Widersinngebung
Liebe ReMa!
Du schreibst: „Was zusammen gehört, soll zusammenbleiben.“ Das ist ein köstliches Paradoxon, das erst durch die Rechtschreibreform ermöglicht wurde. In oben notierter Form ist das ein dichterischer Hammer – sehr ausdrucksstark!
Denkt man alleine über diese wenigen Worte nach, dann wird der Zwiespalt offenkundig, den viele Menschen haben, die sich nach heiler Welt sehnen, die in Sachen „heile, befriedete Welt“ missionieren, aber nicht mehr erkennen können, daß in ihnen selbst schon der Frieden zerstört und die Harmonie zerbrochen ist.
Mir fielen dazu sofort die Worte vom Traualtar ein: „Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.“
Über diese Worte, über den symbolischen Gehalt dieser Schlichtheit, möchte ich im folgenden palavern. Die Fragen nach dem Warum (?) – das ist die Leitidee dieses Fadens – aber auch die Frage nach dem Wozu (?) sollen berührt werden.
An alle:
Wir leben in einer Zeit mit erschreckend hohen Scheidungsraten, mit erschreckender Orientierungslosigkeit, mit überbordenden Egoismen und Integrationsmängeln; mit laut vorgetragenen Appellen zugunsten von Individualisierung – bei gleichzeitigen massiven Einschränkungen mit Hilfe von Normen und Gesetzen ...
Wir leben! Wofür, für wen, wozu?
Da ist der Bürokratenstaat – möglicherweise heißt das auch „Rechtsstaat“, oder „Demokratie“ (Begriffe, die niemals identisch werden, die sich vielmehr ähnlich der Parallelen in alle Ewigkeit niemals schneiden werden).
Wir lassen regeln, und wir sind unfähig, fehlerhaft gefertigten Regeln und „Missständen“ im nachhinein zu widersprechen, weil wir Entscheidungs- und Emanzipationsschwäche haben, und weil wir ein Wissensdefizit haben, das täglich größer wird – um so mehr, als wir all unsere Kompetenzen und all unsere geistigen Fähigkeiten, Gefühls- und Ausdrucksstärken auf Maschinen und Bürokraten übertragen.
Wir stellen Blankochecks aus, hoffend darauf, daß es irgendwo verantwortliches Handeln gibt, irgendwo – außerhalb von uns.
Nein, liebe Freunde. Das gibt es nicht!
Verantwortung, die wir einst delegiert haben, gilt es zurückzuholen, weil jene erhoffte Verantwortungsbereitschaft außerhalb von uns nicht existiert, weil Gottvertrauen, Tugend, Moral, Werteempfinden und Sachkenntnis ... aussterbende, urgesellschaftliche Produktionen sind, die man in der heutigen (modernen und aufgeklärten) Welt scheinbar nicht mehr braucht, zumal man die nicht verkaufen kann; zumal mit derartigen Kategorien auch kein Gewinn zu erzielen ist.
Wir lassen verbinden: Traualtar oder Rathaus.
Wir lassen scheiden: vor Gericht.
Wo aber bitte kämpfen
Wir noch für uns selbst – ohne Institutionen?
Wenn nicht bald eine Wende kommt,
werde ich mich hier abseilen,
weil ich weiß, daß es wirklich
Wichtigeres gibt als diese Rechtschreibreform.
Warum bitte, setzen wir so viel – gar das
Wesentlichste – auf’ s Spiel?
Warum? Oder heißt die Frage doch besser:
Wozu?
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