Trendsetting mit dem Ziel „Schweigespirale“
Wie die Rechtschreibreformer es fertiggebracht haben, die Macht des Faktischen zu brechen, ist wohl eine ureigene Geschichte. Das hing mit Überrumpelung zusammen, mit der Ausschöpfung aller gerade noch zulässigen Rechtsmittel, mit dem Ausrichten von Seilschaften, mit der Besetzung staatlich und wirtschaftlich wichtiger Positionen, der Okkupation von Lehrstühlen ...
Wenn man so will, war es die klassische Revolutionstheorie, die hierbei griff. Innerhalb von vier Jahren wurde das zuvor jahrhundertelang Bewährte
etwas Überholtes, Altes, Untaugliches ...
Wie die Rechtschreibreformer es fertiggebracht haben, die Volksmeinung so lange zu filtrieren, sie auszuschalten, wegzumanipulieren, ist ebenfalls eine eigene Geschichte. Allerdings erfährt diese Geschichte gegenwärtig eine Pointe. In dem Moment, als irgendwo ein Ventil platzte, wurde alles ganz anders. Da zeigte es sich, daß die veröffentlichte Meinung nicht einmal zu Bruchteilen mit der tatsächlichen Meinung der zum Schweigen verurteilten Öffentlichkeit übereinstimmte.
Wie die Rechtschreibreformer nun ihr verlorenes Terrain wieder zurückobern, wird einer dritten Geschichte vorbehalten bleiben, welche die Gegenwart schreibt. Jene Geschichte wird all die Züge tragen, die auch die vorherigen Geschichten trugen.
„Ein Trend wird gesetzt. Der Rest ist Schweigen.“
Wir beobachten dieser Tage eine Abkehr vom ureigentlichen Gedanken „pro oder contra Rechtschreibreform“.
Es formieren sich plötzlich Lager, die einen ganz anderen Gedanken entwickeln, den Gedanken der „Demokratie“.
Die einen behaupten, daß Demokratie handlungsfähig sein muß, und meinen damit, daß der Staat (das sind die Volksdelegierten) absolute Handlungsvollmachten und das Gewaltmonopol haben muß. Sie neigen zu dem Dogma der Unfehlbarkeit der Politiker.
Die anderen befürworten einen Volksentscheid, verstehen Demokratie als Schutz der Mehrheit gegen Willkür und Machtmißbrauch.
Es ist also ein neuer Trend gesetzt in der Meinungsbildung.
Es ist ein Trend, der Angst erzeugt, weil es ganz einfach im Buch der Machthaber – als solches muß man allmählich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstehen –keinen bundesweiten Volksentscheid gibt.
Man wird uns klarmachen, daß der Ruf nach dem Volksentscheid schon deshalb gegenstandslos ist, weil es so etwas nicht gibt, womit auch die gesamte Gruppe der Basisdemokraten gegenstandslos ist und folglich nur eine einzige Gruppe triumphieren kann; die Gruppe derjenigen, die handlungsfähig ist.
Der Rest ist Schweigen – wird zum Schweigen gebracht.
Und trotzdem: An der Demokratiefrage wird diese Rechtschreibreform endgültig zerbrechen, weil sich das einmal in Gang gebrachte Denken, genauso wie das in Gang gebrachte Reden und Schreiben nicht vergewaltigen läßt.
PS: Demnächst werde ich in diesem Faden einige Beobachtungen über das Abstimmungsverhalten der aufgebrachten Bevölkerung zwischen dem 6. und 12. August 2004 veröffentlichen. Meine Daten werden sich beziehen auf die Publikationen des Main-Echo Aschaffenburg. Ein bißchen „Wahlanalyse“ will ich an den Dokumenten betreiben, die These vom „Trendsetting“ untermauern.
Ich bitte alle hiesigen Diskussionspartner, ebenfalls die Geschehnisse dieser dramatischen Augustwoche auszuwerten.
Schlimmstenfalls kann es uns passieren, daß wir überall in Deutschland plötzlich die gleiche Meinung vorgesetzt bekommen, so daß es gar nicht der Mühe wert ist, alles aufzulisten und abzupinseln.
Das wäre im übrigen zugleich der beste aller Fälle. Wir hätten den Verursacher der Einheitsmeinung.
Ich kenne ihn schon jetzt. Er heißt „dpa“.
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nos
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