Brief einer Bürgerin v. 25.3.2006
Redaktion des Axel-Springer-Verlags
z.Hd. Herrn Döpfner
Axel-Springer-Str. 65
10969 Berlin
Sehr geehrter Herr Döpfner, sehr geehrte Damen und Herren,
Zu der neuerlichen Diskussion über die neuen Rechtschreibregeln möchte ich Zitate berühmter deutscher, bzw. österreichischer Schriftsteller und prominenter Zeitgenossen aufführen. Wie beurteilen sie, deren Handwerkszeug die deutsche Sprache ist, die Rechtschreibreform?
Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bildungsminister und Oberbürgermeister von Hamburg in einer Sendung der ARD mit Sabine Christiansen: Die Kinder müssen sich mit lauter Mist beschäftigen. Die Rechtschreibreform trägt dazu bei, die deutsche Sprache zu versauen.'
Günter Grass, Literaturnobelpreisträger 2000: Die Kinder lernen nicht das Leichtere sondern das Falsche.'
Roman Herzog, ehemaliger Bundespräsident: ,Ein Schmarren!'
Elfriede Jelinek, Literaturnobelpreisträgerin 2004: ,Die deutsche Sprache hat keine Rechtschreibreform nötig, schon gar nicht diese vollständig mißratene.'
Walter Kempowski, Schriftsteller: Jämmerlicher Unfug und einfach nur Murks.'
Günter Kuhnert, Schriftsteller: ,Verordnete Verblödung.'
Siegried Lenz, Schriftsteller: ,Die Rechtschreibreform führt zur Verflachung der deutschen Sprache und ist ein kostspieliger Unsinn.'
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt: ,Es sind Deppen am Werk gewesen.'
Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker: ,Eine nationale Tragödie!'
Antje Vollmer, ehemalige Bundestagsvizepräsidentin fordert eine Entschuldigung für die Rechtschreibreform: , Was jetzt fällig ist, ist eine Entschuldigung bei den Kindern dafür, daß sie das Falsche lernen mußten.'
Andreas Montag, Journalist: Die Rechtschreibreform ist eine Plage, die ohne Not über uns gekommen ist.'
Dr. Maria Theresia Rolland, Sprachwissenschaftlerin: Es ist notwendig, daß die jeweilige Schreibung eines Wortes wieder mit der gesprochenen Sprache in der Wortbedeutung übereinstimmt. Denn daraufkommt es an. Abweichungen von diesem für alle Sprachen der Welt geltenden Prinzip fuhren unweigerlich zum Chaos im Denken und damit zu einer totalen Verwirrung, da alle Bildung und Ausbildung auf Sprache beruht (vgl. Probleme speziell bei der Texterfassung durch Schüler). Schon wenige Jahrzehnte Spaßschule und acht Jahre Rechtschreibreform zeitigen ein eindeutig negatives Ergebnis (Vgl. insgesamt: PISA-Studien, OECD-Studie). Jeder Kompromiß ist für die Sprache von Übel und verteuert die Umstellung. Durch die Macht der Medien jedoch kann die Einheitlichkeit der Rechtschreibung auf der Basis der bewährten Rechtschreibung wiederhergestellt werden.'
Diesen vernichtenden Urteilen über die Rechtschreibreform habe ich nichts hinzuzufügen. Zum Schluß nur eine Frage: „Wird der Springer-Verlag auch in Zukunft bei unserer bewährten Rechtschreibung bleiben? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen daß es verant wortungsbewußte Redakteure fertigbringen, sich u.a. an die unlogische Doppel-s-Regelung zu halten, so daß wir demnächst in Ihren Druckerzeugnissen Wörter lesen müssen wie z.B. Nussschale, Essstörung, Kussszene usw. statt der lesefreundlichen Wörter Nußschale, Eßstörung und Kußszene. So einen Unsinn kann man doch beim besten Willen nicht mitmachen. Von den anderen Ungereimtheiten der neuen Schreibung möchte ich erst gar nicht reden.
Seit 1996 wurde den Schülern bei der Einführung der völlig unerprobten Neuschreibung ein Umlernen zum Falschen und Schlechteren zugemutet. Bei einer evtl. fehlerhaften Herstellung von Fahrzeugen, Medikamenten, Nahrungsmitteln usw. werden auf Kosten der Hersteller große Rückrufaktionen gestartet. Warum nicht bei der mißglückten Rechtschreibreform? Jetzt sind immer noch weitere Nachbesserungen vorgesehen, was eine nicht enden wollende kostspielige Herummurkserei und Flickschusterei bedeuten würde, für deren Kosten nicht die Urheber dieses Schwachsinns aufkommen müssen, sondern wir Steuerzahler. Hier wird uns von den Kultusministern etwas aufgezwungen, wogegen sich unser gesunder Menschenverstand aufs heftigste sträubt.
Würde die „Stiftung Warentest' zu dieser Reform ein Gesamturteil abgeben, so wäre es wohl ein , mangelhaft' wenn nicht gar ein , ungenügend'. Auf dem Verbrauchermarkt würde ein solchermaßen benotetes Produkt beim Verbraucher keine Chance haben und sofort durchfallen. Der Verbraucher hat dann aber die Freiheit, sich für eine Ware zu entscheiden, die mit dem Qualitätsurteil ,gut' oder ,sehr gut' ausgezeichnet wurde.
Nur bei der Rechtschreibreform' muß sich der Bürger eines sogenannten demokratischen Landes, der bislang mit seiner bewährten Rechtschreibung zufrieden gewesen ist, sozusagen zwangsweise eine Reform überstülpen lassen, die von wirklichen Fachleuten als ,Murks' und ,verordnete Verblödung' bezeichnet wird.
Sehr geehrter Herr Döpfner, sehr geehrte Damen und Herren, wollen Sie es wirklich mitverantworten, daß diese Volksverdummung in Form der Neuschreibe über uns hereinbricht und unsere Sprache allmählich bis zur Unkenntlichkeit verschandelt? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Ich möchte Sie bitten, mir auf diesen Brief eine Antwort zukommen zu lassen.
Anneliese Djalili
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