteurin' (wie neben meinem Bild) oder 'Chefredakteur' (wie im Impressum) genannt werde. Ich hatte es bis heute nicht einmal bemerkt, und schließlich geht es um die Bezeichnung meines Berufes, nicht meines Geschlechtes. Daß ich mit meiner Meinung zu diesem Thema zu einer Minderheit gehöre, weiß ich schon länger, spätestens jedoch seit ich mit Herrn Prof. Dr. Günther Drosdowski, dem Leiter der Duden-Redaktion, in der NDR-Talk-Show saß. Von ihm erfuhr ich, daß die Redaktion sich ernsthaft Gedanken macht, ob es nicht notwendig sei, auch die weibliche Form vieler Bezeichnungen in die 'Bibel der deutschen Sprache' aufzunehmen. Also nicht nur 'Kaufmann', sondern auch 'Kauffrau'. Nicht nur 'Doktor', sondern auch 'Doktorin'. Haben wir das wirklich nötig? Liebe Leserin, lieber Leser was sagen Sie dazu?
Schaut man sich heute amtliche und halbamtliche Rundschreiben an, dann scheinen Angelika Jahrs 1989 niedergeschriebene Worte von einem naiven, beinahe atavistischen Selbstbewußtsein zu strotzen. Im Jahre 2003 liest sich das viel fortschrittlicher, etwa so: Die Prüferin bzw. der Prüfer stellt der Kandidatin bzw. dem Kandidaten ein Thema, das sie bzw. er der Dekanin bzw. dem Dekan im Einvernehmen mit der Rektorin bzw. dem Rektor oder deren bzw. dessen Stellvertreterin bzw. Stellvertreter -" (zur weiteren Lektüre komme ich nie, denn schon hat eine unwiderstehliche Kraft mir das Rundschreiben in den Papierkorb hinabgezogen).
Ein Ende des Ideologischen Zeitalters ist nicht in Sicht. Immerhin hält es uns ja bereits einige Generationen fest im Griff, wenngleich mit wechselnden, völlig austauschbaren Vorzeichen. Es bedarf folglich keiner visionären Begabung zu behaupten, daß wir noch manches aus dem eingangs erwähnten alchimistischen Labor zu gewärtigen haben, wovon sich die Schulweisheit unserer Tage augenblicklich nichts träumen läßt. Es ist eben wie eh und je: Ein mächtiges Häuflein nimmt sich die Sprache, um sie ganz nach seiner Laune zu frisieren, fritieren und füsilieren.
Doch erst einmal sehe ich vertrauensvoll der nächsten Auflage des Duden entgegen, in die, gleichsam als Lichterkette gegen jegliche Form von Diskriminierung, unter den 5000 neuen Wörtern endlich der Männerparkplatz Eingang finden wird. Ganz bestimmt.
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Heinz Erich Stiene
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