Weihnachtsmannbeweise
Und es gibt ihn doch!
Darf man Kindern die Wahrheit über den Weihnachtsmann verraten – oder nicht? In unserer Geschichte steckt die Antwort hinter einer Tapete.
In dem Jahr, in dem das Wunder passierte, war es vor Weihnachten noch ein bisschen hektischer als üblich. Tobias hatte sich vorgenommen, vor den Feiertagen das Kinderzimmer zu tapezieren. Rau[h]faser, das ging irgendwie nicht mehr, Motivtapeten waren wieder im Kommen. Dezente Motivtapeten. Also stand er, zusätzlich zu all den anderen Sachen, die zu erledigen waren, in jeder freien Minute in Charlottes Zimmer und kratzte mit dem Spachtel die alte Rau[h]faser ab, unter der noch drei oder vier ältere Schichten klebten, die ihm einen Widerstand leisteten, als seien sie die Leibgarde von Osama Bin Laden [!]. Charlotte schlief im Gästezimmer.….
Eine einzige Wand musste er noch von der Rau[h]faser befreien, …
Sein Blick fiel auf einen großen Fetzen, der zu seinen Füßen lag. Auf dem Fetzen stand das Wort: „Weihnachtsmann“. Auf englisch. In der Überschrift. Santa Claus.
Er hob das Papier auf. Es war eine uralte Zeitung. Es war, wie es aussah, der Leitartikel, den er in der Hand hielt.
Ein Mädchen, Virginia, acht Jahre, hatte einen Leserbrief geschrieben. Er wurde im Vorspann zitiert. „Einige von meinen Freunden sagen, es gibt keinen Weihnachtsmann. Papa sagt, was in der ,Sun‘ steht, ist immer wahr. Bitte sagen Sie mir – gibt es einen Weihnachtsmann?“
Der Journalist, vielleicht war es der Chefredakteur, schrieb eine lange Antwort. Die wichtigste Passage lautete ungefähr: „Ja, es gibt den Weihnachtsmann. Es gibt ihn genauso wie die Liebe…“
Später, in der Nacht, im Internet, würde Tobias erfahren, dass die Zeitung „The New York Sun“ hieß, und dass dieser Artikel zum ersten Mal im Jahr 1897 gedruckt wurde, als Antwort auf die Frage des Mädchens Virginia, und von da an jedes Jahr, weil die Leser es wollten, jedes Jahr zu Weihnachten, so lange es die Zeitung gab, bis 1950 …
tagesspiegel.de 18.12.2010
Nun, wir Großen verlangen nach strengeren Begründungen. Zu fundierten Beweisgängen kann die Philosophie anregen – etwa den ontologischen Beweis zu versuchen, oder den teleologischen, psychologischen, axiologischen, moralischen, ethnologischen ... Weihnachtsmannbeweis. Am überzeugendsten ist die Pascalsche Systemwette: Es ist sicherer, an den Weihnachtsmann zu glauben. Dadurch hat man keine Nachteile, selbst wenn es ihn nicht geben sollte. Das ist besser, als wenn man sich nach einem freudlosen Leben in Verzicht und Unglauben von seinen Enkeln sagen lassen muß, daß es den Weihnachtsmann in Wirklichkeit doch gibt.
Allen frohe Weihnachten, geist[er]reiche Rauhnächte und ein Gutes Neues Jahr.
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Sigmar Salzburg
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