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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
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Karsten Bolz
01.09.2004 12.03
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Bevor Herr Kürschner mir meine grammatischen Schnitzer um die Ohren haut (um sie dann möglicherweise zur „reformierten Regel“ erheben zu wollen), hier eine Korrektur. Ich hatte geschrieben: „Herr Kürschner kann gewiß sein, daß die nächste Auflage denselben Grundsätzen des deskriptiven Ansatzes folgen wird.“ Es muß natürlich heißen „demselben Grundsatz des deskriptiven Ansatzes“ (Singular), sonst wird es schief.

Eine Frage an Herrn Kürschner: Wieso ist „baden gehen“ analog zu sehen zu „flöten_gehen“? Nur weil die Konstruktion formal auch aus zwei Verben besteht? Daraus zu schließen, es müßten beide Varianten zugelassen werden, obwohl niemals die Schreibung „badengehen“ benutzt wurde, wäre doch eine falsche Beschreibung des Schreibusus.
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Karsten Bolz

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Karsten Bolz
01.09.2004 09.13
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Kürschner schrieb auf dem Nachrichtenbrett:

Zitat:
Ich hatte die Namen der Neuschreiber ja schon genannt: Walser, Lenz, Kempowski. Sie (oder ihre Sekretäre oder, wenn es sie noch gibt, ihre Lektoren) schreiben reformierter als sie und Sie denken.

Studenten, die zu mir in die Sprechstunde wollten, wurden gebeten, in jeweils einem der neuen Werke dieser Autoren wahllos Seiten aufzuschlagen und nach Neuschreibungen zu suchen: In Walsers „Augenblick der Liebe“ (2004) wurden sie gleich auf der ersten Seite (S. 9) fündig: „platziert“. Wer Seite 86 aufschlägt, stolpert über „eine Zeit lang“.

In dem ansonsten sehr sorgsam geschriebenen „Fundbüro“ (2003) von Siegfried Lenz findet sich auf Seite 41 die „Rote Grütze“ (Revisionsschreibung) und auf Seite 27 „sein Möglichstes tun“.

Die Schreibung „gewiss“ stammt aus „Letzte Grüße“ von Walter Kempowski (2003, Seite 22), der uns übrigens mit interessanten dänischen Wörtern überrascht. Auf Seite 41 erfindet er die „Osterbrodgade“ und eine Seite darauf belehrt er uns, dass Bier „auf dänisch bekanntlich ‚Øl’ heißt“, mit großem Anfangsbuchstaben, als ob die Dänen nicht, gerade um sich vom Deutschen und von den Deutschen abzusetzen, nach Kriegsende eine Orthografiereform mit Beseitigung der Substantivgroßschreibung durchgeführt hätten! Und nochmals eine Seite später erfahren wir, dass „dann noch ‚Øst’ serviert [wurde], also Käse“. In Wahrheit heißt Käse auf Dänisch „ost“ (mit „o“ und kleinem Anfangsbuchstaben), sodass die gerade erwähnte Straße in Kempowskis Lesart „Käsebrückenstraße“ statt wie vorgesehen „Ostbrückenstraße“ („Østerbrogade“) heißt. Reformiert schreibt er auf Seite 42, dass sich bei einer Einladung zum Geburtstag bestimmen lasse, wen man „einladen würde, wen bestimmt, wen vielleicht und wen auf gar keinen Fall“. Dadurch „ergäbe sich eine Gelegenheit, Leute zu erheben oder fallen zu lassen, je nachdem“.

Lieber Herr Kürschner,

an dieser Stelle hier im Forum bin ich gerne bereit weiterzudiskutieren.

warum Walser „platziert“ schrieb, weiß ich nicht. Er wird möglicherweise einen Grund gehabt haben. Dafür müßte ich aber den Kontext kennen. Das begründet aber nicht irgendeine Legitimation, „placiert“ oder „plaziert“ zwangsweise und von oben herab durch „platziert“ zu ersetzen.

„eine Zeit lang“ ist frei konstruierbar. Aus dem Kontext müßte ersichtlich sein, warum der Autor eben nicht „eine Zeitlang“ geschrieben hat. Auch wird Siegfried Lenz gewußt haben, warum er die „Rote Grütze“ als festen Begriff verstanden wissen will. Es geht doch darum, daß uns die Reformer VERBIETEN, Nominationsstereotype groß zu schreiben, es sei denn, sie wären „fachsprachlich“.

Zum dänischen Øl ist nur soviel zu sagen: Schauen Sie mal auf eine Originalflasche dänischen Bieres. Darauf steht „Øl“ mit großem „Ø“.

Ansonsten handelt es sich wohl hier eher um Erbsenzählerei. Fünf mögliche Rechtschreibfehler in ich-weiß-nicht-wieviel Seiten (ja, auch das DARF ich so schreiben, ohne daß es im Wörterbuch steht!) rechtfertigen es nicht, die gesamte deutsche Gegenwartsliteratur einer Zwangsrevision in Neuschreib zu unterziehen.
– geändert durch Karsten Bolz am 01.09.2004, 17.03 –
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Karsten Bolz

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Sigmar Salzburg
31.08.2004 20.28
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Wilfried Kürschner schreibt triumphierend ...

... auf der Nachrichtenseite: Ich hatte die Namen der Neuschreiber ja schon genannt: Walser, Lenz, Kempowski. Sie (oder ihre Sekretäre oder, wenn es sie noch gibt, ihre Lektoren) schreiben reformierter als sie und Sie denken.

Die vereinzelten Stellen in den genannten Büchern waren mir auch aufgefallen. Sie sind aber viel zu selten, als daß man dahinter eine durchgängige Absicht vermuten könnte. Meistens wird eine Kontamination vorliegen, wie sie jeder bei Schreibprogrammen erleben kann, wenn sie mit fremden Texten oder Korrekturprogrammen in Berührung kommen. Albern finde ich, wenn Kürschner die künstlerische Freiheit, vor allem bei Lenz, als Anpassung an die Reformschreibung deuten will und bei Kempowski die Kleinschreibung des dänischen „Øl“ anmahnt.

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Sigmar Salzburg

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Theodor Ickler
20.12.2003 10.29
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Eigenmächtig gehorsam

Einerseits erlaubt sich der Grammatiker Kürschner keinerlei Kritik an den falschen Schreibweisen Leid tun usw., andererseits plädiert er für Vorzugsschreibungen wie das Goin, das Sitin usw., die man ja kaum lesen kann. Auch Vorzugsschreibungen wie Safersex scheinen mir an der Rolle des Englischen für das heutige Deutsch vorbeizugehen.
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
01.10.2002 14.28
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Mir ist nicht klar, was Prof. W. Kürschner eigentlich will. Mit seinem „Vechtaer Regulativ“ bleibt er keineswegs innerhalb der ohnehin vorgesehenen Varianten. Zum Beispiel gibt er an, sowohl so genannt als auch sogenannt seien zulässig (was objektiv falsch ist, denn die Reformer sehen nur Getrenntschreibung vor), und er gibt der Zusammenschreibung den Vorzug – verwendet aber in kurzen Abständen beide Schreibweisen!
Kürschner beherrscht offenbar die alten Sprachen (hat sogar Dionysios Thrax übersetzt), trennt aber vorzugsweise so: Inte-resse, pa-rallel, Diph-thong (aber wiederum Demo-skopie usw., durchaus inkonsequent).
Wo man zwischen e und ä wählen kann, gibt er ä den Vorzug, weil es deutscher aussieht! Kann man das ernst nehmen?

Sein Büchlein „Neue Rechtschreibung kompakt“ ist ziemlich dürftig: eine unkritische Darstellung der neuen Regeln und ein Wörterverzeichnis, in dem er eben seine persönlichen Vorlieben bei der Variantenwahl ausbreitet.
Interessant ist allenfalls der Hinweis, daß die Wörterliste zuvor als Beilage in der „Oldenburgischen Volkszeitung“ (Vechta) erschienen war und wie es dann weiterging:

„Bald danach fand sie sich ohne mein Wissen und ohne meine Einwilligung in unwesentlich überarbeiteter Form auch im sogenannten 'Aldi'-Wörterbuch wieder, und zwar unter der Überschrift 'Die neue Rechtschreibung – Was ist neu?'. Außerdem erschien diese plagiierte Fassung meines Verzeichnisses auch in dem Buch 'Die neue Rechtschreibung. Ein Ratgeber ...' (Bergisch Gladbach: Honos Verlag, 1996), herausgegeben von der Arbeitsgruppe Orthographie der Universität Oldenburg, Leitung Prof. Dr. Wolfgang Eichler.“

Außer Eichler war hier noch Prof. Bünting (GHS Essen) mit von der Partie, der hauptsächlich Kaufhäuser und ihre „modernen Antiquariate“ beliefert, und die beiden erwähnten Werke sind in der Tat der größte Mist, der im Gefolge der Reform produziert worden ist.
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Th. Ickler

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