Theo Grunden
Alptraum oder Albtraum?
Die Frage ist und bleibt ein Dauerbrenner.
Auch zwanzig Jahre nach ihrer Einführung ist vieles noch weitgehend unbekannt oder unklar.
Der diesjährige Neujahrsempfang der CDU Hamminkeln förderte eine längst geklärt geglaubte Frage erneut zutage.
Obwohl sich innerhalb der jetzt knapp zwanzig Jahre, seit die Rechtschreibreform Einzug in die deutschen Schulen hielt, immer wieder weitere Nach- und Rückänderungen einstellten, hat sich bezüglich der hier vorliegenden Titelfrage seit 1996 nichts Neues mehr ergeben. Wie lautet also die Antwort?
Nein, zunächst einmal: Wie kam es zu der Wiederauflage der Frage? Die ergab sich aus einer Bemerkung, die der amtierende Bürgermeister von Hamminkeln, Bernd Romanski, als Gast des Neujahrssempfangs der CDU in seiner Rede machte (siehe auch Berichterstattung im Lokalkompass, in der Rheinischen Post und in der NRZ).
„Bürgermeister Bernd Romanski, der als SPD-Mann für einige wohl den ‚schlimmsten Alptraum’, so Romanski, verkörpere, bedankte sich für die Einladung ...“ , so berichtete die NRZ am Montag, dem 18. Januar. Offenbar stellte diese Alptraum-Schreibweise für manche NRZ-Leser einen Albtraum dar, zumindest aber eine beklagenswerte Unkorrektheit im Sinne der geltenden Schreibregeln, was sie dann wohl auch ihre Zeitung wissen ließen. Diese reagierte ihrerseits in der Mittwochausgabe mit dieser Stellungnahme:
„Fragen wir doch einfach den alten Experten Konrad Duden, immerhin ist der ja in Wesel geboren, ist also der Fachmann unseres Vertrauens. Jeder freut sich, weil er sich sicher ist, Recht zu haben. Und der alte Konrad? Der – vielmehr die, die sein Erbe verwalten – lassen uns allein mit unseren Besserwissereien. Erlaubt ist was gefällt, obwohl Duden das ‚B’ eher mag. Welch Albtraum.“
Nun gut, die Bevorzugung Konrad Dudens als des berühmten Sohnes der Stadt ist durchaus verständlich und nachvollziehbar, diejenige des Wörterbuchs, das der sich nach ihm benennende Verlag (in zuletzt recht kurzen Abständen) herausbringt, eher weniger. In der Tat markiert der Dudenverlag in seinen letzten Ausgaben die Schreibung Albtraum per Gelbunterlegung als die von ihm bevorzugte, während der mit Duden konkurrierende Wahrig seinen Lesern Alptraum nahelegt – und damit genau die Schreibung, die Duden bis 1996 als die einzig richtige aufgeführt hatte.
Was der Mehrheit der deutschen Schreibkundigen offenbar immer noch weitgehend unbekannt ist: Mit der Reform hatten die Kultusminister 1996 (nach über 40 Jahren) dem Duden das Privileg entzogen, allein „maßgebend in allen Zweifelsfällen“ zu sein. Ihm (und all seinen Konkurrenten) übergeordnet ist seitdem das Wörterverzeichnis zur amtlichen Rechtschreibregelung. Und was dieses zu der umstrittenen Titelfrage sagt, sieht man in den beiden als Bild beigefügten Ausschnitten von der Seite 114: Da stehen die beiden Wörter einträchtig nebeneinander; und damit gelten sie beide als richtig – und zwar gleichermaßen!
Wenn die NRZ also schreibt „Erlaubt ist was gefällt“, dann hat sie zwar vielleicht ihren favorisierten „alten Konrad“ geringfügig enttäuscht (ob des hier mittig unterschlagenen Kommas), aber sie hat recht. Oder heißt es hier „sie hat Recht“? Letzteres (in Großschreibung) hat in einem Rechtsstaat sowieso jeder – sogar mehrere Rechte. In der Bedeutung „richtig liegen, die Wahrheit sagen“ empfiehlt der Duden (und übrigens auch die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen) hier das kleine „recht“, was zur Vermeidung grammatischer Konflikte auch sinnvoll und geboten ist. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Einen netten weiteren Anhaltspunkt für die dudenunabhängige, selbständige und hausintern konsequente Schreibweisenwahl der NRZ fand ich gerade gestern noch in der „NRZ am Wochenende“. Dort verwendete die (von mir sehr geschätzte) Maike Maibaum in ihrer Geschenkt-Kolumne mittels einer kreativen „Wortbildungsmaßnahme“ die Verbform des umstrittenen Wortes: „Weil ich nicht von Laubfröschen alpträumen will, hätte ich es gerne wieder hell.“ Wahrscheinlich wird der Duden diese Wortschöpfung in seine kommende 27. Auflage aufnehmen – dabei dann aber die Schreibweise albträumen empfehlen.
Abschließend ist es mir ein Anliegen, noch zwei Dinge zu bestätigen, und zwar
– allen Musikfreunden: Das Alphorn gibt es nach wie vor nur in der Schreibweise mit p.
– unserem Bürgermeister, Herrn Romanski: Ihretwegen habe ich weder Alp- noch Albträume.
Beitrag von
Theo Grunden
aus Hamminkeln
lokalkompass.de 24.1.2016
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