Die Rechtschreibreform vermeidet nicht nur alte Fehler, indem sie diese kurzerhand zur Regel erklärt, sie produziert vor allem auch neue Fehler. Ein typisches Beispiel sind das Doppel-s und ß, die Erkennungsmarken der beiden Lager im Orthographie-Streit.
Ein doppelter Fehler, der zunehmend um sich greift, ist das ss selbst dort, wo es auch laut Amtsschreibung nicht hingehört, nämlich nach langen Vokalen. Es wird aus drei Gründen in Kleinschreibung verwendet:
1. Dumme Mitläufer schreiben einfach deshalb immer ss statt "ß", weil sie die Regeln der Amtsschreibung nicht verstanden haben und annehmen, es sei nun immer ss statt "ß" zu schreiben.
2. Ängstliche Mitläufer schreiben ss aus Versehen und lauter Angst, durch ein richtiges "ß" z. B. einen bösen Blick ihres Vorgesetzten zu kassieren. (Ein hochrangiger Beamter einer Stadtverwaltung hat es im Frühjahr 2001 fertiggebracht, 'daß' zuerst daßss und kurz darauf dassß" zu schreiben.)
3. Eine dritte Gruppe verfolgt in öffentlichkeitswirksamen Positionen offenbar das Ziel, in diesen Zeiten orthographischer Verwirrung das ss nach schweizer Vorbild an allen Stellen statt ß durchzusetzen.
Ein (un)schönes Beispiel ist das folgende Plakat des Mediamarktes, das eine Grosse Neueröffnung ankündigt:
Am Vortag des 2. April wär's vielleicht noch ein netter Ulk gewesen. Der Slogan des Unternehmens, Wir können nur billig, gewinnt hier eine ganz neue Bedeutung ...
Wer weitere solche Bilder besitzt, kann sie mir zumailen: Ich werde sie in meiner Fehlergalerie in http://www.schriftdeutsch.de veröffentlichen. Viele Grüße,
Hans-Jürgen Martin
info@zebrafink.de
– geändert durch Hans-Jürgen Martin am 09.06.2001, 21:44 –
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