Die Rechtschreib„reform“ ist gescheitert.
Aachener Zeitung, 07.04.2005 | 20:57 Uhr
Rechtschreibung steht vor Rolle rückwärts
Aachen. Je nachdem, wie der Rat für deutsche Rechtschreibung am Freitag in München entscheidet, muss die erst vor einem Jahr erschienene 23. Auflage des Dudens wieder eingestampft werden.
Eine siebenköpfige Arbeitsgruppe legt dem Rat eine Beschlussvorlage vor, in der im Bereich der Getrennt- und Zusammmenschreibung die nahezu vollständige Rückkehr zur alten Schreibweise vor der Rechtschreibreform empfohlen wird.
Dabei sollen ausschließlich die Schreibweisen vor 1996 gelten. Kritiker halten das für das erste offene Eingeständnis, dass die Rechtschreibreform gescheitert ist.
(eho)
Berliner Zeitung, Samstag, 09. April 2005 Kommentar
Die Rechtschreibreform ist gescheitert
Torsten Harmsen
Geh nach Hause, sie sitzt schon wieder in dem alten Pott, sagte der Butt zu dem Fischer. Dessen Frau war Königin, Kaiserin, Päpstin geworden und wollte nun zum lieben Gott aufsteigen. Sie hatte den Bogen überspannt und saß plötzlich wieder da, wo sie vorher war. So wie in Grimms Märchen könnte es auch der deutschen Rechtschreibung ergehen: Nach einem fast zehn Jahre dauernden Streit um ihre Reform stehen die Signale nun auf zurückrudern!
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der endlich einen Kompromiss finden sollte, schlägt vor, in wichtigen Bereichen den Zustand vor der Reform wieder herzustellen. Das Ergebnis ist zu begrüßen angesichts all der Sinn-Verwirrungen, die etwa durch die neue Getrenntschreibung entstanden waren. Zugleich muss man bedauern, was für ein langer, teurer, entnervender Weg zurückgelegt werden musste, um am Ende wieder im alten Pott zu landen. Es ist beschämend, was dieses Land der Welt geboten hat mit seinem Herumgebastle am wichtigsten Kulturgut der Nation.
Das Votum des Rates, der am 3. Juni endgültig entscheiden will, muss das letzte in dieser Sache sein. Jetzt darf der Streit bei den Kultusministern und anderswo nicht wieder losgehen. Am 1. August soll die neue Rechtschreibung offiziell in Kraft treten. Millionen Schüler dürfen nicht hin- und hergejagt werden zwischen immer wieder neuen Regeln. Ein allerletztes Mal muss korrigiert werden, und dann für immer. Wer ehrlich ist, erklärt die großspurigen, unausgegorenen Reformpläne für gescheitert.
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Detlef Lindenthal
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