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Sigmar Salzburg
29.04.2011 16.22
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Salim E. Spohr in Islamische Zeitung

Die Publikation als Ausdruck des Lebensstiles aus der Sicht eines muslimischen Verlegers. Von Salim E. Spohr

Man nennt es Buch (1)


… Salim E. Spohr, ein Veteran des muslimischen Verlagswesens im deutschen Sprachraum, schreibt in drei Teilen über sein Wissen bei der Buchproduktion und der Arbeit am Text…

Neben den heiligen Schriften gibt es indes schier unendlich viele Druckwerke verschiedenster Thematik, verschiedenen Genres, verschiedener Machart und Aufmachung, sodass es sich einmal lohnen sollte, der Frage nachzugehen, wessen es bei aller Verschiedenheit grundsätzlich immer schon bedarf, damit ein Buch zustande kommt, und welche Kriterien es sind, an denen sich seine Qualität bemisst. Wir Muslime sollten es als gerade solche, die auch „Leute des Buches” sind, so verstanden zu unserem Lebensstil zählen, so etwas zu wissen.

Sehen wir von Kursbüchern, Atlanten, Photobänden, Grundbüchern und Tabellenwerken verschiedenster Art einmal ab, bestehen Bücher wesentlich aus Texten. Der Text und die in ihm liegende Information sind die Grundlage des Buches und bedürfen zur Vorbereitung auf Satz und Druck ganz besonderer Aufmerksamkeit. Der Autor oder ein Übersetzer liefert den Text und der Lektor des Verlages überprüft ihn zunächst auf logische Stimmigkeit, orthographische, grammatische und typographische Korrektheit.

Ein Text darf sich nicht selbst widersprechen, seine Gliederung darf nicht der Logik widerstreiten, so etwas wie „1. a, b, c – 2. a – 3. a, b” beispielsweise, dass es also bei 2. nur einen Untergliederungspunkt gibt, darf nicht unkorrigiert bleiben. Bezüglich der Orthographie folgt das Lektorat unseres Verlages den Regeln der alten Rechtschreibung, weil die neue, hundertfach belegt, nur eine einzige große Dummheit, ihre Beibehaltung – „Wir haben einen Fehler gemacht, aber da wir es nun einmal sind, die ihn gemacht haben, bleiben wir dabei” – eine reine Frechheit der Verantwortlichen gewesen war. Es bleibt für mich ein Rätsel, wie es möglich war, dass sich eine derart eklatante Beschneidung aller feineren Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks durch kategorische Getrenntschreibung zusammengesetzter Verben sich hat durchsetzen können, da ihre Zusammenschreibung früher deutlich gemacht hatte, dass das Verb hier in einer übertragenen Bedeutung gebraucht und entsprechend mit bestimmter Betonung ausgesprochen wird.

Das zeigt sich exemplarisch an Eheleuten, die früher „zusammenkommen”, heute, seit Durchsetzung jenes Irrsinns, aber nur noch „zusammen kommen” können. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist, dass Bertelsmann neidisch auf das Duden-Monopol war und er dieses aufgrund von Korruptheit der beteiligten Instanzen auch hat brechen können, sodass damit das möglich wurde, was auch wirklich geschah, in eine Buchhandlung nämlich zu gehen und den „Bertelsmann-Duden” zu verlangen.

Typographische Korrektheit eines Textes bedeutet beispielsweise, dass sich zwischen den Wörtern nicht mehr als ein Leeranschlag befindet, Punkt, Komma, Doppelpunkt dem vorangehenden Wort unmittelbar angeschlossen sind und hinter ihnen ein Leeranschlag liegt. Wichtig ist auch die Wahl der Anführungszeichen und eine Festlegung darüber, wie eine Anführung innerhalb einer Anführung gekennzeichnet wird.

Für Wörter die einer anderen Sprache, beispielsweise dem Arabischen, entstammen, ist die Wahl des Transliterationssystems von besonderer Bedeutung, da es erlaubt, den fremden Text in unserer lateinischen Schrift eindeutig darzustellen. Bei unserer ersten Ausgabe von Ibn Ishaqs „Das Leben des Propheten” (sira an-nabwiyya) hatte ich Gernot Rotter, den Übersetzer, davon überzeugt, dass wir hier nicht dem System der Deutschen morgenländischen Gesellschaft, sondern dem englischen System folgen sollten, und im Vorwort entsprechend geschrieben: „Dem englischen System gaben wir nach längerer Überlegung schließlich vor allem seiner größeren Einfachheit wegen, aber auch deshalb den Vorzug, weil es der Phonetik der Buchstaben im Deutschen überraschenderweise viel näherkommt als jenes Kunstprodukt deutsch-morgenländischer Gelehrsamkeit, es zudem auf der ganzen Welt (vgl. die Encyclopaedia of Islam, Leiden 1954 ff.) verbreitet ist.

… Nein, es bedarf hier des Zusammen- und Wechselspiels von Autor/Übersetzer und Lektor, in deren Spannungsfeld ein schöner Text entsteht.

Dabei reicht es nicht aus, dass ein Text logisch, orthographisch, typographisch und ideomatisch fehlerfrei ist. Nein, was wir brauchen, ist ein schöner Text. Und was ist ein schöner Text? Ein schöner Text hat einen gewissen Swing, einen Rhythmus in sich, der macht, dass es Spaß macht, ihn zu lesen. Und wenn es Spaß macht, ihn zu lesen, wird man gern das Buch erwerben, in dem er steht. Für einen Verlag also, der ja will, dass sich seine Bücher verkaufen, kommt alles darauf an, sich mit besonderer Sorgfalt um die Schönheit des dem späteren Buch zugrundeliegenden Textes zu bekümmern. Und hier sehe ich mit Grausen eine Tendenz, dass beispielsweise türkischstämmige Brüder Bücher in deutscher Sprache herausgeben, die für muttersprachliche Deutsche ideomatisch einfach ungenießbar bleiben. Denn für alle Übersetzungen gilt die Grundregel, dass die Sprache, in die hinein übersetzt wird, die Muttersprache des Übersetzers sein sollte, wenn sprachliche Feinheiten eine Chance habe wollen, zum Ausdruck gebracht zu werden.

Islamische Zeitung 27.4.2011

[Anm.:„zusammenkommen“ auch reformiert zusammen, aber die häufige Getrenntschreibung ist ein Beweis für die allgemeine Verwirrung.]

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Elke Philburn
19.11.2001 20.37
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Lassen Sie sich doch Ihr Lesevergnügen nicht verderben, Herr Lachenmann.

Wer weiß, ob es überhaupt am Autor lag.

Möglicherweise hat da einer rumgepfuscht, während der Autor glaubt, es sei alles in bester Ordnung.

Gerade jemand, der im Ausland lebt, kann leicht einen falschen Eindruck vom Erfolg der Reform bekommen.

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Walter Lachenmann
19.11.2001 00.06
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Literatur

Dietrich Krusche war Lektor für Deutsch an der University of Ceylon und an der Universität von Okayama in Japan. Von 1981 bis 1997 war er Professor für interkulturelle Literaturvermittlung an der Universität in München. Seit 1997 lebt er in Südfrankreich. (Verlagsinformation)

Außerdem ist er ein angesehener Romanautor. Im A1 Verlag in München erschienen bereits zwei Romane, jetzt wieder einer mit dem Titel »Das Haus im Haus«. Gestern abend hat Dietrich Krusche daraus vorgelesen. Der Vortrag verlockte zum Kauf des Buches. Leider war es zu spät, als ich im Klappentext las:

»Aber er ist entschlossen, nicht zwischen Goethe-Land und Japan verloren zu gehen, sondern...«

Der Romanheld ging verloren zwischen Goethe-Land und Japan.
Ich fuhr Gedanken verloren von München nach Krottenthal zurück.

Jetzt mag ich das Buch gar nicht mehr lesen. Will es jemand haben? Ich schenk es her.

Dietrich Krusche war Lektor für Deutsch ... (s.o.)
Traurig.
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Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
10.11.2001 04.14
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Gute Frage!

In der Tat, es wäre dringend notwendig, diese Frage zu klären, die mir auch schon oft gekommen ist. Das umgestellte Duden-Universalwörterbuch verzeichnet erwartungsgemäß besitzergreifend, denn die Dudenredaktion befolgt den Grundsatz, keine schlafenden Hunde zu wecken. Natürlich mußte es getrennt geschrieben werden, denn man sagt ja Besitz ergreifen, so steht es auch da, also ohne Artikel usw. Aber nach demselben Grundsatzz läßt es der Duden auch bei Handbreit usw. und ändert nur in Zeit lang, Hand voll, weil dies sich wegen des amtlichen Wörterverzeichnisses gar nicht vermeiden läßt. So muß er auch bei der Revision demnächst nicht allzuviel ändern. Es ist aber insgesamt eine einzige Unsauberkeit.
__________________
Th. Ickler

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Elke Philburn
10.11.2001 01.10
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Gar nicht so einfach!

Zitat:
»Besitzergreifende Liebe und unerbittlicher Haß ...«

Es heißt aber nach wie vor „besitzergreifende“, oder?

Mein Duden von 1996 ist da nicht sonderlich hilfreich: Das Wort ist nicht im Wörterverzeichnis enthalten. Nach §36(1) wird es zusammengeschrieben, wenn der erste Bestandteil für eine Wortgruppe steht. („Er hat davon Besitz ergriffen“ fällt mir dabei ein. Klingt halbwegs überzeugend, nur da muß man erstmal drauf kommen!) Nach §36(2) wird es zusammengeschrieben, wenn einer der beiden Teile nicht selbständig vorkommt. Es gibt zwar den Ausdruck „schlicht und ergreifend“, aber so ganz alleine steht's dann doch nicht. Die übrigen Absätze von §36 sind nicht relevant.

(Mir schaudert's bei dem Gedanken, das bei allen möglichen Wörtern durchexerzieren zu müssen!)

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Walter Lachenmann
09.11.2001 16.25
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Verlage

Aus dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 90, 9. November 2001
(Der redaktionelle Teil ist in einer abgesofteten Ausformung der neuen Rechtschreibung gehalten, diesmal mit Ausnahme des Leserbriefs von Theodor Ickler, siehe Nachrichtenbrett)


Patmos Verlag, Düsseldorf:
»Drewermann erkennt sowohl in biblischen als auch in Überlieferungen anderer Religionen, dass immer Menschen auftraten, die das existentielle Leiden der Menschen lindern wollten.«

Reclam Verlag:
Der Jerusalemer Talmud ist eine der bedeutends-ten Sammlungen schriftgelehrter Traditionen.

Alexander Fest Verlag:
»Dieses Buch gehört zu den interessantesten ... faßlich geschrieben...« (Tilman Krause, Die Welt, also vermutlich in traditionelle Schreibung konvertiert)
»Die These von der Homosexualität Hitlers ist für die Einschätzung Hitlers gewiß interessant...« (Guido Knopp)

Aufbau Taschenbuch Verlag
Zitate in neuer RS, eigene Werbung in traditioneller:
»Boris Akunin hat bis zum Schluss Überraschungen parat...« (Brigitte)
»Fandorin gerät in die Schußlinie...« (Verlag)

Droemer Verlag:
»Unmissverständlich rufen sie uns eine Bedrohung ins Gedächtnis...« (Verlag)
»Es wird der aufkommenden Panik entgegenwirken« (New York Times)

Herder Verlag
Titel »Hass in der Seele«

Verlag Komplett-Media:
»STEPHEN HAWKING'S UNIVERSUM«

Verband der Verlage und Buchhandlungen in Baden-Württemberg e.V.:
»Mitarbeiter ... die mit dem An- und Verkauf von Bildern befasst sind.«

Akademie des Deutschen Buchhandels:
»... immer wieder Anlaß, ...«, »angepaßt werden muß...« , »Journali-sten...«

Und auf dem Titelblatt eine Bertelsmann-Anzeige:
»Besitzergreifende Liebe und unerbittlicher Haß ...«
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Walter Lachenmann

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Christoph Kukulies
08.11.2001 12.21
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Ich wußte nicht, wo ich es unterbringen sollte. So habe ich ein neues Leitthema eröffnet.

Ich hatte heute einen kurzen elektronischen Briefwechsel mit einem Netzmeister einer Seite aus dem Raum Nordbayern und
als sich im Laufe der Unterhaltung herausstellte, daß er, der Netzmeister, auch Verleger ist, kam von mir die obligatorische Frage, die ich beim Abschied dann immer stelle: „Wie halten Sie's denn mit der sogenannten Rechtschreibreform“.

Ich verwies auf diese Seiten und erhielt die Erlaubnis, die Antwort anonym zu bringen. Der Verleger:

Ich muss beide beherrschen. Die Bücher laufen auf alter, die Noten und die Zeitschrift auf neuer – wie das branchenüblich ist.

Ich bin gegen die neue, weil sie doch keiner beherrscht, vor allen Dingen keiner von denen, die die alte schon nicht beherrschten ....

MfG

Anonymer Verleger



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Christoph Kukulies

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