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Sigmar Salzburg
06.09.2010 07.41
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Druckfehlerteufel: 65 Jahre F.R.

Komische Kopfverbrechen
„Und auch das, Frankfurter Rundschau...“ – so begann und beginnt mancher der berühmten Briefe an die Leser im Satiremagazin Titanic. Die Rundschau wurde zum Spott-Opfer, noch heute glaubt ihr Chefredakteur Leo Fischer, dem Blatt diktiere der Teufel persönlich.


[Bild]
Leo Fischer, Titanic-Chef, empfindet die FR als „sympathischen Loser unter den Zeitungen“. [Fatal: „Loser“ lese ich immer als Urheber einer jägersprachlichen „Losung“.]

Leserbriefe haben alle – die Titanic hat die „Briefe an die Leser“ [in Kulturrechtschreibung]. Das Satiremagazin, das ebenso wie die FR aus Frankfurt kommt, macht es andersherum: Die Titanic druckt nicht die Meinung der Leser ab, sondern wendet sich direkt an ihre Leser – mit einer Meinungsstärke, die ebenso kreuzböse wie brüllend komisch daherkommt…

Wir haben jüngst die gesammelten 30 Titanic-Jahrgänge auf die von den Satirikern in den „Briefen an die Leser“ aufgespießten FR-Fehlleistungen durchgeschaut…

1988 macht sich die Titanic in den Briefen über den Buchstabensalat eines FR-Autors lustig, der vom Kopfverbrechen statt Kopfzerbrechen schreibt. Andere FR-Kollegen schaffen es in die Titanic, weil sie Eintracht Frankfurz statt Eintracht Frankfurt schreiben (1992), Subvention statt Subversion (1997), oder Rex Dildo statt Rex Gildo (1998). Manchmal steht da ganz einfach mal Kohl statt Schröder (2000). Schön auch die folgende Überschrift: „Auf hohes See herrscht Narrenfreiheit“ (2003). In der FR diktiere wohl „der Teufel persönlich“ die Druckfehler, vermutet die Titanic.

Auch notieren die Satiriker 2004 [dem Höhepunkt der Schreibreformkatastrophe], dass sich in einer Rundschau-TV-Kritik von gerade mal 90 Zeilen ganze sieben „schlichte Orthographie- und Grammatikfehler“ finden. Besonders beeindruckend ein FR-Feuilletonartikel aus dem Jahr 2005: „Komischer wie Max Goldt seziert niemand sprachliche Schlampereien“, heißt es da. Da kann die Titanic nur kurz und knapp hinzufügen, dass das „ganz, ganz großes Kino“ sei...

fr-online.de 3.9.2010

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Norbert Lindenthal
04.07.2010 18.48
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… hauptsächlich von der Tabakindustrie …

Frankfurter Rundschau, 04. Juli 2010


Während die Nichtraucher mit etwa 110000 Euro für ihre Kampagne auskommen, stehen den Rauchern rund 615000 Euro zur Verfügung. Dass diese hauptsächlich von der Tabakindustrie stammen sollen, wies Initiator und Wirt Franz Bergmüller im Deutschlandfunk zurück. Nachfragen des Senders beim Bundesverband der Zigarrenindustrie, dem Deutschen Zigarettenverband, dem Mittelständischen Unternehmen der Tabakwirtschaft, dem Verband der Tabakgroßhändler und Automatenhersteller und dem Verband der deutschen Rauchtabakindustrie ergaben jedoch, dass drei Viertel des Geldes von diesen Verbänden stammt. Bergmüller dagegen wirft seinen Gegnern vor, sich von der Pharmalobby sponsern zu lassen, was wiederum der Initiator des Volksbegehrens, Sebastian Frankenberger, zurückwies.

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Norbert Lindenthal

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Norbert Lindenthal
30.05.2010 17.31
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das verängstigt

Frankfurter Rundschau 30.5.2010


„Es verängstigt uns alle, das wir es nicht schaffen, die Quelle zu schließen“, sagt er. Angst statt Optimismus, jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung.

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Sigmar Salzburg
04.05.2010 10.08
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Verfluchte Getrennt- und Zusammenschreibung ...

Pausengong
Rotstift in Fahrt
VON DIRK POPE


Es geht um eine Inhaltsangabe. Die Achtklässler haben sich recht kurz gehalten, zu meiner Erleichterung. Im ersten Durchgang achte ich auf Rechtschreibung und Grammatik. Verfluchte Getrennt- und Zusammenschreibung, Kann-, Muss-, Will-, Darf- und Soll-Kommasetzung, denke ich mir. Am Computer gibt es Rechtschreibprogramme und jeder Fehler wird automatisch angezeigt. Anders in den Klassenarbeitsheften. Wer schreibt heutzutage überhaupt noch analog, mit Tinte? Und wie kann ich guten Gewissens Fehler anstreichen, die ich wohl jederzeit selbst machen würde?

Doch korrigieren und zensieren gehört zum Lehrergeschäft wie das Zerlegen einer Rinderhälfte zum Handwerk des Fleischers – im Bewusstsein, nicht allen Kunden das Filetstück anbieten zu können. Und einmal angefangen, nimmt mein Rotstift schnell Fahrt auf. Ich zähle die Fehler und berechne den Fehlerquotienten: Fehleranzahl x 100, geteilt durch die Anzahl der Wörter. Dann geht es ans Inhaltliche. Nur – wie legt man Bewertungsmaßstäbe an, die für alle nachvollziehbar sind? Schließlich handelt es sich nicht um eine Mathearbeit, wo es richtig oder falsch gibt.

Ich frage mich, wie ich selbst die Inhaltsangabe geschrieben hätte, und muss mir eingestehen, dass ich so etwas schon länger nicht getan habe. Nicht in diesem Jahrtausend. Um ein Mindestmaß an Objektivität zu gewährleisten, hat mir die Deutschlehrerin einen sogenannten Erwartungshorizont mitgegeben – eine grobe Übersicht, was in den Schülertexten zu stehen hat. Ich verteile Punkte auf Einleitung, Haupt- und Schlussteil, zähle alles zusammen und ziehe Notenpunkte für den Fehlerquotienten wieder ab. Kurz nach Ostern ist der Spuk vorbei. Notendurchschnitt 3,1 – entgegen meiner ursprünglichen Absicht, allen eine 2 zu geben.

Keine Arbeit hat mich mehr als eine halbe Stunde gekostet, und dennoch habe ich am Ende das Gefühl, mehr korrigiert als bislang selbst unterrichtet zu haben. Auch das wird sich ändern. Spätestens dann, wenn das nächste Tiefdruckgebiet anrückt und die Eintracht wieder im grauen Mittelmaß angekommen ist.

Frankfurter Rundschau 4.5.2010

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Sigmar Salzburg
22.03.2010 07.19
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Hilligers Heimsuchung der Rundschauleser

Sabine Hilliger hat wieder zugeschlagen. In der Frankfurter Rundschau darf sie mit dem Thema „vereinfachende“ Reformschreibung weiter die Leute belästigen. Dabei fällt auf, daß sie manche Errungenschaften der „Reform“ gar nicht verwendet: „Orthograf“ (nicht verworfenen wie „Apostrof“), „so genannt“. Dagegen legt sie Wert aufs „selbstständig“ und daß manches „beim Alten“ bleibt. Man merkt ihr an, daß sie die Rücknahme des Vereinfachungsfreistils bedauert:

Punkt, Punkt, Komma, Strich

... Wer aber gehofft hatte, dass die Kommaregelungen vereinfacht würden oder wenigstens etwas freier zu handhaben wären, sieht sich enttäuscht. Die Freiheiten, die ursprünglich vorgesehen waren, sind in den wichtigsten Teilen durch den Vorschlag des neuen Rates für Rechtschreibung und nach der Entscheidung der Kultusministerkonferenz im März 2006 zurückgenommen worden. Also gilt alles, was wir einmal gelernt haben, immer noch. …
… Ich komme (,) wenn nötig (,) bei dir noch vorbei. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Ob Nebensätze, Einschübe oder erweiterte Infinitive mit zu: bitte immer mit Komma!

Auflösung Teil 21: das Park-and-ride-System; der Softdrink (oder der Soft Drink); die Open-End-Diskussion.

Sabine Hilliger ist Germanistin, freiberufliche Lektorin und Redakteurin.
Frankfurter Rundschau 21.3.10

Also lohnt es sich nicht, auf den Artikel auch nur eine Minute unserer kostbaren Zeit zu verschwenden.

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Sigmar Salzburg
07.12.2009 22.58
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Reformhack

"Ödipus, Tyrann“ in Hamburgs Thalia Theater
Mit den Gedärmen
VON FRAUKE HARTMANN

(Bild: dpa)

Ödip-us, Tyrann

Ein wenig kommt einem dieser Abend vor wie die neue Grafik des Thalia Theaters, die mit dem Intendanten Joachim Lux Einzug auf Plakaten und Programmheften gehalten hat. Da wird zerhackt, was früher einmal, vor der Rechtschreibreform, nicht zerhackt werden durfte, indem man mit archaisch anmutenden Lettern die Trennungsregeln für Wörter bewusst missachtet. Hochgradig artifiziell. Aus "Ödipus“ wird also "Ödip-us, Tyrann“. Und aus der für heutige Ohren mächtig verschraubten metrischen Sprache Hölderlins in seiner Sophokles-Übersetzung, die wiederum Heiner Müller bearbeitet hat und die dem Stück zugrunde liegt, wird ein Steinbruch der Worte.

Wort für Wort würgen und stoßen die Schauspieler hervor, legen auf jedes gleiches Gewicht, als ob sie nicht glauben könnten, was sie sagen. Ebenso wenig wie jedes einzelne Wort reicht die ganze Menge der Wörter aus, …

fr-online 7.12.09

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Sigmar Salzburg
17.08.2009 19.28
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Schwedentrunk

Der Germanist Reinhard Kaiser hat den „Simplcissimus“ des Grimmelshausen neu übersetzt, und Eichborn veröffentlicht ihn in reformierter Rechtschreibung.

Dass das Buch ziemlich genau zum 333. Todestag Grimmelshausens auf den Markt kommt, ist keinesfalls Kalkül, sondern Zufall – aber ein „witziger, der durchaus simplicianischen Geist“ habe.

Witzig ist auch, dass „Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch“ – so der Titel der neuen Übersetzung – der erste Titel bei „Die Andere Bibliothek“ des Eichborn-Verlags ist, der in der neuen Rechtschreibung erscheint. Ausgerechnet die olle Schwarte. „Ich bin bestimmt kein Freund der neuen Rechtschreibung – aber das mussten wir machen, wenn wir uns nicht von vornherein den Schulen verschließen wollten“, sagt Kaiser.

Frankfurter Rundschau 17.8.09

Wieder scheint der dummdreiste Nötigungsdruck durch, den die Kultusminister ausüben.

Im gedruckten „Spiegel“, den ich nur noch im Wartezimmer lese, finde ich in Nr. 32/2002 einen Textvergleich dazu (natürlich ohne die langen „ſſ“):

Original:

Das greuliche schieſſen / das geklaepper der Harniſch / das krachen der Biquen …

Neu:
Das gräuliche Schießen, das Klappern der Harnische, das Krachen der Piken ….

Das unnütz „gräuliche“ Reformwerk, das auch sinnvolle, seit Jahrhunderten gebräuchliche Schreibweisen – wie das Schluß-ß – tabuisiert, ist der „Schwedentrunk“ für die deutsche Literatur. Und treten die „Gräuel“ gehäuft auf, so etwa im gleichen „Spiegel“ bei der Beschreibung liberianischer Zustände, dann wirkt das noch grotesker.

P.S.: Duden und „Reform“ kennen nur „piken“, obwohl „pieken“ sinnvoller und üblich ist. Aber beim Reform-Flaschendrehen zeigten die Flaschen wohl nur auf „Tip“.

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Sigmar Salzburg
31.07.2008 21.13
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... die freiwillige Ohnmacht der vierten Gewalt !

Rechtschreibreform

Laufende Reparaturarbeiten

VON CHRISTIAN SCHLÜTER

Seit der Diskussion um die deutsche Wiederbewaffnung dürfte es wohl keinen vergleichbaren medialen Aufruhr und dermaßen erhitzte Gemüter mehr gegeben haben: Vor genau zehn Jahren, am 1. August 1998, begann die Einführung der Rechtschreibreform in Deutschland. Nach zahlreichen Protesten und Änderungen hat sich nur ein kleiner Teil des Reformwerks durchsetzen können. In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab.

Dabei sollte das, was die staatlichen Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz am 1. Juli 1996 als gemeinsame Absichtserklärung unterzeichneten, zu einer „grundsätzlichen“ Erneuerung und dabei vor allem zu einer Vereinfachung der von zahllosen Regeln und ebenso vielen Ausnahmen bestimmten Orthografie führen.

Mehr noch, die richtige Schreibweise sollte nicht länger nur durch Vokabelpauken erlernt werden, sondern sich auch durch logisches Schlussfolgern ermitteln lassen – so wie sich etwa der „Stängel“ als Teil einer Pflanze aus dem Substantiv „Stange“, nun ja: irgendwie erschließt.

Erstaunlicherweise blieb die trilaterale Absichtserklärung von den Medien weitestgehend unberücksichtigt. Als es mit der Reform 1998 dann tatsächlich los gehen sollte, war oder tat man jedenfalls sehr überrascht. Denn jetzt fing der Rummel an. Etliche Schriftsteller protestierten.

Zahllose Gutachten begannen zu kursieren. In Schleswig-Holstein stellten sich die Bürger in einem Volksentscheid mehrheitlich gegen die Reform, was die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis allerdings unbeeindruckt ließ. Im Jahre 2000 schließlich kehrte die Frankfurt[er] Allgemeine Zeitung mit viel Gewese – und zunächst folgenlos – zur alten Rechtschreibung zurück.

2004 aber sprach sich der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff öffentlich gegen die Reform aus. Ein Dammbruch: Beifall brandete von allen Seiten, Politiker aller Couleur meldeten auf einmal ihr Unverständnis an. Und als auch noch mit der Axel Springer AG und dem Spiegel Verlag zwei der einflussreichsten Medienhäuser ankündigten, dem Beispiel der FAZ zu folgen, schienen die Tage der ehrgeizigen Rechtschreibreform gezählt.

Doch, es sollte nichts nutzen, die Reformer schritten voran, und die Duden-Redaktion versorgte das Sprachvolk zuverlässig mit den neuesten Irrungen und Wirrungen.

Die Geschichte der Rechtschreibreform ist somit auch eine Mediengeschichte – und hinterlässt vielleicht eine kleine Enttäuschung in Hinblick auf die Ohnmacht der gerne beschworenen vierten Gewalt im Staate. Immerhin, ein von der Kultusministerkonferenz einberufener Rat für deutsche Rechtschreibung nahm sich des Reformwerks noch einmal an und stellte Anfang 2006 einen reformierten Reformentwurf vor.

Die Änderungen betrafen insbesondere die umstrittene, zu Teilen widersinnige Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung. Und dann war es soweit: Am 1. August 2006 wurden die neuen Regeln in den Schulen eingeführt.

Inzwischen hat der Vorsitzende des Rechtschreibrates und ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair weitere Korrekturen angekündigt – „Spaghetti“ mit oder ohne „h“ und solche Fragen sorgten halt immer noch für Verwirrung. Seine Bilanz aus zehn Jahren Reformanstrengung: „Insgesamt ist die Rechtschreibreform sicher nicht verfehlt. Wenn, dann kann man die Frage stellen, ob die Reform überhaupt hätte gemacht werden sollen.“

Ein flammendes Bekenntnis klingt anders, erstaunlich ist vor allem Zehetmairs Verweis aufs Grundsätzliche. Ja, selbstverständlich lässt sich immer bezweifeln, ob eine durch ihren täglichen Gebrauch in steter Veränderung begriffene und zugleich bestimmte, also lebendige Sprache "überhaupt“ in ein Regelkorsett zu pressen ist.

Nicht weniger grundsätzlich ist noch ein Einwand, der sich in den vergangenen Tagen wieder Luft verschaffte: Die Reform führe zu einer Art Proletarisierung der Schriftsprache, weil sie sich durch Vereinfachung („Delfin“ statt „Delphin“ oder „Maläse“ statt „Malaise“) bei bildungsfernen Schichten beliebt zu machen trachte, weshalb das Deutsche seiner ehrwürdigen Herkunft, gewissermaßen seines kulturellen Adels beraubt werde. Doch zeigen solche Einwände nur, dass es eine ideologiefreie Beschäftigung mit der Rechtschreibung nicht geben kann – und darf. Schließlich ist unsere Sprache der maßgebliche Kulturträger.

Etwas pragmatischer im Ansatz hat unlängst der Germanist Uwe Grund in einem Gutachten darzulegen versucht, dass seit der Reform die Rechtschreibfehler bei Schülern eklatant zugenommen haben – in Abituraufsätzen sogar bis zu 120 Prozent. Die Groß- und Kleinschreibung, so Grund, vor allem aber die Schreibung des s-Lautes („s“, „ss“, "ß") bereite immer noch große Schwierigkeiten.

Gewiss möchte man all jenen beipflichten, die unsere Schüler als keineswegs zu dumm für die Neuregelung halten, doch umgekehrt folgt daraus nicht, dass die Reform zu blöd für die Schüler sei. Denn zumindest, was die s-Laute angeht, sind die Regeln doch eher einfach.

Lehrpläne hin oder her, auch in den Schulen sind die Widerstände gegen die Reform vielfältig. Und außerhalb von Schulen und Behörden schreibt ohnehin jeder, wie er will. Wir gönnen uns den Luxus mehrerer nebeneinander existierender und dabei „erlaubter“ Schreibweisen. So gesehen war und ist die Rechtschreibreform auch ein Beitrag zur Vielfalt unserer Sprache. Oder schlicht der Beweis ihrer unerschütterlichen, bisweilen fröhlichen Anarchie.

Frankfurter Rundschau online
31.7.2008

FR

”Fröhliche Anarchie hätte entstehen können, wenn die Kultusminister einige vernünftige neue Schreibweisen als zusätzlich zulässige Varianten eingeführt hätten. Aber sie konnten sich eine „Reform“ nur als obrigkeitliche Zwangsbeglückung von Untertanen auf niedrigem Niveau vorstellen.

Die „Ohnmacht der vierten Gewalt“ äußerte sich vor allem in vorauseilendem Gehorsam. Der hatte nur ein Gutes: Jedermann konnte nun schwarz auf weiß sehen, was die Politiker unseren Kindern hinter den Schulmauern antaten.



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Detlef Lindenthal
27.11.2007 22.24
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(Hierher gedoppelt aus dem Faden „Sabine Hilliger“)
Frankfurter Rundschau (Netzfassung)

>>Wie Deutsch geschrieben wird
Flusssand und Nussschokolade
VON SABINE HILLIGER

Was unterscheidet den Stoffetzen und die Schiffahrt von der Sauerstoffflasche? Klar – die Anzahl der „f“ in der Mitte. Aber mit welchem Recht?Es gab da mal folgende Regel: Treffen bei Wortbildungen drei gleiche Konsonanten (Mitlaute) zusammen, so werden nur zwei geschrieben, wenn ihnen ein Vokal (Selbstlaut) folgt. Also: Ballettänzer, Flanellappen. Folgt ein weiterer Konsonant, so werden alle drei gleichen Buchstaben geschrieben: Balletttruppe, Pappplakat. Verwirrend. Warum zwei Lösungen für die gleiche Erscheinung? Eine neue, einheitliche Regelung musste her.

Es galt also zu entscheiden, ob in Zukunft immer nur noch zwei oder alle drei Buchstaben geschrieben werden sollen. Man entschied sich, einem der Grundprinzipien der deutschen Rechtschreibung zu folgen: dem Prinzip der Stammschreibung. Es besagt im Wesentlichen, dass der Wortstamm eines Wortes auch in dessen Ableitungen erkennbar bleiben soll. Deshalb schreiben wir „Tag“ mit „g“ am Ende, obwohl wir ein /k/ sprechen, denn in den Ableitungen hört man deutlich das /g/: die Tage, tagen, des Tages. Und „täglich“ mit "ä" und nicht mit „e“, weil das „a“ in „Tag“ zugrunde liegt.

Nach der neuen Rechtschreibung schreiben wir jetzt immer alle Buchstaben, die zum Wortstamm gehören. Ein paar Beispiele: Betttuch (im Unterschied zum Bettuch – Gebetsmantel), Brennnessel, Schifffahrt, Hawaiiinseln, Flusssand, Schnellläufer, Teeei.

Großzügiger darf man künftig mit den Bindestrichen sein: Nuss-Schokolade, Programm-Markierung, Tee-Ei oder Zoo-Orchester sind erlaubt. Die Nachrichtenagenturen setzen den Bindestrich nur bei drei gleichen Vokalen.

Wichtig ist, dass auf sinnvolle Trennungen und den richtigen Bezug der Wörter zueinander geachtet wird. Also nicht: Flussschiff-Fahrt (im Unterschied zur Hochseeschifffahrt), sondern Fluss-Schifffahrt, und auch nicht Ölmess-Stab, sondern Öl-Messstab, wem Ölmessstab nicht gefällt.

Damit entfällt die alte Regel, dass beim Aufeinandertreffen von drei gleichen Vokalen immer der Bindestrich zu setzen sei. Das entscheidet nun jeder selbst.

Wenn es darum geht, das Stammprinzip zu erhalten, sind einige weitere Wörter von Veränderungen betroffen. Es handelt sich aber nur um Einzelfälle: Rohheit, Zähheit, Zierrat (wie Vorrat), selbstständig, auch selbständig als zugelassene alte Variante (die Nachrichtenagenturen verwenden die neue Schreibweise).

Einige wenige Wörter bleiben in der alten Schreibweise: dennoch (trotz denn+noch), Drittel (trotz Dritt(er)+Teil), Mittag (trotz Mitt(e)+Tag), Hoheit (trotz Hoh(e)+heit).
<<

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?sid=80a1e1ecbbfd862644de1e8591ac975d&em_cnt=1234373

_______

Tingelt Frau Dr. Hilliger jetzt durch die gesamte Republik??
Neue Medien braucht das Land!
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Detlef Lindenthal

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Norbert Lindenthal
27.11.2007 20.46
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Re: Diesmal in der FR (online) v. 27.11.2007

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg
…[Frau Hilliger (mit Bild) hat wieder einen Dummen gefunden …]



__________________
Norbert Lindenthal

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Sigmar Salzburg
27.11.2007 16.34
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Diesmal in der FR (online) v. 27.11.2007

Rechtschreibung
Tollpatschiger Stuckateur
Karamell, Mopp, Tollpatsch, Stuckateur, aber Job, Pop, Kritik – mit der neuen Rechtschreibung wird es nicht leichter, korrekt zu schreiben.


[Frau Hilliger (mit Bild) hat wieder einen Dummen gefunden …
… aber es dämmert ihr wohl, daß es nichts ist mit der „Erleichterung“.]

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/
?sid=fbd8493b2999a6a3c3d40410407c5295&em_cnt=1248387

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Detlef Lindenthal
26.07.2005 07.25
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Genau ist gut


Die FR schrieb:
Ob „achtmal“ nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, das hält Reinhard Kahl – anders als zwei CDU/CSU-Ministerpräsidenten – nicht für wichtig.
Das Wort achtmal ist von der Reform gar nicht geändert worden. Und die C-Ministerpräsidenten Stoiber und Rüttgers wollen gerade keine voreilige Festlegung der Schüler.

Die alte Leitdifferenz von „richtig – falsch“, die immer nur eine Möglichkeit durchgehen lässt, wird nun im Alltag von der überlegenen Unterscheidung „möglich – nicht möglich“ durchsetzt und langsam ersetzt.
Nein, so ist es nicht. Bis 1996 hatten wir die Möglichkeitenschreibung nur bei Photo und Foto (dagegen haben Grafik und Graphik schon unterschiedliche Bedeutungen). Seit 1996 gibt es Beliebigkeitsschreibung allerorten; nicht die Freiheit hat zugenommen, sondern die Fehler in Schulen und Zeitungen, weil die Möglichkeitenschreibung unlernbar und nicht unterrichtbar ist.

Kaum vorstellbar, dass es vor 1901 keine staatlich erlassene Rechtschreibung gab.[1] Damals wucherten barocke Ungetüme, zu denen auch noch unsere Großschreibung von Substantiven gehört.[2]
[1] Aber es gab sehr schöne und genaue Rechtschreibung. Außer producirt und Thätigkeit ist 1901 so gut wie nichts geändert worden.
[2] Aha, von daher weht der Wind: Herr Kahl will die Hauptwortgroßschreibung, die große Leseerleichterung, abgeschafft sehen.

Eine eng ausgelegte Rechtschreibung, egal welche, initiierte in[??] eine reduzierte Denk- und Handlungsgrammatik
Das ist absolut falsch. Durch genaue Rechtschreibung und durch einen vielfältigen Vorrat an wohlunterschiedenen Wörtern (und ohne die RS„R“-Wörterverbote) können Gedanken und Handlungsgrammatiken besser entworfen werden als durch die ungenauere RS„R“-Sprache.

Das Absolute ist tödlich. Es hat, wie jede andere Perfektion, keine Zukunft.
Auch das ist eindeutig falsch; Wenn auf einer Baustelle 2 % der Ziegelsteine 3 bis 8 % dicker sind, erhöht das nicht die Baukunst, sondern erhöht nur die Kosten und verringert die Standfestigkeit des Hauses. Wenn Herr Kahl schreibt: ängDochstlich und initiierte in, dann können seine Leser ihn nicht verstehen, die gewünschte Verständigung fällt aus oder verteuert sich.
Das Absolute ist lebensrettend: Weil die Steuerungen von Wasserwerken und Treckern absolut genau laufen, verdursten und verhungern die Menschen in den Städten nicht. Ohne genaue Längenmessung in der Feinmechanik würden die Flugzeuge vom Himmel fallen und könnte keine Bohrinsel arbeiten. Auch die Annehmlichkeiten von genauer Medizin, Telefon und Internet seien erwähnt – ohne die absolute Genauigkeit von Halbleiterschaltkreisen könnte Herr Kahl seinen Artikel gar nicht veröffentlichen. Ohne Genauigkeit im Denken entsteht ein solcher Artikel wie der von Herrn Kahl.
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Detlef Lindenthal

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Karl-Heinz Isleif
25.07.2005 22.17
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Vielfalt per Verordnung

Ja, Vielfalt ist gut. Aber nicht, wenn sie von ein paar Unbedarften einfach so 'dahergezeugt' ist, und von ein paar anderen Unbedarften dem ganzen Volk als Richtlinie oktroyiert (deutsch: aufs Auge gedrückt) wird.

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rrbth
25.07.2005 20.48
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http://www.fr-aktuell.de/fr_home/streit_um_die_rechtschreibreform/?cnt=702744

Zitat:
FR, 23.07.2005

Das Absolute ist tödlich

Im deutschen Rechtschreibkrieg sollte das Prinzip „möglich – nicht möglich“ über „richtig – falsch“ obsiegen

VON REINHARD KAHL

Zum Schluss mussten sich die Ministerpräsidenten der Union entscheiden. Fachen sie den Rechtschreibkrieg in Erwartung einer kräftigen Populismus-Rendite noch mal an oder folgen sie dem einstimmigen Beschluss ihrer Kultusminister. Die hatten bekräftigt, es bleibt dabei, die Übergangszeit, in der bereits die neue Rechtschreibung gilt, aber die alte noch kein Fehler ist, läuft am 1. August aus. Schließlich gab bei einigen Ministerpräsidenten die Angst vor einer Angst, die sie selbst geschürt war, den Ausschlag. Bei Eltern breitetet sich die Befürchtung aus, der neueste Streit laufe auf das Kaufen neuer Schulbücher hinaus. Ein neuer Sturm deutete sich an. So viel Wasserglas war selten.

Heimatgefühl im Kleinkrieg
Es scheint als verspürten die Deutschen ein starkes Heimatgefühl im Kleinkrieg. Der Kulturkampf um die Bildung, der letzte Religionskrieg, der ihnen geblieben ist, mündet in bildungspolitischem Pragmatismus. Da konnte sich viel überschüssige Energie an solche Fragen binden, wie der, ob man Stängel oder Stengel schreibt? Hat man nun einer Wortstammregel zu folgen, oder einfach der Konvention? Preisfrage. Wie viele s und f braucht die Flussschifffahrt? Und natürlich dass oder da ß? Immer wieder diese Lust am Entweder-oder. Mal im Ernst. Wer morgens die FAZ liest, mit der alten Rechtschreibung, die dort geheimnisvoll die „bewährte“ genannt wird, und dann zu anderen Zeitungen greift, mit ihren nach eigenen Redaktionsregeln modifizierten neuen Rechtschreibungen, fällt dem überhaupt was auf? Ob „achtmal“ nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, ist das wichtig?

Entscheidend ist etwas ganz anderes. Vor und hinter den Bühnen der Rechthaber hat sich längst ein buntes Sowohl-als-Auch durchgesetzt. Tatsächlich hat die Doppelherrschaft von alter und neuer Rechtschreibung in den vergangenen Jahren ganz unbeabsichtigt einen enormen Zivilisationsgewinn gebracht. Die alte Leitdifferenz von „richtig – falsch“, die immer nur eine Möglichkeit durchgehen lässt, wird nun im Alltag von der überlegenen Unterscheidung „möglich – nicht möglich“ durchsetzt und langsam ersetzt.

„Möglich – nicht möglich“, das ist etwas ganz anderes als die befürchtete Beliebigkeit, gar Anarchie im Schreiben! Nicht alles geht. Aber mit „möglich – nicht möglich“ kehren in die Schrift wieder jene Spielräume zurück, die die gesprochene Sprache auszeichnen. Da gibt es zwischen dem mecklenburger und dem bayrischen Sound doch viel Platz! Wäre die Liquidation der Varianten ein Gewinn? Man stelle sich vor, es gäbe eine Rechtsprechkommission? Der erste Nebeneffekt wäre, dass viele glaubten, ohne Rückversicherung keine rechten Sätze mehr bilden zu können.

Der Regelperfektionismus, in dem sich die Anhänger der einen richtigen alten und der allein richtigen neuen Schreibweise nur so übertreffen, produziert nur bei den Schriftgelehrten Probleme. Nach der einen Dogmatik sollen wir belämmert mit ä schreiben, nach der anderen „belemmert“ mit e. Dass Regeln, sobald es mehr als eine gibt, sich aneinander stoßen und nie wirklich aufgehen, ist tatsächlich ein Glück für jede Evolution. Wenn die Dinge nicht ganz aufgehen, dann gehen sie weiter. Das wissen wir ja von Ulrich Beck und den Theoretikern der Zweiten Moderne: Die Vielfalt unbeabsichtigter Nebeneffekte siegt über die braven Ziele.

Goethes Lust an der Vielfalt
Kaum vorstellbar, dass es vor 1901 keine staatlich erlassene Rechtschreibung gab. Damals wucherten barocke Ungetüme, zu denen auch noch unsere Großschreibung von Substantiven gehört. Jacob Grimm, der große Wörter- und Geschichtensammler schrieb klein. Ein Individuum konnte sich entscheiden. Vielfalt war möglich. Goethe hatte regelrecht Lust daran, gleiche Wörter verschieden zu schreiben, selbst seinen Namen mit h oder ohne, mal mit ö oder mit oe. Dann nahm Duden dem Regierungsrath in Preußen sein h und viele Beamte sahen ihre Autorität und Würde bedroht. Bismarck drohte seinen Staatsdienern und Diplomaten Strafen an, wenn sie die neue Mode mitmachten.

Doch bald hatte Duden, dessen Maxime ja hieß, „schreib wie du sprichst“, etwas anderes bewirkt als das Beabsichtigte. Der Vereinfachungsversuch öffnet der großen Normierung der Schrift Tor und Tür. Das passte hervorragend ins DIN-Zeitalter der ersten industriellen Moderne, in der die Deutschen Weltmeister wurden. Die durchregulierte Rechtschreibung, zumal in ihrer engen und ängDochstlichen Auslegung, sozialisierte für die Massenproduktion. Sie braucht strikte Normen, die unbedingt einzuhalten sind. Kreativität und Ideen hingegen brauchen Spielräume. Fehlertoleranz ist der wichtigste Begriff in Theorien über lernende Organisationen. Die industrielle Moral der Ausführenden, Anwender und Kopisten ist obsolet. Eine eng ausgelegte Rechtschreibung, egal welche, initiierte in eine reduzierte Denk- und Handlungsgrammatik. Also halten wir es künftig mit dem Meister aus Weimar. Goethe schrieb: „Ihr seht schon ganz manierlich aus, kommt mir nur nicht absolut nach Haus.“ Das Absolute ist tödlich. Es hat, wie jede andere Perfektion, keine Zukunft.
DER AUTOR:
Ob „achtmal“ nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, das hält Reinhard Kahl – anders als zwei CDU/CSU-Ministerpräsidenten – nicht für wichtig. Vielmehr habe die zu Ende gehende Doppelherrschaft von alter und neuer Rechtschreibung mit ihrem bunten Sowohl-als-Auch einen enormen Zivilisationsgewinn gebracht.
Kahl, Jahrgang 1948, ist Journalist, Autor, Regisseur und Produzent von Fernseh- und Videodokumentationen. Im Zentrum seiner Arbeit stehen „die Lust am Denken und Lernen, die Qual belehrt zu werden und die endlosen Dramen des Erwachsenwerdens“. aud


Na, Gott sei Dank!
Wir sind befreit von „reduzierte[r] Denk- und Handlungsgrammatik“. Kann mir das jemand hier erklären?

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Norbert Lindenthal
06.10.2004 20.51
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Frankfurter Rundschau

7.10.2004 um 17:47:08 Uhr
Erscheinungsdatum 07.10.2004

Vorwürfe gegen Wulff

Chaos nach KMK-Ankündigung

Frankfurt a. M. · 6. Oktober · ara · Niemand weiß, wie es nach Niedersachsens angekündigtem Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz (KMK) mit der Behörde weiter geht: KMK-Beschäftigte sind irritiert, Politiker und Entscheidungsträger ratlos. Die Kritik am Vorgehen von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verstummte auch einen Tag nach dessen Ankündigung nicht, das Abkommen über das KMK-Sekretariat zu kündigen. Damit würde deren Arbeit Ende kommenden Jahres enden, sollten die Kultusminister der Länder das Problem nicht anders lösen.

Wulff agiere „verantwortungslos“ und „kontraproduktiv“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva-Maria Stange. Die Behörde werde sich in den kommenden Monaten mit ihrer eigenen Abwicklung beschäftigen, anstatt die vielfältigen Aufgaben zu lösen, an denen die etwa 250 Beamten und Angestellten der KMK derzeit arbeiten. Sie entwickelten das Bildungssystem weiter, erstellten beispielsweise Bildungspläne für Kindertagesstätten, reformierten die Lehrerausbildung und begleiteten den „größten Reformprozess“ seit Jahren an den Hochschulen, so Stange. Diese produktive Arbeit sei nun gefährdet.

„Er will sich nur profilieren“

Die KMK-Beschäftigten irritiert Wulffs Vorstoß. Niedersachsens Ministerpräsident sieht vor, dass sie versetzt werden, falls die Behörde nicht fortbesteht; Pädagogen seien vielseitig einsetzbar und jedes Land könne sich freuen, wenn es Personal zurück bekäme. Dies sei aber für viele keine Perspektive, hieß aus der KMK. Zudem motiviere Wulffs Vorschlag niemanden, sagte ein Beschäftigter, der ungenannt bleiben möchte.

KMK-Präsidentin Doris Ahnen forderte Wulff erneut auf, zu sagen, was er wolle. Sie wies die Kritik Wulffs zurück, die Behörde sei nicht effizient und arbeite zu langsam. „Die politische Ebene, aber auch das Sekretariat der KMK haben sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert und sich auf die Kernaufgaben konzentriert“, sagte Ahnen. Weitere Verbesserungen in diesem Prozess seien bereits Gegenstand einer Ministerarbeitsgruppe. Dort hätten sich die Vertreter Niedersachsens bisher nicht mit besonders vielen Vorschlägen hervorgetan, hieß es aus KMK-Kreisen. Dies nährte Spekulationen, Niedersachsens Regierungschef wolle sich lediglich auf Kosten der KMK profilieren und nicht das Bildungssystem verbessern, wie er selbst vorgibt.

Von Wulffs Vorstoß distanzierte sich auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter Gaethgens. Zwar sei die KMK dringend reformbedürftig, man dürfe sie aber nicht ohne Alternative zerschlagen, sagte Gaethgens. Sie koordiniere den Reformprozess im Bildungssystem.

GEW befürchtet Kirchturmpolitik

Werde die KMK zerschlagen, sei eine Kirchturmpolitik der 16 Bundesländer die Folge. Dies würde nach Ansicht von GEW-Chefin Stange zu einem „Wettbewerbs-Kannibalismus“ führen und dazu, dass in der Europäischen Union nur der Bund Deutschland vertrete. Bisher vertritt auch ein Kultusminister in Brüssel die Interessen der Länder.

Nun hoffen alle mit GEW-Chefin Stange auf die „Vernunft der Politik“ und darauf, dass die Kündigung letztlich nicht wirksam wird. Das Zeitfenster dafür sei allerdings nicht sehr groß, sagte KMK-Generalsekretär Erich Thies.

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