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Sigmar Salzburg
31.07.2015 06.23
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Rechtschreibreform

Worte auf Verdacht

[Wandtafel „Bankrott gehen, bankrottgehen“]
Nachher war nichts besser, sondern alles egal: Vor allem im Internet schreibt heute jeder, wie er will. (BILD: dpa)

Von Steffen Könau

Zwei Jahrzehnte nach der großen Rechtschreibreform ist das Schreiben flüssiger geworden: Im Internet und überhaupt hat die Sprache ihre Regeln verloren. Offensichtlich schreibt heute jeder, wie er will.

Es muss irgendwo unterwegs auf dem langen Weg zwischen der Einführung der Rechtschreibreform am 1. August 2005 und heute gewesen sein, als das Komma starb. [Nein, es begann schon 1996 in den Schulen!] Es war ein stiller Tod, von niemandem bemerkt oder bedauert. Es gab nun Talkshows, die „Hart aber fair“ hießen. Und Zeitschriften, die warben, in ihnen sei zu „lesen was gesund macht“. Kein Komma, nirgends. Und keine Träne wurde ihm nachgeweint.

Der Anfang eines Endes, das ein neuer Anfang für die bis heute gültige Schriftform der deutschen Sprache geworden ist. Galt im Zeitalter vor der dritten und letzten Rechtschreibreform der Grundsatz, dass ein Wort geschrieben wird, wie es geschrieben wird, weil es anderenfalls falsch geschrieben wäre, so hat die 2004 und 2006 reformierte Reformrechtschreibung vor allem eine Auflösung dieser Verbindlichkeit bewirkt. Manche Zeitungen hielten sich an die neuen Vorgaben, andere blieben bei den alten. Einige taten erst dies, dann wieder das. Und doch grüßt täglich der Rechtschreibfehler.

Auch Freizeitschreibern geht es so ähnlich. Schulwissen hat sich im Ungefähren aufgelöst. Aus „Zierat“ wurde „Zierrat“ und aus Potential Potenzial, der Thunfisch konnte nun auch ein Tunfisch sein und neben „aufwendig“ ist jetzt auch das neue „aufwändig“ möglich.

So viele Möglichkeiten. So viel Ungewissheit. Allerdings ist bald klargeworden, dass es dort, wo niemand mehr etwas weiß, völlig egal ist, ob man selbst noch eine Ahnung hat. Die Rechtschreibreform brachte so Selbstbewusstsein zu denen, die bis dahin schüchtern verbergen mussten, dass sie sich nicht zu Hause fühlten im geschriebenen Wort.

Das Ergebnis ist jeden Tag auf Whatsapp, Facebook, Twitter und den Diskussionsforen der Nachrichtenportale zu besichtigen. Regellosigkeit ist die Regel. Nach dem Komma und all den anderen Satzzeichen stirbt die Grammatik, sterben Satzbau und der Anspruch, Gedanken geradeaus zu formulieren.

Stattdessen liest der Schauspieler Til Schweiger, der sich für Flüchtlinge stark gemacht hat, auf seiner Facebook-Seite hieroglyphische Kommentare. „Wenn ich diese Kohle hätte wie mancher Promi dann wäre es mir auch egal wer sich da vor meiner gut gesichten Villa tummelt, da gibt es noch einen der ganz oben in einer Hotelsuit wohnt“, schreibt einer im Stil des Kochs einer Buchstabensuppe, der sie bei Tisch ausschüttet.

Das ist die übliche Tonart im Netz. Ein Gemisch aus Jugendslang, Unwissen, Luschigkeit, T9-Automaten und elektronischer Autokorrektur. Leberwurst wird zu Lederausstattung, Lyoner zu Lügner, heute zu Hure und Frauenlogik zu Fragebogen. Weil es immer schnell gehen muss, schaut niemand nach. Und alles landet so bei Whatsapp-Empfängern, Twitter-Followern, E-Mail-Empfängern und in der Facebook-Öffentlichkeit. Wo früher ein Komma war, ist heute ein Nichts. Wo es Bindestriche gab, klaffen Löcher. Wo Groß- und Kleinschreibung Orientierungshilfe gab, reihen sich kopflose Zeilen aneinander. Wo etwas Sinn hatte, schleichen sich Übersetzungen aus dem Englischen ein. Da macht es dann Sinn, besser nicht mehr nach dem Sinn zu fragen.

Groß, klein, zusammen oder auseinander. Alles ist richtig, nichts ist falsch. Der Deppenapostroph, der „Uschi’s Imbiss“ und „Peggy’s Nagelstudio“ nach dem Ende der DDR die Weltläufigkeit eines amerikanisches Kleinstadtdiners verleihen sollte, feiert traurige Urständ. Und der seltene Schulterblick danach, wie etwas geschrieben werden müsste, gilt 160 Jahre nach Grimms Deutschem Wörterbuch nicht dem Duden. Sondern Google, der großen Wahrheitsmaschine. Die weiß alles, aber sie weiß es auch nicht: Brillant schreibt sie „brilliant“. Das ist zwar falsch. Aber bestimmt nicht mehr lange. (mz)

mz-web.de 31.7.2015

[Einschübe im Text:]

Geblieben ist das Doppel-S
Von Anfang an umstritten, dann boykottiert und reformiert – die Rechtschreibreform brachte zahlreiche Änderungen, die von den erwachsenen Schreibern zu einem großen Teil nie akzeptiert worden sind. Dass „After-shave-Lotion“ früher „After-Shave-Lotion“ geschrieben wurde, heute aber „Aftershavelotion“ oder „Aftershave-Lotion“ geschrieben werden soll, leuchtet kaum ein.

Ebensowenig [heute „falsch“], welchen Vorteil es hat, das früher zusammengeschriebene „drinsein“ heute zu trennen, während das ehemals getrennte „darüber hinausgehend“ nun ein Wort sein soll. Bleibend an der Reform war so für viele nur die Ablösung des „ß“ durch das Doppel-S. Aber Vorsicht: Großstadt und Fußball haben ihre ß behalten! (stk)

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Sigmar Salzburg
19.11.2011 11.34
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Vorlesetag

Wer Geschichten lauscht, kann seine Noten verbessern

BITTERFELD-WOLFEN/MZ. „Lies!“ An diese gut gemeinte Aufforderung ihrer einstigen Lehrerin kann sich Anne Bär noch gut erinnern. Damals war sie Grundschülerin und hatte Probleme mit der Rechtschreibung. Fortan aber „habe ich alles in mich reingelesen“, erinnert sich die 49-Jährige. Nicht nur der Rechtschreibung wegen – sondern, weil sie Gefallen daran fand. Mit dem Ergebnis: „Es hat geholfen.“

[ Damals half es noch!]

In gewisser Weise übernimmt Anne Bär in Bitterfeld-Wolfen nun ebenso die Rolle der Anstifterin, was das Lesen angeht: Vor zwei Jahren hatte sie, damals arbeitslos, nach einer ehrenamtlichen Aufgabe gesucht. Als sogenannte Engagement-Lotsin rief sie ein Lesepaten-Projekt ins Leben, das sie heute im Rahmen der Bürgerarbeit koordiniert. […]

Auch in Sachsen-Anhalt wird heute häufig öffentlich zum Buch gegriffen – zum Beispiel von vielen Landesministern. Rund 11 000 Aktionen wurden deutschlandweit angemeldet, heißt es bei den Organisatoren des Vorlesetages, der eine Initiative der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutschen Bahn ist. Gerade haben diese eine Studie zur Bedeutung des Vorlesens veröffentlicht, deren Fazit vielversprechend klingt: Je mehr einem Kind vorgelesen wird, desto besser entwickelt es sich. Die Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Bereichen – von Leseverhalten und Schulerfolg bis hin zu Freizeitgestaltung und sozialer Kompetenz.

So offenbart die Studie, für die 500 Kinder und Jugendliche von 10 bis 19 Jahren befragt wurden, nicht nur positive Effekte von Vorlesen auf die eigene Lesefreude – sondern auch auf die Noten in Mathe und Deutsch…

mz-web.de 17.11.2011

„gut gemeint“ ist natürlich möglich, aber nach Reformplan sollte die Zusammenschreibung gänzlich verboten werden.

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Norbert Lindenthal
01.08.2007 04.23
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Warum unterschlägt dpa den Volksentscheid?

Und warum fällt das der MZ nicht auf?

Mitteldeutsche Zeitung MZ 31.07.07, 14:09h

Deutsche Rechtschreibung
Der jahrelange Streit um die Reform

1998 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Beschlüsse für rechtmäßig

erstellt 31.07.07, 14:09h, aktualisiert 31.07.07, 14:19h

Hamburg/dpa. Wichtige Etappen im jahrelangen Streit um die jetzt endgültig in Kraft tretende Rechtschreibreform:
1. Juli 1996: Nach mehr als zehnjähriger Beratung einer Expertenkommission unterzeichnen Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und die Länder mit deutschsprachiger Minderheit eine Erklärung zur Rechtschreibreform.
6. Oktober 1996: Auf der Frankfurter Buchmesse unterschreiben 100 Schriftsteller und Wissenschaftler die «Frankfurter Erklärung» für einen Stopp der Reform.
14. Juli 1998: Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Reform für rechtmäßig und weist eine Klage als unbegründet ab.
1. August 1998: Die neue Rechtschreibung tritt für alle Schulen und Behörden in Kraft. Die Übergangszeit, während der auch die alte Schreibweise erlaubt ist, endet zum 1. August 2005.
31. Juli 1999: Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen setzen die Reform um – allerdings mit einigen Besonderheiten.
1. August 1999: Nahezu alle Zeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erscheinen nach den neuen Regeln.
3. August 2000: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung appelliert an Zeitungen, Verlage, Betriebe und staatliche Stellen, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren.
10. September 2000: 64 Prozent der Deutschen lehnen laut einer Umfrage die Rechtschreibreform ab.
29. Juli 2004: Die Mehrzahl der 16 Ministerpräsidenten plädiert dafür, die neuen Regeln wie von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen zum 1. August 2005 verbindlich einzuführen.
17. Dezember 2004: Der Rat für deutsche Rechtschreibung konstituiert sich in Mannheim. Die Expertengruppe soll Empfehlungen zu besonders strittigen Punkten geben.
8. April 2005: Der Rat plädiert dafür, die Reform teilweise rückgängig zu machen und etwa wieder mehr Verben zusammenzuschreiben.
2. Juni 2005: Die unstrittigen Teile sollen wie geplant für Schulen und Behörden verbindlich werden, beschließt die KMK.
16. Juli 2005: Bayern und Nordrhein-Westfalen kündigen an, dass sie entgegen dem früheren Ministerpräsidenten-Beschluss die verbindliche Einführung der neuen Regeln verschieben.
1. August 2005: In Schulen und Behörden werden die als weitgehend unstrittig geltenden Teile der Reform endgültig verbindlich.
3. Februar 2006: Der Rat für deutsche Rechtschreibung beschließt Änderungen für die Groß- und Kleinschreibung. Zuvor hatte er bereits Änderungsvorschläge für die Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Silbentrennung und Zeichensetzung vorgelegt.
2. März 2006: Die Kultusminister akzeptieren die Änderungen.
30. März 2006: Die Ministerpräsidenten billigen einstimmig die Korrekturen.
1. August 2006: Die modifizierte Rechtschreibreform wird bundesweit in Schulen und Behörden gültig.
1. August 2007: Die Rechtschreibreform tritt in Deutschland endgültig in Kraft: Die Übergangsfrist, in der überholte Schreibweisen in den Schulen noch nicht als Fehler angerechnet wurden, läuft ab. In Österreich gilt die Übergangsfrist noch ein Jahr länger, in der Schweiz sogar zwei Jahre.
Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen AFP, AP, APA, Dow Jones, ddp, dpa, epd, KNA, sid und Reuters stellen ihre Rechtschreibung um. Um einheitlich zu schreiben, haben sie sich in allen Fällen, in denen unterschiedliche Schreibweisen zulässig sind, für eine bestimmte entschieden.

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Norbert Lindenthal
03.04.2006 06.48
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Eine gute Nachricht für Halle

Gastkommentar
von Hans-Dietrich Genscher, 02.04.06, 19:33h

Bundeskulturstiftung: Eine gute Nachricht für Halle



Was immer die Motive für die Vertagung der Fusionsentscheidung sein mögen, die Bedeutung für den Sitz Halle ist eindeutig. Was die übrigen Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz angeht, so sind mehr als nur Zweifel angebracht. Bei der Rechtschreibreform hat man den Eindruck, als sei oberstes Entscheidungsmotto gewesen – Augen zu und durch. Man kann nur der Resolution der Schriftsteller zur Orthographie zustimmen, die feststellen: „Der Staat gehört nicht zu den Instanzen, denen Literatur sich unterwirft.“ Was in dieser Frage Kindern, Lehrern und Eltern zugemutet wurde, ist in Wahrheit unzumutbar. Da wird über Überbürokratisierung und Regulierungswut geklagt, aber der deutschen Sprache wird eine Art orthographische Zwangsjacke angelegt.

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Norbert Lindenthal
07.03.2006 05.46
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Reformitis von der Qualität der Rechtschreibreform

Mitteldeutsche Zeitung, Sachsen-Anhalt

Gastbeitrag

Reformitis von der Qualität der Rechtschreibreform


von Hans- Dietrich Genscher, 06.03.2006, 20:32 Uhr

Halle. Föderalismusreform scheint das große Beispiel der Reformfähigkeit der schwarz-roten Koalition werden zu sollen. Hat sich tatsächlich die Zuständigkeitsverteilung der beiden staatlichen Ebenen als Fortschrittshindernis erwiesen? Richtig ist, dass große Reformprojekte aufgeschoben wurden, weil sie parteiintern bei CDU oder SPD nicht durchsetzbar erschienen. Das gilt für die Steuerreform, Rentenreform und Krankenversicherungsreform. Ob der ausreichende Reformwille jetzt vorhanden ist, muss bezweifelt werden. Ebenso bedenklich wäre ein Aufschub mit Rücksicht auf die Landtagswahlen. Die Wähler haben Anspruch auf die Wahrheit vor der Wahl.
Bleibt also die Föderalismusreform als Reform-Alibi? Noch können Inhalt und Auswirkungen nicht voll übersehen werden. Dennoch sind in drei zentralen Fragen wohlbegründete Vorbehalte zu machen. Der vorgesehene Rückzug des Bundes aus dem Bereich Wissenschaft und Forschung ist angesichts globaler Herausforderungen ein Schritt in die falsche Richtung. Die unterschiedliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bundesländer wird diese Unterschiede in dem zentralen Zukunftsbereich Wissenschaft und Forschung noch vergrößern. Was das für die neuen Bundesländer bedeutet, liegt auf der Hand. Der Unterschied zu den wohlhabenderen Bundesländern wird sich vergrößern. Die Zersplitterung des Schulwesens wird ein zusätzliches Mobilitätshindernis werden.
Bedenklich ist auch die beabsichtigte Zersplitterung des Umweltrechtes. Wir bemühen uns um europa-und weltweite Normen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und in der Bundesrepublik wird der Rechtszersplitterung Tür und Tor geöffnet. Eine Forderung des Grundgesetzes ist die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Um diese auch für den öffentlichen Dienst besser verwirklichen zu können, wurde Anfang der 70er Jahre die Bundeskompetenz für das Besoldungsrecht der Beamten sichergestellt.
Anfang der 70er Jahre war es mir als Bundesminister des Innern möglich, den großen Reformen zur Vereinheitlichung des öffentlichen Dienstrechts und für die Schaffung einen fortschrittlichen Umweltrechts die erforderlichen verfassungsändernden Mehrheiten zu verschaffen. Das Ergebnis: Deutschland ist im Umweltschutz führend und hat ein modernes öffentliches Dienstrecht. Soll das jetzt alles beseitigt werden? Vorwärts – zurück – das ist kein Zukunftskonzept, das ist Reformitis von der Qualität der Rechtschreibreform.

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Dominik Schumacher
03.10.2004 16.23
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3.10.2004, 16.41 Uhr

Gastbeitrag

Die Kultusministerkonferenz auflösen – und neu gründen

VON Hans-Dietrich Genscher
, 16:41h

Deutschland

    Deutschland feiert die Einheit
    Niedersachsen will Dienstag KMK-Vertrag kündigen
    Plädoyer für Festhalten an der Rechtschreibreform


MZ.  Ministerpräsident Wulff hat Recht, wenn er den Austritt seines Bundeslandes aus der Kultusministerkonferenz (KMK) ankündigt. Die KMK in ihrer gegenwärtigen Struktur ist überholt. Legitimitätsprobleme hatte sie immer. Sie unterscheidet sich prinzipiell von allen anderen Fachkonferenzen der Länderminister. Der Arbeit der KMK liegt ein Staatsvertrag aller Bundesländer zugrunde. Das Einstimmigkeitsprinzip lähmt jeden Fortschritt. Es stärkt die beharrenden Kräfte. Verfassungsrechtlich, zumindest aber verfassungspolitisch bedenklich ist die Bürokratie der KMK, die mehrere hundert Mitarbeiter umfasst. Sie steht außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle. Das mag Ursache mancher Fehlentwicklungen in der deutschen Bildungspolitik sein, für die natürlich am Ende die Kultusminister die Verantwortung tragen – aber jeder für sich und nicht die Konferenz als Institution.

Es ist schon erstaunlich, dass die Länder ausgerechnet in dem Bereich, für den sie allein Verantwortung tragen den Gedanken des Wettbewerbs der Ideen und der Initiativen durch die Arbeitsweise der KMK vernachlässigen. Das Ergebnis sind Nonsensprojekte wie die Rechtschreibreform, die offensichtlich die KMK und ihre Behörde so in Anspruch genommen haben, dass es erst der Pisa-Studie und einer OECD-Stellungnahme bedurfte, um eine bildungspolitische Diskussion in Gang zu setzen.

Es führt kein Argument daran vorbei, dass im Zeitalter der Globalisierung, das stark gekennzeichnet ist durch einen Wettbewerb der Bildungssysteme in den einzelnen Staaten dieser Welt, Deutschland weit von der Spitze entfernt ist. Zu wenig Lehrer, zu viel Bürokratie, Stundenausfall und zu große Schulklassen, überfüllte Hochschulen, Strangulierung des Wettbewerbs der Hochschulen, zu wenig Mittel für Forschung – das werden wir uns nicht mehr lange leisten können.

Natürlich müssen die Länder auch in Zukunft zusammenarbeiten, aber sie sollten es in der Form tun, wie das in den anderen Fachministerkonferenzen erfolgreich geschieht. Die Zähflüssigkeit der KMK, in der die vermeintlichen Fortschritte einer Bildungsreform verteidigt werden, die mehr ideologisch als fachlich bestimmt war, muss überwunden werden. Der Austritt Niedersachsens, der hoffentlich nicht ein Alleingang bleibt, sollte jene Bewegung schaffen, die noch immer Selbstgefälligkeit nötig hatte, um wieder konstruktiv zu werden, oder, um es direkter zu sagen: KMK auflösen und neu gründen!

Hans-Dietrich Genscher wurde am 21. März 1927 in Reideburg/Saale geboren. 1952 siedelte er in den Westen über. Von 1967 bis 1974 war er Innenminister und von 1974 bis 1992 Außenminister. Von 1974 bis 1985 war er FDP-Chef.

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Dominik Schumacher
31.08.2004 14.09
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MZ Mitteldeutsche Zeitung

Streit um Rechtschreibreform
 
Akademie plädiert für eine längere Übergangsfrist

«Ausgeburten bürokratischer Denkweisen» sollen in einem Jahr beseitigt werden

VON Sibylle Quenett, 30.08.04, 14:54h, aktualisiert 22:09h

Berlin/MZ.  Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat sich im Streit um die Rechtschreibreform für einen Kompromiss stark gemacht. In der Berliner Akademie der Künste warnten führende Vertreter am Montag vor einer Spaltung in zwei Schreibweisen, nachdem mehrere Großverlage zuletzt angekündigt hatten, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren.


    Die Büste von Konrad Duden steht am Mittwoch (25. August 2004) neben einem Exemplar der 23. Auflage des Duden in der Redaktion in Mannheim. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und andere Experten haben vor einer Spaltung der deutschen Sprache gewarnt und gleichzeitig einen Kompromiss im Streit um die Rechtschreibreform gefordert. (Foto: dpa)

    Hintergrund: Die Haltung der Länder zur Rechtschreibreform
    Archiv: Regierung will Rechtschreibreform nicht zurücknehmen
    Archiv: Streit um Rechtschreibung spaltet die Länder
    Archiv: Rechtschreibreform könnte in letzter Minute kippen
    Archiv: Rechtschreibreform wird am 1. August 2005 verbindlich

    EXTERNE LINKS
    Diskutieren Sie mit: Streit um die Rechtschreibung

Der Präsident der Akademie, Klaus Reichert, warb deshalb für einen ausgearbeiteten Vermittlungsvorschlag, der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung schon im Mai vergangenen Jahres vorgelegt worden war. Zwar halte auch die Deutsche Akademie die Rückkehr zur alten Schreibweise von 1992 für am einfachsten und kostengünstigsten, doch sei dies sachlich sehr schwierig. Um den „Rechtschreibfrieden“ wieder herzustellen, habe man sich deshalb zum Kompromiss durchgerungen.

Peter Eisenberg, Lehrstuhlinhaber für Deutsche Sprache an der Universität Potsdam und Mitglied der Rechtschreibkommission der Deutschen Akademie, sagte, die gültige Rechtschreibreform betreffe etwa vier bis fünf Prozent aller Wörter. Ziel des Vermittlungsvorschlages sei es, die Regelungen, die sinnvoll seien, zu übernehmen. Dazu zähle etwa der Wechsel von "ß" zu „ss“ nach Kurzvokalen. Hinnehmbar nannte Eisenberg auch die neue Schreibweise von „Känguru“ und „rau“ statt „Känguruh“ und „rauh“.

Strikt abgelehnt wird jedoch die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrenntschreibung. Eisenberg nannte als Beispiele „Kalten Krieg“ und „Schwarzes Brett“, die als Eigennamen zu behandeln seien. Die Trennung von Worten wie „kennenlernen“ oder „spazierengehen“ sei sinnentstellend. Reichert bezeichnete die geltende Reform als „Angriff auf die Strukturen der deutschen Sprache“.

Weniger harsch äußerte sich der Reformpädagoge Hartmut von Hentig. Er machte deutlich, dass man sich zu lange mit der Vereinfachung der Regeln statt mit der Vereinfachung des Lernens befasst habe. Hentig sagte, es sei natürlich für Lehrer leichter, Fehler zu zählen, statt Stil und Ausdruck von Texten zu bewerten. Für den Kompromissvorschlag spreche, dass er nicht nur weniger Regeln vorsehe, sondern diese auch verständlicher und liberaler gefasst seien.

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Norbert Lindenthal
18.08.2004 17.47
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MZ-web Mitteldeutsche Zeitung

Rechtschreibung
 
Neuer Heimatkalender nach alten Regeln

Kippt die Reform? – Verwirrung zum Beginn des Schuljahres

VON Anika Winkler, 18.8.2004, 18:23h, aktualisiert 18:58h

Wittenberg/MZ.  Konzentriert sitzt die Schülerin vor ihrem Heft. Das letzte Wort ist durchgestrichen. Zu lesen war „Delphin“. Nach kurzem Überlegen schreibt sie nun „Delfin“. Entsprechend den aktuellen Rechtschreibregeln hat die Kleine ihre Sache gut gemacht. Seit kurzem stellt sich jedoch die Frage, ob dies auch noch für die Zukunft gelten wird. Verwirrung zum Beginn des neuen Schuljahres.

„Eine Umkehr zu den alten Regeln wäre fatal“, findet Heike Brauer, Lehrerin an der Grundschule Friedrich Engels in Piesteritz. „Für die Umarbeitung der Schulbücher wurde so viel Geld ausgegeben“, begründet sie ihren Standpunkt. Als die Lehrerin für Deutsch, Mathematik, Sport und Ethik das erste Mal mit der Rechtschreibreform konfrontiert wurde, stand sie dem ganz optimistisch gegenüber. „Ich dachte, da kann man sicher einiges machen“, erklärt die Grundschullehrerin. Wenn sie jedoch heute resümiert, findet sie das Ergebnis nicht vollkommen gelungen: „Vieles stellt nicht unbedingt eine Vereinfachung dar“. Mittlerweile habe sie sich jedoch durch den ständigen Umgang an die neuen Regeln gewöhnt. „Das haben wir uns jahrelang mühsam erarbeitet“, berichtet sie. Ihren Schülern lehrt sie ab der ersten Klasse das Schreiben. „Für die Kleinen wäre es sicher nicht so schwierig, sich in Zukunft wieder an neue Schreibweisen zu gewöhnen“, erklärt sie abschließend. Es würde wohl eher bei Lehrern für weitere Verwirrung sorgen.

Ganz anders sieht das Mario Dittrich, Geschäftsführer des Drei Kastanien Verlages in Wittenberg: „Ich würde mich über eine Rücknahme der Reform freuen“. Auch den Wechsel des „Spiegel“-Verlages und der FAZ zu den alten Rechtschreibregeln begrüßt er. „Das sind so große seriöse Verlage, die denken sich doch etwas bei ihren Entscheidungen“, erläutert der Wittenberger. Auf die Frage, was das für sein Unternehmen bedeutet, entgegnet er: „Ich drehe die Nase nach dem Wind“, was soviel heißen soll, als dass er den bekannten Verlagen folgen will. „Ich habe mich sowieso nur widerwillig mit den neuen Regeln beschäftigt und sie nie wirklich akzeptiert“, betont der 39-Jährige. Die Korrekturleserin seines Unternehmens berichtige zwar auf Wunsch je nach alten oder neuen Regeln. „Für den Heimatkalender 2005 habe ich mich aber bewusst für die alte Rechtschreibung entschieden“, bekräftigt Dittrich. Abschließend meint jedoch auch er: „Die Schüler tun mir leid“. Falls die Reform tatsächlich gekippt wird, seien diese die Hauptleidtragenden.

Das sieht Jenny Marsel, Studentin des Lehramtes Deutsch aus Kropstädt ebenso. In ihrem Praktikum an einer Schule stellte sie fest: „Die Schüler haben sich in den letzten Jahren mühsam an die aktuellen Schreibregeln gewöhnt, eine Rückkehr zur alten Schreibweise wäre verwirrend“. Der Berliner Studentin selbst würde es nicht schwer fallen, sich wieder auf die alten Regeln umzustellen. „Im Studium nutzen wir zwar die neuen Schreibweisen, ich beherrsche die alten Regeln jedoch noch sehr gut“. Allgemein hielt sie die Reform nicht für unbedingt nötig. Nachdem aber auch alle Schulbücher und Unterlagen umgestaltet wurden, solle man doch letztendlich bei den aktuellen Regeln bleiben.

Die Meinungen über die Reform und eine eventuelle Rücknahme sind gespalten. Eindeutig ist nur, dass besonders Schüler die Leidtragenden bei einer erneuten Umwandlung wären.

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Norbert Lindenthal
18.08.2004 17.43
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MZ-web Mitteldeutsche Zeitung

Rechtschreibung
 
Österreichische Autoren fordern eigenes Deutsch

Manifest der Schriftsteller: Regierung soll sich aus der Debatte ausklinken

18.8.2004, erstellt 17:27h, aktualisiert 17:27h

    Österreichische Autoren um die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz fordern ihre Regierung auf, sich aus der Debatte um die Rechtschreibreform auszuklinken und stattdessen Österreichisch als eigenständige Sprache anzuerkennen. (Foto: dpa)
Wien/dpa.  Österreichische Autoren um die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz fordern ihre Regierung auf, sich aus der Debatte um die Rechtschreibreform auszuklinken und stattdessen Österreichisch als eigenständige Sprache anzuerkennen. In einem Manifest verlangen die Autoren von der österreichischen Regierung, «keine weiteren finanziellen Mittel für die „deutsche Rechtschreibreform“ mehr zur Verfügung zu stellen». Dabei gehe es nicht um Nationalismus oder Provinzialismus, sagte Initiator Christian Ide Hintze von der «schule für dichtung» in Wien am Mittwoch, sondern um die Anerkennung des österreichischen Deutsch als eigene, über Jahrhunderte gewachsene Sprache.

Die Eigenständigkeit des Österreichischen solle systematisch wissenschaftlich untersucht, festgehalten und in einer eigenen Grammatik definiert werden: «Jede Hochsprache bedarf einer eigenen Regelung». Das Österreichische solle nicht mehr als bloßer Dialekt oder umgangssprachliche Form des Deutschen behandelt werden.

In dem Manifest beziehen sich die Autoren auf ein Protokoll zum EU-Beitritt Österreichs, in dem die österreichische Sprache symbolisch anerkannt wurde. In dem Zusatz sind 23 Wörter wie Eierschwammerl (Pfifferlinge), Paradeiser (Tomaten) und Obers (Sahne) als spezifisch österreichische Begriffe aufgezählt. Diese Liste soll nach dem Willen der Autoren und Germanisten erweitert und «nicht als eine bloße Vokabelsammlung verstanden» werden.

Der Autor Robert Schindel begründete den Vorstoß damit, dass sich das Österreichische von der deutschen Hochsprache nicht nur in Bezug auf die Vokabeln, sondern auch in Syntax und Sprachmelodie unterscheide. Diese Unterschiede sollten als erster Schritt zur Anerkennung als eigene Sprache in der Rechtschreibung festgeschrieben werden.

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Norbert Lindenthal
13.08.2004 05.18
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Mitteldeutsche Zeitung

MZ im Gespräch mit Schriftsteller
 
Stefan Maelck: Wirklich Sorgen macht sich ja keiner

Frage- und Antwortspiel über Sinn und Unsinn der Debatte um Rechtschreibreform

erstellt 12.08.04, 18:42h, aktualisiert 20:13h

Delfin oder Delphin, das ist hier die Frage. Vom T(h)unfisch ganz zu schweigen. (Foto: dpa)


Stefan Maelck wurde 1963 in Wismar geboren, studierte Anglistik und Germanistik in Rostock. Danach: Forschungs- und Lehraufenthalte in den USA und England, Lektor bei Reclam Leipzig, seit 1994 freier Publizist und Radiomoderator. 2003 erschien bei Rowohlt sein Thriller „Ost-Highway“. Maelck lebt in Halle. (MZ-Foto: W. Scholtyseck)

Extra: Die MZ wird kein Hauruck-Verfahren mitmachen
Archiv: Kompromiss-Vorschlag im Streit um die Schrift
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Halle/MZ.  Rechtschreibung und kein Ende – der Streit um die Reform füllt das Sommerloch. Der in Halle lebende Autor Stefan Maelck war so liebenswürdig, unserem Redakteur Andreas Montag sechs „ge-emailte“ Fragen zu beantworten.

Herr Maelck, Sie haben mir eine Email geschickt, in der es gar keine Großschreibung gibt. Sind Sie etwa ein Radikalreformer?

Maelck: Nein, weder radikal noch Reformer, zumindest nicht, was die Rechtschreibung betrifft. Emails schreibe ich konsequent klein, seit ich mich dieses Mediums bediene.

Bei richtigen Briefen – handgeschrieben oder getippt – versuche ich mich an die Regeln zu halten die ich für sinnvoll halte und die ich beherrsche. Das macht die Angelegenheit schon etwas übersichtlicher.

Haben Sie die neuen Regeln alle verstanden? Beherzigen Sie sie? Oder ist Ihnen das egal?

Maelck: Wenn ich morgens aufwache denke ich zuerst: Bin ich nun allein stehend oder alleinstehend? Und was war gestern Abend in der Kneipe? Wie lange war ich da allein stehend und hat es etwas gebracht wieder dort rumzuhängen, also gegen das Alleinstehendleben. Darüber denke ich nach, während ich noch liege. Danach schweifen meine Gedanken kurz zum Überleben. Vielleicht sollte ich ein Call-Center gründen, wo man anrufen kann und fragen, ob das und das so und so geschrieben werden darf oder ob dann die Rechtschreibpolizei kommt und einen verhaftet und man dann als Alleinstehender seine Zeit ohne Besuch absitzen muß.

Wie hoch wäre denn die angemessene Strafe für die falsche Trennung eines Kompositums? Und ist Trennung nicht eigentlich immer bitter? Aber das führt jetzt zu weit, oder? Die letzte Reform, die ich mitgemacht habe, war die Postleitzahlenreform. Das war schon alles umständlich genug damals. Ansonsten stimme ich Elfriede Jelinek zu, die das Spektakel als „Bürokratenveranstaltung“ bezeichnet.

Sollte sich die Politik überhaupt um die Reform der Rechtschreibung kümmern?

Maelck: Wenn sich die Politik erst darum kümmert, dann verschwindet eine halbwegs verbindliche Rechtschreibung vielleicht bald ganz. Die Leidtragenden (schreibt man das so?) sind wieder die Schüler. Ab 30 hat dann ja sowieso jeder seine eigene Rechtschreibung.

Am besten gefällt mir der Sketch von Kaya Yanar, diesem Was-guckst-du-Typen, wo es heißt: 60 Millionen Deutsche sprechen nicht korrekt türkisch. Wenn Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten Bundeskanzler würde, könnte sich die Babel-Partei auch um die deutsche Sprache kümmern. Dafür müßte aber zunächst der Konjunktiv aus den Klauen der Politiker gerettet werden.

Hat die Reform der Rechtschreibung etwas mit der Entwicklung von Sprache zu tun?

Maelck: Eher mit dem Gegenteil davon, denn dynamische Dinge sind kaum mit Reformen zu fassen. Die Sprache entwickelt sich täglich, man sollte diese Entwicklung beobachten und darauf reagieren unter dem Aspekt was sinnvoll, praktisch und ästhetisch ist.

Alles was überreguliert wird, verliert Eigendynamik. Aber vielleicht liege ich falsch und das Berufsbild des Sprachregulierers würde jede Menge Arbeitsplätze schaffen. Dann nehme ich alles zurück.

Weshalb macht sich jetzt eigentlich alle Welt solche Sorgen um die deutsche Sprache?

Maelck: Wirklich Sorgen macht sich ja keiner. Die spielen sich doch alle nur auf? Wenn man beobachtet, dass deutsche Wörter wieder auf ihre etymologischen Hintergründe rückführbar werden sollen, nicht aber Fremd- und Lehnwörter, dann würde ich das eher als reaktionär bezeichnen.

Und wie steht es mit Ihnen? Besorgt oder entspannt?

Maelck: Belustigt. Als Anglist kann einen das nur amüsieren. Flavour oder Flavor, das ist letztlich doch egal und nicht mal eine Frage des Geschmacks – sondern ob man britischer oder amerikanischer Abstammung ist. Und außerdem ist das Etymologische Wörterbuch von Kluge absolut spannend.

Zum Beispiel die Herkunft der Wörter Spießbürger oder Schildbürger sollte geklärt werden, bevor man den Reformern und Gegenreformern einen Namen gibt.

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DS
09.08.2004 14.19
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MZ Mitteldeutsche Zeitung

Sprache
 
Kanzler Schröder gegen Rücknahme der Rechtschreibreform

Forderungen nach einer Volksabstimmung lösen neue Kontroversen aus

9.8.2004 13:02 Uhr

Berlin/Hamburg/dpa.  Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform. «Es gibt seitens der Bundesregierung keine Überlegungen, die Rechtschreibreform rückgängig zu machen», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans- Hermann Langguth. Der Kanzler habe bereits vor Wochen klar gemacht, dass er es für falsch halte, die Reform rückgängig zu machen. Langguth verwies auf die Zuständigkeit der Länder in dieser Frage. Unterdessen lösten Forderungen nach einer Volksabstimmung zur Orthografie neue Kontroversen aus.

Rund 70 Rechtsprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz forderten am Montag eine Volksbefragung. Das Grundgesetz sieht allerdings zu solchen Themen bisher keine bundesweiten Volksentscheide vor. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Doris Ahnen, hatte sich bereits am Vorabend in der ARD-Sendung «Sabine Christiansen» gegen eine Volksabstimmung gewandt.

Der Sprecher der Professoren-Initiative, der Münchner Rechtsanwalt Johannes Wasmuth, sagte am Montag, die Entscheidung über die Reform müsse den Kultusministern genommen und wenigstens an die Parlamente überwiesen werden. Am besten sei eine Volksabstimmung. KMK- Präsidentin Ahnen meinte, die Mehrzahl der Bürger in diesem Land hätten «ganz andere Sorgen». Die SPD-Politikerin verwies erneut auf den «einstimmigen Beschluss» in der KMK, die Rechtschreibreform zum 1. August 2005 einzuführen. «Zur guten Demokratie gehört auch Verlässlichkeit. Wir können nicht alle drei Tage die Pferde wechseln», betonte die rheinland-pfälzische Kultusministerin. Auch der Chefredakteur der «Bild am Sonntag», Claus Strunz, hatte sich in der Sendung für eine Volksabstimmung in der Frage ausgesprochen.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers verwies auf eine Volksinitiative in Schleswig-Holstein Ende der 90er Jahre, die eine große Mehrheit gegen die Rechtschreibreform hatte. «Die Politik hat dann entschieden, das interessiert uns nicht und wir machen weiter», kritisierte Rüttgers Sonntagabend. Der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen will im Fall eines Sieges im bevölkerungsreichsten Bundesland die Rückkehr zu den alten Regeln herbeiführen. Die Mehrheit der Länder lehnt allerdings bisher ein Kippen der Reform ab. Bildungsverbände warnen vor einem Chaos bei einer Rücknahme der Reform, Buchverlage befürchten Millionenkosten auch für die Kommunen.

Die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag hatten am Freitag die «schnellstmögliche» Umstellung auf die alten Schreibweisen angekündigt, die «Süddeutsche Zeitung» will folgen.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, forderte ein schnelles Ende der Debatte um die Rechtschreibreform. «In den Schulen ist es so, dass wir eigentlich uns nichts mehr herbeisehnen als ein Ende der Debatte und wieder Klarheit, was die Normen in der Orthografie betrifft», sagte Kraus am Montag im Deutschlandfunk.

Der Vorsitzende der zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Karl Blüml, warf den Verlagen, die zur alten Rechtschreibung zurückkehren wollen, «pädagogische Verantwortungslosigkeit» vor. Sie setzten Kinder, Eltern und Lehrer unter «schweren Druck», sagte Blüml im DeutschlandRadio Berlin. Blüml räumte ein, dass Nachbesserungen nötig seien. Er glaube, dass die Reform grundsätzlich Bestand habe. «Dass sie modifiziert und weiterentwickelt werden muss, ist aber sicher“»

Die Kultusministerkonferenz wird sich am 14. und 15. Oktober abermals mit der Rechtschreibung befassen, eine Woche zuvor tagen die Ministerpräsidenten. Bereits am 30. August ist ein zwischenstaatliches Treffen – unter anderem mit Vertretern aus Österreich und der Schweiz – auf Beamtenebene in Wien geplant, das aber schon vor der aktuellen Debatte vereinbart war. Die KMK hatte beschlossen, dass nach sechs Jahren Übergangszeit die neuen Regeln vom 1. August 2005 in Schulen und Ämtern in Deutschland verbindlich gelten. Eine Rücknahme der Reform würde Einstimmigkeit der Länder erfordern.

Wie schreibt sich das noch? Die Rechtschreibreform scheint eine unendliche Geschichte zu sein. (Foto: dpa)

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Hintergrund: Die Haltung der Länder zur Rechtschreibreform
Archiv: Streit um Rechtschreibung spaltet die Länder
Archiv: Rechtschreibreform könnte in letzter Minute kippen
Archiv: Rechtschreibreform wird am 1. August 2005 verbindlich
Dokumentation: Die Erklärung von «Spiegel» und Springer
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Norbert Lindenthal
29.07.2004 21.48
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29.7.2004

Deutsche Sprache

Politiker streiten über Umsetzung der Rechtschreibreform

Minister Olbertz warnt vor Kehrtwende – Böhmer bleibt bei Rücknahme-Forderung

29.7.2004, erstellt 20:48h

Halle/MZ/dpa.  Im neuen Streit um das endgültige Inkrafttreten der Rechtschreibreform zum 1. August 2005 hat Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) vor einer radikalen Rücknahme der neuen Regeln gewarnt. Obwohl der Versuch, „die Muttersprache als Amtsgebilde“ zu regulieren, bereits in seinem Ansatz falsch gewesen sei, dürfe man nun keine grundsätzliche Kehrtwendung vollziehen.

Dies wäre schon aus pädagogischen Gründen fahrlässig, weil es zur weiteren Verunsicherung an den Schulen führen würde. Wichtiger als eine permanente Regel-Diskussion sei, so Olbertz, der Kampf gegen den Verlust von Sprachkultur. Zudem müsse man die lebendige Veränderung der Schriftsprache im Auge behalten, um angemessene Nachbesserungen vorzunehmen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) bekräftigte in einer Umfrage hingegen seine Forderung nach Rücknahme der Reform. In dieser Haltung ist er sich mit seinen Kollegen Edmund Stoiber (Bayern / CSU) und Christian Wulff (Niedersachsen) einig, Peter Müller (Saarland) und Erwin Teufel (Baden-Württemberg / alle CDU) fordern zumindest eine Überprüfung.

Die 16 deutschen Länderchefs wollen das Thema auf ihrer nächsten Tagung im September beraten. Im Oktober wird es zudem erneut in der Kultusminister-Konferenz verhandelt.

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Norbert Lindenthal
29.07.2004 21.43
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29.7.2004

Rechtschreibung

Mit einer Reform wäre die Reform zu retten

VON Rainer Hartmann, 29.7.2004 20:58h, aktualisiert 21:02h

Jetzt bietet sich die Chance, die Rechtschreibreform zu kippen. Aus wäre es mit Lächerlichkeiten wie „Gräuel“, „Majonäse“ und „Fußballlehrer“. Ein Jahr vor dem 1. August 2005, an dem die neue Rechtschreibung verbindlich werden soll, gehen CDU-Ministerpräsidenten auf die Barrikaden. Wulff aus Niedersachsen, Müller aus dem Saarland, Böhmer aus Sachsen-Anhalt, dazu der CSU-Bayer Stoiber wollen wieder wie vor 1998 schreiben. Christina Weiss, die parteilose Kultur-Staatsministerin des Bundes, fordert Änderungen. Die Bundesregierung selbst steht noch wie ein Fels in der Brandung, womöglich weil geballter Wille zur Rücknahme Verhandlungen über das Abkommen mit Österreich und der Schweiz bedingt.

Ärger mit der Rechtschreibung haben Ministerpräsidenten, Kultusminister und andere Politiker nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht selbst bestimmen können, ob wir „Stängel“ oder, wie früher, „Stengel“ schreiben. Sie brauchen ein Reformpaket von Fachleuten, das sie billigen oder ablehnen können. Leichtfertig wurde 1996 verabschiedet, was die Zwischenstaatliche Rechtschreibkommission vorlegte.

Mit unwägbaren Folgen, wie sich zeigte: Die schreibende Öffentlichkeit war verunsichert; Schriftsteller protestierten; in den Schulen liefen alte und neue Rechtschreibung nebeneinander; die Kommission reagierte auf Kritik mit Reförmchen der Reform; und mit wachsender Unsicherheit wurden unterschiedliche Schreibweisen zugelassen.

Selbst beschließen könnten die Politiker jedoch die Rücknahme der Reform. Dass nun führende Repräsentanten von CDU/CSU in diese Richtung drängen, zeigt auch, wie weit die Ära Kohl hinter uns liegt, denn unter der Ägide des damaligen Bundeskanzlers wurde das „Reformwerk“ parteienübergreifend abgenickt. Aber trotz aller Unzufriedenheit mit „unten Stehenden“ und „Spagetti“ muss auch bedacht werden, was eine Rückkehr zu den einstigen Regeln mit sich brächte.

Sechs oder sieben Schülerjahrgänge würden in Verwirrung gestürzt. Massenhaft müssten Rechtschreibkontrollen in Computern auf den alten Stand gebracht werden. Besonders Schulbuchverlage, aber auch alle anderen Buch- und die Zeitungsverlage gerieten in Zugzwang. Wo immer in deutscher Sprache geschrieben und gedruckt wird, ergäbe sich die Notwendigkeit zur Anpassung.

Veränderungen, die gesellschaftliche Wirkung zeigen, kann man nicht streichen, als wären sie nie geschehen. So überflüssig die Rechtschreibreform war, ihre Rücknahme könnte den Eindruck erwecken, hinreichend intensive Proteste brächten bereits umgesetzte Reformen zu Fall. Das wäre der falsche Effekt angesichts vieler Reform-Notwendigkeiten. Umso mehr müssen die Politiker darauf dringen, dass die Schriftverwalter sich korrigieren, wo sie gegen Sprachsinn verstoßen. Nicht fein dosierte Nachbesserungen, sondern grundsätzliche Überarbeitung der Reform: Dies wäre die gebotene Alternative zur Rücknahme.

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