Niedersächsischer Landtag
Die „Fehler der niedersächsischen CDU
Ich hatte Frau Korter um die Fehlersammlung der im Landtag zitierten CDU-Schriftsätze gebeten. Stattdessen erhielt ich einen Auszug aus dem Protokoll. Die Presseberichte vermittelten den Eindruck, als ob die „Rechtschreibreform“ der CDU tatsächlich zu fehlerfreierem Schreiben verholfen hätte. In Wirklichkeit handelt es sich offensichtlich um Uneinheitlichkeiten infolge der Umstellungen – ohne Bezug zu den „Segnungen“ des „leichteren Schreibens“. Die Fehlerkrittelei ist also reine Propaganda.
(Man beachte: Die Sitzung fand am 17. September statt, dem Tag der Aufhebung des Volksentscheids in Schleswig-Holstein 1999. Wegen des Vermerks in der Zeile „Unkorrigiertes Manuskript“ gestatte ich ausschließlich Freunden von Rechtschreibreform.com die Kenntnisnahme zu privatem Gebrauch.)
Sehr geehrter Herr Salzburg,
Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.
Anbei finden Sie den Redebeitrag von Frau Korter zur Rechtschreibreform
aus dem Protokoll der letzten Landtagssitzung. Dem Beitrag können Sie die
Zahlen entnehmen. Leider haben wir die Zusammenstellung der CDU-Schriftsätze
schon weggeworfen, so dass wir Ihnen die Quellen nicht mehr zukommen lassen
können.
Mit freundlichen Grüßen
Lukasz Batruch
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Ina Korter, MdL
Landtagsfraktion B'90/DIE GRÜNEN Niedersachsen
Schulpolitische Sprecherin, Stellv. Fraktionsvorsitzende
Persönlicher Mitarbeiter Lukasz Batruch
Niedersächsischer Landtag 15. Wahlperiode 42. Plenarsitzung am 17. September 2004
Vorläufiger Stenografischer Bericht
UNKORRIGIERTES MANUSKRIPT NICHT ZUR VERÖFFENTLICHUNG BESTIMMT
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 32 und 33 auf, die vereinbarungsgemäß zusammen beraten werden, also
Tagesordnungspunkt 32:
Erste Beratung:
Deutsche Rechtschreibung konsequent
weiter vereinfachen Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1253
und
Tagesordnungspunkt 33:
Erste Beratung:
Schülerinnen und Schüler brauchen
Verlässlichkeit in der Rechtschreibung -
Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1262
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist zuerst eingebracht. Demzufolge bringt sie ihren Antrag auch zuerst ein. Bitte schön!
(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo übernimmt den Vorsitz)
Ina Korter (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Glaubt man Ihren Worten, Herr Ministerpräsident Wulff, drohen in Niedersachsen Chaos und Anarchie, wenn die Rechtschreibreform im August nächsten Jahres verbindlich werden soll. Bei einer Spielshow im Fernsehen, in der es auch um die deutsche Rechtschreibung ging, machen Sie Fehler, Herr Wulff. Da das nicht an Ihnen liegen kann, muss natürlich etwas anderes schuld sein: die Rechtschreibreform. Die Rechtschreibreform muss natürlich wieder rückgängig gemacht werden, fordern Sie, Herr Ministerpräsident, und haben außerdem damit natürlich ein schönes Thema für das Sommerloch gefunden.
(Karsten Behr [CDU]: Das ist aber jetzt ein bisschen billig!)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bis zu diesem Quiz war eigentlich alles klar. Die Rechtschreibreform wurde 1995 einstimmig von allen 16 Bundesländern beschlossen. Alle Kultusminister, auch Herr Busemann, hatten im Juni 2004, in diesem Jahr, in der Kultusministerkonferenz der verbindlichen Umsetzung ab August 2005 zugestimmt. Eine vor Jahren gestartete Volksinitiative gegen die Reform war längst gescheitert. Aber im Sommer 2004 beschwört Ministerpräsident Wulff plötzlich den Untergang der deutschen Sprache, wenn die Rechtschreibreform wie geplant und beschlossen in Kraft treten soll. Alle inzwischen beruhigten Gemüter werden wieder auf den Plan gerufen. Statt an einer Weiterentwicklung der Rechtschreibung, die aufwändig mit den anderen Deutsch sprechenden Staaten Schweiz, Liechtenstein und Österreich abgestimmt worden ist, konstruktiv zu arbeiten und für Verlässlichkeit zu sorgen, schürt der Ministerpräsident die Auseinandersetzung und heizt die Debatte an. Meine Damen und Herren, dieses alles geschieht auf Kosten der Schulkinder;
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
denn die schreiben seit 1998 erfolgreich nach diesen Regeln. Sie -das sind 12,5 Millionen Schulkinder in Deutschland schreiben nach vereinfachten, logischeren Rechtschreibregeln. Sie haben sich darauf eingestellt und sollen nun alles neu lernen, nur weil ein paar ältere Herren aus der CDU,
(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)
einige Schriftsteller oder Chefredakteure keine Lust haben, umzulernen und sich an etwas Neues zu gewöhnen? Das Gezerre um die Rechtschreibreform wird weiter auf Kosten der Eltern ausgetragen. Gerade haben die Eltern die Schulbücher für ihre Kinder kaufen oder mieten müssen teuer , weil die CDU/FDP-Landesregierung die Lernmittelfreiheit in Niedersachsen gerade abgeschafft hat. Offenbar ist es dem Ministerpräsidenten und Herrn Schwarz von der FDP egal, dass in den nächsten Jahren die gekauften Bücher schon wieder ersetzt werden müssten, wenn die alte Rechtschreibung wieder eingeführt würde. Gleichgültig ist es ihnen offenbar auch, dass viele Schulen gerade eine Menge neue Schulbücher für ihren Mietbestand angeschafft haben, die, ginge es nach Ihnen, Herr Wulff, demnächst wieder wertlos sind. Auch die Schulbuchverlage, die auf ihren Büchern, die nach den neuen Rechtschreibregeln gedruckt sind, sitzen bleiben, scheinen Sie überhaupt nicht zu kümmern. Herr Ministerpräsident Wulff, Herr Busemann, was Sie hier treiben, ist nicht nur verantwortungslos gegenüber den Schulkindern in Niedersachsen, das ist angesichts der gerade erfolgten Abschaffung der Lernmittelfreiheit eine Dreistigkeit gegenüber den Eltern, die überhaupt nicht mehr zu überbieten ist.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Ich muss aber zugestehen, dass das logisch in Ihr Konzept einer konservativen Regierung hineinpasst. In der schulpolitischen Weichenstellung geht es zurück mit Rezepten in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich kann mir vorstellen, dass es da ganz gut passt, wenn man sich in der Rechtschreibreform wieder auf den Stand von 1901 einschießt.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Aber, meine Damen und Herren, wissen diejenigen, die sich derart nach den alten Rechtschreibregeln zurücksehnen, eigentlich, was sie damit tatsächlich wollen, welche Mengen von Regeln, welche Mengen von Ausnahmen und welche unlogischen Regeln sie zurückhaben wollen?
(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Beispiele! Bernd Althusmann [CDU]: Erzählen Sie einmal!)
- Für Beispiele könnte ich meine gesamte Redezeit verbrauchen. Ich gebe sie Ihnen gerne. Nach der Debatte können Sie Beispiele ohne Ende bekommen.
Meine Damen und Herren, natürlich kann die Rechtschreibreform von 1995 nicht das letzte Wort sein. Sprache entwickelt sich weiter, Herr McAllister. Neue Reformen werden diesem Tatbestand Rechnung tragen müssen. Der erste Schritt aber muss die konsequente Umsetzung der beschlossenen Reform zum August 2005 sein. Nur so, Herr Ministerpräsident, können Sie Chaos und Verunsicherung an den Schulen, die seit fünf Jahren nach diesen Regeln arbeiten, vermeiden.
In einem zweiten Schritt muss es langfristig um eine ständige Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung gehen. So könnten die Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung flexibler gehandhabt werden. Was die Groß- und Kleinschreibung betrifft, so ist die Rechtschreibreform noch halbherzig und mutlos. Die Abschaffung der Großschreibung ist in den letzten Jahrzehnten schon von vielen Sprachwissenschaftlern, Kommissionen und vielen Schriftstellern immer wieder gefordert worden. Nachdem Dänemark im Jahre 1948 die Großschreibung abgeschafft hat, ist Deutsch die einzige Sprache mit Groß- und Kleinschreibung.
(David McAllister [CDU]: Na und?)
Ich meine, dass Deutschland diesen Reformrückstand langsam aufholen muss und sich europäischen Standards zumindest anpassen könnte.
(Beifall bei den GRÜNEN David McAllister [CDU]: Die deutsche Sprache kennt drei Artikel und die englische nur einen! Ist das schlimm?)
Eine mutige, nach vorne gerichtete Rechtschreibreform wäre das, was unsere Schulen brauchen.
Dass einige Großverlage im Alleingang entscheiden, alles nach den alten Regeln zu schreiben, ist für mich eine Missachtung der Interessen von Schülerinnen und Schülern.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Wie sollen Schülerinnen und Schüter, wie sollen Schulkinder in Niedersachsen richtig schreiben -sie bekommen Rechtschreibnoten, die für ihre Schullaufbahnempfehlung entscheidend sind , wenn große Zeitungen es nicht nötig haben, sich dem gültigen KMK-Beschluss anzupassen?
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Dass sich die CDU-Landtagsfraktion und die CDU-geführte Stadtverwaltung von Braunschweig dieser merkwürdigen Koalition von Bild und Spiegel anschließen, ist da schon eher peinlich. Peinlich ist es aber auch, wenn man sieht, wie die CDU-Fraktion in diesem Landtag ihren eigenen Beschluss, in der alten Rechtschreibung zu schreiben, umsetzt. Ich habe einmal vier Plenarinitiativen für dieses Plenum nur in Bezug auf das Doppel-S und das scharfe S angesehen. Im Gesetzentwurf zur Konnexität schreiben Sie keinmal „dass und fünfmal „daß". Im Gesetzentwurf zu den Spielbanken schreiben Sie 44-mal „dass und keinmal „daß".
(Ralf Briese [GRÜNE]: Chaos!)
Im Entschließungsantrag zur Zuwanderung schreiben Sie keinmal „dass, sechsmal „daß", Ausschuss einmal mit Doppel-S, sechsmal mit scharfem S,
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist totales Chaos! Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Das können Sie einmal sehen, welche Verwirrung Sie angerichtet haben!)
im Entschließungsantrag zur Chemikalienpotitik ich kann gut zählen, ich sage nur PISA viermal „dass und fünfmal „daß". Nach der neuen Rechtschreibung hätten Sie 22 Fehler gemacht, nach der alten Rechtschreibung die Sie ja für sich ins Auge gefasst und beschlossen haben -49 Fehler.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD -Woifgang Jüttner [SPD]: Was gibt das für eine Zensur? Ist das noch 4- oder schon 5? Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich wäre für einmal Sitzenbleiben!)
- Ich gebe ja keine Zensuren. Dafür müssen wir, glaube ich, ein besonderes Förderkonzept ausarbeiten. Herr Ministerpräsident, Herr Busemann, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Denken Sie endlich an die Interessen der Schülerinnen und Schüler, und übernehmen Sie Verantwortung. Es kann doch wohl nicht sein, dass Sie Ihre persönlichen Befindlichkeiten und Ihre mangelnde Lernbereitschaft zur Grundlage von so weit reichenden politischen Entscheidung machen, die aus meiner Sicht zuerst schulpolitische Entscheidungen sind und im Interesse der Kinder zu treffen sind. Danke schön.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo:
Herr Kollege Jüttner, Sie haben das Wort.
Wolfgang Jüttner (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion wird uns noch dankbar sein, wenn wir das Sitzenbleiben abschaffen, sonst trifft es nämlich sie.
(Bernd Althusmann [CDU]: Wir bleiben wenigstens sitzen, Sie stehen immer auf! Weitere Zurufe von der CDU: Och!)
- Es ist schön, dass Sie lebhaft sind, dass macht mir immer Freude. Ich möchte zwei kurze Zitate zur Wertigkeit dieser Debatte bringen. Das Erste: „Der Streit um die Neuregelung der Rechtschreibung ist maßlos überhitzt, ein typisches Sommerthema., Professor Rolf Wernstedt, 13. Wahlperiode, 17. September 1997, hier am Podest.
(Walter Meinhold [SPD]: 1997!)
Das zweite Zitat: „Vielleicht ist die aufgeregte Debatte aber auch nur ein Sommertoch-Thema und in wenigen Wochen vorbei., Kultusminister Bernd Busemann, Focus, 16. August 2004. Meine Damen und Herren, ich stelle mit Genugtuung fest, im zuständigen Fachministerium gibt es bei diesem Thema Kontinuität. Das ist auch gut so. Denn es geht darum, dass Deutschland seine Reformfähigkeit nachweist. Gerade in diesem Herbst haben wir Probleme damit, u. a. deshalb, weil Medien mitunter aufheizen, weil sich Politiker, die selber die Verantwortung dafür hatten und zugestimmt haben, anschließend distanzieren und eine emotionalisierte Debatte organisieren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Wir brauchen Reformen, wir brauchen Politikerinnen und Politiker, die dazu stehen, die eine gerade Kante fahren, die Beteiligung organisieren und die auch Information darüber organisieren. Das hätte ich mir auch bei diesem Thema von allen Beteiligten gewünscht. Denn das Thema hat es verdient. Es ist dieser Reform gelungen ich zitiere das Niedersächsische Kultusministerium, Sommer 2004 , „die Schreibweisen in einem Maße zu vereinheitlichen, wie es zuvor noch nie erreicht wurde. Das stimmt. Diese Rechtschreibreform ist vor einigen Jahren vollzogen worden. Konrad Duden, der das leider nicht mehr erleben kann, wäre glücklich gewesen zu sehen, wie das Schreiben inzwischen leichter […]
[hier endet das übersandte Dokument]
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Sigmar Salzburg
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