Urteil des VG Schleswig v. 6.2.2008
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SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT
Ausgefertigt
Schleswig, den 12. Februar
…
Az.: 9 A 301/05
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Verwaltungsrechtssache
[…]
hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht 9. Kammer auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2008 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Nordmann als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.
Tatbestand
Die im Jahre 1993 geborene Klägerin wendet sich gegen den in ihrer Schule praktizierten Unterricht nach den Regeln der reformierten Rechtschreibung. Bei Klageerhebung am 17. Oktober 2005 während des Schuljahrs 2005/2006 besuchte sie die 7. Klasse des beklagten Gymnasiums.
Ihr Begehren ist darauf gerichtet, die von ihr verwendeten Schreibweisen der herkömmlichen Orthografie nicht als Fehler zu markieren und zu werten sowie, sie in der herkömmlichen, vor Einführung der Rechtschreibreform üblichen Orthografie zu unterrichten. Es gehe ihr darum, die traditionelle Schreibweise diskriminierungsfrei verwenden zu dürfen, um traditionelle Kulturtechniken zu bewahren und eine Entfremdung mit der überlieferten großen Literatur zu verhindern.
Sie ist der Auffassung, dass sowohl die Durchsetzung der Rechtschreibreform vor dem 01.08.2005 als auch deren verbindliche Einführung zum 01.08.2005 unzulässig gewesen sei. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14.07.1998 sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, insbesondere der Ausgangspunkt, dass sich aus der Eigenart der Sprache begrenzende Wirkungen für Art und Ausmaß einer staatlichen Regelung ergäben. Die Rechtschreibreform sei trotz aller bis heute nicht ausgeräumten Angriffe auf sprachliche und grammatische Logik, auf Tradition und gute Sitten in Kraft gesetzt worden. Sie beinhalte willkürliche Systemveränderungen und bringe Fehlerquellen und neue Widersprüche in die Rechtschreibung. Dies gelte auch für die gegenwärtig, seit 2006 geltenden Regeln.
Obwohl das BVerfG sich nicht als „sprachwissenschaftlicher Obergutachter“ habe betätigen wollen und keine linguistischen Argumente zugelassen habe, müsse die sprachwissenschaftliche Richtigkeit der Reform – ein Sammelsurium unterschiedlichster Einfälle und Marotten – wegen der vom Gericht selbst angesprochenen begrenzenden Wirkung berücksichtigt werden. Darüber könne nicht pauschalierend entschieden werden.
Die vom BVerfG übernommene Bewertung des OVG Schleswig von 1997, dass die Prognose der Kultusverwaltung, die Rechtschreibreform werde die für eine Sprachgeltung notwendige allgemeine Akzeptanz finden, sei durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt. Eine Akzeptanz sei trotz der betriebenen Zwangsmissionierung bis heute nicht eingetreten. Meinungsumfragen hätten belegt, dass nach wie vor die Mehrheit der Bevölkerung die Rechtschreibreform ablehne. Selbst bei Schülern und Lehrern finde die Reform keine Akzeptanz. Die ablehnende Haltung werde auch durch den als repräsentativ anzusehenden Volksentscheid in Schleswig-Holstein von 1998 belegt. Zahlreiche Politiker und Schriftsteller hätten sich über Jahre hinweg vehement gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen. Nachdem sich die meisten Zeitungen zunächst angepasst hätten, seien etwa die FAZ im Jahre 2000 oder der Axel Springer Verlag im Oktober 2004 zur traditionellen Rechtschreibung zurückgekehrt. Noch im Jahre 2005 seien etwa 60 % der aktuellen Printmedien in herkömmlicher Rechtschreibung erschienen. Dieser Erkenntnis folgend habe das OVG Lüneburg im Jahre 2005 festgestellt, dass die reformierte Schreibweise nicht die allgemein übliche Schreibweise darstelle und deshalb auch nicht als „richtig gelten könne. Soweit einzelne Medienmagnaten sich mittlerweile doch für die Reformschreibung entschieden hätten und lohnabhängige Bürger der Reformschreibung zwangsweise unterworfen würden, sei dies unter dem Druck der Umerziehung und jahrzehntelanger Indoktrination uniformierter Schüler zustande komme und besage nichts über die Frage der Akzeptanz.
Die Reform sei von den schulgesetzlichen Bildungs- und Erziehungszielen nicht gedeckt. Die herkömmliche Orthografie sei weiterhin allgegenwärtig und habe deshalb auch als richtig zu gelten. Wenn sich die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler am anerkannten Stand der Wissenschaft zu orientieren habe, dürfe Falsches nicht gelehrt werden und Richtiges nicht als falsch bewertet werden. Im Übrigen wäre es ein Anschlag auf die deutsche Sprach- und Schreibkultur, wenn das Lesen in den Werken großer Schriftsteller wegen der Gefahr der Aneignung falscher Schreibweisen eingeschränkt werden müsste.
Die Rechtschreibreform verfolge keinen Gemeinwohlbelang und sei deshalb auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Sie ändere die Rechtschreibung nur um des Änderns willen. Schon die verhältnismäßig geringe Zahl von Änderungen ohne erkennbares System belege, dass es der Kultusministerkonferenz nicht um das Wohl der Schüler, sondern um die Erlangung von Macht durch Zugriff auf die Rechtschreibung gegangen sei und – späterhin – um Gesichtswahrung. Die angestrebte Erleichterung der Rechtschreibung sei nicht eingetreten; vielmehr habe die Reform zu einer Verkomplizierung der Rechtschreibung und zu einer größeren Fehlerträchtigkeit geführt. Schließlich könne die Reform auch deshalb nicht im öffentlichen Interesse liegen, nachdem sie eine repräsentative Ablehnung durch den Schleswig-Holsteinischen Volksentscheid erfahren habe. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass sich das Kieler Parlament nur ein Jahr später ohne Not über den eindeutig bekundeten Willen des Volkes hinweggesetzt und das Schulgesetz wieder geändert habe.
Hinzu komme, dass auch ein sicheres Lernen der „neuen Rechtschreibung nicht möglich sei, weil es sie nicht gebe. Hätten die jungen Leute bis 1996 vorwiegend durch ausgiebiges Lesen die Rechtschreibung erlernt, so sei dies heute nicht mehr möglich, da sie nicht mehr sicher sein könnten, ob eine Schreibung veraltet oder eine von den vielen reformierten oder wieder zugelassenen sei. So werde die Verinnerlichung eines bestimmten Schriftbildes durch das Durcheinander der verschiedenen Rechtschreibungen erheblich gestört. Selbst das an der Schule der Klägerin verwendete Lehrmaterial weise in etwa zur Hälfte noch die alte Rechtschreibung aus. So werde optisch-graphisch das grammatische Lernen fehlgeleitet und damit das sprachliche Empfinden verstümmelt. Hinzu komme, dass es seit 10 Jahren kein Wörterbuch mehr gebe, das einen bleibenden Stand der Schreibung der deutschen Wörter widerspiegele.
Schließlich sei es keine staatliche Aufgabe, überkommene Umgangsformen staatlich zu regeln. Die Verwendung der in weiten Bevölkerungskreisen als unhöflich empfundenen Kleinschreibung der vertraulichen Briefanrede „Du missachte den demokratischen Bildungsauftrag der Schulen, wozu auch die Erziehung des jungen Menschen zum sozialen Handeln gehöre. Insofern reiche es auch nicht aus, die Schreibung nunmehr freizustellen. Die Großschreibung als die traditionell übliche Höflichkeit müsse gelehrt werden; Abweichungen müssten als Fehler markiert werden.
Von einer rechtlichen Verbindlichkeit des die Rechtschreibreform einführenden Erlasses dürfe nach alledem nicht ausgegangen werden. Wenn das BVerfG meine, dass kein Bürger verpflichtet sei, die neue Rechtschreibung zu verwenden, so müsse das gleiche Recht auch den Schülern zustehen, sich der orthografischen Errungenschaften der deutschen Kultur in ihrer besten Form zu bedienen. Schüler wie auch Lehrer müssten das Recht haben, sich einer solchen Anordnung zu widersetzen. Lehrer hätten möglicherweise sogar eine Verweigerungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
1. Schreibweisen, die der herkömmlichen Orthografie entsprechen, in den schriftlichen Arbeiten der Klägerin auch dann nicht als Fehler zu markieren und bewerten, wenn sie dem 1994 verabredeten Regelwerk oder späteren Änderungen desselben widersprechen.
2. die Klägerin in der herkömmlichen, vor der Einführung der Rechtschreibreform üblichen Orthografie zu unterrichten und den Unterricht von grammatisch und historisch Falschem zu unterlassen.
3. die Klägerin über die allgemein übliche Briefanrede zu unterrichten, wozu auch die Großschreibung der vertraulichen Anrede zählt.
Das beklagte Gymnasium beantragt, die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es hinsichtlich der Einführung der neuen Rechtschreibung an der Darlegung fehle, durch das Handeln der beklagten Schule auf der Grundlage des geltenden Erlasses in eigenen Rechten verletzt zu werden. Entsprechend habe die Kammer bereits durch Urteil vom 21.02.2001 (9 A 309/99) eine vergleichbare Klage als unzulässig abgewiesen und dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.07.1998 Bezug genommen. Danach sei die Unterrichtung der Schülerinnen und Schüler nach der reformierten Rechtschreibung nicht von wesentlicher Bedeutung für die Grundrechtsausübung. Die bewirkten Änderungen in der Rechtschreibung blieben vom Umfang her verhältnismäßig gering, weil sie quantitativ nur 0,5 v. H. des Wortschatzes beträfen. Auch qualitativ hielten sich die Neuregelungen und ihre Folgen für die schriftliche Kommunikation in engen Grenzen, so dass im Ergebnis jedenfalls kein unverhältnismäßiger Eingriff in grundgesetzlich geschützte Rechte feststellbar sei. Der durch die Rechtschreibreform veränderte Unterrichtsgegenstand, der Inhalt der veränderten Rechtschreibregeln und der Schriftsprache seien sowohl quantitativ als auch qualitativ nicht so gewichtig, als dass sie der Festlegung neuer Groblernziele gleichkämen. Die grundrechtlich verbürgte Kommunikationsmöglichkeit bleibe erhalten; das hohe Maß an Einheitlichkeit, welche Schreibung als Kommunikationsmittel im gesamten Sprachraum voraussetze, werde nicht beeinträchtigt.
Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten auch zum Parallelverfahren 9 A 300/05 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Leistungsklage statthaft, gerichtet auf die Vornahme bzw. Unterlassung einer nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Amtshandlung. Obwohl in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht explizit geregelt, gelten für sie die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 14. Aufl., vor § 40, Rdnr. 8a mwN).
Eines vorherigen Antrages bei der jeweiligen Verwaltung – hier der beklagten Schule –bedarf es nicht (Kopp/Schenke aaO, Rdnr. 8a, 51). Davon abgesehen bestehen am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis auch keine Zweifel. Der im Laufe des Klageverfahrens mit der beklagten Schule geführte und eingereichte Schriftwechsel zeigt hinreichend deutlich, dass diese nicht gewillt ist, dem klägerischen Begehren nachzukommen.
Die bei einer Leistungsklagen in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO zu fordernde Klagebefugnis
Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass sie entsprechend den Regeln der herkömmlichen, bis 1996 geltenden Rechtschreibung einschließlich der bis dahin allgemein üblichen Briefanrede unterrichtet wird und ihre Schreibung nicht als falsch angestrichen und bewertet wird, wenn sie dieser herkömmlichen Rechtschreibung entspricht.
Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist die gegenwärtige Sach- und Rechtslage. Die Klägerin besucht derzeit die 9. Klasse eines schleswig-holsteinischen Gymnasiums. Dort wird gemäß Erlass des Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein vom 18. April 2006 (NBIMBF 2006, 109) auf der Grundlage der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 2006 unterrichtet. Der Erlass erklärt die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in den Schulen für rechtlich verbindlich und schreibt damit den Rechtschreibunterricht und die vorzunehmende Bewertung von Rechtschreibung verbindlich vor. Schreibweisen, die durch diese Amtliche Regelung überholt sind, durften lediglich bis zum 31. Juli 2007 nicht als Fehler markiert und bewertet werden.
Die beklagte Schule ist passivlegitimiert, auch wenn sie den geltend gemachten Anspruch zutreffend schon deshalb zurückweist, weil sie an den anderslautenden Erlass des Ministeriums (aaO) als Schulaufsichtsbehörde gebunden ist und den Lehrern insoweit auch kein eigener pädagogischer Verantwortungsbereich zusteht. Tatsächlich ergibt sich eine solche Bindung aus § 34 Abs. 1 Satz 2 SchulG. Diese Bindung besagt allerdings nicht, dass nur das Ministerium als richtiger Klagegegner in Frage kommt, weil in der Sache und den Inhalt eines Erlasses zu streiten ist. Eine solche Klage wäre zwar denkbar, (wenn man den Erlass als normkonkretisierende [so OVG Schleswig, Beschl. v. 13.8.1997 3 M 17/97 -], unmittelbar nach außen wirkende und damit justiziable Verwaltungsvorschrift [vgl. Kopp/Schenke aaO, §47, Rdnr. 29] ansieht), ist aber nicht zwingend. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des §34 Abs. 1 Satz 2 SchulG ist die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Weisung oder Anordnung. Sollte sich der gegenwärtig geltende Erlass des Ministeriums demnach als rechtswidrig erweisen, entfiele die von der beklagten Schule geltend gemachte Bindung und stünde der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen.
Die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung 2006 ist ihrerseits rechtlich nicht zu beanstanden, da sie sich formal und materiell im Rahmen geltenden Rechts bewegt und etwaige Rechte der Schülerinnen und Schüler nicht verletzt. Die Reform ist durch den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag gemäß Art. 7 Abs. 1 GG und die einfachgesetzliche Bestimmung der Bildungs- und Erziehungsziele in § 4 SchulG hinreichend gedeckt. Dies galt bereits vor der verbindlichen Einführung der Rechtschreibreform (BVerfG aaO) und gilt auch heute noch. Der Rechtsprechung des BVerfG hat sich das Bundesverwaltungsgericht (mit Urt. v. 24.03.1999 6 C 9/98 BVerwGE 108, 355) mit Blick auf das Berliner Schulrecht angeschlossen. Ihr folgt auch das erkennende Gericht unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage.
Bereits das BVerfG hatte darauf hingewiesen, dass die Rechtschreibung als Inbegriff der Regeln über die richtige Schreibung dem Ziel dient, im Interesse der Kommunikation die Einheitlichkeit des Schreibens sicherzustellen. In der Schule ist sie Gegenstand des Unterrichts und Maßstab der Leistungsbewertung (BVerfG aaO, S. 219) und insoweit auch einer staatlichen Regelung zugänglich. Für den Bereich der Schulen ergibt sich dies aus Art. 7 Abs. 1 GG, der dem Staat mit der Aufsicht über das Schulwesen auch die Befugnis zuweist, Bestimmungen über Art und Inhalt des Schulunterrichtes zu treffen. Hierzu zählt auch die Festlegung von Regeln und Schreibweisen. Sowohl Lehrer wie Schüler benötigen „möglichst sichere, verbindliche, aber auch verständliche Grundlagen für richtiges Lehren und Lernen der deutschen Schreibung sowie zuverlässige Maßstäbe für die Benotung der insbesondere im Rechtschreibunterricht geforderten schulischen Leistungen (BVerfG aaO, S. 246 ff.). Im Übrigen ergibt sich aus der Eigenart der Sprache weder ein Regelungsverbot noch beschränkt diese die inhaltliche Gestaltung der Rechtschreibung auf ein Nachzeichnen dessen, was in der Schreibgemeinschaft ohne staatlichen Einfluss an allgemein anerkannter Rechtschreibung bereits entstanden ist. Dass die Regelung über die richtige Schreibung jedenfalls auch Sache von Staat und Schule ist, ist in der deutschen Orthografiegeschichte zumindest seit Mitte des 19. Jahrhunderts belegt (BVerfG aaO, S. 247 mwN; Menzel: Von Richtern und anderen Sprachexperten – Ist die Rechtschreibreform ein Verfassungsproblem? NJW 1998, 1177, 1178 mwN). Ist die Rechtschreibung einschließlich der Anrede in Briefen im schulischen Bereich mithin einer staatlichen Regelung zugänglich, kann diese auch von den Ländern getroffen werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung „Vorbildcharakter für alle haben soll, die sich an einer allgemein gültigen Rechtschreibung orientieren möchten, weil Schule in Wahrnehmung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages notwendigerweise auch nach außen wirkt, Verhaltensweisen des Einzelnen beeinflusst und Werte schafft auch für das soziale Miteinander der Menschen. Im Übrigen obliegt es den Ländern, im Wege der Selbstkoordinierung und Abstimmung mit anderen Stellen eine möglichst weitgehende Einheitlichkeit herzustellen (BVerfG aaO, S. 248).
Die Regelung der Rechtschreibung unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt. Eine solche Regelung ist für die Verwirklichung möglicherweise betroffener Grundrechte von Eltern, Schülern oder auch außenstehenden Dritten nicht so wesentlich, als dass der parlamentarische Gesetzgeber sich dem annehmen müsste. Nach sorgfältiger Auswertung der zahlreich eingeholten Stellungnahmen war das BVerfG schon 1998 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Neuregelung auf Seiten der Schüler zu einem erleichterten Erlernen der Schriftsprache führen werde, ohne die Lesbarkeit und Verständlichkeit der nach den neuen Regeln geschriebenen Texte zu beeinträchtigen. Dies folge daraus, dass die Reform mit Ausnahme der Änderung der bisherigen „ß-Schreibung in quantitativer Hinsicht nur einen geringen Teil des Wortschatzes betreffe und sich zudem auch qualitativ in engen Grenzen halte. Den nach den neuen Regeln ausgebildeten Schülern bleibe die Kommunikation möglich auch mit solchen Personen, die weiter die traditionelle Schreibweise bevorzugten. Dies sei selbst von den Kritikern der Rechtschreibreform nicht bestritten worden. Davon ausgehend, dass die Lesbarkeit alter wie neuer Texte praktisch nicht beeinträchtigt werde, könnten die Schüler selbstverständlich auch mit den traditionellen Schreibweisen vertraut gemacht und an die klassische Literatur in deren ursprünglicher Schreibweise herangeführt werden. Eine etwaige Hemmschwelle oder die Gefahr einer Verunsicherung durch die verschiedenen Schreibweisen vermochte das BVerfG nicht erkennen (BVerfG aaO, S. 251 ff. mwN).
All diese Überlegungen sind auf gegenwärtige Sach- und Rechtslage zu übertragen. Auch wenn die seit 1998 als verbindlich eingeführten Rechtschreibregeln bis heute mehrfach geändert worden sind und diese Änderungen mehrfache Ungewöhnungen erforderlich gemacht haben, sind die heute geltenden Regeln – Stand 2006 – im Ergebnis und im Vergleich zu denen von 1998 in ihrer reformerischen Kraft wieder zurückgeschraubt worden. Dies sieht auch die Klägerin so. Aus diesem Grunde bedarf es heute erst recht keiner gesetzlichen Regelung. Dies gilt auch mit Blick auf das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG, zumal die Vermittlung und Fortentwicklung des richtigen Schreibens traditionell Angelegenheit des staatlichen Schulwesens ist und das Elternhaus insoweit allenfalls unterstützend mitwirkt (BVerfG aaO, S. 252 ff.; Gärditz aaO, S. 3532 f.). Im Übrigen darf bei der Bewertung der Grundrechtsrelevanz nicht verkannt werden, dass Schülerinnen und Schüler im Alter der Klägerin von Anfang an nach den Regeln der reformierten Rechtschreibung unterrichtet worden sind und insofern ein Umlernen von der herkömmlichen Rechtschreibung nicht einmal geboten war. Umso weniger ist heute deshalb auch zu erkennen, dass mit der Rechtschreibreform – wie etwa bei der Einführung der Sexualkunde – neue Bildungsziele eingeführt würden. Tatsächlich verbleibt die Rechtschreibreform im Bereich technischer Fragen der Lehrplangestaltung und wertfreier Wissensvermittlung, der von den schulgesetzlichen Vorgaben abgedeckt ist (BVerfG aaO, S. 255 ff.; Gärditz aaO).
Schließlich hat die Rechtschreibreform auch für außenstehende Dritte keine grundrechtliche Relevanz, bleibt ihnen die Rechtschreibung doch freigestellt. Soweit privatwirtschaftliche Unternehmen aus marktorientierten Gründen heraus die Entscheidung treffen, sich der reformierten Rechtschreibreform anzuschließen, ist dies nur eine mittelbare Folge der mit der Rechtschreibreform angestrebten und juristisch akzeptierten Vorbildfunktion. Insofern kann auch nicht von einer „Zwangsmissionierung oder einer erzwungenen gesellschaftlichen Veränderung gesprochen werden (vgl. BVerfG aaO, S. 258 ff.). Dabei wird nicht verkannt, dass Rechtschreibung zu einem maßgeblichen Teil „Derivat des schulisch vermittelten Bildungsauftrags des Staates ist (Gärditz aaO, S. 3532).
Dass die Rechtschreibreform nach wie vor politisch umstritten ist und von gesellschaftlicher Relevanz ist, führt für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich im o.g. Sinne verstanden werden müsste (BVerfG aaO, S. 251 mwN; Menzel, aaO S. 1182). Sofern allerdings angenommen werden sollte, dass auch eine gesamtgesellschaftliche Wesentlichkeit einen Gesetzesvorbehalt bewirken kann, läge eine solche auch unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung von Schulen (und Ämtern) in die Gesellschaft in Anbetracht der bereits beschriebenen geringen Intensität jedenfalls nicht vor (Gärditz aaO, 3533 mwN). Im Übrigen dürfte die Sprache als allgemeines Kommunikationsmedium mit Ausnahme des schulischen und behördlichen Bereiches einer hoheitlichen Regelung von vornherein nicht zugänglich sein (Roellecke: Grundrecht auf richtiges Deutsch? NJW 1997, 2500). Ein lediglich gefühltes Ärgernis oder die Umstrittenheit der Rechtschreibung im gesellschaftlichen Diskurs ist rechtlich nicht greifbar (Gärditz aaO S. 3533 mwN). Entsprechend geht auch das Schleswig-Holsteinische OVG davon aus, dass Sprache im Allgemeinen nicht durch parlamentarische Gesetze formbar ist (Beschluss vom 13.08.1997 -3M17/97-Umdr. S. 15).
Inhaltlich ist der hier in Rede stehende Erlass vom 18. April 2006 von den in § 4 SchuIG formulierten allgemeinen Bildungs- und Erziehungszielen in Verbindung mit den speziellen Anforderungen für die einzelnen Schularten (§§ 41 ff. SchuIG) gedeckt. Diese Bildungs- und Erziehungsziele konkretisieren den staatlichen Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung der Elternrechte aus Art. 6 Abs. 2 GG, aber vor allem unter Berücksichtigung des Rechts des jungen Menschen auf eine seiner Begabung, seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Erziehung und Ausbildung (vgl. § 4 Abs. 1 SchuIG). Sie formulieren Maßstäbe für die Auslegung des Gesetzes und der nachfolgenden Verordnungen und Erlasse und sind zudem Leitlinie für alle im Schulwesen Tätigen (Karpen in: Karpen/Popken, Komm, zum Schlesw.-Holst. Schulgesetz, Loseblattsammlung, Okt. 2007, §4 Anm. 1).
Das in § 4 Abs. 1 SchuIG einfachgesetzlich angesprochene und der Landesverfassung nur als Komplementärstück zur allgemeinen Schulpflicht zu entnehmende (vgl. Helle-Meyer in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack, Komm, zur Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 8 Rdnr. 16) Recht auf Bildung gibt ein entsprechendes Abwehr- und Forderungsrecht, wie es die Klägerin geltend macht, allerdings nicht her. Weder normiert es irgendwelche hinreichend bestimmten Ansprüche noch enthält es eine spezielle Aussage hinsichtlich der Korrektur und Bewertung der Rechtschreibung oder der Verwendung einer bestimmten Rechtschreibung im Unterricht. Es erschöpft sich vielmehr in der Wiedergabe dessen, was sich ohnehin als Recht auf Bildung aus dem staatlichen Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 LV ergibt, gerichtet auf individuelle Teilhabe an der staatlichen Veranstaltung „Schule. Als programmatische, objektiv rechtliche Vorhalteverpflichtung belässt es der Schulverwaltung im Übrigen einen breiten Ausgestaltungsspielraum (vgl. Helle-Meyer aaO, Rdnr. 2, 16, 18). Es geht damit auch nicht über das verfassungsrechtlich zu begründenden Teilhaberecht hinaus, wie es aus einer Zusammenschau aus Art. 12, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet wird (Helle-Meyer aaO, Rdnr. 18; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. Rdnr. 172; vgl. auch VG Hannover, Urteil vom 09.06.2005 6 A 6717/04 in juris, Rdnr. 41 ff. mwN).
Individualrechtlich erschöpft es sich ebenso wie die genannten Grundrechte darin, staatlichen Eingriffen bei der Wahrnehmung des Erziehungsauftrags (verfassungs-)rechtliche Grenzen zu setzen. Es kann insofern zwar als Abwehrrecht gegen individuelle Maßnahmen und generelle Regelungen der staatlichen Schulaufsicht in Anspruch genommen werden, beinhaltet aber von vorneherein keinen individuellen Leistungsanspruch (vgl. VG Hannover aaO, Rdnr. 48 f.).
Die im Erlass vom 18. April 2006 enthaltene Vorgabe, Schreibweisen, die der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung widersprechen, als Fehler zu markieren und zu bewerten, steht den Bildungs- und Erziehungszielen des § 4 SchuIG iVm mit den schulartspezifischen Anforderungen gem. §§ 41 ff SchuIG nicht entgegen. Aus § 4 SchuIG lässt sich ableiten, dass den Schülerinnen und Schülern das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache zu vermitteln ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. vom 13.07.1997 3 M 17/97 Umdr. S. 12). Hierzu gehört, die „richtige Schreibung zu lehren und richtig geschriebene Wörter nicht als falsch anzustreichen (so auch OVG Lüneburg, Beschl. vom 13.09.2005 13 MC 214/05 NJW 2005, 3590 ff). Entgegen der Auffassung der Klägerin und des OVG Lüneburg handelt es sich bei der „richtigen Schreibung allerdings nicht zwangsläufig um die herkömmliche Rechtschreibung, wie sie vor der ersten Reform Anfang der 90'er Jahre allgemein üblich war.
Weder das Gesetz noch die Verfassung legen fest, wie die „richtige Schreibung aussieht, d.h. nach welchen konkreten Schreibweisen und Regeln Rechtschreibung zu lehren und zu bewerten ist. Lehrpläne zu definieren und Regeln zur Leistungsbewertung im Rahmen der geltenden Gesetze aufzustellen, bleibt vielmehr Sache der Schulverwaltung als fachlich dazu berufener Stelle der Exekutiven. Dazu gehört auch die Pflege der Rechtschreibung (BVerfG aaO, S. 245; zustimmend Gärditz aaO, S. 3533). Soweit das OVG Lüneburg in seinem soeben zitierten Beschluss aus 2005 meint, von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Bundesverwaltungsgerichts abweichen zu müssen, weil „richtig nur das sein könne, was bisher und gegenwärtig in der Gesellschaft an Rechtschreibung praktiziert werde, so dass die Einführung einer speziellen „Schülerschreibung den Bildungs- und Erziehungszielen jedenfalls solange widerspreche, bis sich die neue Rechtschreibung – infolge ihrer schulischen Vermittlung – allgemein durchgesetzt habe, so kann dem nicht gefolgt werden. Dies zunächst deshalb nicht, weil die „allgemein üblichen Regeln nicht zugleich und zwangsläufig die „geltenden Regeln sind. Gesteht man dem Staat im Rahmen der gesetzlich festgelegten Bildungs- und Erziehungsziele die Befugnis zu, nicht nur die in der Gesellschaft überwiegend praktizierte Rechtschreibung nachzuzeichnen, sondern auch Neuregelungen einzuführen und diese über die Schule in die Gesellschaft zu transportieren (BVerfG aaO, S. 247 ff), muss dies gerade auch dann gelten, wenn die Neuregelungen mangels durchgängiger Akzeptanz noch nicht zur allgemein üblichen Schreibung in der Gesellschaft gehören. Rechtschreibung wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts staatlich vorgegeben und hat erst über die Schulorthografie zur Vereinheitlichung gefunden. Selbst der Duden war nicht nur ein „Seismograph einer vom Volk geprägten Orthographie, sondern verfügte seit 1955 über ein sprachpolitisches Mandat. Auf dieser Grundlage nahm die Dudenredaktion eine wissenschaftlich begründete Sprachpflege für sich in Anspruch, indem sie regulierend in das Sprachgeschehen eingriff und sprachliche Normen setzte (BVerfG aaO, S. 248; Menzel aaO, S. 1178 f mwN). Hiervon ausgehend übersieht das OVG Lüneburg des Weiteren, dass sich eine neue Rechtschreibung infolge ihrer schulischen Vermittlung nur dann durchsetzen kann, wenn sie in der Schule auch gelehrt wird.
Ein „richtig oder „falsch, wie das OVG Lüneburg und ihm folgend die Klägerin in Abhängigkeit von der gesellschaftlichen Akzeptanz es verstehen, kann es daher nicht geben. Rechtschreibung ist vor allem eine Definitionsfrage, sie beruht „auf einer Mischung aus gesellschaftlichem Wildwuchs, linguistischer Formung und schulorthographischer Normierung (Menzel aaO, S. 1179). Auch wenn die Sprachformung als gesellschaftlich kulturelles Phänomen eines Mindestmaßes an Akzeptanz in der Bevölkerung bedarf, entzieht sich die Frage, ob die Rechtschreibreform angesichts des weiterhin bestehenden Widerstands gelungen ist, naturgemäß einer juristischen Beurteilung (Gärditz aaO, S. 3533).
Um die Vereinbarkeit der durch Erlass verbindlich eingeführten Rechtschreibregeln mit höherrangigem Schulrecht zu überprüfen, bedarf es folglich anderer Maßstäbe und vor allem der Berücksichtigung, dass die Vermittlung sowie die Fortentwicklung des richtigen Schreibens traditionell vorrangig Angelegenheit des staatlichen Schulwesens ist {BVerfG, aaO, S. 252 f, 256; Gärditz aaO S. 3533). Der der Kultusverwaltung einzuräumende weite Entscheidungsspielraum führt dazu, dass die von ihr getroffenen Entscheidungen gerichtlicherseits nur auf ihre Vertretbarkeit und die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grundsätze hin – wie etwa das Willkürverbot – überprüft werden können. Darüber hinaus kommt es statt einer allgemeinen Akzeptanz oder des Maßes außerschulischer Verwendung darauf an, ob hinsichtlich Art und Ausmaß der sprachlichen Regelungen die sich aus der Eigenart der Sprache ergebende begrenzende Wirkung (BVerfG aaO, S. 246) beachtet worden ist. Diese Grenzen waren, wie das BVerfG 1998 festgestellt hat, bei der ursprünglichen Reform eingehalten worden. Nichts anderes lässt sich heute feststellen. Wie bereits dargelegt, bewegt sich der Umfang der Reform heute erst recht in einem marginalen Bereich und betrifft die vor der Reform praktizierte Rechtschreibung nur in Randbereichen. Gerade nach den mehrfachen Korrekturen und der damit einhergehenden Liberalisierung zahlreicher Rechtschreibregeln ist dem BVerfG auch heute darin zu folgen, dass die Annahme der Kultusverwaltung, die Neuregelung werde auf Seiten der Schüler zum erleichterten Erlernen der Schriftsprache führen, ohne Lesbarkeit und Verständlichkeit der nach den neuen Regeln geschriebenen Texte ernsthaft zu beeinträchtigen, nicht zu beanstanden ist und dass vor allem auch die Kommunikation der nach diesen Regeln ausgebildeten Schülerinnen und Schüler auch mit solchen Personen möglich ist, die weiter die traditionelle Schreibweise bevorzugen.
Ein Verstoß gegen die Bildungs- und Erziehungsziele insbesondere des § 4 Abs. 1 und 3 SchuIG ist nach alledem nicht festzustellen. Der hierzu unter Beweis gestellten Tatsache, dass Schüler nicht die Kommasetzung lernen, die sie später im Berufsleben benötigen (Nr. 2), war schon deshalb nicht nachzugehen, weil es sich insoweit um einen unsubstan-tiierten Beweisantrag handelt, der eine aus Sicht des Gerichts willkürliche, letztlich aus der Luft gegriffene Behauptung beinhaltet, für die die Klägerin keine brauchbaren tatsächlichen Grundlagen genannt hat. Sie übersieht, dass mittlerweile sämtliche Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren nach der reformierten Rechtschreibung unterrichtet werden und mit dieser Schulausbildung in das Berufsleben gehen. Abgesehen davon, dass die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber die Verwendung der reformierten Rechtschreibung längst eingeführt haben, wird sich auch die Privatwirtschaft damit konfrontiert sehen, nur noch unter Berufseinsteigerinnen und -einsteigern auswählen zu können, die nach der reformierten Rechtschreibung unterrichtet worden sind. Eine anders ausgebildete Konkurrenz wird es insoweit nicht geben können. Sofern ein privater Arbeitgeber dennoch darauf bestehen sollte, dass in seinem Bereich ausschließlich die alte Rechtschreibung verwendet wird, so müssten sich die jeweiligen Berufsanfängerinnen und -anfänger darauf einstellen und zumindest im beruflichen Bereich die alte Rechtschreibung benutzen. Eine Disqualifizierung für das gesamte Berufsleben kann darin keinesfalls liegen.
Ebensowenig war den klägerischen Beweisanträgen zu 1) und 3) nachzugehen. Zur Klärung der Tatsachenbehauptung, dass durch die Rechtschreibreform gängige Wörter der deutschen Sprache „verboten worden seien bzw. der Frage, ob die Benutzung bestimmter Wörter in der Schule „erlaubt sei, bedarf es einer Beweiserhebung nicht, weil es einerseits darauf nicht ankommt und weil sich andererseits die Beantwortung aus dem geltenden Recht herleiten lässt. Gemäß den hierzu gegebenen mündlichen Erläuterungen und den in der Anlage zu Protokoll gereichten schriftlichen Erläuterungen leitet die Klägerin ein von ihr angenommenes Verbot aus der Tatsache ab, dass bestimmte, aus zwei Teilen zusammengesetzte Wörter nicht mehr in einem Wort geschrieben und demgemäß in der Schule nicht mehr verwendet werden dürften (z. B. lahmlegen, kennenlernen, zuviel, wieviel, jedesmal). Die gebotene Schreibung ergibt sich aus der mit Erlass vom 18. April 2006 als verbindlich eingeführten Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung, bestehend aus einem Regelwerk und einem Wörterverzeichnis. Die Regelung über die Getrennt- und Zusammenschreibung ist in Teil I, B (§§ 33 ff) des Regelwerks zu finden. So lässt sich beispielsweise feststellen, dass das Wort „lahmlegen gemäß § 34 (2.2) weiterhin zusammengeschrieben werde darf und insofern in einer Schülerarbeit auch nicht als Fehler angestrichen und bewertet werden dürfte. Soweit die Klägerin aus diesen Regeln über das Getrennt- und Zusammenschreiben ein „Verbot oder auch ein „Erlaubtsein bestimmter Wörter ableiten will, so ist dies im Übrigen eine Bewertung, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich wäre.
Von einer Willkürlichkeit der Reformregeln kann schon wegen des insgesamt geringen Umfangs der Veränderungen und des lang andauernden Reformprozesses unter breiter Beteiligung gesellschaftlich relevanter Gruppen nicht gesprochen werden. Seit seinem Anstoß Ende der 80'er Jahre war das Verfahren dadurch geprägt, dass die Reformdiskussion der Öffentlichkeit zugänglich war, Zahlreiche Fachkonferenzen wurden durchgeführt, Verbände angehört, verschiedene Reformkonzepte erarbeitet und publiziert, aber auch verworfen. Der erste Reformbeschluss im Dezember 1995 entsprach dem unangefochtenen Konsens zwischen dem Bundesminister des Innern und allen zuständigen Landesministern, getragen von einer breiten Zustimmung der Bildungsverbände (von der GEW bis zum Philologenverband) und der Elternbeiräte (Menzel aaO, S. 1179 mwN; vgl. auch OVG Schleswig, Beschl. vom 13.07.1997 3 M 17/97 Umdr. S. 17 f). Im An-schluss daran hat die Kommission für die deutsche Rechtschreibung die ihr zugewiesene Aufgabe, die Einführung der Neuregelung zu begleiten und die künftige Sprachentwicklung zu beobachten, weiterhin wahrgenommen und verschiedene Berichte mit Änderungsvorschlägen erstellt. Das aus dem 4. Bericht mündende neue Regelwerk mit Stand 2004 wurde im Juni 2004 von der Kultusministerkonferenz gebilligt mit der Vorgabe, die Entwicklung des Schriftgebrauchs weiterhin zu beobachten. Als Antwort auf die anhaltende Kritik an der Rechtschreibreform wurde im Dezember 2004 ein „Rat für deutsche Rechtschreibung eingerichtet, dem neben fachlich ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Sprachpraktiker aus dem Verlagswesen, der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, aus dem pädagogischen sowie aus dem journalistischen und schriftstellerischen Bereich angehören, die über besondere Erfahrungen und Kenntnisse mit Schreibregeln und der Schreibpraxis verfügen (so nachzulesen unter http://www.recht-schreibrat.com). Die von ihm erarbeiteten Empfehlungen fanden im März 2006 die Zustimmung der Kultusministerkonferenz und Ende April 2006 die Zustimmung der Ministerpräsidentenkonferenz; aus ihnen entstand das aktuell geltende Regelwerk.
Aus alledem ergibt sich zugleich, dass auch eine Verletzung von Grundrechten nicht gegeben ist. Während das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ohnehin allenfalls indirekt berührt wäre und vom BVerfG mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler auch gar nicht erst geprüft worden ist, dürfte eine Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG schon angesichts des von der Klägerin mittlerweile erreichten Alters und persönlichen Entwicklungsstandes zweifelhaft sein. Die Kennzeichnung und Bewertung von Schreibweisen, die von der neuen Rechtschreibung abweichen sowie ein fehlender Unterricht in der herkömmlichen Orthografie dürfte, nachdem die Klägerin eine sprachliche Grundsicherheit in Wort und Schrift mit Abschluss der Grundschule bereits erreicht hat, die Schwelle eines spürbaren Grundrechtseingriffs kaum überschreiten. Aufgabe des weiterführenden Gymnasiums ist es gemäß § 44 Abs. 1 SchuIG, ihr im Anschluss an die Grundschule eine Allgemeinbildung zu vermitteln, die den Anforderungen für die Aufnahme eines Hochschulstudiums oder einer vergleichbaren Berufsausbildung entspricht. Dies setzt die in der Grundschule erlernten Kulturtechniken voraus und führt zu der Annahme, dass die Klägerin die die Rechtschreibung prägenden Abschnitte ihrer Schullaufbahn demnächst hinter sich gelassen haben wird (vgl. VG Hannover, Urteil vom 09.06.2005 6 A 6717/04 in juris Rdnr. 52).
Dessen ungeachtet ist dem BVerfG in seiner Annahme zu folgen, dass Grundrechte der Schülerinnen und Schüler durch die im Erlasswege eingeführte reformierte Rechtschreibung jedenfalls nicht verletzt werden. Weder der von der Exekutiven angenommene Gemeinwohlbelang noch die Verhältnismäßigkeit der Rechtschreibreform im engeren Sinne sind heute zu bezweifeln. Insoweit bleibt an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass es allein darum geht, in Wahrnehmung schulischer Aufgaben Regeln aufzustellen, nach denen Schülerinnen und Schüler Lesen und Schreiben als grundlegende Kulturtechnik vermittelt bekommen. Solange diese Regeln geeignet sind, die Lese- und Schreibfähigkeit der nachwachsenden Generation sicherzustellen und die Kinder in die Lage versetzt werden, anhand der erlernten Sprache und Schreibung in der Gesellschaft und in der Berufswelt zu kommunizieren, ist die Reform juristisch betrachtet von einem ausreichenden öffentlichen Interesse getragen und rechtlich nicht zu beanstanden, mag sie im privaten und gesellschaftlichen Bereich auch auf Kritik stoßen. Bei aller Kritik an der Sinn-haftigkeit und Notwendigkeit des Reformwerkes ist im Übrigen zu bedenken, dass auch die Diskussion um den bis zur Reform entstandenen „Regel-Dschungel durch die Duden-Normierung ein Grund war, die Rechtschreibreform überhaupt anzugehen (Menzel aaO, NJW1998, 1178, 1179).
Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung statthaft, wenn diese von dem O-berverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim
Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht
Brockdorff-Rantzau-Straße 13
24837 Schleswig
zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem
Schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgericht
Brockdorff-Rantzau-Straße 13
24837 Schleswig
einzureichen.
Jeder Beteiligte muss sich für diesen Antrag durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
Nordmann
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