Norbert Richard Wolf
(Mit Anmerkungen von Th. I. in eckigen Klammern]
Norbert Richard Wolf
Hinweise zu einigen Spezialfällen der Rechtschreibreform
1. Getrennt- und Zusammenschreibung
1.1. Substantiv und Verb
Verbindungen von Substantiv und Verb werden in der Regel getrennt geschrieben, das Substantiv hat einen großen Anfangsbuchstaben:
Rad fahren ich fahre Rad ich bin Rad gefahren
Desgleichen: Acht geben, Acht haben, Bankrott gehen, Eis laufen, Halt machen, Hof halten, Kegel schieben, Kopf stehen, Maschine schreiben, Maß nehmen, Not tun, Pleite gehen, Probe fahren, Rad schlagen.
[Bankrott und Pleite gehen sind grammatisch fehlgedeutet, da gehen mit den entsprechenden Adjektiven verbunden wird. Not tun ist falsch, es liegt das Adjektiv not zugrunde.]
Verbindungen, in denen das Substantiv verblasst ist, werden zusammengeschrieben: heimreisen, heimbringen, heimsuchen, heimzahlen, irreführen, irreleiten, irrewerden, preisgeben, standhalten, stattfinden, stattgeben, teilnehmen, teilhaben, wettmachen, wundernehmen.
Deshalb: Viele Gäste nahmen an der Feier teil. Das zahlte sie dem Chef heim.
[irre und wett sind keine Substantive, auch keine verblaßten.]
Ebenfalls zusammengeschrieben werden Fälle, in denen Substantiv und Verb eine untrennbare Zusammensetzung bilden: brandmarken er brandmarkte den Übeltäter, schlafwandeln der Professor schlafwandelte, schlussfolgern der Wissenschaftler schlussfolgerte.
Die Regel, dass Substantiv und Verb 'normalerweise' getrennt geschrieben werden, gilt auch dann, wenn das Verb als Partizip gebraucht wird: die Achtung gebietende Persönlichkeit, ein Händchen haltendes Liebespaar, Hilfe suchende Studenten, Deutsch sprechende Touristen.
1.2. Verb und Verb
Verbindungen von einem Verb (im Infinitiv) mit einem zweiten Verb werden getrennt geschrieben: bestehen bleiben, bleiben lassen, fahren lassen, fallen lassen, flöten gehen, gehen lassen, sitzen bleiben, sitzen lassen, spazieren gehen, stecken bleiben.
Diese Regel gilt auch, wenn das zweite Verb als Partizip verwendet wird: der sitzen gelassene Liebhaber, der sitzen gebliebene Schüler.
[Diese Unterregel wurde 2004 aufgehoben, vgl. K 58 im neuen Duden.]
1.3. Partizip und Verb
Verbindungen von Partizip und Verb werden getrennt geschrieben: gefangen halten, gefangen nehmen, getrennt leben, verloren gehen.
Deshalb auch: getrennt lebende Ehepaare, gefangen gehaltene Tiere.
[Diese Regel wurde 2004 aufgehoben.]
1.4. Adjektiv und Verb
Verbindungen von Adjektiv und Verb werden getrennt geschrieben, wenn das Adjektiv steigerbar ist. Auch die Erweiterung mit sehr oder ganz gilt als Steigerung: gut gehen, ernst nehmen, geheim halten, gerade sitzen/halten/stellen, gering achten/schätzen, glatt gehen/hobeln/schleifen/streichen, lieb gewinnen/haben, nahe bringen/legen/liegen/stehen, offen bleiben/lassen/stehen, schlecht gehen, schwer fallen/nehmen/tun, übel nehmen, sich wund liegen, sich zufrieden geben.
Lässt sich das Adjektiv nicht steigern, dann wird die Verbindung zusammengeschrieben: bereithalten, bloßstellen, fernsehen, festsetzen (=bestimmen, festlegen), freisprechen, gutschreiben (=anrechnen), hochrechnen, krankschreiben, schwarzarbeiten, stilllegen, totschlagen, wahrsagen (=prophezeien).
Deshalb ist zu unterscheiden:
oDamit man den Text leicht lesen kann, muss man ihn groß schreiben.
oDie Substantive muss man im Deutschen weiterhin großschreiben.
oDer Redner konnte ganz ausgezeichnet frei sprechen.
oDer Richter musste den Angeklagten freisprechen.
oDer Schüler konnte schon (sehr) gut schreiben.
oIch werde Ihnen den Betrag gutschreiben.
Wenn das Adjektiv mit -ig, -lich oder -isch abgeleitet ist, wird die Verbindung immer d.h. auch wenn das Adjektiv nicht steigerbar ist getrennt geschrieben: fertig stellen, flüssig machen, heilig sprechen, heimlich tun, müßig gehen, ruhig stellen, selig preisen, selig sprechen, übrig behalten/bleiben/lassen.
[Gilt wahrscheinlich nicht für Partizipien; vgl. K 58 im Duden 2004: alleinseligmachend]
1.5. Adverb und Verb
Verbindungen von einem zusammengesetzten Adverb mit einem Verb werden getrennt geschrieben: abhanden kommen, allein erziehen/erziehend, allein selig machen/machend, allein stehen/stehend, anders denken/denkend, anders lauten/lautend, anheim fallen/stellen, auswendig lernen, barfuß laufen, beiseite legen/stellen, daheim bleiben, fürlieb nehmen, überhand nehmen, vonstatten gehen, vorlieb nehmen, zugute halten/kommen, zunichte machen, zupass kommen, zustatten kommen, zuteil werden.
[Für Partizipien 2004 aufgehoben, daher alleinerziehend usw. wieder zugelassen.]
Folgende Verbindungen können unterschiedlich geschrieben werden: infrage stellen/in Frage stellen, instand setzen/in Stand setzen, zugrunde gehen/zu Grunde gehen, zuleide tun/zu Leide tun, zurande kommen/zu Rande kommen, zuschanden machen/zu Schanden machen, zuschulden kommen lassen/zu Schulden kommen lassen, zustande bringen/zu Stande bringen, zutage fördern/zu Tage förern, zuwege bringen/zu Wege bringen.
[Hier sind nur die ausdrücklich aufgelisteten Beispiele erlaubt, d. h. es gibt keine anwendbare Regel.]
Verbindungen aus aneinander, aufeinander, auseinander usw. werden immer getrennt geschrieben: aneinander denken, aufeinander aufpassen, zueinander passen, durcheinander bringen, nebeneinander sitzen, übereinander liegen, zueinander finden.
[Gilt seit 2004 nicht mehr für Partizipien.]
Verbindungen mit Adverbien, die mit -wärts gebildet sind, werden ebenfalls konsequent getrennt geschrieben: abwärts/aufwärts gehen, vorwärts kommen.
[Gilt seit 2004 nicht mehr für Partizipien.]
1.6. Verbindungen mit sein
Verbindungen mit sein werden stets getrennt geschrieben: an sein, auf sein, aus sein, dabei sein, drauf sein, zumute sein, zurück sein, zusammen sein.
außerstande, imstande und zumute können auch als Wortgruppe behandelt werden: außerstande sein/außer Stande sein, imstande sein/im Stande sein, zumute sein/zu Mute sein.
1.7. Verbindungen mit irgend-
Verbindungen mit irgend- werden durchweg zusammengeschrieben: irgendein, irgendetwas, irgendeinmal, irgendwer, irgendwie, irgendwo(hin).
Aber: irgend so ein, irgend so etwas
2. Großschreibung von Substantiven in festen Gefügen mit Verben
Wie in 1.1. schon gesagt, werden in Verbindungen von Substantiv und Verb die Substantive immer groß geschrieben: Auto fahren, Diät leben, Eis laufen, Folge leisten, Hof halten, Kegel schieben, Kopf stehen, Leid tun (aber: es leid sein), Maschine schreiben, Maß halten, Not leiden, Not tun, Pleite gehen (aber: pleite sein/werden), Rad fahren, Recht sprechen, Schlange stehen, Angst haben (aber: mir ist angst), jemandem Angst und Bange machen (aber: mir ist angst und bange), Recht haben/behalten/bekommen, jemandem Recht geben, Schuld haben (aber: schuld sein).
[In Leid tun, Not tun, Pleite gehen sind keine Substantive enthalten, Recht ist desubstantiviert, vgl. wie recht du hast usw.; diät ist adverbial: wie lebst du?, nicht was lebst du? Vgl. "Bei Ausdrücken wie leid tun, not tun, weh tun, schuld sein, gram sein; mir ist angst, wol, wehe, not ist von selbst klar, daß das zum einfachen Verbum hinzugetretene Element nicht als Substantivum fungiert; (man erkennt) die nicht substantivische Natur jenes Zusatzes am besten durch Hinzufügung einer nähern Bestimmung. Man sagt er (...) hat ganz recht, hat vollständig unrecht u. dgl. Die Anwendung von Adverbien, nicht von Adjektiven, zeigt, daß man einen verbalen Ausdruck, nicht ein Verb mit einem substantivischen Objekt vor sich hat." (Konrad Duden: Die Zukunftsorthographie. Leipzig 1876, S. 70)]
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Th. Ickler
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