Der Landbote

6.8.2004Alte Rechtschreibung wieder neuDie Zeitschriften «Spiegel», «Bild» und «Welt» kehren zur alten Rechtschreibung zurück. Damit werden sämtliche Print- und Online-Titel der beiden Verlage wieder in der alten Schreibweise erscheinen. Gleichzeitig appellierten die Verlage an andere Medien, sich diesem Schritt anzuschliessen.
ap

Bild: KEY
Die Verwirrung ist perfekt: Die einen Verlage benutzen die alte, andere die neue Rechtschreiberegelung.
In ihrer gemeinsamen Erklärung forderten Springer und Spiegel dazu auf, dem Beispiel der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» zu folgen, die die Umstellung nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht hatte. Nach Angaben der «Neuen Bildpost» schreiben in Deutschland inzwischen rund 300 Zeitungen und Zeitschriften nach den alten Regeln.
Als Grund für ihren Schritt nannten die Verlage die mangelnde Akzeptanz des neuen Regelwerks und die zunehmende Verunsicherung darüber. Nach fünf Jahren praktischer Erprobung in den Druckmedien und sechs Jahren in den Schulen habe die Reform weder für professionell Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht. Im Gegenteil: Die Verunsicherung wachse, Vermischungen von alter und neuer Rechtschreibung seien an der Tagesordnung.
«Wer vor der Reform sicher schreiben konnte, macht heute Fehler. Eltern benutzen eine andere Orthografie als Kinder. Lehrer sind zutiefst verunsichert», erklärten die Verlage. Heutigen Schülern begegne der ganz überwiegende Teil der deutschen Literatur und literarischen Überlieferung in der bisherigen Rechtschreibung. Da auch die Mehrheit der deutschsprachigen Schriftsteller es ablehne, ihre Werke in neuer Schreibung erscheinen zu lassen, tue sich eine immer breitere Kluft zwischen gelerntem und gelesenem Deutsch auf.
Bereits die erste Version der Reform sei mit gravierenden Mängeln behaftet gewesen, hiess es. Eine Vielzahl von Ergänzungen habe die orthografischen Konventionen in einem Masse erschüttert, dass auf absehbare Zeit die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung verloren scheine. Zahlreiche Umfragen belegten, dass die Reform von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werde und als unausgegoren empfunden werde.
Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», Stefan Aust, nannten die Reform eine «staatlich verordnete Legasthenie» und betonten in einer gemeinsamen Erklärung: «Wir befürworten sehr dringend notwendige und sinnvolle Reformen in unserer Gesellschaft. Doch die Rechtschreibreform ist keine Reform, sondern ein Rückschritt.»
Der Deutsche Lehrerverband (DL) forderte die Ministerpräsidenten auf, die Rechtschreibreform jetzt zur Chefsache zu machen, damit die Schulen nicht ins «orthografische Abseits» gerieten. «Es wird ihnen vermutlich kaum etwas anderes übrig bleiben, als ein Moratorium einzuschieben und die herkömmliche Rechtschreibung wieder für verbindlich zu erklären», erklärte DL-Präsident Josef Kraus.
Die Sprachzeitung «Deutsche Sprachwelt» begrüsste die Entscheidung und erklärte: «Die Vernunft siegt. Lesefreundlichkeit und Ausdruckskraft der deutschen Sprache werden durch diese mutige Verlegerentscheidung gestärkt.» Jetzt müssten weitere Verlage nachziehen.
|