ddp
Sonntag 22. August 2004, 13:15 Uhr
«Sprache gehört dem Volk» Protestinitiative gegen Rechtschreibreform gegründet KMK-Gremium tagt am Montag in Wien
München (ddp). Die umstrittene Rechtschreibreform wird aller Voraussicht nach wie geplant im Oktober endgültig umgesetzt. Die Konferenz der Ministerpräsidenten wird nach Medienberichten offenbar am 7. und 8. des Monats die Umsetzung beschließen. Eine Umfrage unter den Ministerpräsidenten habe ergeben, dass nur Niedersachsen, das Saarland und Sachsen-Anhalt sich gegen die neuen Schreibregeln aussprechen, berichte das Magazin «Focus».
Am Montag wollen unterdessen Vertreter Deutschlands, der Schweiz und Österreichs in Wien ein Konzept für die Arbeit des Rates für deutsche Rechtschreibung zu erstellen. Dagegen hat sich am Wochenende eine Protestinitiative gegründet, sie sich «für die Wiederherstellung der einheitlichen Rechtschreibung» einsetzt und eine Rückkehr zur alten Orthografie fordert.
Der nach eigenen Angaben unabhängige Verein bezeichnet sich selbst als «Rat für deutsche Rechtschreibung» und wolle «dem erklärten Willen der Bevölkerungsmehrheit entsprechend» dem Grundsatz Geltung verschaffen, «dass die Sprache dem Volk gehört, und die orthographische Selbstregulierung zurückgewinnen». Die Kultusminister besäßen nicht das Recht, «eine weitere Rechtschreibkommission zu berufen, deren einzige Aufgabe es sein kann, das offenkundige Scheitern der Rechtschreibreform hinauszuzögern», hieß es.
Zu den ersten Ehrenmitgliedern gehören des Vereins unter anderem die Schriftsteller Elfriede Jelinek, Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze. Zum Vorsitzenden wurde den Angaben zufolge der Journalist Hans Krieger gewählt. Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch der Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, der Verleger Walter Lachenmann und der Konstanzer Rechtswissenschaftler Bernd Rüthers.
Der Protest der Initiative richtet sich gezielt gegen den von der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) eingesetzten Rat für deutsche Rechtschreibung. Dessen Treffen am Montag in Wien soll «auf Arbeitsebene» stattfinden und sei schon vor dem neuerlichen Aufflammen des Rechtschreibstreits in Deutschland terminiert worden, betonte eine KMK-Sprecherin auf ddp-Anfrage. Die Rechtschreibreform an sich sei nicht Gegenstand der Gespräche.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, dessen Einsetzung Anfang Juni beschlossen worden war, soll nach Angaben der KMK durch ein hohes Maß an Pluralität gekennzeichnet sein und auch Kritiker des derzeitigen Regelwerks einbeziehen.
Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan (CDU) kündigte an: «Im September noch wollen wir einen Vorschlag vorlegen, wer dazugehören soll.» Es sollen auch Vertreter aus Österreich und der Schweiz mitarbeiten. Im Oktober könnte das Gremium dann die Arbeit aufnehmen.
Nach «Focus»-Angaben findet innerhalb der KMK auch der Vorschlag des saarländischen Kultusministers Jürgen Schreier (CDU) keine Mehrheit, wonach die Übergangszeit, in der die alte Rechtschreibung noch erlaubt ist, über den 1. August 2005 hinaus verlängert werden soll. 9 der 16 Länder sprachen sich den Angaben zufolge gegen Schreiers Plan aus, 5 haben sich noch nicht entschieden, Niedersachsen will ohne Übergangszeit zur alten Orthografie zurück.
(Weitere Quellen: «Focus»-Vorab vom Samstag, Schavan in «Focus», Verein «Rat für deutsche Rechtschreibung» in Mitteilung am Sonntag in München; KMK-Sprecherin in Bonn auf ddp-Anfrage)
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