Augst'sche Umlaut-Ethymologie beschädigt Grammatik
Zum 10. Jahrestag der Einführung der RSR hat sich die F.A.S. was ganz besonderes ausgedacht. Einen Bericht über das Wappentier der Rechtschreibreformer, die Gemse, allerdings in der neuen Schreibweise, mit "ä".
Ich saß heute morgen am Frühstückstisch mit meinen beiden Enkelinnen, die in Wien zur Schule gehen, und fragte die Älteste, wie Gemse geschrieben werde. Gemse, mit e, kam als Antwort. Und wie laute der Plural? Gemsen.
Ein Stein fiel mir vom Herzen. Österreich scheint hinsichtlich Gemse noch unverseucht zu sein.
Nun also der Artikel aus der heutigen F.A.S. (Kleines Sonntagsrätsel: Wieviele Gemsen gibt es in Bulgarien? Antwort für Ungeduldige: 1)
Für fünf Gämse mehr
Patuline Petrat und Marlene Wiehe sprachen mit Forstwissenschaftler Vladimir Milushev über seine Aufgaben bei der Wiederansiedlung der Balkangämse im Vitosha-Gebirge. Übersetzt hat Tanya Georgieva-Schnell.
Herr Milushev, was sind die Ziele des Projektes?
Unser Hauptziel ist die Wiederansiedlung beziehungsweise Rückkehr der Balkangämse. Dadurch wollen wir die Gesamtpopulation der Gämse in Bulgarien verbessern.
Wie viele Mitarbeiter hat das Projekt?
Es gibt zwei Hauptverantwortliche, die von verschiedenen Organisationen unterstützt werden, zwei ehrenamtliche Mitarbeiter und immer mal wieder ausländische ehrenamtliche Mitarbeiter sowie ausländische Praktikanten. Seit dem Beginn des Projektes im Februar 2002 waren etwa zehn haupt- und 100 ehrenamtliche Mitarbeiter involviert.
Für welchen Aufgabenbereich sind Sie verantwortlich ?
Ich bin in der Verwaltung des Projektes tätig und außerdem der Faunaexperte. Ich repräsentiere das Projekt in der Öffentlichkeit. Ich muss dafür sorgen, dass die Ziele erreicht werden, muss die Mitarbeiter ihren entsprechenden Aufgaben zuordnen und bin für die Kooperation mit den Unterstützern zuständig. Die unterstützenden Institutionen erwarten regelmäßige Berichte über den Verlauf des Wiederansiedlungs-Projekts, die von mir verfasst werden. Diese Arbeit ist für mich ohne viel Aufwand zu erledigen, da meine Vorgänger schon gut vorgearbeitet haben und unser Projekt somit einen guten Ruf hat.
Wie lange arbeiten Sie schon daran?
Das Projekt wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Nach meinem Forstwissenschafts-Studium habe ich im Jahr 2006 angefangen, für das Projekt zu arbeiten. Die Natur und das Gebirge haben mich schon immer begeistert, und somit war mir schon immer klar, dass nur eine Arbeit in der freien Natur für mich in Frage kommen würde.
Beim mühsamen Weg zu den Gämsen haben wir uns gefragt, wie oft Sie ihn gehen müssen.
Die Population der Gämse ist noch etwas instabil; deshalb muss ich die Gämse mindestens einmal pro Woche vom Berg aus beobachten. In letzter Zeit gab es kaum einen Tag, an dem niemand zu den Gämsen gegangen ist. Es ist wichtig, die Gämse zu beobachten, um zu sehen, wie sie sich entwickeln und somit entscheiden zu können, wann die Gruppe stabil genug ist, um einzelne Gämse wieder freilassen zu können.
Werden bestimmte Gämse für die Freilassung ausgewählt oder verläuft sie willkürlich?
Eigentlich wollen wir nur bestimmte Gämse freilassen, allerdings ist dies nicht immer möglich, da zu viel Stress auf die Tiere ausgeübt würde und es äußerst schwierig ist, sie einzufangen. Das Gehege ist extrem groß und unüberschaubar.
Gibt es in Bulgarien vergleichbare Projekte?
Speziell für den Erhalt und die Wiederansiedlung von Gämsen gibt es kein weiteres Projekt in Bulgarien. Generell gibt es für die Wiederansiedlung spezieller Tierarten weniger Projekte als für die Erhaltung und Untersuchung. Im Bereich der Erhaltung gibt es Projekte für Weiden, Landschaften und seltene Tierarten, und im Bereich der Untersuchung gibt es Projekte für Amphibien, Ziesel und nachtaktive Greifvögel. Außerdem gehören zum Naturpark zwei Museen, eines mit Eulen und eines mit Libellen.
Ist Wiederansiedlung der Gämse erfolgreich?
Auf jeden Fall. Anfangs haben wir 21 Gämse in den Naturpark geholt. Heute, sechs Jahre später, zählen wir 26 Tiere. Fünf zusätzliche Tiere klingt zunächst wenig, allerdings gab es im Winter 2003/2004 extrem viel Schnee, so dass die Gämse unter sehr schweren Witterungsbedingungen leben mussten. Außerdem ist es mehreren Hunden gelungen, in das Gehege einzudringen. Wir haben die Überreste zweier Gämse gefunden, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Hunde sie gerissen haben. Trotz des Verlustes der Tiere, können wir sagen, dass das Projekt positiv verläuft, da der Zuwachs der Tiere stetig steigt.
Gibt es Unterstützung durch die Öffentlichkeit?
Es gibt sie. Allerdings wollen wir nicht zu viele Informationen an die breite Öffentlichkeit preisgeben, denn das Projekt hat auch Gegner. Wir überlegen uns also vorher, wem wir was erzählen. Gegenüber Studenten und interessierten Schülern unseres Gebietes sind wir sehr offen.
Unterstützung gibt es sowohl von privaten Förderern als auch von staatlichen Institutionen. Es gibt Freiwillige, die uns beim Transport der Tiere und bei Reparaturarbeiten unterstützen.
Einige der Projektgegner sind Jäger. Also haben wir uns mit einigen von ihnen getroffen und ihnen verdeutlicht, wie wichtig die Gämse für den Naturpark sind und somit ein Abkommen getroffen, dass sie auf die Gamsjagd verzichten. Das Wichtigste ist, dass das Projekt bis jetzt gut gelaufen ist, aber wir sind auch erst in der Mitte. Die Gämse müssen sich noch weiter an ihre neue Umgebung gewöhnen.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3.Aug. 2008
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Christoph Kukulies
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