Scharf
Hitzespätfolge der Dudenreform
PETER STRASSER (Die Presse)
Jetzt glauben die Coiffeure, dass man „façonner“ so schreibt, wie man's spricht!
Ja, manche meinen, er lasse an nichts ein gutes Haar, nicht einmal an seinem eigenen, von dem er ohne Übertreibung sagen darf, es habe sich vor der dummdreisten dudendeutschen Rechtschreibreform jederzeit in tadelloser Façon befunden. Und nein, er hat keinen Sonnenstich; er ist bloß Französischnachhilfelehrer in der heißesten Nachzipfphase des Jahres. Und ja, es ist sinnlos, sich von einem Coiffeur, der glaubt, dass er sich schreibt, wie er sich spricht – Kwoaföa –, eine tadellose Façon zu erwarten. Es kommt aber noch schlimmer.
Begonnen hat alles mit der dreisten Dudendummheit: „Man schreibt es, wie man's spricht“, die sich nicht nur in den Hohlköpfen (têtes creuses) der Französischnachzipfler rasch ausbreitete. Man schreibt es, wie man's spricht, ha! Geht er zum Coiffeur, so will er nichts weiter als eine tadellose Façon, doch seit der dummdreisten dudendeutschen Rechtschreibreform glauben die Coiffeure, dass man „façonner“ so schreibt, wie man's spricht, weswegen sie sich weigern, ihn zu „fassonieren“. Denn fassonieren sei total out, frikassieren super in. Da sie alle darauf schwören, Jünger der Haute Coiffure (Hot Kwoafüa) zu sein, bejubeln sie neuerdings den Top-Style des Frikassierens – frz. „fricasser“, ein Frikassee zubereiten – als trähschik. Damit meinen sie „trashig“, was sie, geschrieben, wie man's spricht, für die stylischste façon de parler halten, „très chic“ zu sagen, so ein Unsinn! Es kommt aber noch schlimmer.
Gestern erst war er beim Coiffeur, und heute schaut er aus, als ob er bei einem Frikasseur gewesen wäre, der ihn durch eine Frikassiermaschine gedreht hätte. Nun hat er etwas Trähschikes auf dem Kopf, wofür ihm keine andere Bezeichnung als die einer Frikasseeglatze einfiele, noch dazu einer, die sich wegen der Sommerhitze gleich mit Hitzewimmerln überzog. Scheußlich. Und was schwört sein Coiffeur? Dass das Trähschike auf seinem schütteren Kopf (als ob ein Kopf schütter sein könnte!) supertoll ausschaue, nämlich frikassiert.
Dass er an nichts ein gutes Haar lasse, ist ein Neidgerücht der pensionsreifen Glatzenträger unter seinen Nachhilfekollegen in der heißen Nachzipfphase, die sich zu gut sind, um ein Toupet über ihren Kahlkopf (tête chauve) zu stülpen. Denn die Schwerhörigen unter ihnen– von den Sprachgestörten ganz zu schweigen – halten nach der verbrecherischen dudendeutschen Rechtschreibreform, die ihnen die Haare hat ausfallen lassen, Toupets für Tampons, bezüglich derer sie nicht zu wissen vorgeben, was sie auf ihrem Kopf verloren hätten. Dazu kann er nur sagen, besser ein Tampon auf dem Kopf als ein kopfloses Toupet, hahaha, man darf auch in der heißen Nachzipfphase seinen Humor nicht ganz verlieren.
Kurz und gut, unwahr ist, dass er an nichts ein gutes Haar lasse. Wahr ist vielmehr, dass er die hitzewimmerlübersäte Frikasseeglatze verabscheut, mit der er heuer dudenverblödeten Nachzipflern Französischnachhilfe geben wird müssen. Die ihm von seinem Coiffeur über seinen Kopf hinweg gestellte Frage, ob er, der altmodisch Fassonierte, sich, statt schütter frikassiert zu werden, nicht lieber gleich ein Tampon anschaffen wolle, hat er ignoriert. Er hat ja keinen Sonnenstich, oder?
peter.strasser@uni-graz.at
(Die Presse, Print-Ausgabe, 28.07.2010)
diepresse.com 28.7.2010
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