Westdeutsche Zeitung
31.8.2004
KULTUR IN DÜSSELDORF
Uta Jung Karpalov schreibt nie über sich. Foto: Bernd Schaller

Uta Jung Karpalov schreibt nie über sich. Foto: Bernd Schaller
Leben kann ich von meinen Geschichten nicht
Uta Jung Karpalov ist eine dieser erfrischenden Autorinnen, die unbeirrt ihren literarischen Weg gehen.
Düsseldorf. Nein, finanziell überleben könnte ich von meinen Publikationen nicht, gibt sie unumwunden zu. Zum Geldverdienen schreibt sie Geschäftsberichte und Dokumentationen für Firmen. Die studierte Germanistin und Historikerin hat mit Städtische Welt, einer Sammlung von sechs Kurzgeschichten, für große Aufmerksamkeit gesorgt.
Ihre Stories sind prägnant erzählt, kriminalistisch durchkomponiert und erinnern, was die bestechend schöne Sprache angeht, an Kafka. Bedingt durch Schwangerschaft und die Geburt ihres inzwischen knapp fünf Monate alten Sohnes musste ihr Dasein als Autorin für eine Weile hinten anstehen.
Am 5. September meldet sich die 42-Jährige beim Sofageflüster im Zakk zurück. Wir trafen die Frau, die Bindestriche hasst, zum Gespräch.
WZ: Frau Jung Karpalov, wird Ihr literarisches Themen-Spektrum neuerdings um Baby-Geschichten erweitert?
Uta Jung Karpalov: Sicher nicht. Zwar schreibe ich über Sachen, die einen realen Bezug haben, aber ich schreibe beispielsweise nie über mich. Meine Geschichten haben keinerlei autobiografische Züge, das fände ich öde. Nicht, weil ich mein Leben langweilig finde, sondern weil es mich reizt, Spannendes, Fantasievolles zu konstruieren.
WZ: Wie kamen die Kurzgeschichten für den Zyklus Städtische Welt zustande?
Jung Karpalov: Jede der sechs Stories basiert auf einer wahren Begebenheit. Er sah, wie sie sprang fußt auf zwei Selbstmördern, die sich vor einigen Jahren innerhalb kürzester Zeit hintereinander vom Kaufhausdach gestürzt haben. Bei dem einen Suizidenten kam mein Mann zufällig vorbei, sah die bereits zugedeckte Leiche und erzählte mir alles über den Vorfall en Detail. Das Bild ist durch die Kunstpunkte inspiriert, und so hat alles eine Parallele in der realen Welt.
WZ: Welche Rolle spielt Düsseldorf in den Geschichten?
Jung Karpalov: Als ich acht Jahre alt war, sind meine Eltern mit mir von Essen nach Düsseldorf gezogen, ich habe hier studiert und meinen Mann kennen gelernt. Ich mag die Stadt, es ist wunderschön, hier zu leben. Alternativ käme für mich nur Hamburg in Frage. Aber für meine Geschichten ist die Stadt vollkommen gleichgültig. Bei Er sah, wie sie sprang interessiert mich die Motivation, in den Tod zu springen, nicht was auf den Dächern Düsseldorfer Kaufhäuser passiert.
WZ: Die Kurzgeschichten sind schnell und spannend erzählt, ihr besonderer Reiz liegt aber in der Wortgewalt und besonderen Wortwahl.
Jung Karpalov: Dostojewskij, Feuchtwanger und Kafka sind meine literarischen Vorbilder, und ich liebe die deutsche Sprache. Es ist schauderhaft, in einem Satz gleich doppelt würde zu verwenden, das ist schlechtes Deutsch. Mir macht es Spaß, andere Wörter zu benutzen, ich möchte mich nicht wiederholen.
WZ: Wenn Sie die deutsche Sprache lieben, möchten wir gerne ein Statement zur Rechtschreibreform hören.
Jung Karpalov: Schrecklich, entsetzlich, vollkommen unnötig. Das allerschlimmste sind Texte aus dem 19. Jahrhundert in neuer Rechtschreibung. Neulich las ich Friedrich de la Motte Fouqué in dieser Form das ist die totale Verfälschung und schlicht eine Zumutung.
WZ: Was wünschen Sie sich jenseits der Abkehr von der Rechtschreibreform für die Zukunft?
Jung Karpalov: Dass mein Roman Antike Technik einen Verleger findet, um veröffentlicht zu werden. Für mich ist es gar nicht interessant, viel damit zu verdienen er soll gelesen werden. Es ist frustrierend, ihn nur in der Schublade liegen zu haben.
Sofageflüster mit Uta Jung Karpalov, 5. September, 18 Uhr, im Zakk, Fichtenstraße 40, 0211/97 300 10; als Urlaubsvertretung für Pamela Granderath moderiert diesmal Katharina Buddekötter.
31.08.04 Von Valeska von Dolega
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