Einfache Antwort
Lieber Mario,
Du fragtst:
>> ... warum nicht?<<
Das ist eine gute Frage, und die kann ich beantworten:
Die bewährte Rechtschreibung macht einen Unterschied zwischen Ding (Anfaßbarem: Haus, Baum, Hand, und Wenig- oder Nichtanfaßbarem: Luft, Freude, Hunger ...) einerseits und Nichtding (laufen, aber, während, zwei ...) andererseits.
Dabei fand man es für die Lesegeschwindigkeit und Deutlichkeit eines Wortlautes besser, wenn Fürwörter (Nun habe ich hoffentlich es verstanden), Zahlwörter (Die beiden lernen fleißig ... Sie wurde elfte im Bundeswettbewerb ...) klein geschrieben werden (diese Regel verästelt sich dann wieder weiter: Am Satzanfang groß, Sie als Höflichkeitsanrede immer groß, Du, Deiner, Deins, Deine, Dein, Ihr, Euer, ... als Anrede im Briefen immer groß ... ...)
Auch die Verweise schreibt man klein, und das scheint mir günstig für die Deutlichkeit:
Wir sprachen noch über dieses und jenes.
Alles andere später.
Dann geschah folgendes (=dieses) ...
aber:
Das dann Folgende ist mir bis heute in Erinnerung geblieben.
Eine einigermaßen brauchbare Regel also: Wenn Du folgendes durch dieses ersetzen kannst, dann schreibe klein.
Nun etwas genauer zu dem Satz aus Deinem Buch:
Wir betrachten im folgenden den Fall, daß ...
(Du siehst, ich schreibe mit ß; mit ss-Diktatur brauchen wir nicht gar so viel nachzudenken, denn da ist eh so ziemlich alles erlaubt.)
Im 6bändigen Duden, durchgesehener Nachdruck von 1977, steht auf S. 874:
im folgenden, auf den folgenden Seiten werde ich darlegen ...
Gemeint ist: hier oder hier nachfolgend oder, etwas zu holperig ersetzt, in diesem. Mindestens hat es genügend Ähnlichkeit mit den Wendungen, in denen das Ausgedrückte nicht Ding geworden ist:
im geheimen (= heimlich), im besonderen, im allgemeinen (= allgemein).
Daß diese Nicht-Dingwerdung Auffassungssache sein kann, erkennst Du daran, daß im Duden _20 auf Seite 276 steht:
im Folgenden werden wir das vertiefen;
Entsprechend steht dort auch:
Er sagte das folgende: ...; auch das Folgende.
Für mich ist deutlich zu erkennen, daß der damalige Duden die Überregel beachten will, klein zu schreiben, was kein Ding ist, sondern z.B. nur ein Verweis oder etwas, nach dem man mit wie fragt.
Nun zum von Dir erfragten Warum:
– Großschreibung ist erwünscht für die Lesefreundlichkeit; denn schnelleres Lesen und Verstehen führt zum Erreichen von Lern- und Arbeitszielen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen am teuren Hochtechnologiestandort Mitteleuropa.
– Großschreibung muß mit Grenzbereichen umgehen (z.B. Substantivierungen: der Abgeordnete), dafür gibt es Regeln und Überregeln; an der Grenzregelung bei folgendes läßt sich der Grenzbereich sehr schön erkennen.
Manöverkritik zum Neuschreib:
– Der Neuschreib wirft die recht klar, verläßlich und lernbar geregelte Großschreibung über den Haufen und bietet statt dessen nichtlernbare Einzelfall-Bestimmungen, die sich nicht an die zum intuitiv richtigen Schreiben nötige Überregel (siehe Suche.php > Überregel) halten.
Bitte beachte auch diese Beiträge:
http://nachrichtenbrett.de/Forum/showthread.php?postid=27363#post27363
http://f-n.de/MD/Forum/showthread.php?postid=14347#post14347
http://f-n.de/MD/Forum/showthread.php?postid=79#post79
Gruß, Detlef
__________________
Detlef Lindenthal
|