Englisch
>>http://www.zeit.de/2004/34/Englische_Rechtschr
Das Englische: Glücklich im Chaos
Vor genau 70 Jahren verpasste ein gewisser Oberst McCormick der Chicago Tribune eine Rechtschreibreform – das Recht nahm er sich, weil im Englischen das gesprochene Wort so gut zum geschriebenen passt wie ein Eisbär zur Antarktis (beide sind gaaanz weit auseinander). Außerdem war der Colonel der Besitzer des Blattes. Aus island wurde iland, aus thorough wurde thoro, und das through verkam zum thru. Seine Nachfolger hielten bis 1975 durch, dann kehrten sie zu dem orthografischen Chaos zurück, das die englische Sprache seit dem 5. Jahrhundert auszeichnet, als sich das Germanische mit dem Lateinischen und Keltischen vermischte. Dann (1066ff) marschierte das Französische ein, und mit ihm Wörter wie lieutenant, das auf der Insel lefftenent und in Amerika luutenent ausgesprochen wird.
Seitdem wehrt sich English (ausgesprochen: »Inglisch«) recht erfolgreich gegen jede verordnete reform (»rieform«). Im Jahre 1906 befahl Präsident Teddy Roosevelt seiner Regierung, 300 Wörter nur noch in vereinfachter Schreibform zu benutzen; der Kongress legte sein Veto ein. Von 1857 bis 1940 versuchten Privatorganisationen, die Sprache zu verbessern; mal ging es bloß um elf, mal gar um 3500 Wörter. Stets revoltierte das gemeine Volk, auch wenn es darum ging, unnütze, weil stumme Buchstaben zu verbannen – wie das »k« in knee , das »b« in debt oder das »e« in infinite. Nur einmal gelang eine bescheidene Straffung, als Noah Webster 1828 in seinem American English Dictionary (ausgeprochen: »dikshunairee«) verfügte, eine Reihe von »u« zu verstoßen; so aus den Wörtern harbour oder labour.
Auf beiden Seiten des Atlantiks brachen wütende Proteste aus, aber usage obsiegte. Und so war’s im Grunde immer, seit Samuel Johnson 1755 in seinem Dictionary of the English Language aufschrieb, was er in anderen Wörterbüchern und in den Werken bedeutender Autoren so gelesen hatte. Auch heute machen es Webster’s oder Oxford English Dictionary kaum anders; vorweg registrieren sie, aber kujonieren nicht; letztlich setzt sich urdemokratische usage durch. Erlaubt ist viel; siehe die 14 Wörterbücher in Word – von Englisch (Australien) bis Englisch (Zimbabwe).
Niemand käme auf die Idee, Belize und Trinidad, England und USA in einem großen Rechtschreibrat zu versammeln, um der Sprache Logik, Ordnung und »foneetische« Korrektheit zu verordnen. Dies mag auch erklären, warum Englisch zur erfolgreichsten Fremdsprache der Welt avanciert ist.
– Josef Joffe
(c) DIE ZEIT 12.08.2004 Nr.34 <<
Oder hängt Englands Spracherfolg damit zusammen, daß seit Trafalgar selig (1805) englischsprachige Schlachtschiffe der Weltmeere Wogen beherrschen und daß Albions Töchter, Söhne und Enkel mit Echolon und ähnlichem umkönnen? Ja, ich weiß, das ist alles Verschwörungstheorien geschuldet, aber auch der letzte „Zeit“-Absatz ist eine logische Herausforderung.
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Detlef Lindenthal
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