Rheinpfalz

7.8.2004Streit um Rechtschreibung tobt seit zwanzig Jahren- Die wichtigsten Stationen der Reformdebatte
Ein Jahr bevor die Rechtschreibreform an deutschen Schulen verbindlich werden soll, kehren die beiden Medienhäuser Springer und Spiegel zur alten Rechtschreibung zurück. Die Verlage erreichen nach eigenen Angaben mit ihren Titeln rund 60 Prozent der Bevölkerung. Mehrere Ministerpräsidenten hatten sich in den vergangenen Wochen zumindest für eine teilweise Rücknahme der Regeln ausgesprochen und damit die bereits vor zwanzig Jahren auf den Weg gebrachte Reform in Frage gestellt. AFP gibt einen Überblick über das jahrelange Tauziehen um die richtige Schreibung:
Streit um Rechtschreibreform (DDP/AFP)
1984: Die Kultusmusministerkonferenz (KMK) der Länder beauftragt einen internationalen Arbeitskreis aus Fachleuten aller deutschsprachigen Staaten und Länder mit deutschsprachigen Minderheiten mit der Erarbeitung von Reformvorschlägen.
1995: Die KMK und die Ministerpräsidenten der Bundesländer billigen im Dezember einen Reformvorschlag, auf dessen Grundzüge sich Experten nach jahrelangen Beratungen und der Anhörung von insgesamt 43 Verbänden in den 3. Wiener Gesprächen geeinigt hatten.
1996: Das Bundeskabinett nimmt die Beschlüsse der KMK und der Länder-Regierungschefs am 17. April zur Kenntnis. Daraufhin unterzeichnen am 1. Juli Deutschland, Österreich, Schweiz sowie die zuständigen Stellen in Belgien, Italien, Liechtenstein, Ungarn und Rumänien die Absichtserklärung von Wien. Darin erklären die Teilnehmer, sich für die Umsetzung des Regelwerkes einzusetzen. Die Kultusminister beschließen im November, dass die Reform zum 1. August 1998 an allen Schulen in Kraft treten soll. Eine Übergangsregelung erlaubt bis ins Jahr 2005 weiterhin die alte Schreibweise.
Angesichts der konkreten Beschlüsse machen die Gegner der Reform mobil. Eltern beklagen einen Eingriff in ihr Elternrecht und das Persönlichkeitsrecht ihrer Kinder; Schriftsteller formulieren im Herbst bei der Buchmesse in der so genannten Frankfurter Erklärung ihren gemeinsamen Protest. Im Juni befasst sich erstmals das Bundesverfassungsgericht mit der Rechtschreibreform und verwirft eine Klage, weil die Kläger zuvor nicht den Rechtsweg über die Fachgerichte beschritten hatten.
1998: Das BVG erklärt am 14. Juli die Rechtschreibreform für verfassungsgemäß. Damit können die neuen Schreibregeln an allen Schulen bundesweit zum 1. August in Kraft treten. Die Verfassungsrichter erklären, der Umfang der beabsichtigten Schreibänderungen sei so gering, dass die Reform keinen wesentlichen Eingriff in Elternrechte darstelle. In Schleswig-Holstein sprechen sich die Bürger bei einem Volksentscheid am 27. September mehrheitlich gegen die Umsetzung der Reform an den Schulen aus. Die neuen Schreibregeln werden zwischenzeitlich von den Lehrplänen verbannt.
1999: Am 1. August stellen die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen und mit ihnen die große Mehrheit der Zeitungen und Zeitschriften auf die neuen Schreibregeln um. Der Landtag in Kiel hebt am 17. September den Volksentscheid des Vorjahres einstimmig wieder auf. Ab November werden die Schüler wieder nach den neuen Regeln unterrichtet.
2000: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kehrt ab 1. August zur alten Rechtschreibung zurück. Die Entscheidung löst eine neue Debatte über das Regelwerk aus.
2004: Die KMK beschließt kleinere Änderungen an der Reform, die vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung betreffen. Die Reform soll aber wie geplant im August 2005 an deutschen Schulen verbindlich werden. Einzelne Länder-Regierungschefs wie der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) stellen die Regeln erneut in Frage. Die Reform wird voraussichtlich im Oktober erneut die Ministerpräsidentenkonferenz beschäftigen.
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afp, Samstag, 07. Aug, 13:55 Uhr
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