Werden die Rechtschreibseiten durch AFP abgewürgt?
Liebe Mitschreiber und Mitleser,
die AFP hat mir ein schwieriges Schreiben senden lassen, welches unsere gesamte Pressebericht-Arbeit und damit die Rechtschreibseiten insgesamt in Frage stellt:
Für die Wiedergabe des AFP-Berichtes „Erschöpfte Ruhe nach jahrelangem Streit“ werden 250 Eu „Schadenersatz“ und 283 Eu Rechtsanwaltkosten, zusammen also 533 Euro, verlangt.
Den folgenden Brief habe ich als Antwort entworfen; kann bitte jeder von Ihnen ihn einigermaßen sorgfältig lesen und ggf. ergänzen und berichtigen? Großen Dank!
D. Lindenthal
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Entwurf eines Antwortschreibens
Detlef Lindenthal, Siede Hattstedt 3, 25856 Hattstedt
Ruf 04846-6166, Netz detlef@lindenthal.com
Hattstedt, den 7. 5. 2009
Herrn Rechtsanwalt
Andreas Will
Ebertallee 22
22607 Hamburg
Netz: will@ra-will.de
AFP ./. Lindenthal
Ihre Zeichen 178/09; ID Nr. (soweit vorh.): 1057074
Sehr geehrter Herr Will,
Sie hatten am 9. 4. 2009 an mich geschrieben, um eine Gebührenzahlung für die AFP (Agence France-Presse GmbH) zu erreichen für die Wiedergabe eines kommentierenden Berichtes, der den von mir in Gang gesetzten Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) zur Sache hat.
Ihr Ansinnen mißfällt mir zutiefst, denn wenn Sie damit durchkämen, würde es das Ende dieser Rechtschreibseiten bedeuten.
Der Reihe nach:
Sie gehen aus von einem Gegenstandswert von 10.250 Eu. Können Sie das erläutern? Warum nicht 250 Eu, denn das ist Ihre „Schadenersatz“-Forderung für die AFP? Oder 100 Millionen Eu und damit einen Euro für jeden Menschen mit deutscher Muttersprache?
Der Gegenstandswert von 10.250 Eu kommt mir willkürlich vor und erreicht im Streitfalle, daß das Verfahren vor das Landgericht Flensburg ginge, wo Anwaltszwang besteht; dies bedeutet, daß ich mich nicht verteidigen kann. Und ohne Verteidigung ist das kein Rechtsverfahren mehr, und wenn Sie es in Gang setzen, sind Sie (nach meiner Meinung) auch kein Rechtsanwalt mehr, sondern nur noch ein Irgendwasanwalt.
Zur Sache:
Der Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) war im Sommer 2004 von Frau Doris Ahnen, der damaligen Präsidentin der Kultusministerkonferenz, vorgeschlagen und von mir auf den Weg gebracht und von Friedrich Denk, Siegfried Lenz, Marcel Reich-Ranicki, Elfriede Jelinek usw. in München gegründet worden; später beteiligten sich auch KMK und Verbände.
Kostenfrei hat der RfdR die Presse mit Nachrichten versorgt, und so hat auch die AFP diese Nachrichten kostenfrei übernommen und an ihre Bezieher kostenpflichtig weitergegeben.
Am 30.7.2008 hat die AFP einen kommentierenden Bericht „Erschöpfte Ruhe nach jahrelangem Streit“ über den RfdR geschrieben, und einer unserer Forumschreiber hat diesen Bericht in unseren Pressespiegel gestellt.
Wenn ein Sportverein, Sprachverein o.ä. kostenlos einer Presseagentur das Berichten ermöglicht, dann sollte auch die Pressagentur es dem Verein kostenfrei ermöglichen, daß er den Bericht in einem Pressespiegel veröffentlichen kann – die Kulanz erfordert dies; in einem solchen Fall halte ich knüppelharte Gebührenrechnungen für rechtlich sittenwidrig und rechtsmißbräuchlich.
Dann noch ein Blick in die Geschichte und auf Europa:
Die AFP wurde 1944 beim Ende der deutschen Besetzung von Paris gegründet und kam mit der französischen Besatzungsmacht nach Deutschland. 1962/63 haben sich Konrad Adenauer und Charles de Gaulle für beide Länder auf ein freundschaftliches, gleichberechtigtes Miteinander geeinigt. Dabei entspricht es der guten Sitte, daß z.B. die dpa nicht sich wirksam einmischt, wenn die französische Öffentlichkeit und die Académie Française über Sprache und Rechtschreibung nachdenken.
Umgekehrt kann und sollte von der AFP achtungsvolle Zurückhaltung und Nichteinmischung bei den Fragen der deutschen Sprache erwartet werden.
Wenn die AFP für die Abschaltung dieser Rechtschreibseiten sorgen würde (siehe unten), wäre das eine empfindliche Einmischung in die Angelegenheiten des Nachbarlandes, und ich würde dies dem französischen Botschafter vortragen.
Wenn wir die von Ihnen verlangte Gebühr zahlen würden, wäre damit ein Vorreiterfall geschaffen; denn dann könnten Sie als nächstes Ihre Dienste dpa, AP und Reuter anbieten und uns nie mehr zur Ruhe kommen lassen.
Ein weiterer Gesichtspunkt:
Es geht in dieser Sache um das zentrale Werkzeug der Kultur und Zivilisation: nämlich um die Sprache, ohne die ein Austausch von Gedanken meistenteils unmöglich ist. Indem die AFP hierzu einen Kommentar verfaßt hat, ist sie selbst in dieser Sache handelnd tätig geworden; wer handelt, muß es sich gefallen lassen, daß über ihn berichtet wird. Das Handeln der AFP war das Verfassen jenes Kommentar, und wir haben über jenen Kommentar berichtet, indem wir ihn in unserem Pressespiegel wiedergegeben haben.
Wäre das nicht so, dann könnten Sie mit Ihrer Pressemacht berichten, und keiner dürfte darauf Bezug nehmen. Indem ich unser Veröffentlichungsrecht verteidige, verteidige ich auch die Pressefreiheit.
Es trifft nicht zu, daß, wie Herr Timo Peters von der AFP schreibt, der AFP durch unsere angeblich „unerlaubte Veröffentlichung ... potenzielle Einnahmen ... entgehen“, denn der RfdR hat noch nie eine Zahlungsmöglichkeit für Presseberichte gehabt und hat noch nie einen Bericht bezahlt.
Verstanden habe ich nicht, wieso Sie für die AFP „Schadenersatz“ verlangen – welcher Schaden ist der AFP entstanden?
In Erinnerungen rufen möchte ich, daß wir, die Freunde der Rechtschreibung, nicht nur für uns selbst, sonder auch für Sie, Herr Will, und Ihren Klienten, die AFP, das wichtigste Arbeitswerkzeug verteidigen, nämlich die Sprache. Wenn Ihre nächsten Reno-Gehilfen-Auszubildenden keine Kommasetzung mehr können, dann wissen Sie, was ich meine.
Sachdienlicher und gerechter ist es, wenn Sie und die AFP sich in eigener Sache mit uns zusammen dafür einsetzen, daß die Kultusminister in den Schulen wieder die von den Agenturen verlangte bewährte lesefreundliche Kommasetzung unterrichten lassen statt die Dunkelgrauzonenbeliebigkeit der letzten 13 Jahre, und daß wir gemeinsam der europaweiten Verständigung in dieser Sache helfen.
Mein Vorschlag insgesamt ist, daß sie und die AFP anerkennen, daß bei uns kein Geld zu verdienen ist, und daß Sie uns genauso kostenlos mit RfdR-Nachrichten beliefern wie wir Sie.
Es grüßt Sie
Detlef Lindenthal
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