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Sigmar Salzburg
08.02.2012 16.05
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Zehetmairs Rückblick 2003

Krieger, Hans: „Akzente, die meine Zeit überdauern.“ Minister Hans Zehetmair blickt auf eine 17jährige Amtszeit zurück. Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger, 11. 7. 2003, s. 13, Kultur (2212 wörter)

Es gab auch Niederlagen und Fehlentscheidungen, und die ärgste und schmerzhafteste war die widerwillig gegebene Zustimmung zur Rechtschreibreform. Zehetmair ist viel zu sprachbewußt, um sie gutheißen zu können, sah aber angesichts massiven Druckes keine Chance, sie zu verhindern. Immerhin war er es, der im letzten Augenblick noch entscheidende Verbesserungen durchdrückte […]. Daß unter den Reformauswüchsen, die Zehetmair verhinderte, auch die Kleinschreibung des „Heiligen Vaters“ war, hat mit katholischer Glaubenstreue nicht das geringste zu tun; die Großschreibung ist ein zwingendes Gebot der sprachlichen Logik. Welches Chaos die Rechtschreibreform in der Getrennt- bzw. Zusammenschreibung anrichten würde […], konnte Zehetmair 1995 ebenso wenig voraussehen wie irgend jemand sonst. Die Reformer selbst hatten eingeräumt, daß die genauen Auswirkungen der neuen Regelkonstruktion sich erst bei der Erarbeitung der neuen Wörterbücher herausstellen würden, und die lagen erst im Spätsommer 1996 vor. Noch einmal hat Zehetmair erwogen, das Ganze zu kippen, aber er glaubte […] nicht recht, daß er es „im Kreuz“ hätte, das durchzustehen. Das war wohl sein Irrtum; Zehetmair hätte es „im Kreuz“ gehabt. Heute sagt er unumwunden: „Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen dürfen.“ Sprache sei ein dynamischer Prozeß, und niemals dürfe die Politik sich anmaßen, hier mit Dekreten einzugreifen.

http://www.sprache.org/bvr/bil2003l.htm

Dieser Text fehlte hier noch im Archiv. Daher haben ich ihn von den Schweizer Kleinschreibern übernommen, nachdem er in meiner eigenen Sammlung nicht mehr auffindbar war. Zehetmairs gefühlte Schwäche im Kreuz hatte ich aber schon des öfteren aufgespießt.

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Sigmar Salzburg
28.07.2008 08.41
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Hans Krieger

Herr Zierrat feiert

Zehn Jahre Rechtschreibreform


Der Herr Zierrat hat Geburtstag. Vor zehn Jahren, am 1. August 1998, hat er den Objektstatus als bloße Verzierung hinter sich gelassen und Personenwürde erlangt, um neben dem Commerzienrat und dem Geheimen Hofrat auf der Ehrenbank der überflüssigen Titelträger Platz zu nehmen. Ein simples zweites „r“ hat für diese wundersame Verwandlung genügt; gewaltig aber war die Verwaltungsmaschinerie, genannt Rechtschreibreform, die für so simple Verunzierungen der Sprache in Gang gesetzt werden musste, und gewaltig waren die Kosten. Von den Kollateralschäden zu sprechen, der Aushebelung das Sprachgefühls, wäre politisch nicht korrekt. Geburtstag haben auch so imposante transzendentale Wesenheiten wie das „Übrige“, das „Weitere“ oder das „Lange“, die endlich in ihrer überwältigenden Dinghaftigkeit bestaunt werden können, seitdem sie orthographisch nicht mehr zu banalen adverbialen Floskeln („im übrigen“, „des weiteren“, „seit langem“) herabgestuft werden dürfen.

Was dem einen sein Geburtstag, ist dem anderen sein Todestag. Viele zusammengesetzte Wörter, von „vielversprechend“ oder „nichtssagend“ bis „ratsuchend“ oder „kostensparend“, sind sang- und klanglos untergegangen. Noch nicht ganz endgültig freilich, denn eine halbherzige Rettungsaktion hat vielen von ihnen ein prekäres Überdauern im Gnadenstatus der Duldung gewährt. Wie ungewiss ihre Zukunft bleibt, zeigt ein Blick in den aktuellen Duden: Jede zweite Gelbmarkierung bei möglicher Wahl zwischen Varianten erklärt die Arbeit des ruhmlos gescheiterten Deutschen Rechtschreibrates und seines mutlosen Vorsitzenden Hans Zehetmair für irrelevant und fordert Getrenntschreibung.

Der Verlust an Wörtern wird kompensiert durch syntaktischen Gewinn. Endlich kann das Deutsche mit dem englischen Gerundium („I am reading a book“) mithalten: „Dieser Lösungsansatz ist Erfolg versprechend“ (statt: „verspricht Erfolg“). Auch die Fehlermöglichkeiten haben erfreulich zugenommen. Aus Gründen der visuellen Prägnanz verwechselt man „das“ und „dass“ viel leichter als „das“ und „daß“, und tatsächlich werden nachweislich bei dieser für das Satzverständnis wichtigen Unterscheidung nun mehr Fehler gemacht. Die Rechtschreibreform war nicht Kosten sparend, aber sie war viel versprechend.

Unvergessen bleibt der Satz einer deutschen Kultusministerin, man sei sich bewusst, dass die Reform ein Fehler war, aber „aus Gründen der Staatsräson“ werde man an ihr festhalten. Ulla Schmidt braucht sich also um ihren Gesundheitsfond keine Sorgen zu machen. Was niemand will, wofür niemand ein überzeugendes Argument hat, lässt sich trotzdem durchsetzen. Das Abendland aber ist nicht untergegangen. Wie alle Fiktionen, die wir gewohnheitsmäßig als Realitäten behandeln, hält es sehr viel aus. (Hans Krieger)

vom 25. Juli 2008
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Bayerischen Staatszeitung oder in unserem E-Paper!


Herr Zierrat


Spott zur „Räterepublik“ hier

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Dr. Konrad Schultz
23.08.2004 15.39
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Alt oder neu - quo vadis?

In der Bayerischen Staatszeitung, jedenfalls in der aktuellen Ausgabe 34/2004 vom 20. August, fällt auf, daß in einigen Artikeln die alte Rechtschreibung, in anderen die neue Rechtschreibung verwendet wird, zumindest bezüglich der ss/ß-Schreibung.

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Klaus Eicheler
17.08.2004 18.08
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Bayerische Staatszeitung

Bayerische Staatszeitung, Ausgabe 24/2004 vom 11.06.2004

Kultusminister und die Kommissare für Rechtschreibung

Josef Kraus schreibt in seinem Leitartikel:

(KMK) steht in schlechtem Ruf: Wegen ihrer an eine Schildkröte erinnernden Dynamik sei sie das überflüssigste Gremium, heißt es. Dennoch verkündete sie jetzt: „Die KMK hat dem 4. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung zugestimmt und sich für einen ’Rat für deutsche Rechtschreibung’ ausgesprochen.“ Konkret heißt das: Die Rechtschreibreform tritt zum 1. August 2005 endgültig in Kraft: Schüler und Amtspersonen dürfen dann nicht mehr so schreiben, wie es in Milliarden von Büchern steht und wie es Thomas Mann, Günter Grass oder Martin Walser taten bzw. tun.
Widerwillig bewegt haben sich KMK und Kommission in der Getrennt- und Zusammenschreibung; hier schlägt man „Varianten“ vor. Statt „allein stehend“ und „Rat suchend“ sollen „alleinstehend“ und „ratsuchend“ wieder möglich sein. Damit halten rund dreitausend weitere Schreibungen Einzug ins Regelwerk. Mehr noch: Vereinzelt soll eine meta-reformierte Schreibung gelten. Symptomatisch hierfür ist die Sache mit „Leid/leid“. Früher schrieb man: „Die KMK könnte jedem leid tun.“ Seit 1998 schreibt man: „Die KMK könnte jedem Leid tun.“ Erstere Schreibung soll nun gar nicht mehr gelten, dafür zusätzlich die zusammengeschriebene: „Die KMK könnte jedem leidtun.“ Das Mitleid mit der KMK dürfte sich in Grenzen halten. Man erinnere sich: Schon 1987 hatte die KMK einen Reformauftrag erteilt, 1993 gab es eine Anhörung. Möglich geworden wäre damals: „im bot bot sie im das du an.“ So weit kam es nicht. Am 1. Juli 1996 aber wurde in Wien die Vereinbarung zur Reform unterzeichnet. Aus 112 Regeln wurden mehr als tausend Bestimmungen, Listen usw. Ab 1998 war dieses Konvolut für Schulen und Ämter verbindlich. Für eine Übergangsfrist bis 2005 sollten alte und neue Schreibung gelten. Die KMK bekommt die Sache aber nicht in den Griff. Die Kritik namhafter Schriftsteller sowie Sprach- und Rechtswissenschaftler, den Appell von neun deutschen Akademien der Wissenschaften und der Künste und die Kritik des Goetheinstituts hat man in den Wind geschlagen. Zudem hätte man wissen können, daß die Zahl der Schreibfehler seit 1998 größer geworden ist: Man hätte nur tausend Schüleraufsätze der Zeit vor 1998 mit tausend Aufsätzen des Jahres 2003 fehlertypologisch auszuzählen brauchen. Wie geht es weiter? Schüler haben zunehmend das diffuse Gefühl, daß man etwas „so oder auch anders“ schreiben darf. Im übrigen verbessern viele Lehrer eigentlich nur noch die s/ss/ß-Schreibung. Ähnlich verhalten sich die zur neuen Schreibung verpflichteten amtlichen Schreiber; alles andere durchschaut ohnehin kaum einer.
Auf der KMK ruhen keine Hoffnungen mehr; sie hat sich von ihren „Experten“ an der Nase herumführen lassen. Statt ein Moratorium einzuschalten, faßt sie den Plan, den „Rat für deutsche Rechtschreibung“ Ende 2004 so besetzen zu wollen, daß er sich durch ein „hohes Maß an Pluralität“ auszeichnet. Proporz also statt Sach- und Fachkunde!
Die Hoffnungen ruhen auf dem Markt. Wenn noch eine große Zeitung der „Frankfurter Allgemeinen“ und deren Rückkehr zur bewährten Schreibung folgt, dann dürfte der Reform der Garaus gemacht sein. Sodann ruhen die Hoffnungen auf den Lehrern. Sie werden keinen Schüler durchfallen lassen, bloß weil er das Reformchaos nicht durchschaut. Aber sie werden hoffentlich die Varianten unterrichten, die grammatisch und semantisch richtig sind. Den Reformern aber sei gesagt: Eine Nation, die solche Experten hat, braucht keinen PISA-Test mehr!

(Hervorhebung durch KE)
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Klaus Eicheler

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Klaus Eicheler
17.08.2004 17.55
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Bayerische Staatszeitung

Ein bemerkenswertes Zitat aus der Bayerischen Staatszeitung vom 11.06.04:

„Die Hoffnungen ruhen auf dem Markt. Wenn noch eine große Zeitung der „Frankfurter Allgemeinen“ und deren Rückkehr zur bewährten Schreibung folgt, dann dürfte der Reform der Garaus gemacht sein.“

Den Leitartikel von Josef Kraus findet man unter
http://www.bayerische-staatszeitung.de/index.jsp?MenuID=84&AusgabeID=0&ArtikelID=1743&RubrikID=1
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Klaus Eicheler

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