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Bayerischer Landtag 27.10.1995
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Sigmar Salzburg
31.10.2012 08.45
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Bayerischer Landtag 27.10.1995

„Rechtschreibreform“

Bayerischer Landtag

13. Wahlperiode Plenarprotokoll 13/31
27.10.95

31. Sitzung
am Freitag, dem 27. Oktober 1995, 9 Uhr, in München


[…]

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 19 Regierungserklärung des Herrn Staatsministers für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst zum Thema „Rechtschreibreform“

Das Wort hat Herr Staatsminister Zehetmair. Bitte, Herr Staatsminister.

Staatsminister Zehetmair (Kultusministerium) (vom Redner nicht autorisiert): Frau Präsidentin, Hohes Haus! Dies ist eine Regierungserklärung besonderer Art. Ich möchte gleich am Anfang zur Klarheit sagen, warum die Staatsregierung diese Regierungserklärung abgibt und warum ich sie dem Hohen Hause gerne vortrage.

Es hat sich herausgestellt, daß die Frage einer Rechtschreibreform die weitesten Kreise der Bevölkerung interessiert und alle berührt, und es ist von Wichtigkeit, daß in unserer Demokratie nicht der Eindruck entsteht, daß dies nur ein Thema der Fachleute oder derer ist, die sich dafür halten, sondern daß dies ein Thema ist, das einen hohen politischen Rang hat und für das wir auch Rechenschaft ablegen müssen gegenüber den Bevölkerungsschichten von Jung und Alt und auch gegenüber den verschiedenen Strukturen der Bevölkerung.

Das ist die Grundlage dafür, daß ich Sie sine ira et studio und natürlich auch mit Gewichtungen, wie ich sie für richtig halte, informieren möchte, aber gleichzeitig nicht mit einer parteipolitischen Orientierung, sondern über eine Thematik, die eine der wenigen ist, die über Parteien hinweg von Bedeutung für alle ist, so daß Sie also bitte auch gleich sehen, daß es nicht darum geht: Was fällt einem ein, um hier gegen die Regierung etwas zu bringen – das stört mich zwar nicht , aber um klarzumachen, daß der Bayerische Landtag, das Parlament, hier auf jeden Fall den Respekt verdient, umfassend informiert zu werden. Wenn sich damit die Chance verbindet, daß auch die Öffentlichkeit erneut informiert werden kann, dann ist das, glaube ich, eine wichtige Zielsetzung.

Mit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung berühren wir ein Thema, das alle Bürger betrifft. Ich will zunächst zur Historie etwas sagen.

Die gegenwärtig gültigen Rechtschreibregeln sind gewissermaßen in die Jahre gekommen. Sie waren das Resultat der zweiten Orthographischen Konferenz in Berlin 1901 und galten schon damals als verbesserungsbedürftig. Sie umfaßten ursprünglich 26 Paragraphen und eine Wörterliste, die in dreispaltigem Druck 36 Seiten dick war. Allerdings war eine Reihe von Fragen ungelöst geblieben: Regeln für die Interpunktion und für die Getrennt- und Zusammenschreibung wurden zum Beispiel nicht aufgestellt. Die Ergänzung und Fortschreibung des Regelkanons erfolgte nicht durch staatliche Stellen, sondern von Fall zu Fall durch den Duden, der auf diese Weise eigentlich erst für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung sorgte. Die im Duden veröffentlichten Schreibweisen und Regeln hat die Kultusministerkonferenz 1955 für alle Schulen in Zweifelsfällen für verbindlich erklärt. Sie räumte damit einem privatwirtschaftlich geführten Verlag ein sehr weitgehendes, auch rechtlich nicht unumstrittenes Gestaltungsrecht ein.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung von Einzelfällen und durch die bereits 1915 erfolgte Integration des Drucker-Dudens in die für die Öffentlichkeit bestimmte Ausgabe entstand im Laufe der Jahrzehnte ein Geflecht von teilweise recht spitzfindigen Regelungen, das im Interesse der Schreibenden der Vereinfachung bedarf. Die Redaktion des Duden sieht diesen Bedarf ebenfalls. In ihrer lnformationsschrift Duden – Information zur neuen deutschen Rechtschreibung, Mannheim 1994, heißtes-ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren

Diese Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung ist 1901 über Kompromisse unter konkurrierenden Regelungen und Schreibvarianten zustandegekommen – oft auf Kosten von Systematik und Einfachheit. Und manches, was an Entscheidungen in der Zeit danach (vor allem durch Einzelfallregelungen) hinzugekommen ist, hat die Erlernbarkeit der Rechtschreibung eher erschwert als erleichtert.

Der Entscheidungsspielraum verengte sich auf diese Weise; Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden unübersichtlich. So stehen etwa im Bereich der Kommasetzung vor Infinitiv und vor mit „und“ eingeleiteten nebengeordneten selbständigen Sätzen drei Regeln 14 Ausnahmen gegenüber, und kaum jemand beherrscht sie alle.

Als Beispiel mag der Satz genügen: „ Setzen Sie sich dort drüben hin und verhalten Sie sich ganz ruhig!“ – was ich mir jetzt bei dem Vortrag auch wünsche.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich will das Beispiel wiederholen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister, das steht eigentlich mir zu.

(Fortgesetzte Heiterkeit)

Staatsminister Zehetmair (Kultusministerium): Ich habe ein Zitat gebracht.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Danke schön.

Staatsminister Zehetmair (Kultusministerium): Ich bin dankbar, daß Sie sich das von der hohen Warte aus jetzt zu eigen machen, und es hat auch schon gewirkt. Aber noch einmal, ich habe es nur wegen der Kommasetzung gebracht: Setzen Sie sich dort drüben hin und verhalten Sie sich ganz ruhig, aber seien Sie bitte so nett und geben Sie mir das Buch. Ohne Komma. Ich kann mir das schon erklären. Man muß es eben lange erklären. Auch in anderen Bereichen ist es nicht ganz leicht nachzuvollziehen, weshalb ein Unterschied besteht. Man schreibt als Ganzes gesehen Ganzes groß, im ganzen gesehen ganzen klein. Das beherrschen Sie alle, ist klar, aber ich will es nur als Beispiel wiedergegeben. Beim Bisherigen bleiben Bisherigen groß. Beim alten bleiben alten klein. Im Freien übernachten groß, im dunkeln tappen klein. Auto fahren Auto groß getrennt, aber radfahren zusammen klein.

Dann die Trennungen: Psychagoge- Psych-ago-ge, Psychologe – Psy-cho-lo-ge. Man darf hier nicht mit Tagesschreiber arbeiten, das verbietet die Geschäftsordnung des Hohen Hauses, sonst hätte ich das gerne gemacht.

(Frau Haas (SPD): Ist aber schade! – Weitere Zurufe von der SPD)

- Ich wollte das vorbereiten, ich wollte wirklich eine Unterrichtsstunde machen, damit Sie hier auch mal etwas ordentlich vermittelt bekommen, Herr Kollege.

(Beifall bei der CSU – Dr. Weiß (CSU): Muß ja keine dreiviertel Stunde sein!)

- Ich versuche es aber trotzdem verständlich zu machen. Ich glaube, die Beispiele zeigen, daß eine gewisse Systematisierung der Regelung zur Beseitigung von schwer begründbaren Ausnahmen an der Zeit ist. Ich will das als erstes deutlich sagen, weil unreflektiert und undifferenziert viele sagen – auch die TED-Umfrage von gestern abend ergab 89 % , daß sie gegen die Rechtschreibreform sind. Die wenigsten wissen, worum es im Detail geht. Ich denke, es ist Anlaß, heute deutlich zu machen, daß man unterscheiden muß. Die Beispiele mögen das bitte gezeigt haben.

Der zur Zeit der Amtschefkonferenz der Kultusministerkonferenz vorliegende Vorschlag geht nun auf einen Auftrag zurück, den die Kultusministerkonferenz und das Bundesinnenministerium dem Institut für deutsche Sprache im Jahr 1987 erteilt haben, und der dann nach heftiger Diskussion 1988 bzw. 1991 erneuert wurde. Das war die Zeit, als Kaiser mit ei geschrieben werden sollte, Boot mit einem 0, als alles kleingeschrieben werden und zwischen das und daß keine Unterscheidung mehr stattfinden sollte. Wir haben damals heftig interveniert – das war vor allem meine lntervention –, weil sich da einfach etwas in mir sträubt. Das ist nicht mehr das, was ich mit Ästhetik der Sprache in Einklang bringen kann. Das von Sprachwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erarbeitete Regelwerk wurde im Mai 1993 in Bonn vorgestellt. Es bildete die Beratungsgrundlage für die sogenannten dritten Wiener Gespräche vom 22. bis 24.11.1994.

Drei Grundsätze sind es, die zugrunde liegen: Erstens. Das Bemühen um eine behutsame inhaltliche Vereinfachung der Rechtschreibung mit dem Ziel, eine Reihe von Ausnahmen und Besonderheiten abzuschaffen. Zweitens. Die Ausweitung des Geltungsbereiches der Grundregeln und Verstärkung des im Deutschen grundsätzlich geltenden Prinzips, nach dem ein Wortstamm auch in Zusammensetzungen und Ableitungen seine Schreibung nicht verändert. Drittens. Angebot der Neuformulierung der Regeln nach einem einheitlicherem Konzept und Handbarmachung der jeweiligen Schreibungen durch Angabe von Begründungen.

Nun liegt zur abschließenden Beratung und Beschlußfassung das Ergebnis der Wiener Gespräche vor. Mit Schreiben vom 6. September 1995 habe ich darum gebeten, angesichts der weitreichenden Konsequenzen der zu treffenden Entscheidung im Interesse einer nochmaligen sorgfältigen Überprüfung von einer Beschlußfassung der Kultusministerkonferenz, wie vorgesehen in Halle Ende September, abzusehen. Dem wurde auch Rechnung getragen. Es ist bekannt, daß ich vor allem folgende Bedenken geltend machte: Einmal bezüglich der Eindeutschung von Fremdwörtern. Sie haben eine Liste vorgelegt bekommen, auf die ich dann noch kurz zu sprechen kommen werde. Das sind die Beispiele, die jetzt vom Tisch sind, also Alphabet, Apotheke, Bibliothek, Restaurant etc. Ich will das auch kurz begründen. In einem zusammenwachsenden Europa sehe ich bei aller Loyalität gegenüber der Muttersprache keinen Sinn, Restaurant mit O zu schreiben, aber sonst in all den Bereichen au zu schreiben, sowohl im Französischen wie im Englischen. Das erschwert mehr, als es eine Verbesserung darstellt. Im übrigen: Wer es sich leisten kann, ins Restaurant zu gehen, weiß auch, wie man das schreibt, oder zumindest kann er es richtig schreiben lassen.

(Beifall bei der CSU und bei der SPD)

Weder dürfen wir unser humanistisches Erbe vergessen, das sich auch in den aus den alten Sprachen entlehnten Schreibungen widerspiegelt, noch wollen wir Kinder, welche Fremdsprachen lernen, unnötig irritieren. Es war meine Vorstellung, die Integration von Schreibweisen weitestgehend auf Wortstämme zu beschränken bei denen die Eindeutschung schon im Gange ist. Das sind Wörter wie Fotograf, Fotografie, Diktafon, Grafik, also fon-, fot-Endungen.

Vorbehalte wurden meinerseits gegenüber Veränderungen in historisch überlieferten Schriftbildern geltend gemacht. Sie kennen die Wörter Frevel, Thron und Fehde, bei denen das f durchgehend stehen und das h verschwinden sollte. Das subsumiere ich unter Ehrfurcht vor der Ästhetik der Sprache oder Respekt vor der Ästhetik der Sprache.

(Zuruf von der CSU)

-- Da kann man im Forstbereich unterschiedlicher Meinung sein, aber ich spreche als Kultusminister.

(Allgemeiner Beifall – Weitere Zurufe)

- Ja, auch das Das war nicht persönlich gemeint, aber der Zwischenruf muß beantwortet werden, vor allem wenn er Inhalt hat. Dabei übersehe ich nicht, daß auch im Bereich der Schreibungen gewisse Systematisierungen im Sinne des für das Deutsche und auch sonst geltenden Stammprinzips für den Lernenden wie für den versierten Anwender hilfreich sein werden. Da kommt das Wort rauh, das wie blau – er schaut gerade in der Zeitung nach, ob das richtig geschrieben ist; ich habe dafür Verständnis – oder schlau, Herr Kollege Weiß, ob das nun auch mit h geschrieben wird oder ob wir wie bei rauh das h weglassen. Für das Letztere haben wir uns entschieden. Und daß man behende, eben abgeleitet von Hand, behände mit ä schreibt und nicht mehr mit e, oder überschwänglich dann auch mit ä, weil es von Überschwang kommt, ist auch richtig. Aber dann kommen schon die neuen Probleme. Es gibt auch noch Nord-Süd- Unterscheidungen in der Aussprache. Ich denke immer an das berühmte Maß. Die Maß oder der Maß, sei's also wie immer Herr Rexrodt das gesagt hat. Die Fehler lasse ich mal alle weg.

Die Norddeutschen, wenn Sie es sich denn zutrauen, trinken eine Maß Bier. Wir trinken, wenn denn schon, a Mass. Unsere Mass ist in Zukunft mit zwei S zu schreiben; die Norddeutschen werden es wohl weitermit ß schreiben, weil sich davor ein langer Vokal befindet.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

- Ja, ja, wir setzen uns mit den zwei S schon durch, aber von der Aussprache her ist es so; da haben Sie keine Kompetenz, weil Sie kein Norddeutscher sind. Da müssen Sie schon reflektieren.

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

- Aber Sie sprechen es doch so wie ich aus: „Mass“.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

- Na also.

(Zuruf von der CSU: Aber nicht der „Mass“, sondern das „Mass“!)

- Das ist zugegeben richtig, aber ob sie so lernfähig sind, ist die Frage – ich meine die Norddeutschen, nicht Sie

(Allgemeine Heiterkeit)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, die Amtschefkonferenz der Kultusministerkonferenz hat letzte Woche in München – -

(Präsidentenwechsel – Welnhofer (CSU): So weit sind wir noch nicht, Frau Präsidentin!)

- Ich kann hinter meinem Rücken nicht jeden Wechsel feststellen. So weit bin ich noch nicht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung.

Präsident Böhm: Wir nehmen keinerlei Einfluß auf Ihre Rede, Herr Minister.

Staatsminister Zehetmair (Kultusministerium): Zurück zum Ernst. Letzte Woche hat die Amtschefkonferenz -das sind alle Ministerialdirektoren und Staatssekretäre der 16 Länder – in München. getagt und sich mit dieser Materie befaßt. Ich darf sagen: Es wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß bei diesen Fremdwörtern und bei den von mir angesprochenen Fällen nunmehr mit der gebotenen Behutsamkeit vorgegangen wird, das heißt, die Dinge, die Sie als Liste vorliegen haben, sind in diesem Sinne erledigt. All diese Schreibungen wird es nicht geben; das ist korrigiert worden. Ich verweise auf die Tischvorlage, die Sie haben.

(Siehe Anlage)

Ich rechne daher mit einem einvernehmlichen Beschluß bei der nächsten Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz in Mainz am 30.November/1.Dezember 1995 und glaube, Bayern hat das Seine dazu beigetragen, daß dieser Beschluß dann gegenüber der Öffentlichkeit auch vermittelt werden kann, selbst wenn kein ungeteilter Jubel ausbrechen wird; denn Rechtschreibung kann allein schon vom Gegenstand, nämlich der lebendigen und überaus differenzierten Sprache her nicht „einfach“ werden. Übergangszonen und Zweifelsfälle wird es, wenn auch in deutlich vermindertem Maße, weiterhin geben.

Mit der Neuregelung soll auch die Aufhebung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 18./19. November 1955 verbunden sein. Das heißt, es wird ein Vorschlag übernommen werden, eine zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung beim Institut für deutsche Sprache in Mannheim einzurichten.

Wir haben in Deutschland bekanntlich keine „Académie Francaise“ oder vergleichbare Einrichtungen, die diese Sprache begleiten. Sie wissen, daß es da in Frankreich die „Loi Toubon“ gibt, also ein Gesetz darüber, daß die französische Sprache wiederverwendet werden muß und durch Anglizismen und ähnliches nicht weiter überfremdet werden darf.

Damit bin ich bei einem Anliegen für diese Kommission, das ich hier auch ausdrücken will. Diese Reformüberlegungen sind noch nicht zu Ende. Viel wichtiger als diese gewissen Rechtschreibänderungen wird sein, daß wir uns endlich daranmachen, nicht mehr unreflektiert eine Menge von Anglizismen und Fremdwörtern zu übernehmen, dann aber nicht mehr zu wissen, wie wir sie beugen und wie wir sie überhaupt in den Temporal bringen. Ich nenne als Beispiele stylen, designen und recyceln, um nur drei anzuführen. Heißt es im Imperfekt nun recycelt oder gerecycelt; heißt es gedesigned oder designed – zunächst die Vorsilbe, dann der Imperfekt und dann signed? Ich denke, die Kommission muß hier etwas tun – ich darf es einmal so bezeichnen –, um den Sprach-müll, der in den letzten Jahren bei uns abgelagert wurde, wieder ein bißchen zu recyceln.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Ich komme zu den Vorstellungen zum weiteren Verfahren. Das, was Sie als Rede in Ihren Fächern finden, bedarf schon wieder einer aktuellen Fortschreibung. Ich darf zunächst sagen: Entscheidend ist, daß bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht der Eindruck entsteht, daß hier im Kabinettsstil des 18. und 19. Jahrhunderts hinter dem Rücken der Öffentlichkeit verfahren wird.

Zur Frage, wie es zeitlich abgewickelt wird, darf ich den neuesten Stand berichten. Aus Lübeck kam eben von der Ministerpräsidentenkonferenz ein Fax. Nachdem man um 8 Uhr in den Nachrichten hörte, daß der Ministerpräsident Niedersachsens gegen die Rechtschreibreform überhaupt sei, gibt es nun ein einstimmiges Votum der Ministerpräsidenten, nämlich, daß sie die Rechtschreibreform bejahen.

(Zuruf von der CSU)

- Ja, bei Schröder geht das schnell.

(Starzmann (SPD): Der ist fix!)

Die Ministerpräsidenten wollen die Entscheidung aber erst im Frühjahr 1996 herbeiführen. Sie bitten die Kultusminister, in der Sitzung am 30. November 11. Dezember die Einzelheiten festzulegen und dann vorzulegen. Am 14. Dezember wollen sie dann als Regierungschefs mit dem Bundeskanzler den Themenkomplex erörtern und im Frühjahr die Verabschiedung vornehmen. Es wird aber festgelegt, daß die Regierungschefs von der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung eine Erleichterung des Schreibens und Erlernens des richtigen Schreibens erwarten und daß sie Vereinfachungen wollen, die aber sicherstellen sollen, daß die Sicherheit der Sprachbeherrschung gesteigert wird.

Die Regierungschefs sind auch der Auffassung, daß es vor einer Neuregelung einer umfassenden Beteiligung der Öffentlichkeit bedarf, um die Akzeptanz der Änderungen sicherzustellen. Die Regierungschefs sind der Auffassung – darauf komme ich auch noch –, daß die Umsetzung in einem zeitlichen Rahmen erfolgen muß, der möglichst geringe Kostenauswirkungen hat, und sie erwarten, daß die Neuregelung auf das Notwendige beschränkt und eine behutsame Weiterentwicklung der Rechtschreibung gewährleistet wird. „Insbesondere“ – ich zitiere – „ist darauf zu achten, daß formalistische Veränderungen im Fremdwortbereich vermieden werden.“

Das sind die wichtigsten Informationen aus der letzten Vereinbarung der Ministerpräsidentenkonferenz in der sogenannten Kaminrunde.

Damit habe ich verkürzt den Zeitfaktor und auch die Kosten angesprochen. Ich darf hier bestätigen: 5 Milliarden DM werden in den Raum gestellt. Das dürfte mit der Realität nicht in Einklang zu bringen sein; 300 Millionen DM schon eher. Beabsichtigt ist, daß die Reform im August 1998 in Kraft treten soll und daß sie eine Übergangszeit bis mindestens 2007 hat. Das heißt also, daß wir keine Bücher in Chemie, Physik oder ähnlichen Fächern auswechseln, weil es eine neue Rechtschreibform gibt, sondern die Anderungen sukzessive erst dann vornehmen lassen, wenn die Bücher aufgrund Verschleiß ohnehin neu aufzulegen sind.

Ich will abschließend noch zur rechtlichen Frage etwas sagen.

(Christian Knauer (CSU): Wie werden denn Österreich und die Schweiz mit einbezogen?)

Ich möchte noch etwas zur rechtlichen Form sagen und anschließend zur Gesamtbewertung kommen.

Es gibt eine Meinung, daß das Ganze einer Gesetzesform bedürfe, weil es die Erziehungsrechte gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes betreffe. Nun ist die überwiegende Rechtsauffassung und auch die Auffassung der Staatsregierung und meines Hauses, daß das Erlernen einer bestimmten Schreibweise nicht dem Erziehungsrecht der Eltern untergeordnet werden kann; denn die Eigenheiten der Sprache entwickeln sich natürlich unabhängig davon und folgen auch nicht bestimmten Erziehungsvorstellungen. Mit anderen Worten: Es geht um Schreibkonventionen, die angepaßt werden sollen oder eben nicht, nicht aber um Erziehungs- und Ausbildungsziele. Daher erscheint es uns nicht erforderlich, 16 Ländergesetze und ein Bundesgesetz zu erlassen.

Aufgeworfen wurde auch die Frage, in welcher Form die gleichmäßige Umsetzung zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz verabredet werden soll. Angestrebt wird hier nicht ein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne des Artikels 32 des Grundgesetzes, sondern eine gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Länder und der anderen Staaten.

Herr Kollege Knauer, was überhaupt das Verhalten von Österreich und der Schweiz betrifft, so kann ich Ihnen sagen: Aus hohen Regierungskreisen Österreichs Briefe an mich, in denen man sich dafür bedankt hat, daß wir die Reform nochmals gebremst haben, weil es ihnen selber entgangen sei.

(Zuruf von der CSU)

- Ich mache hier keinen Vorwurf. Uns wäre es ja auch beinahe entgangen – das darf man nicht übersehen und zwar uns allen, wenn es mir nicht aufgefallen wäre, weil es auf der Tagesordnung unter Punkt 11 war und ich mir dachte: Es kann doch nicht sein, daß das unter ferner liefen behandelt wird. Ich habe mich dann damit befaßt, muß ich zugeben. Ansonsten wäre das vielleicht auch ein Fehler geworden; aber so ist es eben Gott sei Dank keiner geworden.

Wir haben aus Österreich und der Schweiz viele, viele Briefe erhalten, in denen man sich bedankte und Beschwerde darüber führte, daß ihre Länder oder Verantwortlichen nicht darauf geachtet hätten.

Das heißt in der Summe: Wir kommen hier zu einem Konsens – davon kann man ausgehen – mit einer abgewogenen und sehr behutsamen Form der Neuerung.

Herr Präsident, Hohes Haus, ich meine, wir wollen, daß im deutschen Sprachraum einheitlich verfahren wird. Wir wollen, daß der Kompromiß zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz umgesetzt wird. Daher will die Bayerische Staatsregierung auch den Neuregelungsvorschlägen nach der nunmehr erfolgten Klärung der angemahnten Problempunkte grundsätzlich zustimmen. Darüber wollte ich Sie informieren.

(Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm: Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Gestern war man übereingekommen, daß man eine Runde von jeweils zehn Minuten durchführt. Falls es mehrere Redner sind, bitte ich Sie, sich an den 10-Minuten- Rahmen zu halten. Frau Kollegin Radermacher.

Frau Radermacher (SPD) (von der Rednerin nicht autorisiert):

Wir wollten doch gern zu zweit sprechen – ich dafür um so kürzer und um so schneller –, weil das, was sich die letzten Stunden ereignet hat, einfach reizt, dazu etwas zu sagen.

Herr Minister, eine Regierungserklärung zur Information – so haben wir Sie auch verstanden – ist positiv. Allerdings – auch das muß man einmal deutlich sagen – wäre dies längst notwendig gewesen. Das Ergebnis der Kommission liegt seit 1993 vor. Ich behaupte einfach einmal: Außer den verantwortlichen Beamten in den Kultusministerien – nicht nur in Ihrem, sondern in allen – hat sich im Grunde genommen überhaupt niemand in den Ländern dafür interessiert und nachgeschaut, was dort eigentlich steht. Der Vorwurf geht, denke ich, an alle.

Die Rechtschreibreform ist notwendig und überfällig – ich hoffe, darüber sind wir uns einig –, vor allem im Interesse unserer Kinder. Dazu wird Herr Kollege Egleder noch ein paar Ausführungen machen. Aufklärung ist längst überfällig. Das haben wir alle festgestellt. Aber, Herr Minister, die Bevölkerung wird auch durch diese Regierungserklärung nicht mehr aufgeklärt sein als vorher.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Stimmung gegen etwas Neues zu machen, ist immer angstbesetzt. Der Umfrage messe ich deshalb keine große Bedeutung bei, weil jeder, der etwas Neues lernen soll, erst einmal sagt, man sollte lieber beim Alten bleiben. Mit dieser Haltung hätten wir aber auch 1901 keine Rechtschreibreform geschafft, und viele Dinge würden noch so geschrieben wie im vorigen Jahrhundert. Das kann wohl auch nicht richtig sein. Es darf nicht so kommen, daß außer Spesen nichts gewesen ist. Deswegen meine ich, daß es notwendig ist, jetzt wirklich dafür zu sorgen, daß diese Reform mit den Veränderungen, die von Ihrer Seite angesprochen wurden, durchgeführt wird.

Die Diskussion hat in den letzten zwei Tagen merkwürdige Blüten getrieben, vor allem seit sich die Ministerpräsidenten einmischen. Wenn man zusammenfaßt, was es gestern im Laufe des Tages alles an Meldungen gab, reichen die Meldungen von der gänzlichen Ablehnung durch Herrn Schröder bis hin zu dem Vorschlag, die Länderparlamente sollten Gesetze erlassen. Sie haben es erwähnt, wie unsinnig das wäre. Im Frühstücksfernsehen heute vormittag hat Herr Stoiber noch einmal gesagt, wir bräuchten kein Abkommen, sondern wir sollten ein Institut gründen, das dies alles regele. Ich denke, ein Institut ist für die Zukunft etwas Vernünftiges, aber jetzt brauchen wir dieses Abkommen.

Herr Zehetmair, Sie sehen mich und Sie sehen uns in einer trauten Einigkeit mit Ihnen. Das werden wir hoffentlich so schnell nicht wieder erleben. Das wäre uns beiden furchtbar peinlich, das weiß ich. Ich denke aber, es ist notwendig, daß wir jetzt dafür sorgen, daß die Reform durchgeführt wird. Es ist nur ein Reförmchen, aber es ist notwendig, auch im Interesse unserer Kinder. Auch das wollte ich Ihnen noch einmal sagen.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Böhm: Das Wort hat Herr Kollege Freller.

Freller (CSU): Herr Präsident, Hohes Haus! Gestern abend haben sich in einer Fernsehdiskussion des Bayerischen Rundfunks fast 90 Prozent des Publikums gegen die geplante Rechtschreibreform augesprochen. Ich kann das zunächst verstehen. Wer sich die geplanten Änderungen bildhaft vor Augen führt oder sich in der angekündigten neuen Schreibweise selbst versucht, dem ist, wenn er noch einen Rest an Sprachgefühl in sich trägt, schier die germanistische Gänsehaut gekommen.

(Zurufe von der SPD)

Wenn der Aal, ein Fisch, wie AI Capone geschrieben werden sollte, wenn das Boot, ein Schiff, zum Bot würde --

(Der Redner hält ein Blatt Papier hoch – Zuruf von der SPD: Das ist gegen die Geschäftsordnung! – Unruhe)

- Das ist nicht gegen die Geschäftsordnung, sondern das ist mein überdimensioniertes Manuskript, das ich lediglich etwas in die Höhe halte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU) Wenn der König künftig auf einem Thron ohne h sitzen müßte –

(Lebhafte Zurufe von der SPD: Geschäftsordnung! – Unruhe)

Präsident Böhm: Über diesen Unsinn brauchen wir nicht lange zu streiten. Ich kann wegen seines breiten Rückens nicht sehen, ob Herr Freller etwas vorzeigt.

(Zuruf von der SPD: Wo sind wir denn, Herr Präsident? – Unruhe)

Freller (CSU) –, dann gäbe ich jedem recht, der von einer sprachlichen Katastrophe spricht, zumal dann, wenn er diesen Begriff in der Fassung der ursprünglich geplanten Reform vor sich sieht.

Schon an diesen wenigen Beispielen wird meines Erachtens deutlich, wie dringend es nötig war, daß die Bayerische Staatsregierung und der Kultusminister hier entschieden einschritten und dieser Kulturbarbarei, wie es der Präsident des Deutschen Lehrervereins bezeichnet, Einhalt geboten haben.

Wenn auch die Gefahr zunächst sehr groß war, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, hätte ich umgekehrt meine Bedenken, auf das Bad völlig zu verzichten. Denn auch an unserer Sprache hat sich im Laufe der Jahrzehnte, wenn wir ganz ehrlich sind, einiges angesammelt, was bereinigt gehört. Welche Kollegin und welcher Kollege hat nicht in seinem Büro den Duden-Band „Zweifelsfälle der deutschen Sprache“ stehen und ist dennoch beim Suchen nach der richtigen Schreibweise schon schier verzweifelt?

(Oh! bei der SPD: – Zuruf von der SPD: Das kann ich mir bei ihm sehr gut vorstellen! Ich glaube ihm!)

Volkswirtschaftlich ist es wahrscheinlich überhaupt nicht aufrechenbar, wieviel Zeit in deutschen Büros aufgewandt werden muß, um Zweifelsfälle abzuklären. Mit Zweifelsfällen meine ich nicht, was jeder an Allgemeinbildung parat haben muß, der sich schriftlich äußert. Wer von uns hat sich noch nie leicht verunsichert an seinen Nachbarn gewandt und gefragt.

(Zuruf von der SPD: Ja, freilich! – Weitere Zurufe – Unruhe)

- Herr Kollege Ritzer, ich würde bitten, bei diesen Fragen besonders aufzupassen.

Wird Brennnessel mit zwei oder drei n geschrieben? Wird Betttuch mit zwei oder drei t geschrieben? Was ist im Gegensatz dazu mit Betttruhe? Schreibt man zueinanderfinden auseinander oder zueinander passen zusammen? Tappt man im dunkeln – klein –, oder schläft man im Freien – groß -?

(Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

Was ist, wenn DIE GRÜNEN im Grünen sitzen? Sind wir ihnen dann wieder grün? Fischt die SPD in der Schulpolitik im ganzen gesehen gar im trüben – groß oder klein – ?

(Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

Allein in diesen wenigen Fragen haben sich insgesamt ein Dutzend Zweifelsfälle der deutschen Sprache verborgen. Wer es im Saal schafft – Herr Ritzer –, mir bis zum Ende dieser Debatte, ohne nachzuschauen und ohne den Kultusminister zu fragen, diese zwölf Begriffe korrekt geschrieben zu präsentieren, den lade ich gern zu einem Kaffee ein.

(Zurufe von der SPD – Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zur Zeit gebräuchliche Duden-Auflage von 1991 umfaßt auf knapp 48 Seiten insgesamt 212 Regeln, die wiederum durch eine Fülle von Ausnahmen ergänzt werden. Deshalb geht es vom Grundsatz her durchaus in Ordnung, wenn eine Bereinigung – ich will bewußt nicht von Reform sprechen – in Angriff genommen wird und vor allem in den fünf Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Schreibung mit Bindestrich, Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende Vereinfachungen erfolgen sowie Ausnahmen und Besonderheiten abgeschafft werden. Es muß auch nicht alles im wahrsten Sinne des Wortes bis auf das letzte Komma geregelt sein. Rechtschreibregeln ja, Regelfetischismus nein.

Da es für eine solide Entscheidung keinen Sinn macht, nur emotional zu reagieren und zum Teil schon längst wieder überholte Reformvorschläge als Negativbeispiele zu bringen, bin ich im übrigen am Montag mit meiner Sekretärin nach dem Leitspruch, Betroffene zu Beteiligten machen, die Reformvorschläge Punkt für Punkt durchgegangen. Obwohl selbst in der Rechtschreibung absolut sicher, hat sie die Änderungen in den soeben angeführten fünf Bereichen als konsequent und vernünftig begrüßt. Einzige Ausnahme: Künftig soll bei Personen, die man duzt, eine besondere Ehrerbietung durch Großschreibung nicht erforderlich sein. Dies versteht weder sie noch ich.

Die größten Vorbehalte sind beim sechsten Bereich, den Laut-Buchstaben-Zuordnungen, vorhanden. Zu diesem Bereich gehört vor allem die Fremdwortschreibung. Hierzu und zur Reform insgesamt kann ich den Herrn Kultusminister nur dringend bitten, weiterhin aufzupassen und sich Ende November notfalls einer Zustimmung bei der KMK zu verweigern, wenn bei dieser unmittelbaren Betroffenheit die Bevölkerung nicht stärker in die Thematik einbezogen wird. Diese Reform darf nicht einfach übergestülpt werden. Die heutige Information war deshalb auch sehr wichtig.

Es wäre schlecht, wenn beim weiteren Verfahren nicht behutsamer als bisher vorgegangen wird, wenn durch rigorose Eindeutschungen die sprachgeschichtlichen Wurzeln gekappt würden, wenn die Ästhetik der Sprache gravierenden Schaden nähme, wenn die Präzision der Sprache zerstört würde. Wenn die Übergangszeit zu kurz gefaßt würde, wäre die öffentliche Hand nicht in der Lage, in wenigen Jahren für zig Millionen DM neue Schulbücher anzuschaffen. Die Aussage, Herr Minister, die Sie dazu gestern im Fernsehen gemacht haben, ist die einzig richtige. Wir brauchen dann neue Schulbücher, wenn wir neue Schulbücher brauchen. – Ich füge hinzu: da abgegriffen. Bei Erfüllung dieser Bedingungen ist der Weg der Reform, wie ihn Kultusminister Zehetmair heute skizziert hat, akzeptabel. In ein Restorant, mit o geschrieben, würden wir uns – falls, wie geplant, so geschrieben – nicht setzen. Dann würden wir lieber mit dem Duden „Zweifelsfälle der deutschen Sprache“ unterm Arm einen Biergarten mit ie wie Bier bevorzugen.

(Beifall bei der CSU – Wahnschaffe (SPD): Bis 22 Uhr!)

Präsident Böhm: Das Wort hat Frau Kollegin Münzel.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich habe lange überlegt, warum Sie die Regierungserklärung zur Rechtschreibreform für notwendig erachten. Mir ist nur ein Grund dafür eingefallen. Kann es sein, daß Sie deshalb ein schlechtes Gewissen bekommen haben, weil Sie jahrelang Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben?

(Widerspruch bei der CSU)

Wie das bei vergessenen Hausaufgaben so üblich ist, folgen nun hektische Aktivitäten, um zu retten, was zu retten ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine dieser hektischen Aktivitäten ist die Regierungserklärung. Sie haben den Reformverlauf bereits im zeitlichen Ablauf skizziert. Ich möchte darauf verzichten. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben von Frau Rosemarie Raab, der Präsidentin der Ständigen Konferenz der Kultusminister, an den Ministerpräsidenten Dr. Reinhard Höppner. Sie schreibt darin:

In diesem acht Jahre lang währenden Prozeß gab es bemerkenswerterweise keine Differenzen zwischen den Kultusministern der Länder. Es herrschte vielmehr über Ziele, Inhalt und Umfang der Reform Einvernehmen.

Jetzt auf einmal, nach acht Jahren, Herr Minister, bekommen Sie bei Reuma ohne h Schmerzen. Sie hätten sich vielleicht etwas früher mit dem Regelwerk vertraut machen sollen. Im September sagten Sie im „Spiegel“:

„Ich habe mir einen Überblick über den Reformvorschlag verschafft, aber ich kenne die Regeln noch nicht gut genug.“

Bei einem Reformwerk, das Ihrer Einschätzung nach zu großer Aufregung und viel Streit führen kann, der bis hin zur Schärfe von Glaubenskämpfen ausgetragen wird, ist das, gelinde gesagt, ein bißchen leichtsinnig. Stellen Sie sich einen Schüler oder eine Schülerin vor, der oder die fünf Minuten vor der Lateinschulaufgabe sagt: Wir müssen den Termin verschieben; ich habe mir erst einen Überblick über die Grammatik verschafft, und ich kenne die Regeln noch nicht gut genug.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da würde auch Ihr Verständnis, Herr Minister, für den Schüler oder die Schülerin gegen null gehen.

Präsident Böhm: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stockinger?

Prof. Dr. Stockinger (CSU): Frau Kollegin Münzel, können Sie sich vorstellen, daß eine ironisch geformte Aussage durchaus die Problematik, um die es geht, noch verstärken könnte?

(Allgemeine Heiterkeit – Freller (CSU): Das ist zu abstrakt! – Dr. Ritzer (SPD): Der Superpädagoge!)

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darauf zu antworten, ist mir jetzt zu blöd.

Die sicherlich vernünftigen Fragen nach den Übergangsfristen und der Kostenneutralität hätten Sie auch früher stellen können. Das gilt vor allem für die Frage, ob die Reform überhaupt kostenneutral sein kann und, wenn nein, wieviel sie kostet. Ich freue mich, daß Sie heute gesagt haben, daß die Schulbücher dann ausgetauscht werden, wenn sie abgegriffen sind. Ich finde das vernünftig.

Was soll das Ziel dieser Reform sein? – Ziel ist, daß das Schreiben erleichtert wird, ohne daß das vertraute Schriftbild wesentlich verändert und die Lesbarkeit der Texte beeinträchtigt wird. Dabei soll die Tradition des Schriftbildes nicht beeinträchtigt werden – was Sie doch sicherlich beruhigen könnte. Die Großschreibung wurde erst gar nicht in Frage gestellt. Mit dieser Rechtschreibreform werden viele Ungereimtheiten der deutschen Rechtschreibung, die den Schulkindern immense Schwierigkeiten bereiten und auch von Erwachsenen regelmäßig nicht beherrscht werden, ausgeräumt. Die Rechtschreibung soll also für die, die schreiben, leichter sein, ohne daß sich Nachteile für die Lesenden daraus ergeben. Ein lohnendes Ziel. Meiner Auffassung nach ist dies durchaus gelungen.

Einen eindrucksvollen Beweis dafür hat die „Süddeutsche Zeitung“ geliefert. Im September 1995 hat sie, wie Sie sicher wissen, ihr Magazin ganz nach den neuen Rechtschreibregeln gestaltet. Ich glaube nicht, daß dies sehr vielen aufgefallen wäre, wenn die Redaktion nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hätte. Das Heft war trotz der neuen Rechtschreibung sehr gut lesbar. Die Angst also, hier würde eine Rechtschreibrevolution stattfinden und man müßte das Lesen neu lernen, entbehrt jeder Grundlage. Es ist auch klar, warum das so ist. Legt man einen ganz normalen Text zugrunde und nicht ein abstruses Konstrukt, sind von dieser Reform gar nicht so viele Wörter betroffen. In dem bereits erwähnten Magazin der „SZ“ waren in einem Bericht von 185 Wörtern gerade 4 Wörter von der Rechtschreibreform betroffen. Alle vier waren Wörter, die ursprünglich mit ß und jetzt mit ss geschrieben wurden: muss, isst, dass, Schluss. Für die Vereinfachung der s-Schreibung wären Ihnen ganze Schülergenerationen dankbar.

Auch die Reduzierung von bisher 52 Regelungen auf 9 Grundregeln würde das Schüler- und Schülerinnendasein doch erheblich erleichtern. Daß man Schifffahrt jetzt mit drei f schreiben darf, ist doch durchaus sinnvoll und nachvollziehbar – auch wenn Frau Kollegin Lödermann dagegen ist – genauso wie die neue Schreibweise für Tollpatsch mit II, weil das Wort dem Stamm toll zugeordnet wird. Wenn man belämmert mit ä schreiben kann, weil es von Lamm kommt, ist das vielleicht ungewohnt, ist sicherlich aber kein Drama.

Daß auch ein Fremdwort mit der Zeit wie ein einheimisches behandelt wird, ist auch nicht neu und hat durchaus Tradition. Denken Sie dabei nur an das Wort Fotografie. In dem Maß, in dem der Eindruck der Fremdheit schwindet, neigt die Schreibgemeinschaft dazu, das fremde Wort wie ein einheimisches zu behandeln und entsprechend zu schreiben – so die Duden-Redaktion. Fotografie mit f damit hat doch heute niemand mehr Probleme.

Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie sich als Altphilologe schwer tun mit der Filologie mit f, Herr Zehetmair. Schreibt man nämlich Filologie mit f, drängt sich einem sofort die Assoziation mit dem Wort Filou auf. Auch wenn Sie sich mit dem Filou nicht identifizieren wollen: Haben Sie doch Erbarmen mit den geplagten Schülerinnen und Schülern; geben Sie Ihrem Altphilologen- Herzen einen Stoß, und sorgen Sie für eine baldige Umsetzung des Reförmchens.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Böhm: Das Wort hat Herr Kollege Egleder.

Egleder (SPD) (vom Redner nicht autorisiert): Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist sicher für uns alle eine angenehme Abwechslung, wenn im Zusammenhang mit Symbolen – gestern hatten wir in diesem Zusammenhang das Kruzifix diskutiert – heute Symbole als Zeichen unserer Sprache zum Gegenstand gemacht werden. Wir haben gestern die unterschiedliche Auffassung zur Verfassung diskutiert. Heute – das ist schon deutlich geworden – können wir uns in der Zielrichtung einvernehmuch austauschen und sogar gegenseitig ergänzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ersten Ursachen für unsere heutige Rechtschreibvielfalt liegen darin begründet, daß die althochdeutsche Sprache, die mittels des lateinischen Alphabets dargestellt werden mußte, Laute hatte, für die es in der lateinischsen Sprache keine Lautzeichen gab. Hinzu kamen, durch regionale Unterschiede hervorgerufen, in zunehmendem Maße Lautverschiebungen.

Nach dem Übergang vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche zum Neuhochdeutschen konnte die Schreibung mit der Entwicklung der Sprache nicht mehr Schritt halten. Die Unordnung wurde schließlich übermächtig, so daß Ende des 19. Jahrhunderts erste Versuche einer amtlichen Ordnung unternommen wurden. Damals war schon der Auffassung, daß solche Versuche unternommen werden mußten. 1876 kam es zu einer ersten – wer hätte es gedacht! – erfolglosen orthographischen Konferenz in Berlin. Dort wurde unter Mitwirkung von Konrad Duden unter anderem versucht, die willkürliche Dehnungs-h-Schreibung wegzulassen. Keines der deutschen Länder war aber bereit, sich dem Beschluß anzuschließen. In der Folgezeit brachten einzelne Länder sogar eigene Wörterbücher heraus. Dem österreichischen Beispiel aus dem Jahr 1879 folgte – wie könnte es anders sein – Bayern, womit wir den Preußen den Rang abgelaufen hatten, die erst 1890 zu einer Rechtschreibordnung gelangten. Auf das Jahr 1901 gehen schließlich die ersten für den gesamten deutschen Sprachraum einschließlich Österreichs und der Schweiz gültigen allgemeinen Regeln zurück.

Insgesamt muß man feststellen, daß bei keinem der Übergänge in eine neue Sprache die Rechtschreibung adäquat angepaßt werden konnte. Auf diesem Wege hat sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Anachronismen und Relikten in unserer Sprache fortgepflanzt.

Die jetzige Rechtschreibreform trägt dem Entwicklungsstand der Sprache Rechnung und versucht zudem, einige der Fehlentwicklungen, die sich im Laufe der Jahrhunderte eingeschlichenen haben, behutsam zurückzuführen. Dies gilt vor allem für die Durchsetzung des Stammprinzips innerhalb einer Wortfamilie, für den teilweisen Wegfall des scharfen ß und die Umwandlung in Doppel-s, für das Auseinander- und Zusammenschreiben von Wörtern, sowie für die Eindeutschung von Fremdwörtern mit der Möglichkeit der Doppelschreibung. Alles dies – die Lehrer in diesem Saal wissen es -sind im übrigen Schwerpunkte unseres Rechtschreibunterrichts.

Mit dieser Reform sind wir auf dem besten Weg, die entstandene Unsystematik abzubauen. Im Sinne einer raschen Beendigung der Auszeit, von der heute schon gesprochen wurde, begrüßen wir es, daß sich die von Ihnen erwähnte Amtschefkommission darauf verständigt hat, Ihren Wünschen nachzukommen, so daß auch die bayerischen Interessen gewahrt zu sein scheinen. In Anlehnung an ein geflügeltes Wort kann sicher nach der anstehenden Kultusministerkonferenz vermeidet werden: Nie war der deutsche Sprachraum so bayerisch wie heute. Wenn das kein Erfolg ist, meine Damen und Herren!

Bei den finanziellen Auswirkungen der Umstellungsmaßnahmen stimmen wir, die SPD-Fraktion, der Einschätzung des Kultusministers zu. Die Kosten für Lehrwerke, Formulare usw. werden sich in überschaubaren Grenzen halten. Innerhalb der Übergangszeit von fünf bis sieben Jahren können Ersatzvornahmen im Rahmen der üblichen Austauschmaßnahmen sicher durchgeführt werden. Für die Anschaffungen für die Eingangsklassen an den Schulen, die bis zum unmittelbaren Inkrafttreten der neuen Vereinbarungen getätigt sein müssen, wird eine ein- bis zweijährige Vorlaufzeit genügen.

Wenn wir von einer Reform sprechen, können wir Sozialkdemokraten nicht, wie es bisher in der Diskussion geschehen ist, auf dem bisher eingenommenen Standpunkt ausharren. Wir können nicht vom Blickwinkel dessen ausgehen, der seine Bildungs- und Ausbildungsgänge bereits abgeschlossen hat. Allzu leicht geraten wir sonst in die Versuchung, uns als eine Art konservatorischer Gralshüter und Lordsiegelbewahrer des humanistischen Abendlandes und seiner Sprachschätze zu verstehen. Vielmehr müssen wir uns auch in die Lage derer versetzen, die sich die Sprache als Verständigungsmittel erst aneignen, also in die Lage unserer Schülerinnen und Schüler. Sie müssen mit den über 300 000 Wörtern der deutschen Sprache umzugehen lernen. Dazu kommt eine ständig wachsende Zahl von Wörtern, die aus dem Wissenszuwachs in Wissenschaft, Forschung und Technik resultieren. Um das Werkzeug der Sprache richtig zu handhaben – daran werden auch die neuen Rechtschreibregeln nichts ändern –,ist es unerläßlich, über die Rechtschreibung möglichst automatisiert zu verfügen.

Nun erschließt sich unseren Schülerinnen und Schülern das umfangreiche und komplizierte Regelwerk in unterschiedlichem Maße. Während es der eine fast spielerisch auffaßt, verarbeitet und anwendet, hat ein anderer seine liebe Not mit den Rechtschreibklippen, manch anderer scheitert sogar gänzlich an den zahlreichen Ausnahmen von der Ausnahme. Johann Wolfgang von Goethe hielt bekanntlich nicht sehr viel von Rechtschreibung, er hielt sie sogar für unwesentlich und nebensächlich. Man könnte sogar auf angesehene Persönlichkeiten, wie Frau Rat Goethe, Martin Luther oder Pestalozzi, verweisen. Auch sie standen mit den Normen auf Kriegsfuß. Das aber hilft den Geplagten nicht entscheidend weiter. Generationen von Schülern kämpften schon gegen Unwillen und Verzweiflung an, und ebenso viele Eltern übten Druck aus, waren ratlos oder resignierten.

Die übergroße Bedeutung, die man der Rechtschreibung beimaß und leider immer noch zuschreibt, hat in den vergangenen Jahrzehnten so weit geführt, daß sie zu einem überproportionalen Bestandteil des muttersprachlichen Unterrichts geworden ist und Leistungen auf diesem Gebiet als Gradmesser für die Sprachkompetenz im allgemeinen angesehen werden. Das hatte für die Betroffenen oft fatale Folgen. Die Rechtschreibung dominiert die Deutschnote im Zeugnis, das Zeugnis entscheidet über die Berufschancen, und somit kommt einem Bereich, der innerhalb des Gesamtbildungsauftrags der Schule nur einen verhältnismäßig kleinen Platz hat, unverhältnismäßig große Bedeutung zu. Dennoch oder gerade deshalb erwarten die Eltern, daß man ihm viel Zeitaufwand und großen Nachdruck widmet, um hinterher feststellen zu müssen, daß viele der Bemühungen trotzdem erfolglos waren.

Die Defizite können durch die neue Reform angepackt und aufgearbeitet werden. Wir sind der Ansicht, daß die Ästhetik der deutschen Sprache durch die neue Reform nicht zur Disposition steht und daß auch die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nicht geschmälert wird. Bringen wir also diese sanfte Reform gemeinschaftlich auf einen guten Weg.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Böhm: Zu einer persönlichen Erklärung hat Herr Kollege Ritzer das Wort.

Dr. Ritzer (SPD): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kultusminister, jetzt wird es Zeit, daß die fränkischen Belange bei der Rechtschreibungsreform auch berücksichtigt werden.

(Beifall)

Wir Franken können es nicht länger hinnehmen, daß wir Gniedla mit einem harten k schreiben sollen.

(Heiterkeit)

Deswegen muß endlich eine Reform gefunden werden, nach der das t und das d und das p und das b endlich bereinigt werden. Wenn ma von Dud'n und BIas'n kane Ahnung hätt, hilft a ka Duden ned.

(Heiterkeit)

Herr Minister, ich bitte Ihre Referenten, jetzt endlich einmal dafür zu sorgen, daß auch die fränkischen Kinder keine Probleme mehr haben.

(Allgemeiner Beifall und allgemeine Heiterkeit)

Präsident Böhm: Herr Kollege Ritzer, Sie haben vorhin so intensiv auf die Geschäftsordnung hingewiesen, als Herr Freller etwas vorgezeigt hat. Ich darf Ihnen deshalb sagen, daß persönliche Erklärungen eigentlich nur dazu dienen, Angriffe zurückzuweisen, die in der Aussprache gegen Sie erhoben worden sind. Ich habe das nicht festgestellt.

(Dr. Ritzer (SPD): Das war doch ein Angriff auf das fränkische Sprachgut! – Frau Haas (SPD): Das war doch ein altbayerischer Angriff! – Dr. Weiß (CSU): Alle Franken fühlen sich angegriffen!)

- Von den fränkischen Kindern hat er gesprochen, nicht von sich selbst. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme erteile ich Herrn Staatsminister Zehetmair das Wort.

(Dr. Weiß (CSU): Der Herr Gultusminisda!)

Staatsminister Zehetmair (Kultusministerium): Herr Präsident, Hohes Haus! Geschäftsordnung hin oder her, der Beitrag war so ermunternd, daß ich sagen muß: Selten habe ich von einem Sozialdemokraten so etwas Vernünftiges gehört wie heute.

(Frau Haas (SPD): Auch wenn Sie es nicht schreiben können!)

Nur bin ich mit dem d und dem t nicht bis zum letzten kompetent. Das muß ich wohl an meinen Staatssekretär Klinger abtreten. Er soll sich als Mittelfranke darum kümmern. Macht doch eine Kommission. Es wäre einer der seltenen Fälle, in denen sich die Franken nicht benachteiligt fühlen; außerdem könnten sie über die Parteien hinweg einen wesentlichen Kulturbeitrag leisten.

Wie wohltuend ist so etwas, verglichen mit dem Beitrag der GRÜNEN, so daß ich sagen muß: Ich weiß bis jetzt noch nicht, was die GRÜNEN-Vertreterin eigentlich wollte. Es ist eine mit Arroganz gepaarte Naivität, zu sagen, ich hätte ein schlechtes Gewissen. Im ganzen deutschprachigen Raum hat überhaupt niemand die Thematik einem Parlament vorgelegt außer mir, meine Damen und Herren, überhaupt niemand. Das als erstes.

Zweitens: Es ist überhaupt nicht zu spät, weil in dieser Republik gar nichts einbricht, wenn es noch ein paar Monate dauert.

Drittens ist überhaupt nicht wahr, daß ich es 1993 schon gewußt hätte. Im November 1994, bei den dritten Wiener Gesprächen, wurde das festgelegt, und dann haben wir – das ist der völlig normale Weg, weil es nicht eilbedürftig ist – als Minister eine Vorlage bekommen. Als ich sie bekam, habe ich gehandelt, als einziger, meine Damen und Herren. Wenn Sie es schon so darstellen, ich hätte da etwas nicht gewußt oder ein schlechtes Gewissen, sage ich noch einmal: Mir ist das zwar gleichgültig, was Sie da sagen, aber ich muß der Öffentlichkeit deutlich machen, daß man mit so viel Unwissen nicht hierhertreten sollte.

(Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann muß man auch zur Kenntnis nehmen: Da wird behauptet, 1988 sei das schon bekannt gewesen und völlig konform. Lesen Sie es doch nach, daß es der bayerische Kultusminister war – Frau Raab war damals noch nicht Kultusministerin –, der damals den „Keiser“, das „Bot“ und das einfache s abgewehrt hat sowie die Kleinschreibung.

Natürlich stand zur Diskussion, alle Substantive klein zu schreiben. Wir sind dagegen gewesen, das war ich in Person. Es ist auch meine Aufgabe. Dann erwähnen Sie den Altphilologen. Das bin ich, und daher gehe ich auch mit den Fremdwörtern so um – aber übrigens alle Ministerpräsidenten der 16 Länder, auch die Kollegen und die Kolleginnen der SPD. Daher war es wohltuend, daß Herr Egleder auch ein wenig Historie gebracht hat. Der Hauptschullehrer hat schon recht, wenn er sagt: Bitte auch darauf sehen, daß der Normalverbraucher da und da Schwierigkeiten hat. Wenn wir sie beheben können, ist das auch ein Beitrag. Gestern abend haben sich Legastheniker zu Wort gemeldet, die sagten, daß es auch wichtig ist, gewisse Vereinfachungen vorzunehmen.

Also, denke ich, sind wir auf einem vernünftigen Weg miteinander. Es taugt überhaupt nichts, wenn man glaubt, ich hätte eine Regierungserklärung abgegeben, damit man sich an mir wetzen kann. Das hält die deutsche Eiche aus, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm: Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

bayern.landtag.de

[Anmerkung der Redaktion Rechtschreibung.com: Der Quell-Text ist anscheinend schon von einer anderen Vorlage unkorrigiert eingescannt. Offensichtliche Fehler, Lücken und Zusammenschreibungen, zweimal 5 statt S, 0 statt O, haben wir beseitigt. Die Datumsangabe der Kultusministerkonferenz war korrumpiert.]

Dazu der Kommentar von Theodor Ickler.

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