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Sigmar Salzburg
25.06.2016 11.37
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Interview mit Prof. Rolf Gröschner

20 Jahre Rechtschreibreform – 20 Jahre Verwirrung
24.06.2016 – 07:00 Uhr

20 Jahre ist die Rechtsschreibreform alt. Sie löste zahlreiche Kontroversen aus. Wir haben zum Jubiläum mit dem Jenaer „Rechtschreibrebellen“ Rolf Gröschner gesprochen. Der Verfassungsjurist und Rechtsphilosoph, der bis 2015 an der Universität Jena lehrte, hatte gegen die Reform vorm Bundesverfassungsgericht geklagt.

[Bild] Rolf Gröschner lehrte bis 2015 an der Universität Jena. Foto: Bischof & Broel

Jena/München. Heftig toste vor 20 Jahren der Streit um eine Reform der deutschen Rechtschreibung, die schließlich – auch in letzter juristischer Instanz – durchgesetzt wurde. Der nun scheidende Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, der bayerische Kultuspolitiker Hans Zehetmair, sieht den Sprachfrieden inzwischen wiederhergestellt. Wir jedoch fragten den Verfassungsjuristen und Rechtsphilosophen Rolf Gröschner danach. Gröschner, damals Lehrstuhlinhaber an der Universität Jena und heute im Ruhestand, führte sogar Klage vorm Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe – und unterlag.

Verehrter Professor Gröschner: Wenn ich Sie morgens um 7 per Mail frage „Sind Sie wohl auf?“ – wie antworten Sie?

Das hängt davon ab, wie Sie es schreiben: getrennt oder zusammen. Überdies bin ich zur frühen Morgenstunde meistens wohlauf.

Selbst wenn Sie an die Rechtschreibreform vor 20 Jahren denken müssen?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1998 stellt mich zwar nach wie vor nicht zufrieden, sie bringt mich aber nicht um den Schlaf.

Sie haben das Kriegsbeil begraben und Ihren Frieden mit der Reform gemacht?

Die martialischen Sprachbilder liegen mir nicht besonders. Ich habe ja keinen Krieg gegen die Kultusministerkonferenz geführt, sondern energisch für die Einhaltung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes gestritten. Daher muss ich meinen Frieden mit dieser oktroyierten Reform nicht machen. Vielmehr kann ich friedlich und fröhlich meiner Wissenschaft frönen – und mich als Jurist in der Rechtschreibung nach meiner eigenen Sprachkompetenz richten.

Dabei scheint mir die Reform, im Alltag nur unvollständig umgesetzt zu sein – außer in den Schulen. Stört Sie diese Unordnung?

Selbstverständlich. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass grammatisch eindeutig falsche Schreibweisen sich nicht durchgesetzt haben. Die Tilgung des "ß" hat mich hingegen nie sonderlich gestört; das ist eher eine typografische als eine orthografische Frage ...

... und schafft keine Verwirrung.

So ist es. Allerdings ist die Fehlerzahl in den Schulen erheblich gestiegen, weil die Schüler zwischen drei Möglichkeiten – ß, ss, s – entscheiden müssen.

Zu Goethes Zeiten gab es noch keine Normierung, und so finden wir selbstverständlich zeitgenössische Schreibweisen seines Namens wie „Göte“. Daran hat sich damals niemand gestört.

Die Normativität der Rechtschreibung ist keine, die von staatlicher Seite verordnet werden darf. Schreibnormen entwickeln sich in der Gesellschaft, und wir sollten diese Normalität, wie sie von kompetenten Schreibern praktiziert wird, als Grundlage unserer Schreibung nehmen. Das hat bis zur Rechtschreibreform in Deutschland ausgezeichnet funktioniert. So ist „googeln“ inzwischen ein deutsches Wort und darf auch so geschrieben werden.

  Was die Kultusministerkonferenz, die dazu in der grundgesetzlichen Verfassung nicht ermächtigt war, bewirkt hat, ist im Grunde – ich muss es so dramatisch sagen – eine Veränderung des orthografischen Weltbildes. Denn die Schrift ist für den Leser da und nicht für den Schreiber. Alle Retuschen an diesem Bild der orthografischen Welt, die inzwischen vorgenommen wurden, wären nicht nötig gewesen, wenn uns die Reform erspart geblieben wäre.

In Ihren Publikationen pflegen Sie selbst nach wie vor die alte Rechtschreibung?

Insoweit ist alles beim alten geblieben. Es kommt selten vor, dass sich jemand daran stört. Kein Verleger oder Lektor hat mir je zugemutet, falsch zu schreiben. Es gibt noch viele Menschen, die mit der Sprache gut freund sind – und die zum Beispiel Adverbien von Substantiven zu unterscheiden wissen.

Damit haben Sie wohl recht. Sie verhalten sich also nonkonform – würden Sie das als zivilen Ungehorsam bezeichnen, oder ist da bereits eine Spur Anarchie mit im Spiel?

Das Widerstandsrecht habe ich im Kommentar zum Grundgesetz von Horst Dreier in zwei Auflagen kommentiert; dort spielt der zivile Ungehorsam durchaus eine Rolle. Ich möchte jedoch meine eigene Widerständigkeit nicht mit derart großen rechtsphilosophischen Begriffen belegen. Hier ging es „nur“ um die Grundfrage, wer die Kompetenz hat, derart einschneidende Eingriffe in unsere deutsche Rechtschreibung vorzunehmen.

Darüber haben die höchsten Richter entschieden ...

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrachte ich als eine klassische petitio principii, die in jedes Lehrbuch der Rechtslogik gehört. Der Vorsitzende Richter Hans-Jürgen Papier eröffnete die mündliche Verhandlung mit dem Satz: Wir sind nicht die sprachlichen Obergutachter der Nation. Wenig später hieß es: Wir wissen aber, dass die Rechtschreibreform unwesentlich ist. – Das ist die sogenannte Wesentlichkeitsrechtsprechung, nach der, wenn man sie nur angewandt hätte, eine intensive Befassung mit der Änderung des orthografischen Weltbildes nötig gewesen wäre – und dann wäre man zu einem anderen Urteil gekommen. Ich persönlich leiste keinen zivilen Ungehorsam gegen ein Gesetz, sondern erlaube mir, von meiner Kompetenz Gebrauch zu machen – wie übrigens die Begründung des Bundesverfassungsgerichts es auch ausdrücklich zulässt: Jeder Bürger ist frei, nach eigener Sprachkompetenz zu schreiben.

Ein Schüler hat im Deutsch-Aufsatz mit dieser Haltung aber schlechte Karten!

Wenn ich sehe, wie die orthografische Kompetenz in den Schulen gelitten hat, kommt umso mehr der Ärger wieder hoch. Bei Schülern sähe ich in der Tat mit einer solchen Haltung schon Kriterien des zivilen Ungehorsams erfüllt, doch möchte ich niemanden dazu aufstacheln.

Nun frage ich Sie als Jazz- und Rockmusiker: Welchen Anteil an der Schönheit unserer Sprache hat ihre Verschriftlichung?

Alle Rhetorik ist in ihrer mündlichen wie in ihrer schriftlichen Form immer auch eine Frage des Gelingens; dies ist seit je eine ästhetische Kategorie. Zur Schönheit der Sprache – wenn Sie den Schlagzeuger fragen – gehört auch ihr Rhythmus. Und wenn der Takt und die Synkopen in einem Satz nicht stimmen, so ist dies unschön. Viele Änderungen durch die Reform haben Brüche im Rhythmus verursacht, weil man Wörter wie „schwer fallen“ und „sitzen bleiben„nun anders zu betonen hat. Auch das hat viele verunsichert.

Wolfgang Hirsch / 24.06.16 / TLZ

tlz.de 24.6.2016

Apropos: „Welchen Anteil an der Schönheit unserer Sprache hat ihre Verschriftlichung?“ Die „Missstandsschreibung“ ist das Häßlichste, was den „Reformern“eingefallen ist.

Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Ernst Gottfried Mahrenholz hatte schon vor dem schandbaren Urteil des Verfassungsgerichts gemahnt:


In der Neuregelung der Daß-Schreibweise haben die Minister ihre Kompetenz überschritten... Hier kann ein Eingriff, der die bisherige Funktion eines Buchstabens betrifft, eine Veränderung seines überlieferten „Ortes“, nicht aus der Kompetenz für Schulfragen gerechtfertigt werden...
(Süddeutsche Zeitung 23./24. 08.1997).

Die Verfassungsrichter haben dies bewußt heruntergespielt, weil sonst die „Reform“ zusammengebrochen wäre. Die ss-Regel ist das Einbruchswerkzeug der Reformertruppe – und die Annullierung von fast 700 Jahren deutscher Schreibgeschichte. Wer sie sichtbar akzeptiert, tarnt sich als undogmatischer Reformiertschreiber und signalisiert damit, daß die dreisten Politiker und beflissenen Juristen doch irgendwie „Recht“ hatten.


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Sigmar Salzburg
31.07.2012 13.00
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Hansgeorg Stengel (2)

Der Einfache, der schwer nachzumachen war

[Bild]
Thüringer Kabarett-Urgestein: Hansgeorg Stengel (1922-2003) stammte aus Greiz.

Heute vor 90 Jahren wurde der Autor, Kabarettist und Eulenspiegel-Redakteur Hansgeorg Stengel in Greiz geboren

Greiz. Sein heutiger neunzigster Geburtstag ist zugleich sein neunter Todestag – da der Mann, um den es hier geht, mit schwarzem Humor umzugehen wusste, darf man sagen: Präzision und Pünktlichkeit zeigen sich auch darin, dass er uns bis zum letzten Atemzug entgegenkam: Beginn und Ende des Lebens der Einfachheit halber am gleichen Julitag…

Seine Nase war kühn und schritt ihm voran; er hatte eine für alles. Die Schnellschreiber nannten ihn Schnellschreiber, und der Wortklüngel nannte ihn Wortklingler. Er beherrschte die Grammatik, aber die Grammatik konnte ihn nicht beherrschen. Wenn er wollte, beugte er alles zu Boden. Er erfand den Palavergehorsam fürs Parlament, das Selterswaterloo in heißen Sommern, die Szenenzerrung auf dem Theater und ein heftig riechendes Pelztier namens Camembär.

Kein Fremdwort war ihm wirklich fremd, denn er machte uns bekannt mit deren deutscher Wahrheit in allerfeinster Bosheit. Er war nie der Vortrupp der Grimassen und schon gar nicht der Erfinder der Nachgangschaltung. Bis heute können wirs mit seinen Büchern auf den Stengel treiben, ein aufrechtes Wort, das er niemals zum Stängel erniedrigt hätte. Wenig war ihm so zuwider wie eine unsinnige und unsinnliche Rechtschreibreform. Er war der Einfache, über den gern und leicht zu lachen war…

Sein Dichterleben begann er im Arbeitskreis Junger Autoren zu Weimar und bildete es aus als Redakteur am „Eulenspiegel“. Die junge, eben eingestellte Renate Holland-Moritz wurde von ihm examiniert. Sie gab die Prüfung so wieder: „Können Sie eigentlich dichten, genauer reimen? Mir brach kalter Schweiß aus. Ich konnte es nämlich nicht. Sollte ich lügen? (...) Also gestand ich mein poetisches Unvermögen. Stengel: Dann können Sie bleiben. Dichten kann hier jeder Idiot.“ …

Noch immer, neun Jahre nach Stengels Abreise ins höhere Vorlese-Wesen, findet man in Gästebüchern von Bibliotheken und Kulturhäusern seine alle Nachfolgenden aufmunternden Einträge: „Wer soll denn, fragt man sich beklommen, / nach Stengel eigentlich noch kommen?!“

Matthias Biskupek / 30.07.12 / TLZ

TLZ.de 30.7.2012

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Sigmar Salzburg
28.07.2012 01.56
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RSchR

Erinnerung an Hansgeorg Stengel
Am Montag wäre der in Greiz geborene Satiriker Hansgeorg Stengel (1922 – 2003) 90 Jahre alt geworden.

Die RSchR hat ihn in den letzten Lebensjahren erzürnt. Besonders die A-Ä-Metamorphose. RSchR, fast vergessen, wurde Rechtschreibreform abgekürzt. Man muss die fünf Buchstaben sprechen, um zu verstehen, warum der Abkürzungen sonst feindlich gesinnte Hansgeorg Stengel ausgerechnet diese häufig und gern verwendete: RSchR, klingt das nicht wie Ärscher?

Stengel hat wider den Stängel gewettert, weil der ihn selbst betraf. Wer über Jahrzehnte Sprachschluderei und Stilblüten geißelt, ahnte wohl, wohin die Reform führt: Die Leute geben es auf, sich um regelkonformes Schreiben zu bemühen.

Doch der Respekt vor dem Deutschlehrer, der dem „Schöler“ beizubringen versucht, dass bezwecken und bewirken weder das Selbe noch das Gleiche sind, kann seltsame Blüten treiben…

Die meisten der 50 Bücher, auf denen Stengel steht, erschienen jedoch zu Lebzeiten des Autors. Dazu gehören Klassiker wie „Stenglish for you“, „Die feine stenglische Art“ oder „Der Unschuldsstengel“, Sprachbücher wie die wunderbare „Wortspielwiese“ oder das Pendelbuch „Annasusanna“ und natürlich das selbst unter Spachmuffeln so populäre und liebenswerte Kinderbuch „So ein Struwwelpeter“. Ihm hatte der Karikaturist Karl Schrader das unverwechselbare Gesicht gegeben. Einen kongenialen Illustrator hatte Stengel aber vor allem im Geraer Grafiker Rolf F. Müller.

Epigramme und besonders schön Epikrümel, Gedichte, Sprachglossen, darunter die in dieser Zeitung zuerst veröffentlichten „Wortadellas“, Reisebücher und die Liebeserklärung an sein Vogtland, die „Greizer Sonate“, hat er geschrieben. Er war der, der die irren Kreuzworträtsel für Kreuz- und Querdenker erfand, die manche in Windeseile lösen, während die Meisten an der Frage verzweifeln, welcher Europäer nicht gekocht unter uns weilt, um sich dann glücklich an die Stirn zu schlagen, wenn sie auf Ungar kommen.

Wenn Stengel nicht schrieb, bereiste er als Alleinunterhalter und Kabarettist zwischen Kap Arkona und Fichtelberg die Republik. Ihm gelang, was heute schier unmöglich ist, er war bekannt wie ein bunter Hund, obwohl er im Fernsehen nicht vorkam. Und im DDR-Fernsehen kam er nicht vor, weil er sich in das, was er dachte und schrieb, nicht reinreden ließ…

tlz.de 28.7.2012

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Sigmar Salzburg
18.06.2011 11.07
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Harry Rowohlt

Meister der Worte: Harry Rowohlt in der Vogtlandhalle Greiz

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Bestens unterhalten wurden am Donnerstagabend rund 350 Besucher beim 22. Literaturabend der Stadt Greiz. Dazu hatte die Greizer Bibliothek den Kolumnisten, Rezitator, Übersetzer und Schauspieler Harry Rowohlt in die Vogtlandhalle eingeladen. Fast zweieinhalb Stunden las der Hamburger aus von ihm übersetzten Büchern, aus seinen Kolumnen für die „Zeit“, er sang Hamburger Hymnen und erzählte Witze vom Papst und Bin Laden. Während der Pause und im Anschluss an die Lesung signierte der 66-Jährige Bücher für die Gäste.

... Rowohlts Schaffen als Übersetzer ist mehrfach preisgekrönt. In Greiz las er aus Andy Stantons Kinderbuch-Reihe „Mr. Gum“. Hauptperson ist der verlotterte Mr. Gum, der Kinder, Tiere und Spaß hasst. Britischen Humor ins Deutsche zu retten ist ein Akt, den Rowohlt aber hörbar spielend beherrscht.

Wenn er mit nicht tiefer, sonorer Stimme liest, teilt der gebürtige Hamburger Erlebtes mit. Anekdoten von Lesereisen oder Biographisches. Auch das Kommentieren ist ihm eigen. Rechtschreibreform und Rauchverbot kommen zur Sprache. „Früher konnte man zwischen Netten und Klugen nicht unterscheiden, heute stehen sie vor der Tür.“ Und ein „modernes“ Nachrichtenmagazin bekommt sein Fett weg. Mit dem Focus pflegt Rowohlt eine feine Feindschaft.

Unangestrengt setzt der Entertainer mit seinem Wortwitz eine Pointe nach der anderen. Egal, ob er nun eine Sendung im Offenen Kanal Gera bespricht, oder Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki imitiert, der sich ja ständig mit Literatur beschäftigen muss. „Was würde wohl wohl passieren, wenn man die Literatur einfach sich selbst überlassen würde?“

Thüringische Landeszeitung 18.6.2011

Harry Rowohlt:

„Die Seelchen, die diese Rechtschreibreform erfunden haben, sind graue Gesellen, die noch nie mit Genuß ein Buch gelesen und noch nie einen wohlklingenden Satz gesprochen haben.“

zeit.de/1997/33

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Norbert Lindenthal
06.09.2010 15.09
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oha, die Kommas fehlen

Thüringische Landeszeitung, 2.9.2010
Angelika Bohn / OTZ

Günther Grass
Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung


Jacob und Wilhelm Grimm war nicht klar, zu was für einer Sisyphusarbeit sie sich gerade wegen ihres aufrechten Auftretens gegen den Landesherren arbeitslos geworden hatten überreden lassen. Die Philologen begannen, Wörter in Zettelkästen zu sammeln und baten ihre Freunde und Bekannten, dergleichen zu tun.


… die Leipziger Stadtbibliothek [hat] am 20. September in den Mendelssohn-Saal des Gewandthauses eingeladen.
__________________
Norbert Lindenthal

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Sigmar Salzburg
05.09.2009 16.21
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Reiner Kunze

Meine Wurzeln wurden damals nicht beschädigt

[Bild]
Seine Worte waren stärker als die Diktatur: Reiner Kunze hatte von 1962 bis 1977 in Greiz gelebt und wurde wegen seiner DDR-kritischen Haltung in den Westen getrieben. Foto: ddp

Weimar. (tlz) Heinrich Böll würdigte Reiner Kunze bei der Büchner-Preisverleihung 1977 als einen „Dichter mit einem schmalen Werk, in dem sich Welten entfalten“. Besonders mit seinem Prosaband „Die wunderbaren Jahre“, der in der DDR nicht erscheinen durfte, hat der 1933 im erzgebirgischen Oelsnitz Geborene eine ganze Generation junger Leute geprägt. Nach seinem Protest gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 1968 in Prag und später gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann wurde Kunze aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, erhielt quasi Berufsverbot und ging in den Westen.
Am heutigen Sonnabend wird dem Dichter, Erzähler und Essayisten für sein Gesamtwerk der von e.on gestiftete, mit 6000 Euro dotierte Thüringer Literaturpreis der Literarischen Gesellschaft verliehen. „In den Jahren, die Reiner Kunze in Thüringen verbrachte“, heißt es in der Begründung der Jury, „wurde er mit seiner politischen Haltung unter schwierigsten Lebensbedingungen zu einem Vorbild vor allem für jene Jugendlichen in der DDR, die mit dem Stillhalteabkommen der Vätergeneration gebrochen hatten.“

Herr Kunze, was bedeutet Ihnen dieser mit Thüringen verbundene Literaturpreis?

Ich kenne nicht alle Mitglieder der Jury, doch einen kenne ich sehr gut: Wulf Kirsten. Ihn schätze ich als Autor seit Jahrzehnten. Er war immer, auch unter schwierigen Umständen, ein integrer Kollege. Und wenn eine Jury, der Wulf Kirsten angehört, mir einen Literaturpreis verleiht, ist das eine Ehre.

Sie haben 15 Jahre in Greiz gelebt, das waren, vom Ende her betrachtet, keine wunderbaren Jahre. Sie wurden Mitte der 70er als Autor kaltgestellt, bespitzelt und letztlich aus der DDR vertrieben. Solche Wunden verheilen wahrscheinlich nie.

Das würde ich nicht sagen. Es geht nicht um diese Wunden, was sowieso ein diffuser Begriff ist. Die Wurzeln, die mich mit den Menschen in Thüringen verbinden, sind ja durch all diese Ereignisse überhaupt nicht beschädigt worden. Meine Frau und ich haben auch hier, in Niederbayern, wo wir seit 35 Jahren leben, wieder Wurzeln geschlagen. Aber das sind neue Wurzeln. Ich bin vor allem in meiner Sprache geblieben. Da bin ich hier genauso zu Hause wie in Thüringen. Viele Verbindungen haben damals unterirdisch weiterbestanden, trotz Mauer und Stacheldraht.

Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?

Das bin ich schon öfter gefragt worden. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich plötzlich an Wunder zu glauben begonnen habe.

An Wunder?

Ich war einer von denen, die immer darauf bestanden haben, dass wir ein Volk sind, dass Deutschland ein Ganzes ist. Doch hatten wir, meine Frau und ich, es nicht für möglich gehalten, dass es uns vergönnt sein würde, die Wiedervereinigung zu erleben. Eher befürchteten wir, dass es noch nicht einmal unseren Kindern und Enkeln vergönnt sein würde. Da konnte man den Fall der Mauer doch nur als Wunder empfinden.

Wie sehen Sie den Vereinigungsprozess?

Die Einheit zu vollenden, das wird zwei Generationen dauern.

Sie haben Ihren Teil dazu geleistet. „Die wunderbaren Jahre“ waren im Westen Schullektüre ...

Sie sind es heute noch.

Sehen Sie die heutige Jugend ähnlich wie damals die jungen Leute in der DDR?

Das kann man nicht vergleichen, denn das sind ganz unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen. Aber es gibt natürlich auch heute junge, kritische Menschen, und es gibt junge Leute, die vom Medieninfantilismus geprägt sind.
Andererseits sind die Freiheiten durch das Internet und andere moderne Kommunikationsmittel gewachsen, was nicht heißt, dass es jedem leicht fällt, damit umzugehen.
Wir waren manipuliert durch Indoktrination, heute leiden viele junge Menschen an Orientierungslosigkeit.

Tippen Sie Ihre Verse noch auf der Schreibmaschine?

Ich habe sie nie auf der Schreibmaschine geschrieben, sondern immer mit dem Bleistift. Bestenfalls mit dem Füllfederhalter ...

Das ist ja noch konservativer!

Nein. Ich kann doch nicht die Schreibmaschine unter den Arm nehmen, das geht doch nicht. Ich schreibe auch heute noch alles mit der Hand. Aber weil wir eine Stiftung gegründet haben, brauchten wir einen Computer. Und aus diesem Grunde habe ich mich jetzt dem Computer – aber nur als Schreibcomputer! – anvertraut. Wenn einer meiner Texte so fertig zu sein scheint, dass ich meine, er steht, dann schreibe ich ihn mit Computer und freue mich über das saubere Schriftbild.

Sie sind ein hartnäckiger Gegner der sogenannten Rechtschreibreform. Was sind Ihre Haupteinwände?

Ich habe dazu eine Denkschrift verfasst, in der ich meine Einwände darlege. Sie heißt „Die Aura der Wörter“. Die Problematik ist zu kompliziert und folgenreich, um sie hier in ein paar Sätzen erläutern zu wollen. Man müsste viele Beispiele anführen.

Was sind die Folgen?

Viele Feinheiten und Denkgenauigkeiten lassen sich schriftlich nicht mehr ausdrücken. Und es ist ein Rechtschreibchaos ausgebrochen. Was jetzt geschrieben und gedruckt wird und weder nach der neuen noch nach der traditionellen Rechtschreibung richtig ist, hätte sich vor der Reform niemand zu schreiben und zu drucken getraut. Ich lese ständig: „Herzlich Willkommen!“ In Kürze weiß kein Mensch mehr, was ein Adverb ist.

Jeder schreibt jetzt so, wie er es für richtig hält.

Das Chaos wird Jahrzehnte dauern. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann jemand, der politische Macht hat, zur Einsicht kommt und sagt: So geht´s nicht weiter, Leute. Wir müssen zurück zu einer gefügten und vor allem differenzierenden Schreibung. Ob ich etwas richtig stelle oder richtigstelle, diesen Unterschied muss man schriftlich ausdrücken können.

Wieso werden bei Entscheidungen über eine Schreibreform Dichter nicht erhört?

Fragen Sie die Kultusminister, ich weiß es nicht.

Wenigstens haben Sie die Freiheit, in derselben Sprache zu dichten wie bisher.

Einige müssen an der bis 1996 gültigen Schreibung festhalten, sonst gibt es eines Tages nichts mehr, woran man sich orientieren kann.

Kennen Sie schon das Programm der Preisverleihung? Die Musikerbrüder Matthias und Michael von Hintzenstern wollen in der Weimarer Jakobskirche eine Eigenkomposition „Hommage à Reiner Kunze“ aufführen.

Das habe ich gerade gelesen.

Neugierig?

Aber ja!

Das wird sicher etwas Modernes.

Wenn es Musik ist, habe ich nichts dagegen.

Sonnabend, 16 Uhr, Jakobskirche in Weimar

04.09.2009 Von Frank Quilitzsch


TLZ 4.9.2009

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Norbert Lindenthal
06.08.2004 22.15
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TLZ Thüringische Landeszeitung

7.8.2004

Große Verlage kehren zur alten Rechtschreibung zurück


Große Verlage wollen zur alten Rechtschreibung zurückkehren.

Hamburg (dpa) – Die umstrittene Rechtschreibreform könnte im letzten Moment doch noch scheitern: Ein Jahr vor der endgültigen Einführung der neuen Schreibregeln kehren die Medienkonzerne Axel Springer AG und Spiegel-Verlag wieder zur alten Rechtschreibung zurück – auch mit ihren Flaggschiffen »Bild« und «Der Spiegel«.


Beide Unternehmen appellierten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung an alle Medien, sich ihnen anzuschließen. CDU-Länderchefs unterstützten den Vorstoß, während von SPD-Politikern Ablehnung kam. Auch in den Medien gab es ein geteiltes Echo. Lehrerverbände mahnten eine einheitliche Regelung an. Man solle den Streit nicht auf dem Rücken von Schülern austragen. In Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz wurde eine Rückkehr zur alten Schreibweise eher mit Zurückhaltung kommentiert.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Stoiber glaubt, dass die neuen Regeln der Rechtschreibung zum Teil wieder geändert werden müssen. Der ZDF-»heute«-Sendung sagte Stoiber, er werde in die Diskussion bei der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Oktober »ergebnisoffen« hineingehen. »Wir werden aber mit Sicherheit eine ganze Reihe von Teilen dieser Rechtschreibreform wohl wieder aufheben und wir werden versuchen, das Gute, das auch durchaus zu sehen ist, mit dem zu verbinden, was wir aufheben wollen.«

Die Entscheidung des Springer Verlages, des »Spiegels« und auch des Süddeutschen Verlages werde die Diskussion der Ministerpräsidenten ganz entscheidend beeinflussen. Klar sei, dass die Akzeptanz der Rechtschreibreform »außerordentlich schlecht« sei.

In Schulen und Hochschulen soll am 1. August 2005 die Reform verbindlich werden. Damit drohen in Schulen und einem Teil der Medien künftig unterschiedliche Schreibweisen. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) hatte sich bereits im Jahr 2000 von der Reform abgewandt.

»Bild«-Chefredakteur Kai Diekmann verteidigte den Vorstoß: »Wir haben nur noch eine kurze Frist, in der die alte, bewährte Rechtschreibung geduldet wird, dann gilt nur noch der von den Kultusministern verordnete Murks«, sagte Diekmann dem Radiosender MDR Info in Halle.

Die Verlage Springer und Spiegel wollen mit ihrer Initiative die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung erreichen. Die Reform führe zu wachsender Verunsicherung in der Bevölkerung über die Schreibweisen, hieß es.

Bei der »Süddeutschen Zeitung« ist der Zeitpunkt noch offen, wann wieder nach den alten Regeln formuliert werden soll. Intern werde derzeit unter anderem diskutiert, von welchen Regelungen man wieder abrücken wolle und von welchen nicht, sagte ein Verlagssprecher. Auch Springer und Spiegel bleiben für Neuerungen offen – auf Basis der alten Rechtschreibung.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor einem »Chaos« kurz vor dem neuen Schuljahr. Dagegen rief der Deutsche Philologenverband (DPhV) Bund und Länder dazu auf, sich schnell auf eine einheitliche Linie zu verständigen.

Die neue Rechtschreibung war nach einem von den Bundesländern gebilligten Reformwerk bis zum Sommer 1998 bundesweit an den Schulen eingeführt worden. Über die Schreibweisen in den Medien kann die Kultusministerkonferenz (KMK) nicht entscheiden. Deren Präsidentin, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD), zeigte für die Entscheidung der Verlage kein Verständnis. Sie zeige keinen Weg auf, wie mit den widerstrebenden Interessen in der Reformdebatte umzugehen sei »und wie sich Sprache künftig weiter entwickeln soll«, sagte Ahnen der dpa.

Über die bisherigen Auswirkungen der Rechtschreibreform äußerten sich Vertreter der beiden Initiativ-Verlage besorgt. »Uns kann es als Verlagen nicht gleichgültig sein, wenn Schreib- und Lesefähigkeit und damit die Sprachfähigkeit in diesem Land abnehmen«, teilten der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des »Spiegel«, Stefan Aust, mit und empfahlen »die Beendigung der staatlich verordneten Legasthenie«. Die Titel beider Unternehmen erreichen den Angaben zufolge rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland.

Harsche Kritik kam von »Focus«-Chefredakteur Helmut Markwort (Burda-Verlag). Deutschland habe derzeit »wichtigere Probleme als einen neuen Streit um die Rechtschreibreform«. Die Redaktion habe Informationen darüber »wie hier im Zusammenspiel zwischen Journalismus und Politik diese Kampagne vorangetrieben wird«, sagte Markwort. »Focus« werde dabei nicht mitmachen. Beim größten Europäischen Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (»Stern«, »Geo«) sprachen sich Chefredakteure einzelner Titel gegen eine Rückkehr aus, ein konzernübergreifende Direktive gibt es nicht.

Die Medien-Initiative wird bei der nächsten Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder für Diskussionsstoff sorgen. So will Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) versuchen, eine Mehrheit für eine Rücknahme der Reform durchzusetzen und hat Unterstützung bei seinem saarländischen Kollegen Peter Müller (CDU).
06.08.2004   dpa


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