Die unheimliche Reformmacht
April 1954: Im Bertelsmann-Verlag erscheint die von Lutz Mackensen im Auftrag der Gesellschaft für deutsche Sprache verfasste Deutsche Rechtschreibung. Bis November werden sieben Auflagen mit insgesamt 140.000 Exemplaren verkauft.
27. Oktober 1955: Da das Bertelsmann-Wörterbuch in mehr als 100 Fällen vom Duden abweicht (z.B. außer Acht lassen, im Klaren sein, in Bezug auf, Recht haben, Maschine schreiben), verlangt die Dudenredaktion von der Kultusministerkonferenz der BRD eine „erneute staatliche Stellungnahme“, um eine „rechtschreibliche Anarchie“ zu verhindern.
1956: Der Bundesinnenminister und die Kultusministerkonferenz setzen einen „Arbeitskreis für Rechtschreibregelung“ ein und beauftragen diesen, Vorschläge zur Rechtschreibreform zu erarbeiten (konstituierende Sitzung: 4. Mai).
17. Dezember 1958: Der Arbeitskreis für Rechtschreibregelung legt die „Wiesbadener Empfehlungen“ vor. Ihre Punkte:
(1) Abschaffung der Substantivgroßschreibung ...
Auch diese Vorschläge stoßen – vor allem wegen der beabsichtigten Einführung der Kleinschreibung – in der Öffentlichkeit auf Widerstand.
24. März 1977: Am Institut für deutsche Sprache (Mannheim) wird die „Kommission für Rechtschreibreform“ (ab 2. Juni: „für Rechtschreibfragen“) gegründet. Leitung: 1977–1980 Heinz Rupp, 1980–1990 Hans Glinz, seit 1990 Gerhard Augst.
Mai 1979: Die „Kommission für Rechtschreibfragen“ legt auf einer Arbeitstagung den Entwurf einer Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung im Sinne der „gemäßigten Kleinschreibung“ vor.
1980: Die „Kommission für Rechtschreibfragen“ (BRD) und die „Forschungsgruppe Orthographie“ (DDR) * schließen sich mit der „Arbeitsgruppe Rechtschreibreform der schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren“ und der „Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst“ (Wien) anlässlich eines Germanistenkongresses in Basel zum „Internationalen Arbeitskreis für Rechtschreibreform“ (später: für Orthographie) zusammen, der anfangs zweijährlich, ab 1986 jährlich tagt.
19. Juli 1988: Etwa einen Monat vor dem geplanten Termin veröffentlicht die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Artikel von Gerhard Augst, in dem der Vorschlag zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung des Instituts für deutsche Sprache ausführlich vorgestellt wird. [...]
17. Oktober 1988: Offizielle Übergabe des Neuregelungsvorschlags an die staatlichen Vertreter. Sofort nach Bekanntwerden kommt es zu heftigen Protesten in der Presse, vor allem gegen die neuen Wortschreibungen („Frefler greift in die Seiten“, „Wenn der Keiser küsst oder Meis isst“, „Es ist etzend, wenn der Keiser Bot fehrt“, „Ein Kapiten gedänkt Ale zu fangen“, „Katastrofal unfäre sprache“, „Kein Keiser auf dem Tron hat R(h)euma“, „Ein Frefel im Mei“ usw.).
31. März 1996: Die Ministerpräsidentenkonferenz erklärt endgültig ihre Zustimmung zum Reformvorschlag der Kultusministerkonferenz.
19. April 1996: Das Bundeskabinett billigt den Neuregelungsentwurf.
26. Juni 1996: Das Bundesverfassungsgericht lässt eine Verfassungsbeschwerde des Staatsrechtlers Rolf Gröschner gegen die Rechtschreibreform nicht zu, da dieser von dem angefochtenen Vorhaben nicht selbst betroffen sei.
2. Juli: Das erste Rechtschreibwörterbuch in neuer Orthographie erscheint (Bertelsmann, Die neue deutsche Rechtschreibung). Es setzt das amtliche Regelwerk an zahlreichen Stellen fehlerhaft und inkonsequent um (z.B. bleuen, blau machen, frei haben, fertighaben, kurztreten, probefahren, Maschine(n) geschrieben, gleichgesinnt, vielsagend, soviel, soweit, jedesmal, altwienerisch, Corpus delicti, Fin de siècle, Voltasche Säule, an … Statt usw.).
August 1996: Zehn deutsche Bundesländer führen die Neuregelung in den Grundschulen ein.
7. Oktober: Der hessische Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD) wirft dem Duden in einem Spiegel-Interview (41/1996) vor, er vermische „die neuen amtlichen Regeln mit eigenen Empfehlungen in einer Weise, die für den Benutzer schwer durchschaubar ist“. Es gebe jedoch „eine Alternative aus einem Gütersloher Verlag, die diese gravierenden Mängel nicht aufweist“.
Nach http://neu.gutes-deutsch.de/geschichte
Prof. Th. Ickler: Daß der Angriff auf den Duden und zwar ein durchaus auch wirtschaftlich interessierter Angriff ein Hauptmotiv der Reform war, plauderte der führende österreichische Reformer Karl Blüml aus:
Das Ziel der Reform waren aber gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen. (Standard 31. 1. 1998)
Von dieser Änderung sollte vor allem der Bertelsmannkonzern profitieren, der auf seiner Internetseite stolz verkündet:
In der Folge (der Rechtschreibreform) wird Bertelsmann neben Duden der zweite deutsche Wörterbuchverlag....
Theodor Ickler 1.7.2002
Die Kultusminister müssen nicht umgestimmt werden, sie wissen Bescheid und wollen keinen Kompromiß, sondern sie wollen die ganze Reform loswerden. Wie berichtet, hat mir dies schon im Sommer vorigen Jahres ein Vertrauensmann aus der KMK mitgeteilt. Allerdings müsse der Stoß von außen, von unten kommen, d. h. von der Presse [auch von der in Bertelsmann- oder SPD-Besitz? S.S.], denn die Kultusminister sehen sich außerstande, von sich aus das ganze verfehlte Unternehmen abzublasen... Freilich müßten die Kultusminister diese Lösung gegen die Weltmacht Bertelsmann durchsetzen, was ich für nahezu ausgeschlossen halte.
Theodor Ickler 15.10.2003
Matthias Dräger: Besch und die Bertelsmann-Stiftung?
1997 fand in Bonn im Haus der Geschichte eine öffentliche Veranstaltung zur Rechtschreibreform statt ... Mit von der Partie waren Augst, Innenminister Schily (für die SPD; Schily hatte sich nach eigener Aussgage ganze 30 Minuten auf die Thematik vorbereitet, indem er diese Zeit mit Prof. Augst gesprochen hat!) und Staatssekretär Besch.
Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, u. a. aber auch daran, daß ich, als ich gegen Ende der Veranstaltung auch einmal das Wort ergreifen durfte, dem Podium vorhielt, die Rechtschreibreform werde doch nach allen Umfragen von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, und warum man es dann trotzdem mache.
Dieser Einwand wurde von Herrn Staatssekretär Besch sinngemäß so beantwortet: „Das ist mittlerweile auch uns (damit meint er er wohl die Reformer) bekannt, aber der Euro wird ja auch von 60 Prozent der Bevölkerung abgelehnt, und trotzdem wird es gemacht.”
Staatsrat Besch ist übrigens seit 1997 Bertelsman-Co-Autor (Bildungsinnovation durch Medien, Bertelsman-Stiftung, 1997). Die Fäden zum Versuch der Durchsetzung der Rechtschreibreform laufen also möglicherweise doch bei den Bertelsmännern, evtl. auch bei der entsprechenden Stiftung zusammen.
Auch von Prof. Lutz Götze und Dr. Klaus Heller ist bekannt, daß sie Beziehungen zum Hause Bertelsmann unterhalten; dann bleibt auch die Frage, warum der frühere Pressesprecher von Zehetmair, Toni Schmid, im Kultusministerium bei Kollegen den Spitznamen Bertelsmann-Schmid weg hatte Zufall? Zur Erinnerung: Daß Bayern sich zustimmend zur Rechtschreibreform äußerte, war das Werk von Toni Schmid; sein Chef erfuhr davon aus der Zeitung...
Matthias Dräger 13.07.2001
April 1999: Das Bertelsmann-Rechtschreibwörterbuch erscheint in einer „grundlegend erweiterten und aktualisierten Ausgabe“. Sie lässt eine Reihe von Schreibungen zu, die im amtlichen Regelwerk nicht vorgesehen sind, jedoch mit den Vorschlägen der Zwischenstaatlichen Kommission vom Dezember 1997 übereinstimmen (z.B. blutsaugend, erfolgversprechend, furchterregend, nichtssagend, vielversprechend, weitreichend)
http://neu.gutes-deutsch.de/geschichte
Der globale Bildungsehrgeiz der Bertelsmänner ist aber umfassender, besonders nach dem Ausstieg aus dem Lexikongeschäft:
change
Das Magazin der Bertelsmann Stiftung 2/2010
Bildungssenator Prof. E. Jürgen Zöllner und Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, unterschrieben gemeinsam die Vereinbarung.
Berlin setzt auf Engagement von Jugendlichen
Als Modellregion beteiligt sich Berlin an „jungbewegt“, einem bundesweiten Bildungsprojekt der Bertelsmann Stiftung.
Wie religiös sind wir
Mit Hilfe der neuen Unterrichtseinheit können Schüler ein Bewusstsein für die eigene Religiosität entwickeln.
http://www.religionsmonitor.de (wurde auch dem Papst vorgestellt)
http://www.lehrer-online.de/religionsmonitor.php
nachrichtenbrett.de 11.11.2010
(Das Gutmenschenmädelquartett Angela Merkel, Friede Springer, Liz Bertelsmann-Mohn und Annette Schavan läßt grüßen)
Ein aktueller Leserkommentar zum Artikel von Alexander Wendt bei tichy:
„Wie das ZDF Merkels Entscheidung von 2015 umdichtete“
Dazu Leser Peter Mueller:
Der Zeitablauf:
– 2001 erstellt die UN eine Studie zur „Bestandserhaltungsmigration“.
– 2009 beschließt die EU ein „Neuansiedlungsprogramm“.
– Im Mai 2011 warnte der Kabarettist Hagen Rether vor einer Flüchtlingswelle, wie sie dann 2015 tatsächlich kommt. Das Problem war also lange bekannt. Zu dieser Zeit zerbombte man (auch mit ausdrücklicher Billigung der Grünen) gerade Gaddafis Libyen, das bis dahin die Völkerwanderung aus Afrika unterbunden hatte.
– 2013 erstellt das Weltwirtschaftsforum Davos die Migrationsagenda „The Business Case of Migration“ (Warum Migration gut fürs Geschäft ist).
– 2013 beginnt auch Bertelsmann mit einer flächendeckenden Propagandakampagne pro Migration. Zudem koordiniert Bertelsmann zum Thema Migration Regierungsentscheidungen....
tichyseinblick.de 6.9.2019
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