Ich setze meinen alten Kommentar zur Agenturschreibung noch einmal hierher:
Arbeitsgruppe der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen
Beschluß zur Umsetzung der Rechtschreibreform
kommentiert von Theodor Ickler
Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen haben am 16. Dezember 1998 in Frankfurt einvernehmlich nach intensiver Beratung beschlossen, die Reform der deutschen Rechtschreibung weitestgehend und in einem Schritt umzusetzen. Wichtigstes Ziel war, die Rechtschreibung im Sinne der (gemeinsamen) Kunden nicht nur einheitlich, sondern auch eindeutig festzulegen. Die Notwendigkeit der Eindeutigkeit ergibt sich vor allem daraus, daß die eingesetzten elektronischen Systeme bei der Nutzung von Schreibvarianten in ihren Suchfunktionen behindert würden. Zudem müssen Schreibweisen mit einem Blick optisch identifiziert und zugeordnet werden können.
Ausschlaggebend für den Umsetzungsbeschluß war die Überlegung, daß die neuen Schreibweisen in naher Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein werden und daß die (Zeitungs-)Leser künftig in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mit den neuen Regeln konfrontiert werden. Ein weiterer Punkt war, daß es nicht Aufgabe der Agenturen sein kann, die Reform zu steuern oder zu verhindern. Bei ihren Beratungen haben sich die Agenturen an der Systematik des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie, der die Reform erarbeitet hat, orientiert.
An der Erarbeitung des Beschlusses waren die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (AFP, AP, dpa, ddp, ADN, epd, KNA, Reuters, sid, vwd, APA (Österreich) und SDA (Schweiz)) gleichberechtigt beteiligt.
Die Agenturen sind sich bewußt, daß sie mit ihrem Beschluß lediglich einen ersten Schritt für eine einheitliche und eindeutige Schreibung in ihren Häusern tun können. Die genannten Festlegungen für Schreibweisen können nur exemplarischen Charakter haben. Die Vorlage einer vollständigen Liste sämtlicher neuer Schreibweisen liegt außerhalb der Möglichkeiten der Agenturen.
Die Agenturen werden künftig die Rechtschreibung aufmerksam beobachten und gegebenenfalls auf neue Entwicklungen reagieren.
Die Umstellung auf die neue Rechtschreibung wird seitens der Agenturen am 1. August 1999 erfolgen. Bis dahin werden sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Häusern auf die neuen Schreibweisen einstellen müssen. Aber auch die eingesetzten elektronischen Systeme müssen lernen, ihre Rechtschreibprüfprogramme und die elektronischen Wörterbücher von Datenbanksystemen müssen angepaßt werden.
(Mit !!! sind die Positionen gekennzeichnet, bei denen die Agenturen von den offiziellen Regelungen abweichen.)
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Es kann nicht darum gehen, einen ersten Schritt für eine einheitliche Schreibung zu tun. Wir haben ja bereits eine einheitliche Schreibung, die auch von der deutschen Presse befolgt wird, zum Nutzen der Leser, die damit sehr zufrieden sind. Wozu etwas ändern, wenn man damit nicht einmal den Wünschen der Kultusminister gerecht wird? Denn der Beschluß der Agenturen sieht ja vor, daß in bestimmten Bereichen auch abweichend von der amtlichen Schulorthographie geschrieben werden soll.
Die Agenturen und die Zeitungen sind in keiner Weise gehalten, die von den Kultusministern wie sich gezeigt hat voreilig beschlossenen, unausgereiften Schulschreibregeln zu befolgen. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich bestätigt, daß die Minister diese Regelung auf dem gewählten Wege in die Schulen einführen durften, mehr nicht. Übrigens enthält das Urteil von Karlsruhe eine bemerkenswert skeptische Akzeptanzprognose!
Die Agenturen verhalten sich also keineswegs neutral, wenn sie umstellen, sondern machen sich zu Handlangern einer winzigkleinen Gruppe von Reformeiferern, denen es gelungen ist, ein paar Politiker rechtzeitig in eine erkennbar verfehlte Unternehmung zu verwickeln, aus der sie nun nicht mehr ohne Gesichtsverlust herausfinden.
Die unabhängige deutsche Sprachwissenschaft hat ihr Urteil über die Qualität der Neuregelung gesprochen:
Die sogenannte Rechtschreibreform entspricht nicht dem Stand sprachwissenschaftlicher Forschung (so die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft am 3. März 1998); sogar die Rechtschreibkommission der Kultusminister hat in ihrem Bericht vom Dezember 1997 wesentliche Korrekturen als unumgänglich bezeichnet.
Eine derart fehlerhafte Regelung, die von den bedeutendsten Autoren und der großen Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt wird und die Einheit der Schriftsprache auf Jahrzehnte zerstören würde, darf keinesfalls für Schulen und Behörden verbindlich gemacht werden.
(Unterzeichnet von 600 Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft im April/Mai 1998)
Die Neuregelung wird in der gegenwärtig vorliegenden Form keinesfalls die Orthographie der Zukunft sein. Der weitreichende Revisionsvorschlag der Kommission (d. h. im wesentlichen der Reformer selbst) vom Dezember 1997 ist nur mit Rücksicht auf die Schul- und Wörterbuchverleger aufgeschoben worden und wird zweifellos nach einer Schamfrist (P. Eisenberg) verwirklicht werden. Damit rechnet auch der führende Reformer Augst. Er hat kürzlich ein umfangreiches Wortfamilienwörterbuch (Tübingen 1998) veröffentlicht, in dem er die Neuregelung zuzüglich der von der Kommission vorgeschlagenen, von den Kultusministern aber untersagten Revision praktiziert. Gerade das, was die Agenturen an Änderungen übernehmen wollen (Fleisch fressend usw.), wird von Augst bereits rückgängig gemacht! Sachkundige wissen, daß dem noch weitere Revisionen folgen werden. Das hat auch Bundesinnenminister Schily angedeutet (BT-Drucksache 14/356).
Erst im Jahre 2005 wird einigermaßen klar sein, was von der Reform überhaupt übrigbleibt. Es ist nicht einzusehen, warum die Agenturen nicht so lange warten können, statt sich mit voreiligen, zum Teil jetzt schon als fehlerhaft erkennbaren Änderungen im Sinne einer bloßen Übergangsschreibung als besonders willfährig zu erweisen.
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Die Umsetzung der Reform im Einzelnen:
A. Laut-Buchstabenzuordnung
Die Regelung verfolgt das Ziel, die gleiche Schreibung eines Wortstammes möglichst in allen Wörtern der Wortfamilie sicherzustellen.
1. Einzelfälle mit Umlautschreibung (Stammprinzip)
Beispiele: behände (zu Hand), belämmert (zu Lamm), Gämse (zu Gams), Quäntchen (zu Quantum), schnäuzen (zu Schnauze), Stängel (zu Stange), überschwänglich (zu Überschwang), verbläuen (zu blau)
aber: aufwendig/(zu aufwenden), Schenke (zu ausschenken), Schneewechte
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In Wirklichkeit wird vermehrte Stammschreibung (und Pseudo-Stammschreibung) nur für verschwindend wenige Wörter eingeführt, Hunderte von anderen Kandidaten bleiben unverändert (*Spängler zu Spange, *käntern zu Kante, *schällen zu Schall usw.). Die angeführten Neuschreibungen sind teils falsch, teils lächerlich. schneuzen ist nicht von Schnauze abgeleitet, und wenn sich im Kino ein junges Mädchen neben mir schneuzen muß, denke ich nicht an seine Schnauze. Wie verfehlt die meisten Beispiele sind, ist in der Kommentarliteratur nachzulesen.
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2. Einzelfälle mit Verdoppelung des Konsonantenbuchstabens nach kurzem Vokal
Beispiele: Karamell (zu Karamelle), nummerieren (zu Nummer), platzieren (zu Platz), Stuckateur (zu Stuck), Tollpatsch (zu toll)
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numerieren ist nicht von Nummer abgeleitet, Tolpatsch nicht von toll, plazieren nicht von Platz usw. Wie schreibt man übrigens deplaciert in Zukunft, das vielfach mit s und nicht mit ts ausgesprochen wird? (Die Agenturliste [s. u.] sieht deplatziert vor.)
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3. ss für ß nach kurzem Vokal
Zur Sicherstellung der gleichen Schreibung der Wortstämme wird der Wechsel von ss zu ß nach kurzem Vokal aufgehoben.
Bei lang gesprochenem Vokal bleibt das ß erhalten. Es kennzeichnet die Länge des vorausgehenden Vokals oder einem Doppellaut [sic] vor einem stimmlosen s-Laut (draußen, beißen).
Beispiele: Hass, er hasst, Kuss, sie küssten sich, Schloss, erlässt [gemeint: er lässt?], er muß, dass
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Die neue s-Schreibung hat mit dem Stammprinzip nichts zu tun, sondern ist rein lautlich begründet. Das bestätigt ja auch schon der zweite Satz; andernfalls müßte fließen wie Fluss geschrieben werden, denn das Stammprinzip besteht gerade darin, daß die Schreibung sich trotz verschiedener Aussprache nicht ändert.*
4. Erhalt der Stammschreibung in Zusammensetzungen
Treffen bei zusammengesetzten Wörtern (Komposita) drei Konsonanten aufeinander, bleiben alle Buchstaben erhalten. Die Nachrichtenagenturen empfehlen entsprechend den neuen Regeln immer dann einen Bindestrich zu setzen, wenn es der Lesbarkeit eines Wortes dient (lt. Regelwerk ausdrücklich zugelassen).
Beispiele: Baletttänzer (Ballett-Tänzer), Flusssand (Fluss-Sand), Flanelllappen (Flanell-Lappen), Fußballländerspiel (Fußball-Länderspiel), Eisschnelllauf (Eisschnell-Lauf), Genusssucht (Genuss-Sucht), usw.
- Schifffahrt sollte nicht durch den Bindestrich (Schiff-Fahrt) gekoppelt werden, weil sonst Wörter wie Schiff-Fahrtslinie u. a. entstehen!
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Der Bindestrich ist ein linkischer Behelf angesichts der selbstgeschaffenen Leseerschwernis durch drei gleiche Buchstaben (was man übrigens in anderen Kultursprachen kaum finden dürfte). Gerade um solche Ungetüme wie Schiff-Fahrt zu vermeiden, hat man früh auf die Schreibung dreier Konsonantenbuchstaben verzichtet. Übrigens ist bereits Eisschnell-Lauf ein Beispiel für die widersinnige Neuschreibung. Die Reformer selbst haben in ihrer Revisionsvorlage vom Dezember 1997 die Neuschreibung Genuss-süchtig als diskussionsbedürftig anerkannt, wollten dann aber doch nichts ändern, um nicht die ganze Reform zum Einsturz zu bringen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die elegantere bisherige Schreibung wiederhergestellt sein wird.
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Treffen bei Zusammensetzungen drei Vokale aufeinander, wird immer ein Bindestrich gesetzt.
Beispiele: Tee-Ei, Tee-Ernte, See-Elefant
Erhalten bleibt bei der Endung -heit das h:
Beispiele: Rohheit (zu roh), Zähheit (zu zäh)
Gleichfalls erhalten bleibt das r bei Zierrat und das st bei selbstständig (von selbst+ständig)
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Das r in Zierrat bleibt nicht erhalten, sondern war nie vorhanden und wird erst aufgrund falscher Herleitung zusätzlich eingefügt. Ebenso ist in selbständig nichts weggefallen, sondern selbständig (von selb, wie in derselbe usw.) ist das ältere Wort, selbstständig also eine Neubildung, d. h. ein ganz anderes Wort und keine andere Schreibweise!
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1. Systematisierung von Einzelfällen
Die Schreibung der Wörter rauh und Känguruh ändern (sic) sich zu rau (wie blau, grau, schlau) und Känguru (wie Gnu, Kakadu).
Bei Substantiven mit den Endungen -anz und -enz bleibt das z bei abgeleiteten Wörtern erhalten.
Beispiele: essenziell (zu Essenz), Differenzial, differenziell (zu Differenz), Potenzial, potenziell (zu Potenz), substanziell (zu Substanz)
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In essenziell bleibt das z nicht erhalten, denn es war nie vorhanden, da essentiell nicht von Essenz abgeleitet ist; entsprechend bei den übrigen Wörtern (vgl. übrigens engl. essential essence, substantial substance usw.!)
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2. Fremdwörter
Die Nachrichtenagenturen werden Fremdwörter aus lebenden Sprachen nicht eindeutschen. !!!
Beispiele: Ketchup, Spaghetti, Necessaire, Portemonnaie, Facette, Boutique, Chicoree
Fremdwörter aus toten Sprachen werden dann eingedeutscht, wenn Varianten möglich. Die Buchstaben ph werden zu f, th zu t, rh zu r.
Beispiele: Telefon, Megafon, Fotograf, Grafik, Biografie, quadrofon, Delfin, Panter, Tunfisch, Myrre.
aber: Theater, Thematik, Thermometer, Theorie, Philosophie,
(Wörter dieser Art standen in der Rechtschreibreform nicht zur Diskussion)
Ausnahme: Im Wissenschaftsbetrieb gebrauchte Fremdwörter werden in der alten Form geschrieben. Dieses gilt auch für die Berichterstattung außerhalb des Bereichs der Wissenschaftsberichterstattung.
Beispiele: Phon, Photovoltaik, Photometrie, Photosynthese, Demographie, Geographie, Mammographie, Therapie,
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Eindeutschungen wie Teater usw. standen sehr wohl zur Diskussion und waren schon beschlossen, bevor sie von den Kultusministern in letzter Minute gestoppt wurden. Das Nebeneinander von fachsprachlicher und laienhafter Schreibweise wird noch viel Ärger bereiten. Besser wäre es, hier wie bisher dem Usus zu vertrauen, der ganz allmählich die geläufigeren Wörter orthographisch integriert. Es besteht bei toten Sprachen kein größerer Änderungsbedarf als bei lebenden.
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B Getrennt- und Zusammenschreibung
1. Verbindungen von Substantiv und Verb werden generell getrennt geschrieben.
Beispiele: Rad fahren, Halt machen
2. Verbindungen von Verb und Verb werden generell getrennt geschrieben. Die Unterscheidung zwischen konkreter und übertragener Bedeutung entfällt, sie ergibt sich aus dem Kontext.
Beispiele: sitzen bleiben, fallen lassen, gefangen nehmen
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Die Rechtschreibkommission selbst hat vorgeschlagen, bei kennenlernen auch wieder Zusammenschreibung zuzulassen. Zwar haben die Kultusminister dies nicht erlaubt, aber der Rückbau auch dieser Regel wird zweifellos kommen.
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3. Verbindungen von Substantiv/substantivierten Verbindungen u. a. und Partizip werden generell getrennt geschrieben.
Beispiele: Gewinn bringend, Blumen pflückend, nahe stehend, Laub tragend, allein Erziehende, Deutsch sprechend
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Gewinnbringend usw. können (und müssen teilweise) sogar nach der Neuregelung zusammengeschrieben werden, da sie als Ganzes gesteigert werden: gewinnbringender. Die Revision durch die Kommission wird all dies, auch eisenverarbeitend usw. wiederherstellen. Dies ist bereits angekündigt, und der Vorsitzende der Kommission, Augst, nimmt es in seinen neuesten Arbeiten als ausgemachte Sache vorweg.
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4. Verbindungen von aneinander/auseinander/beieinander, aufwärts/abwärts und Verb werden getrennt geschrieben.
Beispiele: aneinander fügen, zueinander finden, abwärts gehen
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Diese neue Regel ist so willkürlich und sprachwidrig, daß sogar die Reformwilligen durchweg schreiben: sich mit etwas auseinandersetzen. Dabei sollte man es belassen, denn die Neuschreibung hat keinerlei Zukunftsaussichten.
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5. Getrennt geschrieben werden wie so viele, wie viele jetzt auch so viel, wie viel.
Dagegen werden jetzt alle Verbindungen mit irgend zusammengeschrieben.
Beispiele: irgendetwas, irgendjemand, (wie: irgendwer)
C. Schreibungen mit Bindestrich
1. Der Bindestrich kann immer dann verwendet werden, wenn zusammengesetzte Wörter besser lesbar gemacht werden sollen. (siehe auch A.4 Erhalt der Stammschreibung bei Zusammensetzungen).
Beispiele: Abfall-Recycling, Donau-Dampfschifffahrt, Tee-Ei, Lotto-Annahmestelle.
2. Bei Ziffer-Wort-Verbindungen werden die Agenturen einen Bindestrich setzen.
Beispiele: 17-jährig, 20-Tonner
Ausnahmen: Die Agenturen bleiben dabei die Ziffern eins bis zwölf als Wort zu schreiben. Bei solchen Verbindungen wird kein Bindestrich gesetzt. !!!
Beispiele: Dreitonner, Zweipfünder, achtjährig, Sechszylinder
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Die Neuregelung hat die mißliche Folge, daß ständig zwischen Groß- und Kleinschreibung gewechselt werden muß, also das 17-jährige Mädchen, aber die 17-Jährige! Eine erwiesenermaßen ergiebige neue Fehlerquelle. Die Ausrufezeichen sind fehl am Platz, da die Wortschreibung jederzeit möglich bleibt.
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3. Mehrgliedrige englische und amerikanische Fremdwörter werden die Agenturen wie folgt schreiben:
(1) Zusammensetzungen aus Substantiven werden mit Bindestrich geschrieben; beide Komponenten beginnen mit Versalien.
Beispiele: Cash-Flow, Centre-Court, Full-Time-Job, Job-Sharing, Jumbo-Jet, Science-Fiction, Sex-Appeal, Tie-Break, Shopping-Centre
(2) In einem Wort (und versal) werden Begriffe wie im Englischen geschrieben, deren zweite Komponente ein Adverb ist.
Beispiele: Blackout, Comeback, Countdown, Knockout, Playback etc.
Ausnahmen: Go-in, Know-how, Make-up, Turn-around
(3) Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv werden getrennt und beide versal geschrieben.
Beispiele: Joint Venture, Common Sense, Corned Beef, Fair Play, Fast Food, Happy End, Hot Dog, Small Talk, Soft Drink
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Eine Kategorie englische und amerikanische Fremdwörter gibt es im amtlichen Regelwerk gar nicht. Es ist früh als paradox erkannt worden, daß zwar die fremden Substantive der deutschen Großschreibung, nicht aber die Adjektive der deutschen Kleinschreibung angepaßt werden sollen. Der Vorsatz, teils ebenso wie im Englischen, teils aber auch anderes zu schreiben, dürfte noch manche Schwierigkeiten mit sich bringen.
D. Groß- und Kleinschreibung
1. Verbindungen von Substantiv und Präposition oder Verben werden generell groß geschrieben.
Beispiele: in Bezug auf, im Grunde genommen, Rad fahren, Angst machen, Schuld geben, Pleite gehen
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Pleite gehen (ebenso Bankrott gehen) ist absurd und wird geändert werden, weil gehen nicht mit Substantiven zusammenpaßt: Etwas geht kaputt, entzwei, verschütt, aber nicht Pleite oder Bankrott!
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2. Substantivierte Adjektive, unbestimmte Zahladjektive und Adjektive in festen Wortverbindungen werden auch wenn sie im übertragenen Sinn gebraucht werden groß geschrieben.
Beispiele: das Letzte, der Nächste, alles Übrige, nicht das Geringste, im Großen und Ganzen, im Allgemeinen, das Beste, auf dem Trockenen sitzen, den Kürzeren ziehen
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Die neue Großschreibung von festen Wendungen beruht auf der sogenannten Artikelprobe, die jahrzehntelang von den Reformern selbst als zu primitiv abgelehnt wurde (als sie nämlich noch auf die gemäßigte Kleinschreibung hinarbeiteten!). Bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts haben erfahrene Schulorthographen diese vermehrte Großschreibung als "übertrieben abgelehnt. So wird es auch jetzt wieder kommen.
Der Text übergeht außerdem den äußerst virulenten Block der 12 Ausnahmen (seit langem, aber des Längeren, von weitem, aber des Weiteren usw.) sowie die ebenfalls brennende Frage nach Verbindungen wie grau in grau (grau in Grau?). All dies sind erwiesenermaßen neue Fehlerquellen.
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3. Bezeichnungen von Tageszeiten werden in Verbindung mit heute, gestern, morgen groß geschrieben.
Beispiele: heute Mittag, gestern Abend, am Sonntagabend, aber: sonntagabends
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Die Namen der Tageszeiten Abend usw. in heute Abend sind nachweislich keine Substantive, da keines der drei von der Neuregelung (§ 57) anerkannten Kriterien zutrifft. Dies wird sich nicht halten lassen.
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4. Farb- und Sprachbezeichnungen in Verbindung mit Präpositionen werden groß geschrieben.
Beispiele: auf Englisch, bei Grün
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Es soll aber weiterhin grau in grau heißen, obwohl hier eine Farbbezeichnung mit einer Präposition vorliegt! (s. o.)
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5. Paarformeln mit nichtdeklinierten Adjektiven werden groß geschrieben.
Beispiele: Groß und Klein, Arm und Reich, Jung und Alt
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Die Kategorie der Paarformeln kommt in der amtlichen Neuregelung nicht vor. Zur Problematik sei auf die wissenschaftlichen Kommentare verwiesen.
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6. Superlative mit der Präposition aufs werden groß geschrieben.
Beispiele: aufs Beste, aufs Herzlichste
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Ein weiterer Fall von "übertriebener Großschreibung, wodurch außerdem wichtige Unterschiede verdunkelt werden, vgl. er war aufs Äußerste gespannt (worauf? oder wie sehr?). Übrigens läßt die Neuregelung hier ausdrücklich die bisherige Kleinschreibung zu, so daß nicht einzusehen ist, warum die Agenturen die schlechtere Lösung gewählt haben, die nichts anderes als die primitive, für Anfänger ersonnene Artikelprobe zu ihren Gunsten anführen kann.
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7. Feststehende Begriffe (quasi Eigennamen) aus Adjektiv und Substantiv werden auch künftig von den Agenturen groß geschrieben. !!!
Beispiele: das Schwarze Brett, der Weiße Tod, die Erste Hilfe, (wie: Heiliger Vater, Regierender Bürgermeister, Stiller Ozean Roter Milan, Zweiter Weltkrieg)
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Diese Entscheidung ist sachlich richtig, bricht aber ein ganz wesentliches Stück aus der Neuregelung heraus.
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8. Wortverbindungen von Personennamen und Substantiven werden von den Agenturen weiterhin groß geschrieben. !!!
Beispiele: das Ohmsche Gesetz, die Goetheschen Gedichte
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Sachlich richtig, aber ein weiterer schwerer Angriff gegen ein Renommierstück der Neuregelung!
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9. Die vertraulichen Anredepronomen werden von den Agenturen weiterhin groß geschrieben. !!!
Beispiele: Du, Dein, Dir, Euer, Euch
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Eine richtige Entscheidung gegen die Neuregelung. Die Anrede in privaten Briefen ist in der Tat dem Zugriff staatlicher Normierung entzogen.
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E. Zeichensetzung
Die Agenturen bleiben bei der alten Form der Zeichensetzung, um die Lesbarkeit ihrer Nachrichten, insbesondere für ihre Kunden aus dem Audio-Bereich, zu gewährleisten.
(Diese Option ist im Regelwerk ausdrücklich zugelassen.)
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Keineswegs! Die Neuregelung führt an zwei Stellen obligatorische Kommas neu ein:
- nach der wörtlichen Rede als drittes Satzzeichen: So?, fragte sie
- vor nicht-erweiterten Infinitiven, wenn ein Hinweiswort im vorhergehenden Satz steht: Er hat es satt, zu arbeiten.
Im übrigen ist die Entscheidung, bei der herkömmlichen Zeichensetzung zu bleiben, natürlich richtig, stellt aber der Neuregelung ein vernichtendes Urteil aus. Denn die Schüler sollen ja im Rahmen des Möglichen an die Zeichensetzung der Erwachsenen herangeführt werden, damit sie gut lesbare Texte produzieren (und nicht damit sie möglichst wenige Fehler angestrichen bekommen!).
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F. Worttrennung am Zeilenende
Die Agenturen werden auch künftig keine Trennungen von Wörtern am Zeilenende vornehmen. !!! Hintergrund ist, daß Worttrennungen in Agenturtexten problematisch für die Weiterverarbeitung in Kundensystemen sind.
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Hinweis: Nach der Veröffentlichung des Grundsatzbeschlusses der Agenturen vom 16.12.1998 haben zahlreiche Medienkunden nach einer beispielgebenden Liste gefragt. Mehrheitlich wollen die Agenturen diesem Kundenwunsch folgen und halten von Anfang Februar 1999 an eine entsprechende Liste bereit.
Hamburg, 14.1.1998
dpa
Die Rechtschreibreform in Beispielen
Diese Liste stellt etwa 500 Wörter in alter und neuer Rechtschreibung einander gegenüber. Sie beweist, daß die Agenturen geglaubt haben, ohne fachliche Beratung auszukommen. Ich erwähne einige besonders kennzeichnende Fehler.
achtmal acht Mal: Das ist nicht die gewöhnliche Neuschreibung; es heißt vielmehr weiterhin achtmal (wie einmal, zweimal usw.); nur bei besonderer Betonung darf auch acht Mal geschrieben werden.
After Shave: Dies entspricht weder der alten noch der neuen Rechtschreibung.
Alleinstehende allein Stehende: Diese Änderung ist unnötig, da die Neuregelung auch Alleinstehende vorsieht.
angst haben: Das ist nicht die bisherige Schreibung.
aufgrund auf Grund: Jenes ist nicht die alte, dieses nicht die neue Schreibung, sondern es war und bleibt beides zulässig.
aufs Genaueste usw.: Hier fordert die Neuregelung keine Großschreibung. (Betrifft Dutzende von Fällen!)
in Betreff auf: Das gibt es gar nicht.
Blässhuhn Blesshuhn: Richtig wäre Bleßhuhn/Bläßhuhn Blesshuhn/Blässhuhn.
**der Blaue Planet: Die Sternchen sind unberechtigt, da bisher klein geschrieben wurde.
Cidre: Hier ist ohnehin keine Neuschreibung vorgesehen (Zider ist schon alt).
(Die unterschiedliche Schreibung von Choreografie und Demographie usw. ist unplausibel.)
dahinter kommen, darüber stehen und darunter fallen sind zwar richtig, aber nur weil die Reformer diese Partikeln in ihrer Liste § 34(1) vergessen hatten; sie werden das bald korrigieren.
Französisch zusammenfassen: Die Großschreibung ist falsch.
Frauen fördernd und Frauen verachtend: Das wird von der Neuregelung nicht gefordert.
grauenerregend ist weiterhin zulässig und wegen sehr grauenerregend sogar notwendig.
Heiliger Vater ist richtig, sollte aber ohnehin nicht geändert werden. (Das war 1995 aktuell!)
Inkrafttreten in Kraft treten: eine falsche Gleichung, es ändert sich nichts.
Ja sagen (ebenso Nein sagen, Hurra rufen): Hier ist die Großschreibung nicht gefordert und nicht sinnvoll, da keine Substantive vorliegen.
kaltstellen kalt stellen: Gerade in der häufigsten Verwendung (Politiker kaltstellen) bleibt es bei der Zusammenschreibung.
Mode bewußt: Das ist völlig falsch, nicht nur wegen des ß.
Müßiggehen müßig gehen: Ein sinnloser Eintrag.
auf null stehen auf Null stehen: Es verhält sich gerade umgekehrt!
O-förmig o-förmig: Alle solche Einträge sind falsch, da es wie bisher darauf ankommt, ob ein kleines oder großes o/O gemeint ist.
Das Obenstehende wird vom amtlichen Wörterverzeichnis ausdrücklich zugelassen!
Der Ratsuchende wird vom amtlichen Wörterverzeichnis ausdrücklich zugelassen!
richtig stellen ist nicht die bisherige Schreibweise.
Schlegel Schlägel: Das ist nicht richtig, da nur der Trommelschlegel, nicht aber der Rehschlegel mit ä geschrieben werden soll. (Komisch, aber wahr! Dabei ist die Aussprache in weiten Teilen Deutschlands verschieden.)
schlußfolgern Schluss folgern [!]: Richtig schlussfolgern.
Schuld bewusst ist ebenso falsch wie Mode bewusst.
schuldhaben ist nicht die bisherige Schreibweise.
selbstständig ist keine neue Schreibung, sondern ein anderes Wort als selbständig. Natürlich können die Agenturen ein deutsches Wort aus ihrem Sprachgebrauch entfernen und ein weniger übliches dafür einsetzen, aber sie sollten sich bewußt sein, daß sie damit weit über eine Schreibänderung hinausgehen.
selbstbewußt selbst bewußt: Das ist falsch, es bleibt bei selbstbewußt. (Die anderen Änderungen wie selbst bestimmt, selbst gemacht, selbst ernannt sind zwar richtig im Sinne der Reform, aber ebenfalls sprachwidrig.)
sporttreiben ist nicht die bisherige Schreibweise.
Das Untenstehende wird vom amtlichen Wörterverzeichnis ausdrücklich zugelassen.
vabanquespielen ist nicht die bisherige Schreibweise (va banque spielen). Die Neuschreibung Vabanque spielen ist nur eine Variante und keine sinnvolle, da Vabanque kein Spiel wie Roulette usw. ist. Man sollte das vermeiden.
weitreichend weit reichend: Das ist wahrscheinlich nicht richtig, jedenfalls verwenden die Reformer weiterhin weitreichend, schon wegen der Steigerung weitreichender.
weiter bestehen, weiter beschäftigen: Da weiter zu den Partikeln in § 36 (1) gehört, wird all dies weiterhin zusammengeschrieben!
wiedersehen wieder sehen, wiedervereinigen wieder vereinigen, wiederwählen wieder wählen usw.: Die Getrenntschreibung ist die älteste Fehldeutung des neuen Regelwerks, zuerst im Reformduden, dann überall, inzwischen von den Reformern mit Recht zurückgewiesen! (Erstaunlich, daß die Agenturen das nicht mitbekommen haben!)
zusammengehen zusammen gehen: Das ist falsch, da zusammen in der Partikelliste § 36 steht, folglich Zusammenschreibung geboten ist.
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Fazit: Die Liste zeugt von erstaunlicher Ignoranz. Eine Rechtschreibordnung, die sich auf alle Druckmedien auswirken wird, sollte mit mehr Sorgfalt, Sachkenntnis und Verantwortungsbewußtsein ausgearbeitet werden.
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Th. Ickler
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