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Schulschriften
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Sigmar Salzburg
30.06.2011 19.11
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... noch ne 'Erleichterung'

taz:

SCHREIBSCHRIFT-POSSE
Senator steht zu Schrift-Reform
Neue Grundschrift soll Kindern das Schreibenlernen erleichtern. In den Medien entbrannter Protest-Sturm lässt Schulsenator kalt: „Das bleibt jetzt erst mal so“.

… In einem der Ordner verbarg sich der neuste Aufreger, der pünktlich zum Sommerloch den Blätterwald erschüttert. Hamburgs Grundschüler müssen nicht mehr Schreibschrift lernen. Stattdessen dürfen sie in einer verbundenen Druckschrift schreiben, die der Grundschulverband entwickelt hat.

… die lateinische Schreibschrift mit Schlaufen und Häkchen, wie sie die heute Erwachsenen in der Schule lernten, gibt es in Hamburg schon seit acht Jahren nicht mehr. Die frühere CDU-Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig schaffte sie ab. Stattdessen lernen die Kinder die etwas schlichtere „Schulausgangsschrift“, die in der DDR unter Margot Honecker entwickelt wurde.

Doch auch diese Schrift bereitet vielen Kindern Schwierigkeiten. …

„Es interessiert niemanden [?], wie 12- oder 14-Jährige schreiben“, sagt Susanne Peters vom Hamburger Landesverband des Grundschulverbandes. Damit Kinder auf leichterem Wege eine individuelle Handschrift erlernen, hat der Bundesverband vor zwei Jahren eine „Grundschrift“ entwickelt und erprobt, die aus klassischen Druckbuchstaben besteht, die teilweise am Ende mit leichten Bögen versehen sind. Dies soll ein einfaches Verbinden und flüssiges Schreiben ermöglichen. Auf Bundesebene gab es einen Expertenstreit um diese Neuerung, der teilweise in der taz dokumentiert wurde. Doch die Schulen seien „glücklich [?], dass sie nun die Möglichkeit haben“, sagt Susanne Peters. „In pädagogischen Fachkreisen ist das durch.“

Ties Rabe betont nun, dass er die Schreibschrift nicht abgeschafft hat. „Die andere, neue ist nur nicht mehr verboten.“ Etwa 95 Prozent der Schulen würden beim Alten bleiben, die Praxis der übrigen, die die Grundschrift nutzten, werde lediglich legalisiert. Schon in der Vergangenheit hätte sich [?] die Schrift vereinfacht. Er bedaure, dass das Thema die Öffentlichkeit so aufwühlt. Es sei aber eine in der Sache vernünftige Entwicklung. „Das bleibt erst mal so.“

taz.de 30.6.2011

Nachtrag: s.a. Thomas Paulwitz in Junge Freiheit v. 2.7.2011

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Sigmar Salzburg
30.06.2011 10.15
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Gewollter Verfall der Schreibkultur



Die alte Kurrentschrift war auch ergonomisch optimal.

Damit „auf leichterem Wege eine individuelle Handschrift“ erlernen?:




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Sigmar Salzburg
30.06.2011 09.07
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Schulschriften

Grundschulen in Hamburg

Schreiben wie gedruckt

Von Lothar Müller

An Hamburger Grundschulen soll die Schreibschrift nach den Sommerferien nicht mehr obligatorisch sein. Doch befreit die Regelung die Schüler von überflüssiger Pein oder führt sie zu einer „modernen Form des Analphabetismus“, wie die Gegner befürchten?

An den Hamburger Grundschulen soll nach den Sommerferien das Unterrichten der bisherigen Schreibschrift nicht mehr obligatorisch sein. Das sorgt schon jetzt für Unruhe. Die Befürworter feiern die neue Regelung als Befreiung der ABC-Schützen von einer überflüssigen Pein, die Gegner warnen vor einer „modernen Form des Analphabetismus“.

Das klingt, als könne nun in Hamburg dem Streit um die mit der schwarz-grünen Koalition gescheiterte große Schulreform ein Streit um die elementaren Kulturtechniken folgen. Das Thema ist aber keine Hamburger Spezialität. Es gehört in ganz Deutschland auf die Tagesordnung. Denn die Frage, wie in den Schulen das Schreiben gelehrt werden soll, ist in den einzelnen Bundesländern sehr uneinheitlich geregelt, und in der Grundschuldidaktik haben dazu zwei Experten mindestens drei Meinungen.

Bisher lernen die Kinder in den Grundschulen zwei Arten des Schreibens mit der Hand, die „Druckschrift“ und die „Schreibschrift“. Die Druckschrift ist dabei traditionell dem Lesen zugeordnet, ihre Buchstaben werden einzeln in einem Vorgang angeeignet, der oft eher dem Abmalen als dem Schreiben ähnelt.

Die Schreibschrift wird erlernt, indem die Buchstaben einer vorgegebenen Normschrift in einer kontinuierlichen Schreibbewegung miteinander verbunden werden. Schreibschrift ist Kursivschrift. Aus der in der Schule erlernten Schreibschrift gehen die individuellen Handschriften der Schüler hervor, die mit ihnen altern, sich mit ihnen verändern, nicht selten in Richtung Unlesbarkeit.

Anders, als es ihr Deutschtumsfuror erwarten ließe, haben die Nationalsozialisten 1941 nicht die deutsche, sondern die lateinische Schreibschrift zur Norm gebracht. Man wollte schließlich Imperium werden. Dieser Traditionsbruch, der die alte deutsche Kurrentschrift sowie ihre Nachfolgerin, die Sütterlinschrift, abschaffte, wurde nach 1945 nicht rückgängig gemacht.

Alle aktuellen schulischen Normschriften wurzeln in der lateinischen Schreibschrift: die „Lateinische Ausgangsschrift“, die 1968 in der DDR eingeführte „Schulausgangsschrift“ und die „Vereinfachte Ausgangsschrift“, die in den siebziger Jahren der Göttinger Grundschullehrer Herbert Grünewald erfolgreich propagierte.
An dem Hamburger Vorstoß fällt auf, dass er mit dem Argument der Vereinfachung die Lage weiter kompliziert. Er stellt es den Schulen frei, statt weiterhin den Doppelschritt von der Druckschrift zur Schreibschrift zu gehen, nur eine einzige „Grundschrift“ zu lehren. Diese ist zwar eine sehr ehrgeizige Neuerfindung, die alle anderen Schriften aus dem Feld schlagen will – zunächst aber vor allem ein Versprechen.

Der private Grundschulverein e.V., der die „Grundschrift“ propagiert, behauptet, sie könne „die Vorteile von Druck- und Schreibschrift“ vereinen. Sie ist aber keine Synthese. Vielmehr besteht ihr Konzept darin, die Schreibschrift nur noch als Variante der Druckschrift aufzufassen und ihre Ausgestaltung dem Schüler weitgehend selbst zu überlassen.

Die „Grundschrift“ ist noch jung. Und es ist unter Grundschullehrern, Didaktikern, Physiologen und Psychologen strittig, ob sie dem komplexen Zusammenspiel von Auge, Hand und Hirn gerecht wird, das einer flüssigen Handschrift zugrundeliegt. Die derzeitige landespolitische Debatte in Hamburg wäre daher eine Gelegenheit, den Wirrwarr der Normschriften – und das Schicksal der Handschrift in Deutschland insgesamt – zu bedenken.

sueddeutsche.de 30.6.2011

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