Magazin für Schule und Bildung in NRW
Dritter Jahrgang, Nr. 2, 1998
Weg frei für neue Rechtschreibregeln
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Verfassungsbeschwerde eines Elternpaares aus Schleswig-Holstein gegen die Rechtschreibreform am 14. Juli 1998 einstimmig zurückgewiesen. Dabei hat das höchste deutsche Gericht klargestellt, dass die Länder berechtigt sind, Rechtschreibregelungen für den Unterricht in den Schulen zu treffen, dass es dazu keiner besonderen gesetzlichen Grundlage bedarf, dass Grundrechte von Eltern, Schülerinnen und Schülern durch die Neuregelung nicht verletzt werden. Nach einer zwölfjährigen, in Deutschland teilweise extrem irrational geführten Diskussion ist damit der Weg frei für die erste Neuregelung der deutschen Rechtschreibung seit 1901. Eine Revolution ist das ganz und gar nicht, obwohl man so etwas angesichts der beträchtlichen öffentlichen Aufregung in Deutschland vermuten könnte. Die Neuregelung ist ein eher bescheidener Akt der Sprachpflege: sie stärkt die Grundregeln, baut Widersprüche, Ausnahmeregeln und Ausnahmen von der Ausnahme ab. Vom Schuljahr 1998/99 an wird das neue Regelwerk – wie in der Wiener Absichtserklärung vom 1.7.1996 vereinbart – Grundlage des Unterrichts in allen Schulen Österreichs, der Schweiz, Liechtensteins und Deutschlands sein. Bis zum Ende des Schuljahres 2004/2005 werden bisherige Schreibweisen allerdings nicht als Fehler gewertet, sondern als überholt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt.
Die Einführung der neuen Regeln in den Schriftverkehr der Behörden wird ebenfalls nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Innenminister der Länder haben ihren Einführungsbeschluss zum 1.8.1998 lediglich bis zur „Auswertung der Karlsruhe Entscheidung” zurückgestellt. Auch für die Bundesregierung dürfte es nach dem eindeutigen Karlsruher Spruch jetzt leichter sein, ihre mit der Wiener Absichtserklärung eingegangene Verpflichtung einzulösen.
Aber was ist mit dem Volksentscheid in Schleswig-Holstein? Kann er die Neuregelung nicht doch noch kippen? Mit Sicherheit nicht. Zunächst einmal ist noch nicht ausgemacht, ob sich die Bürgerinnen und Bürger im nördlichsten Bundesland wirklich für einen Sonderweg entscheiden. Aber selbst wenn sie es täten, die Uhren im gesamten übrigen deutschen Sprachraum könnten sie damit nicht zurückstellen. Zu weit ist die Einführung in den Schulen bereits fortgeschritten, und auch die Schulbuchverlage und Lehrmittelhersteller haben schon voll und ganz auf die neue Lage umgestellt. Wenn Schleswig-Holstein ausschert, kann das daher nur dort auch wieder korrigiert werden.
Franz Niehl, MSWWF
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Th. Ickler
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