Kieler Nachrichten v. 18.12.06
Bildungsministerin Erdsiek-Rave will Tests für angehende Lehrer
Der Kommentator schreibt: … Völlig Recht hat die Ministerin mit ihrem Bedauern darüber, bei bestimmten Fächerkombinationen aus Mangel an Bewerbern jeden nehmen zu müssen.
Der Satz beginnt mit dem Standardtest nach Konrad Duden zum Nachweis, daß „recht“ hier kein Substantiv sein kann. Man kann auch nicht sagen, „völlig Grippe hat die Ministerin“ u.ä..
Falsche Rechthaberei und dumme Großschreiberei auch im Fortsetzungsroman „Austernmörder“, der nun schon etwas zu lange dauert (132. Fortsetzung)
Sie musste ihren Mann als Letzte gesehen haben, und er wollte zu gerne wissen, wann das gewesen war. Auf dem Heimweg schien Hansen ein eisiger Wind ins Gesicht zu wehen. Falls er damit Recht hatte, dass Tammens erwürgt worden war, …
Sönke Rix, SPD-Familienpolitiker
Im Übrigen ist in vielen öffentlichen Gebäuden bereits der Alkoholkonsum untersagt.
Im Foyer ist in vielen Gebäuden auch schon das Rauchen untersagt, aber „im Übrigen“?
Schlimmere Gifte werden in den USA verabreicht:
USA: Qualvolle Hinrichtung verschärft Debatte über Todesstrafe … Fogel beklagte einen „tief greifenden Mangel an Professionalität“ bei der Verabreichung von Giftspritzen.
Tiefgreifender Mangel an Professionalität auch bei der Rechtschreibung. Man glaubt es kaum: Diese Trennschreibung wird vom Duden 08/06 empfohlen, obwohl sie nicht mehr verbindlich sein soll. Gerade hat Dr. Martin String in einem Leserbrief im Münchener Merkur v. 7.12.06 anläßlich der Besprechung von Icklers „Falsch ist richtig“ festgestellt:
,Die Kritiker’, schreibt Steffen Habit, ,konnten schließlich einige Änderungen durchsetzen.’ Dazu kann man Genaueres sagen. 1997 zählte ich in ,Deutschstunde’ von Lenz 131 Wörter, deren Schreibweise die Reform für ,überholt’ erklärte (ohne ß zu ss). Von diesen wurden durch, Weiterentwicklung und Präzisierung’ bis 2006 107 in der originalen Schreibweise wieder ,zugelassen’. Jetzt bringen die Empfehlungen des Duden 2006 eine gegenläufige Bewegung in Gang: Nicht weniger als 47 von den 107 wieder zugelassenen Wörtern werden zur Reform von 1996 zurückentwickelt.
Die Vermutung liegt nahe, daß die Dudenleute sich das Wohlwollen der Kultusminister erkaufen wollen, indem sie ihren Fehlgriff als sinnvolle Möglichkeit darstellen – auf Kosten der Schreibkultur.
Eine Parallelkatastrophe zur „Rechtschreibreform“ ist das bekannte Halstenbeker „Knick-Ei“.
Hamburg
„Knick-Ei wird nun abgerissen
Halstenbek - In Halstenbek im Kreis Pinneberg haben am Sonnabend die Vorbereitungsarbeiten für den Abriss des so genannten Knick-Eis begonnen. In der Ruine der Sporthalle, die zwei Mal eingestürzt war, werden nach Angaben der Verwaltung zunächst Stützen des Notdachs entfernt. Der Abriss der Glaskuppel und der oberirdischen Beton wände ist im Januar vorgesehen. Spätestens im März 2007 soll vom Hallenwrack nichts mehr zu sehen sein. Der Hamburger Architekt Andre Poitiers hatte das futuristische Bauwerk – einen halb in die Erde versenkten ellipsenförmigen Baukörper – entworfen. 1995 begannen die Bauarbeiten. Im Februar 1997 war die Metallkonstruktion des eiförmigen Daches erstmals eingestürzt. Kurz vor der Einweihung senkte sich im Juni 1998 erneut das Glasdach. Seitdem wurde das Bauwerk durch ein provisorisches Notdach geschützt.
Die Gemeinde Halstenbek führte Jahre lange aufwendige juristische Verfahren mit Statikern und Montagefirmen, um die Ausgaben erstattet zu bekommen. Laut Gutachtern sollen sie den zweiten Einsturz verschuldet haben.
Zwei Mal stimmten die Bürger über die Zukunft des Bauwerks ab. Im September 2002 gab es eine knappe Mehrheit für die Voll-endung. Vor rund einem Jahr entschieden sich die Bürger jedoch für den endgültigen Abriss. Wenn der Rest der Ruine im Erdboden vergraben ist, soll auf dem Grundstück eine Sporthalle nach herkömmlichem Baumuster errichtet werden. lno
Obwohl es nötig wäre, die „Rechtschreibreform“ ebenso durch ein herkömmliches Baumuster zu ersetzen, meinen die Kultusminister, darauf verzichten zu können, weil den Leuten ja keine Materie auf dem Kopf fällt; „aufwendig“ zählt in den KN immer noch zu den bedrohten seltenen Schreibweisen; die herrlich saudumme neue Trennmöglichkeit „Vol-lendung“ hat man sich hier entgehen lassen.
Unbedarftheit – oder doch Mut? – hat auch zur verbotenen englischen Schreibweise „Quickstep“ in „Standard auf Top-Niveau“ geführt (nicht: Topp-Niveau!), mit dem man sich aber gut „platzieren“ kann. Neben „Tipp“ gefährdet auch der „Stepptick“ der Reformer die Englischleistungen unserer Schüler.
Wenn auch in einer Großanzeige für „Wiener Walzerseligkeit im Schloß“ „am 10. Januar im Kieler Schloß“ geworben wird, werden in dieser Ausgabe immer wieder ss-Greuel verübt:
Berlin: „Idomeneo wieder auf der Bühne
Die Schlussszene, in der die abgeschlagenen Häupter von Buddha, Mohammed, Jesus und Poseidon auf die Bühne gebracht werden, hatte bei der Premiere die Gemüter kaum erregt.
Und noch einen isolierten Kopf gibt es in den KN:
Das Denkmal für Unterseeboot-Konstrukteur Wilhelm Bauer, Bronze, Stahl, Schifffahrtsmuseum, Wall/Seegarten …
Als Sockel aber wählte Sihle-Wissel den rostigen Ambosstisch eines historischen Schmiedehammers, der sich schon zuvor als Exponat vor dem Museum befunden hatte. „Es ist der schönste Sockel, den ich je in meinem Leben gehabt haben werde, meint der Bildhauer. Im Juni 2004 wurde der Kopf darauf montiert und der Öffentlichkeit übergeben.
Es heißt mitunter, um „Fährniss“ (nicht „Fairness“) zu vermeiden, „ss“ sei nur bei betonten, kurzen Vokalen zu schreiben. „Amboß“, neu „Amboss“ erfüllt dies nicht – aber einen ähnlich klingenden „Kossmoss“ soll es dennoch nicht geben.
Auch bei Popphitts sind
Tiefe Bassschläge und knackende Drumhiebe, heiß bezüngelt von sexy Gitarrenlicks, …
sehr beliebt.
Wenn wenigsten die neuen „dass“ narrensicher wären! Es scheint sie jetzt jedoch zuviel zu geben, wo die „daß“ vorher eher vergessen wurden. Selbst der Korrekturautomatik der Zeitung entgeht manches:
Pilzbefall … Der Pilz ist übrigens nicht pflanzenpathogen – dass heißt, er tut dem Ficus nichts.
Zum Schluß eine Meldung von KN dpa/online vom 17.12.06
Köln (dpa) Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans- Jürgen Papier, sieht in der deutschen Politik einen Hang zur Überreglementierung. Ich meine die Tendenz in der Politik, dass immer dann, wenn mögliche oder vermeintliche Probleme in der Gesellschaft auftreten, sofort die Gesetzesmaschine angeworfen wird und Normen produziert werden, kritisierte Papier im Deutschlandfunk.
Für die „Rechtschreibreform“ hat er sogar die parlamentarische Gesetzesmaschinerie stillgelegt, damit sein Parteifreund Zehetmair den Reglementierungsunfug der „Rechtschreibreform“ ungestört installieren konnte.
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Sigmar Salzburg
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