Akzeptanz nicht ausklammern
Die Rechtschreibreform ist in mancher Hinsicht als Irreführung des deutschen Sprachteilnehmers zu werten. Und dies aus folgenden Gründen:
1. Es wurde versprochen, daß die Reform sich kostenneutral werde durchführen lassen. Jetzt, da die Forderung nach der Rückkehr zur bewährten Schreibung laut geworden ist, wird weinerlich auf die bisher gemachten Investitionen hingewiesen. Muß der Rückweg teurer sein als der Hinweg?
2. Die „Vorbereitung“ der Öffentlichkeit beschränkte sich praktisch auf Kurzbeiträge im Fernsehen, bei denen gewöhnlich ein Kind vor einer Tafel zu sehen war, auf welcher Wörter wie dass-daß und Kuss-Kuß einander gegenübergestellt waren. Dieses wenig informative Bild erschien jedesmal, wenn das Stichwort Rechtschreibreform fiel, und sollte wohl den Eindruck erwecken, daß alles nicht so schlimm kommen werde.
3. Die baden-württembergische Kultusministerin schrieb mir vor knapp vier Jahren, daß die reformierte Rechtschreibung mit Erfolg in den Schulen unterrichtet würde. Wie weit aber ist Grundschulunterricht von der Reform überhaupt betroffen? Und daß das Umlernen der älteren Schüler so erfolgreich war, darf füglich bezweifelt werden. Da Frau Schavan selbst am Zustandekommen der Reform überhaupt nicht beteiligt war (zu jener Zeit noch nicht Mitglied der KMK) sehe ich in diesem Schreiben einen Beweis dafür, wie sehr die Kultusminister einander auf Biegen oder Brechen zum Durchpeitschen der Reform vergattert haben. Jetzt liest man es zum Glück anders, nun meint Frau Schavan, daß man die Frage der Akzeptanz nicht ausklammern könne. Aber wird die Unfähigkeit der KMK, den Fehler rückgängig zu machen, einer vernünftigen Lösung nicht weiterhin im Wege stehen, zumal politische Loyalitäten ganz offensichtlich wider besseres Wissen durchgehalten werden?
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Anita Schühly
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