Donnerstag, 07. Oktober 2004
07.10.2004 11:49
FAQ: Die Rechtschreibreform
Berlin (dpa) Bis vor enigen Wochen schien die verbindliche Einführung der Rechtschreibreform zum August 2005 perfekt zu sein. Nach der Ankündigung der Axel Springer AG und des Spiegel-Verlags, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, scheint jetzt nur noch das Chaos perfekt.
WAS IST DIE GRUNDLAGE DER RECHTSCHREIBREFORM?
Sie beruht auf dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 1. Dezember 1995, der Zustimmung der Ministerpräsidenten (1995), der internationalen Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 und der Zustimmung des Bundes (1996). Gültig ist die Reform in Deutschland formal für den Schulbereich und die Amtssprache. Nach der Übergangszeit soll die Reform dort zum 1. August 2005 verbindlich werden. Bisher wurde in den Schulen die alte Rechtschreibung zwar gekennzeichnet, aber nicht als Fehler zur Notengebung herangezogen. Damit soll es in knapp einem Jahr vorbei sein. Außerhalb der Schulen gibt es weiter keine Sanktionsmöglichkeiten z.B. Medien können also nicht zur neuen Rechtschreibung gezwungen werden, Rechtschreibung ist ja kein Gesetz.
SIND ALLEINGÄNGE MÖGLICH?
Nach der Geschäftsordnung der Kultusministerkonferenz können Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden. Unklar ist, ob einzelne Länder Alleingänge starten und die Reform rückgängig machen könnten. Für den Geltungsbereich der Amtssprache wurde die Wiener Vereinbarung auch vom Bund unterzeichnet (Zustimmung: 17. April 1996). Dieser will sich aber nach Auskunft des zuständigen Bundesinnenministeriums nicht zu einem möglichen Ausstieg des Bundes aus der Vereinbarung äußern.
HAT DIE RECHTSCHREIBUNG DEN RANG EINES GESETZES?
Nein. Die Rechtschreibung wird nicht gesetzlich festgelegt. Die Reform beruht auf den Beschlüssen der Länder und des Bundes sowie der Absichtserklärung von Wien und tritt automatisch in Kraft. Strittig ist, wie bindend diese ist. Grundsätzlich setzen alle Änderungen an der Reform nach Auffassung der Kultusministerkonferenz eine Entscheidung der politischen Gremien voraus. Das sind also Bundesländer, Bund und die internationalen Partner.
Nach Einschätzung des Bonner Staatsrechtlers Wolfgang Löwer kann ein einzelnes Bundesland nicht ohne weiteres ausscheren. Trotz Landeszuständigkeit könnten die Bundesländer nach dem Grundsatz der Bundestreue gezwungen sein, an der von ihnen selbst mitgetragenen Reform festzuhalten, sofern nicht eine Einigung über deren Rücknahme zu Stande komme. Der Professor hatte die Kultusministerkonferenz in Sachen Rechtschreibreform vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
Andere, wie der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege in Nürnberg, halten es ohne weiteres für möglich, dass einzelne Bundesländer eigene Wege gehen oder der Bund die Wiener Absichtserklärung verwirft. Von Letzterem ist auch Löwer überzeugt. Die internationale Vereinbarung könne nach den Regeln des Völkerrechts «aus wichtigem Grund» gekündigt werden also beispielsweise, wenn die Einheitlichkeit der Schreibweise in Deutschland gefährdet wäre.
WIE LANGE LIEGT DIE LETZTE REFORM ZURÜCK?
Zuletzt gab es 1902 eine Reform der deutschen Rechtschreibung. Ein Jahr zuvor hatten Bevollmächtigte der deutschen Länder, ein österreichischer Kommissar sowie Vertreter einiger Institutionen und das Buchgewerbe drei Tage über eine einheitliche deutsche Orthografie debattiert. 1902 wurde die Reform von den Ländern sowie den Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz umgesetzt. Der erste Anlauf von 1875 war im Folgejahr noch gescheitert.
IST EINE VOLKSABSTIMMUNG ZUR RECHTSCHREIBREFORM MÖGLICH?
Eine bundesweite Volksabstimmung ist nach der bisherigen Gesetzeslage nicht möglich.
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