Versuch, den Ruf der KMK aufzupolieren
[NDR] Stand: 15.01.2018 16:42 Uhr Lesezeit: ca.6 Min.
Kultusministerkonferenz ist besser als ihr Ruf
Ist die Kultusministerkonferenz kurz: KMK ein überholtes Relikt aus vergangener Zeit oder ein Erfolgsmodell, das jeden Wandel meistert? Seit mittlerweile 70 Jahren existiert der freiwillige Zusammenschluss der für Bildung, Forschung, Erziehung, Kultur zuständigen Länderminister. Anlass genug für einen Festakt in Berlin und Anlass für Fragen an die CDU-Politikerin Karin Prien.
Frau Prien, der verstorbene Altbundeskanzler Kohl erklärte einmal, diese Konferenz sei die reaktionärste Einrichtung der Bundesrepublik. Brauchen wir die KMK trotzdem?
[Bild]
Karin Prien ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein.
Karin Prien: Jedenfalls ist die Kultusministerkonferenz besser als ihr Ruf, und sie hat auch nach 70 Jahren nichts von ihrem Anspruch verloren. Der erste Vorsitzende, Herr Bäuerle, sprach ja einmal davon, dass es die Aufgabe sei, die gemeinsamen Grundlagen für den damals Neuaufbau unseres Schul- und Bildungswesens zu schaffen. Und auch heute noch ist die KMK ein unbedingt notwendiges Instrument, um zwischen der Gestaltungsfreiheit der Länder auf der einen Seite und dem Willen nach mehr Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit im Bildungswesen auf der anderen Seite zu vermitteln.
Nun hat es immer wieder die Kritik an der KMK gegeben: Dass Bildungs- und Kulturpolitik ein Schauplatz von Rangeleien und eine Bühne für persönliche Profilierung sein kann, hat sie nicht verhindern können. Der Altbundeskanzler Schröder meinte nach dem PISA-Schock, es gehe jetzt darum, die deutsche Schule zu retten, nicht die Kultusminister. Ist die KMK nicht tatsächlich zu träge, zu behäbig, zumal, wenn einstimmige Beschlüsse gefordert sind?
Prien: Es gibt zwei Aspekte: Zum einen ist die KMK sicherlich über eine gewisse Zeit auch der Ort gewesen, in dem eher ideologische schulpolitische Auseinandersetzungen geführt worden sind. Das war dem Ruf der KMK sicherlich nicht zuträglich, aber aus meiner Sicht ist diese Zeit längst vorbei. Zum anderen ist die KMK immer noch nur so stark, wie die Ministerpräsidenten es zulassen.
Im einen Land, Bremen, werden 80 Prozent der besonders förderbedürftigen Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den anderen beschult, in einem anderen, Hessen, sind es nur rund 25 Prozent. Wäre hier nicht eine KMK gefordert, solche absurden Diskrepanzen auszugleichen, und ist da nicht doch noch Ideologie ganz schön stark wirksam?
Prien: Ja, ich glaube, die KMK ist gefordert, auch in solchen Fragen zu mehr Vergleichbarkeit und Angleichung zu kommen. Der Unmut in der Bevölkerung, aber auch in der Wirtschaft ist durchaus groß, und die KMK wird darauf reagieren müssen. Es geht darum, sowohl was Schulqualität angeht, als auch die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, aber auch den Wildwuchs bei den Schulformen, zu stärkerer Vereinheitlichung zu kommen. Ich glaube aber nicht, dass mehr Zentralisierung, etwa beim Bund, diesem Anliegen zuträglich wäre, sondern es braucht eine vertiefte und eine verbindlichere Kooperation zwischen den Ländern.
Wenn Sie nicht an mehr Zentralisierung glauben mögen, was sagen Sie zu den Sondierungsergebnissen in Berlin? Die würden ja zur Folge haben können, dass das Kooperationsverbot mindestens infrage gestellt, wenn nicht gar aus der Welt geschafft wird.
Prien: Das, was da vereinbart ist, ist eher eine Lockerung des Kooperationsverbotes, und dafür habe ich große Sympathien. Allerdings wäre es dann auch wichtig, dass von Seiten des Bundes signifikant mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wenn ich sehe, dass etwa der Digitalpakt in dem Sondierungspakt gar nicht mehr vorkommt, dann ist das im Ergebnis noch nicht das, was wir uns an der Stelle vorstellen. Der Nationale Bildungsrat kann ein interessantes Instrument werden Voraussetzung ist allerdings, dass dann auch die empirische Bildungsforschung dort eine wichtige Rolle spielt.
Unterm Strich denke ich aber, dass wir eine gestärkte Kultusministerkonferenz brauchen, und da sind dann auch die Länderministerpräsidenten gefragt, die dort zu mehr Verbindlichkeit ihre Hand reichen müssen.
Drei ehemalige KMK-Mitglieder haben kürzlich ebenfalls sehr scharfe Kritik formuliert. Sie beklagen per Brief an die Ministerpräsidenten die fehlende Vergleichbarkeit; oft entscheide nicht Leistung, sondern regionale Herkunft, ob Abiturienten einen Studienplatz erhielten. Es müsse ein Zentralabitur her. Das könnte Ihnen doch in die Karten spielen, wo Sie verstärkt auf schulische Leistung schon im Grundschulbereich setzen.
Prien: Ja. Ich finde auch, dass das ein wirklich gutes Papier ist und in die richtige Richtung geht. Das Papier ist insofern gespannt, weil gerade nicht eine Abschaffung des Bildungsföderalismus oder eine Zentralisierung beim Bund gefordert wird und zwar deshalb nicht, weil die drei Herren zurecht anmerken, dass das zu Lasten der Qualität im Bildungswesen gehen würde , aber auf eine neue Form der Kooperation abhebt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bei der Vergleichbarkeit von Abschlüssen, dem Abitur, aber auch den mittleren Bildungsabschlüssen, zu mehr Gemeinsamkeit und Verbindlichkeit kommen müssen. Insofern kann ich den drei Herren nur ausdrücklich zustimmen.
Der turnusgemäß neue Präsident der Kultusministerkonferenz, der thüringische Bildungsminister Helmut Holter von den Linken, hat zur Amtsübernahme einen publikumswirksamen Vorschlag gemacht: Mehr Demokratiebildung bitte und dafür Schüleraustausch zwischen Ost- und Westdeutschland, so Holter auf NDR Info. Den Austausch zwischen Stuttgart und Leipzig hält er offenbar für ebenso wichtig wie Austausch mit Frankreich und Polen. Ist das das richtige Arbeitsprogramm für die KMK?
Prien: Mehr Demokratiebildung ist sicherlich ein wichtiges Arbeitsprogramm für die KMK. Das ist in den Zeiten um sich greifenden Populismus, Antisemitismus, aber auch Extremismus aus religiöser Richtung, ein wichtiges Thema. Ob das zwangsläufig zu einem Schüleraustausch zwischen Ost und West führen muss, da bin ich eher skeptisch. Ich selber habe auch drei Jahre in Leipzig gelebt und habe das als sehr bereichernd empfunden. Insofern können mehr Kontakte zwischen Ost und West sicherlich nicht schaden.
Was wünschen Sie sich von der KMK, wenn es jetzt auf manchen Feldern doch ein bisschen besser zugehen soll als bisher?
Prien: Ein bisschen mehr Zielstrebigkeit im Hinblick auf Angleichung und Vergleichbarkeit. Wir sollten uns als Kultusminister auf das Gemeinsame konzentrieren und uns nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen.
Wer wäre denn das, der Ihnen das Heft aus der Hand nähme?
Prien: Man muss schauen, wie dieser Nationale Bildungsrat ausgestaltet sein wird. Aber ich glaube nicht, dass es zu mehr Effizienz führt, wenn wir neben der KMK auch noch einen Nationalen Bildungsrat haben und damit Entscheidungen dann noch länger dauern. Wir müssen jetzt handeln, und dafür brauchen wir effiziente Strukturen.
Das Interview führte Ulrich Kühn.
ndr.de 15.1.2018Twitter:
Karin Prien @PrienKarin
Die KMK ist besser als ihr Ruf. Aber jetzt brauchen wir mehr Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit.
1 Antwort [ehem. Vorsitzender des SH-Elternvereins]
Ulrich Kliegis @UKliegis 15:43 15. Jan. 2018
Antwort an @PrienKarin
... und Transparenz und eine einer demokratischen Institution angemessene Öffentlichkeit. Dazu gehört die Öffnung der Debatten ebenso wie die Publikation von Protokollen und Abstimmungsergebnissen. Ans Werk! Dranbleiben! Das haben alle Folgenträger verdient. Hier tut es not, an die einzige durchschlagende „Leistung“ der KMK zu erinnern: „Dem Ruf der Kultusministerkonferenz war sicher auch abträglich,
dass wir uns ohne Not die Rechtschreibreform
ans Bein gebunden haben.“ (DIE ZEIT, 7.2.2008) *)
Jürgen Zöllner
1991 2006 Bildungsminister Rheinland-Pfalz,
2006 2011 Senator für Bildung Berlin Aber die Kultusminister können beruhigt sein: Die unsinnige Zwangsbekehrung der Deutschen zur Reformschreibung, ein Kulturschurkenstück, das in der Geschichte seinesgleichen sucht, wird mit der Hilfe der Medienmafia bald vollendet sein. Das Aussterben der Altschreiber und deren kulturfremder Ersatz sind in vollem Gange.
|