Kieler Nachrichten – Wochenrückblick 22.2. – 26.2.07
KN v. 26.02.07
Ursula von der Leyen: Damit würden ältere Eltern, die steuerrechtlich als kinderlos gelten, „im nachhinein dafür bestraft, dass sie ihr Leben lang Zeit und Geld in die Kinder investiert haben und fürs Alter nichts zurücklegen konnten“.
Konfuse ä-Reformer: Wenn schon behände, belämmert, Gämse ...dann auch „ältere Ältern“.
Die Diskussion um den Nichtraucherschutz produziert auch massenhaft umfunktionierte „Stengel“. Die „Stenge“ der Seemannssprache durfte ihr „e“ behalten. Warum?
Und nun die Bayern, denen die Maß offenbar ohne Glimmstängel nicht so richtig schmeckt.
Die alte Schreibung „Maß“ wurde jedem gerecht. Jetzt muß die Schreibung „Mass“ oder „Maß“ nach Maß des Sprechers angepaßt werden.
Schon seit sieben Jahren weiß E.ON, dass wir in Schleswig-Holstein drei verstärkte Stromt-rassen von zusammen 120 km im 110 kV-Bereich dringend brauchen …
Regelrechte Trennung – wie „he-rab“ und „vol-lenden“.
Der kastrierte Kater von Herrn Beck
Berlin - In der Debatte über die harsche Kritik des Augsburger Bischofs Walter Mixa an der schwarz-roten Familienpolitik hat SPD-Chef Kurt Beck mit einem Scherz die Wogen noch ein wenig höher schlagen lassen. Bei der SPD-Programmkonferenz in Berlin brachte er über 800 Zuhörer mit einer karnevalistisch anmutenden Anekdote zum Lachen, die als Vergleich des Kirchenmannes mit einem kastrierten Kater gewertet wurde. „Eine einsame Frau hat sich einen Kater gekauft, der jeden Abend auf die Balz geht. Jetzt habe ich einen Kater, und bin dennoch einsam, klagt die Frau gegenüber ihrer Freundin. „Lass ihn kastrieren, rät diese. Doch als die beiden sich nach Wochen wieder treffen, beklagt sich die Frau erneut über ihre Einsamkeit. „Hast Du ihn denn nicht kastrieren lassen? Die Frau: „Doch. Er kann zwar nicht mehr. Aber er berät jetzt. … dpa
Beck selbst reagierte auf dergleichen empfindlich und klagte im letzten Juli, als Titanic unter Becks Bild geschrieben hatte: Problembär außer Rand und Band Knallt die Bestie ab! – in Erinnerung an das Ende von Bruno, dem Bär in Bayern. Von der Diskussion der „Rechtschreibreform“ rät Beck ab – als „nicht zeitgemäß“. Das richtige „du“ trifft dpa aber immer noch nicht.
Der Fortsetzungsroman meidet alle unverbindlichen Neuerungen.
„Georg, es tut mir so leid.“„Ich dachte, es wären die anderen.“ „Welche anderen?“ Sie brach in Tränen aus.
Soweit sind die anderen Schreiber noch nicht. Sie lassen noch „Pleite gehen“, wie andere ihre Hunde „Gassi gehen“ lassen:
Der Pleite gegangene DRK-Kreisverband Plön bekommt möglicherweise doch noch einen Nachfolger.
Die Reederei, die das Schiff damals ursprünglich bestellte, war damals Pleite gegangen.
Schließlich haben wir noch ein Exemplar der allerneuesten Reformschreibung:
Solche Gemächer passen auch zu einer Königin, die als Working Girl des 21. Jahrhunderts im formellen Business-Anzug ihr Kompetenzteam empfängt: Burleigh (Peter Jordan), den gewieften Strategen, der die Rechte beugt, wie es gerade nottut.
Die nuttige Entschärfung des reformierten „Not tut(not tut) geht wohl auf den renegaten Ex-Reformer und Schreibratsherrn Peter Eisenberg zurück, der sich jetzt in einem Vortrag vernichtend über die „Reform“ geäußert haben soll und ihren fast vollständigen Untergang prophezeit. (NDR Klassik am 25.2.07?)
Wir übergehen einige sinnlose Auseinanderschreibungen und erwähnen nur noch:
Heute aber… ist das etwas Anderes
Der Duden 2006 „empfiehlt“ Kleinschreibung, führt aber auch die obige Großschreibung an, die eigentlich als nie üblich im Rotdruck hätte erscheinen müssen. Im Duden 2004 gab es diese verrückte Neuerung noch nicht.
In den KN v. 24.02.07 läßt Klaus Kramer ganz unnötig das Recht des Bischofs groß herauskommen:
Wo der Bischof Recht hat
Frauen als „Gebärmaschinen zu bezeichnen, ist eine schlimme Entgleisung. … Die Krippen-Offensive Ursula von der Leyens legt allerdings den Schluss nahe, dass es ihr mehr um die Selbstverwirklichung der Mütter als um das Wohl der Kinder geht. Es wird nämlich im Moment fast ausschließlich darüber diskutiert, wie Mütter Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Das ist zweifellos notwendig, lässt aber die mindestens ebenso dringliche Frage außer Acht: Wie sollen Kinder erzogen werden, damit sie den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind?
Auch die „Acht“ muß nicht mehr groß sein, aber jeder soll sehen, daß hier kein Reformloser schreibt. Seit die große Acht (Aufmerksamkeit, Fürsorge) mit der Reform reanimiert worden ist, wird sie im Duden seltsamerweise als „veraltet“ abgewertet. Warum mußte dann die Kleinschreibung (als verblaßtes Substantiv) überhaupt rückgängig gemacht werden?
„Assig“ ist ein Begriff, der unter Fans gerne die Runde macht und im Grunde nichts anders bedeutet als ein beliebtes Zusammenspiel aus prollig und Drei-Akkorde-Schema. Psychopunch ist genau das: so richtig schön „assig“.
Da steht der Nicht-Freak ratlos da und weiß nicht: Soll das von amerik. „ass“ (Arsch) abgeleitet sein oder von neudeutsch „Ass?
Auf jeden Fall wird dankbar vermerkt, daß auf der Kinderseite im „Journal“ die jungen Leser zwanzigmal mit einem großen „Du“ angeredet werden. Obwohl die dummdreiste Kleinreformierung nicht zurückgenommen wurde, hat man die Freigabe doch als vollständige Rücknahme der neuen Unhöflichkeitsschreibung verstanden.
KN v. 23.02.07
Es hast dazu geführt, dass sich der vom kommunistischen Parteiführer kürzlich als „Ekel erregend“ bezeichnete Silvio Berlusconi theoretisch wieder Chancen auf das Amt des Ministerpräsidenten machen kann.
Nebenbei werden wir praktisch in jeder KN-Ausgabe mehrfach mit den Schluckstörungen des „so genannten“ belästigt.
Den äußerst seltenen Fall, in dem auch nach den konventionellen Schreibregeln drei Konsonanten stehenbleiben sollten, finden wir hier:
Die Band selbst lieferte diesbezüglich die wohlklingende Bezeichnung für die Schnapppresse: „skandinavischer Jazz mit kubanischen Anklängen und einer leichten Rock’n’Roll-Attitüde“.
Unverständlich bleibt, warum der „Delphin“ nicht seinen international üblichen ph-Wert behalten sollte:
Der in der Nacht zum Mittwoch nahe Florö aufgelaufene Minenjäger wurde von dem Ankerziehschlepper „Bourbon Dolphin“ befreit… die Vermutung, dass auf der „Grömitz“ bei der Navigation etwas schief gelaufen ist, erhärtet sich aber.
Dagegen ist hier denglischer Einfluß zu vermuten:
… „das Essen ist fantastisch“
Phantasie mit „f“ ist nämlich nicht phantasievoll, anders als der Einfall des Kapitäns, aus Verzweiflung habe er „sogar“ gebrannten Schnaps getrunken:
Prozess um Kollision im Ostuferhafen
Am Ende rettete den Angeklagten die Behauptung, er habe selbst gebrannten Schnaps aus den Beständen seiner polnischen Matrosen getrunken.
Jeder kennt den Bibelspruch: „Die Ersten werden die Letzten sein“ – gemeint ist der gesellschaftliche Rang. Die neue Flachschreibe verwendet diese Heraushebung durch Großschreibung jetzt auch für gewöhnliche Reihenfolgen:
Das Szechenyi-Bad in Budapest (Arte, 18.30 Uhr) Um sechs Uhr morgens stehen
die Ersten schon vor derTür, etwas später genießen sie, im 36 Grad warmen Thermalwasser liegend, die Pracht. Um zehn Uhr abends müssen die Letzten aufgefordert werden, zu gehen.
Acht Jahre, nachdem der unglückselige dpa-Bearbeiter der „Reform“, Albrecht Nürnberger, mir gesagt hatte: „Für mich steht die allein stehende Frau als Beispiel für Schwachsinn obenan....“ geistert sie immer noch durch die Presse.
Gaby Dohm (63) … {ARD, 20.15 Uhr) … ist Chefeinkäuferin in der Modebranche, Mutter einer erwachsenen Tochter, Großmutter zweier jugendlicher Enkelkinder und allein stehend dpa
Dagegen kennt der KN-Roman sowohl Joghurt als auch kennenlernen.
Flauer-Power spricht dagegen mit kastriertem „h“:
Fährunglück vor Java
Wie viele Menschen an Bord waren, blieb zunächst unklar, mindestens hundert seien in rauer See von Bord gesprungen.
KN v. 22.02.07
Süßigkeiten sollte nicht verboten, aber eingeschränkt werden, so Christiane Hohbohms Antwort auf eine oft gestellte Frage. „Eine Kinderhandvoll täglich darf möglichst auf einmal genascht werden, was schmeckt – das ist ein gutes Maß.“
Hier kann man sogar die „Handvoll“ erweitern – obwohl „eine Kinderhand voll“ auch nicht so verkehrt wäre wie in der folgenden Steinzeitreformschreibung, die auf eine Sendung mit der peinlichen Sonya Kraus hinweist:
Heute zeigt ihr Heimatsender die Komödie „War ich gut?“ (ProSieben, 20.15 Uhr), in der eine Hand voll Mittdreißiger darüber diskutiert, wie und ob Frauen ihren Orgasmus nur vortäuschen – und das über eine Länge von 90 Minuten. … Ihren Geschäftssin will sie weiter entwickeln. dpa
Weitere Glimmstängel und den überschwänglichen Kampf dagegen übergehen wir und erwähnen nur noch, daß „sogar“ ernannte Psychologen ratlos waren beim
Seelen-Striptease der Britney Spears
Echte und selbst ernannte Psychologen suchten nach Erklärungen.
– geändert durch Sigmar Salzburg am 02.03.2007, 18.12 –
__________________
Sigmar Salzburg
|