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21.12.2005 22.43
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Akademien

Ein Haus für die Künste
Berlins Akademie in der Krise: Wie machen es die anderen?

von Uwe Wittstock

Was ist eigentlich eine Akademie? Was soll sie? Was kann sie? Seit die Berliner Akademie der Künste ein mißglücktes Haus an den Pariser Platz gestellt und kurz darauf im Streit ihren Präsidenten verloren hat, stellen sich viele Fragen. Die Berliner Akademie beantwortete sie knapp, sachlich und doch recht vollmundig: Sie habe die Aufgabe, die Kunst zu fördern und Bund und Bundesländer in allen Angelegenheiten der Kunst zu beraten und zu unterstützen.

Niemand wird daran zweifeln, daß die Bundesrepublik in Sachen Kunst – und nicht nur in Sachen Kunst – gelegentlich den Rat eines politisch unabhängigen intellektuellen Gremiums gut brauchen könnte. Man kann sich nur nicht so recht daran erinnern, wann von einer der Kunst- oder Literatur-Akademien in Deutschland ein solcher Ratschlag öffentlich wahrnehmbar erteilt worden wäre. Die Berliner Akademie ist nämlich nicht die einzige. Neben sieben großen Wissenschafts-Akademien gibt es fünf Akademien, die sich mit den Künsten oder der Literatur befassen.

Berliner Akademie der Künste Sie ist die mit Abstand größte: 373 Mitglieder zählt sie in sechs Sektionen (Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst, Film) und rund 150 festangestellte Mitarbeiter. Um all dies zu finanzieren, beliefen sich die Zuwendungen des Bundes im laufenden Jahr auf knapp 18 Millionen Euro.

Diese Dimensionen sind nur durch die Geschichte der Berliner Akademie zu erklären. Denn in sie ist nach der Wiedervereinigung 1993 die Akademie der DDR mitsamt wertvoller Archivbestände eingegangen. Immerhin 82 Mitarbeiter der Akademie sind in diesem Archiv beschäftigt, das – ähnlich wie das Deutsche Literaturarchiv in Marbach – die Nachlässe von Künstlern und Gelehrten aufbereitet und für Forscher bereithält.

Der intellektuelle Rat, den sich die Öffentlichkeit von einer Institution wie einer Akademie verspricht, ist in einem Kreis von fast vierhundert hochdifferenzierten und nicht minder komplizierten Einzelpersönlichkeiten nur noch schwer zu formulieren. Wirklich erhellende Einfälle oder Kommentare kommen üblicherweise meist von Einzelnen – und werden in unseren Kulturbetrieb auch von Einzelnen sehr effektvoll zur Debatte gestellt. Ein riesiger Apparat wie die Berliner Akademie, scheint für diesen Zweck eher hinderlich zu sein.

Bayerische Akademie der Schönen Künste Die größte Konkurrenz-Institution zur Berliner Akademie, die ehemals eine Preußische Akademie war, liegt naturgemäß in München. Sie wurde 1948 gegründet und zählt rund 150 ordentliche sowie gut 100 Korrespondierende Mitglieder, die in diesem Fall in vier Sektionen (Bildende Kunst, Literatur, Musik, Darstellende Kunst) organisiert sind. Sie hat zehn feste Mitarbeiter und bekommt jährlich gute eine halbe Million Euro von der öffentlichen Hand und dazu rund 230 000 Euro von der Friedrich-Baur-Stiftung.

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung Deutlich kleiner als die Münchner ist die Akademie in Darmstadt. Sie wurde 1949 gegründet, ihre Mitgliederzahl ist von der Satzung auf 100 beschränkt, hinzu kommen gegenwärtig rund 80 Korrespondierende Mitglieder aus dem Ausland. Die Deutsche Akademie kommt mit sechs festen Mitarbeitern und einer Jahresetat von rund einer halben Million Euro aus. Die intellektuelle Ausstrahlungskraft ihrer regelmäßigen Frühjahrs- und Herbsttagungen ist aber meist gering. Ein Brief, in dem diese für Sprache zuständige Akademie zur Mitarbeit an der umstrittenen Rechtschreibreform aufgefordert wurde, bevor diese in Kraft trat, ist in ihrer Poststelle nie gefunden worden. Um so heftiger protestierte die Akademie später gegen die in Kraft gesetzt Reform und hat jetzt Kompromißvorschläge ausgearbeitet, die den Politikern einen Weg aus dem angerichteten Malheur weisen können.

Sächsische Akademie der Künste Die jüngste in diesem Kreis ist die Akademie in Dresden. Sie konstituierte sich erst 1996 und hat gegenwärtig knapp 140 Mitglieder, einen Etat von rund 230 000 Euro und gerade einmal zweieinhalb feste Mitarbeiter.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Schließlich gibt es noch die Literatur-Klasse in der Mainzer Akademie. Hier ist eine Gruppe von 32 Schriftstellern und Philologen als eigene Sektion an eine Wissenschaftsakademie angeschlossen. Die Höhe des Etat für diesen eher kleinen Zirkel, der nur eine feste Mitarbeiterin zur Verfügung steht, läßt sich aus dem Gesamtetat der Mainzer Akademie von nur schwer heraustrennen, liegt aber recht niedrig.

Unsere Vorstellungen einer nationalen Akademie werden zumeist von der Académie Française geprägt, die 1635 von Kardinal Richelieu gegründet wurde und mit ihren stets nur vierzig „unsterblichen“ Mitgliedern zu einem Teil der kulturellen Identität Frankreichs geworden ist. An einen solchen Rang reichen die deutschen Akademien nicht einmal ansatzweise heran. Sie sind, nüchtern betrachtet, eher als kleine, staatsferne Institutionen zu verstehen, die mit sehr überschaubaren kulturpolitischen Aufgaben betraut sind. Zahlreiche Stiftungen mit kulturellen Zielen werden von diesen Akademien verwalten, staatlich bezuschußte Editionen betreut, Tagungen organisiert oder einige der zahllosen Preise vergeben.
Doch sobald diese Akademien mit Aplomb ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden, so wie die Berliner Akademie jetzt dank ihres Neubaus am Pariser Platz, machen sie zumeist eine schlechte Figur. Mit der Einigkeit der kunstproduzierenden Einzelgänger, die Heinrich Böll einmal beschworen hat, ist es auch in Akademien nicht weit her. Fast jedes Mitglied versteht ihre Aufgaben anders als die anderen und verfolgt eigene Ziele. Nicht wenige betrachten die Tagungen vor allem als Gelegenheit zu eher privatem Austausch mit anderen Mitgliedern – ein Kontakt, dessen Nutzen für den Einzelnen man nicht unterschätzen sollte. Doch den alles klärenden intellektuellen Rat, den unsere Zeit so händeringend sucht, wird sie auch hier nicht finden. Sondern nur einen Spiegel der oft ebenso kleinteiligen wie kleinmütigen föderalen Kulturpolitik dieses Landes.

Artikel erschienen am Mi, 21. Dezember 2005
http://www.welt.de/data/2005/12/21/820650.html

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