Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Kommissionsbericht Nr. 3 (OCR-Rohfassung)
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Forum > Kommissionsberichte
Kommissionsbericht Nr. 3 (OCR-Rohfassung)
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Theodor Ickler
29.05.2002 02.38
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Endlich!

Der 3. Bericht steht seit gestern auf der Internetseite der Rechtschreibkommission (pdf-Datei).
__________________
Th. Ickler

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Norbert Lindenthal
05.03.2002 06.43
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Kommissionsbericht Nr. 3 in über 50 Teilen

Soeben wurde der Kommissionsbericht Nr. 3 in über 50 Teilen in einem technisch neuen Forum zugänglich.
Wer schreiben möchte, muß sich neu anmelden. Die nächsten Tage laufen hier in erster Linie technische Verbesserungen. Mit Beiträgen, die nicht verlorengehen dürfen, bitte noch etwas warten. Gerne aber die Zeit nutzen, neue technische Möglichkeiten zu finden.
__________________
Norbert Lindenthal

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Matthias Dräger
24.02.2002 09.28
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3. Bericht, Anschreiben der Zwischenstaatlichen Kommission an die KMK

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS)

Vorsitzender: Prof. Dr. Gerhard Augst

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung – Geschäftsstelle an Institut für Deutsche Sprache – Postfach 10 16 21 – D-68016 Mannheim

Geschäftsführer: Dr. Klaus Heller

Anschrift: [am IDS) R 5, 6-13 D-68161 Mannheim

Postanschrift: Postfach 10 16 21 D-68016 Mannheim

FON: 0621/1581-418 FAX: 062111581-406 oder -200 E-Post: heller@ids-mannheim.de Internet: http:Iiwww.ids-mannheim.de

Datu#W:
15.12.2001



Herrn Dr. Tobias Funk Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Lennéstr. 6 53113 Bonn

zur Kenntnisnahme an:

Herrn Ministerialdirektor Prof. Dr. Erich Thies


Sehr geehrter Herr Funk,
in der Anlage finden Sie den turnusmäßigen Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung. Dieser Bericht hat in einer Entwurfsfassung den nationalen Beiräten Deutschlands und Österreichs vorgelegen. Die Stellungnahmen sind im Anhang des Berichts abgedruckt; ferner sind Vorschläge, Hinweise und Bewertungen in die Endfassung des Berichts mit eingegangen.

Gerade die Einschätzung der beiden Beiräte hat die Kommission in ihrer Grundeinsicht bestärkt. in diesem Bericht

(1) die Einführung der neuen Rechtschreibung in allen Schreibbereichen genau zu untersuchen und darzulegen (Teil 1) und

(2) die inhaltlichen Hauptkritikpunkte ausführlich zu erörtern und in einem Pro und Kontra vorgeschlagene Alternativlösungen zu diskutieren (Teil 2).

Da der Befund unter (1) zeigt, dass die Einführung der neuen Rechtschreibung noch nicht abgeschlossen ist, und da unter (2) belegt wird, dass bisher vorgeschlagene Alternativen alle ihr Für und Wider haben. hat die Kommission sich entschlossen in diesem Bericht keine Vorschläge zur Veränderung zu machen.

(Ende Seite 1)

Sie möchte

(1) die Entwicklung weiter beobachten und

(2) die möglichen Veränderungen sorgfältig mit den Beiräten und der Fachwissenschaft wie der Fachdidaktik diskutieren.

Der nächste Bericht Ende 2003 wird dann, falls notwendig, explizite Vorschläge enthalten. Den staatlichen Instanzen bleiben damit bis zum Ende der Übergangszeit (31. Juli 2005) eineinhalb Jahre Zeit, um sich mit den Vorschlägen der Kommission zu befassen und sie ggf. rechtzeitig in Verordnungen umzusetzen.

Bezogen auf den jetzt eingereichten Bericht möchten wir Ihnen noch die Empfehlung des deutschen Beirats weitergeben, den Bericht öffentlich zu machen. Wir möchten unsererseits dazu raten

– dies im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und Schweiz zu tun und

eine eigene bewertende Einschätzung bzw. mögliche Konsequenzen hinzu~zufügen, um so die zu erwartende öffentliche Diskussion zumindest am Anfang zu steuern.

Da dies der erste Bericht ist, der auf eine nennenswerte Erfahrung von etwa dreieinhalb Jahren (August 1998 bis Oktober 2001) aufbaut, ist die Kommission sehr gespannt auf Ihr Urteil. Wenn Sie weitere Auskünfte undloder eine mündliche Erläuterung haben wollen, so ist die Kommission dazu gern bereit.

Bitte bestätigen Sie uns den Eingang dieses Berichts.

Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen für eine schöne Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr
Dr. Klaus Heller Geschäftsführer

Prof. Dr. Gerhard Augst Vorsitzender

Anlage: 3. Kommissionsbericht

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Matthias Dräger
24.02.2002 09.17
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3. Bericht, Inhalt, Einleitung: S. 3 - 6



Deckblatt
Inhalt
Einleitung




V E R T R A U L I C H

3. BERICHT DER ZWISCHENSTAATLICHEN KOMMISSION FÜR DEUTSCHE RECHTSCHREIBUNG

Berichtszeitraum: 1. 1.2000 bis 31.12.2001





I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

EINLEITUNG 3 – 6

TEIL A: DIE ANWENDUNG DER NEUEN RECHTSCHREIBUNG

1. Muttersprachlicher Unterricht/ Schule 7 – 15
2. Deutsch als Fremdsprache 15 – 18
3. Behörden 18 – 24
4. Nachrichtenagenturen 24 – 25
5. Presseorgane 25 – 32
6. Schulbücher und andere Verlagstexte 32 – 38
7. Wörterbücher 39 – 40
8. Fernsehen und Computerspiele 40 – 44
9. Privates Schreiben 45 – 48
10. Wirtschaft, Industrie, Werbung 48 – 49
11. Software 49 – 51
12. Anfragen bei Sprachberatungsstellen 51 – 55
13. Umschulungen – Kurse zur neuen Rechtschreibung 56 – 60

TEIL B: DISKUSSIONEN ALTERNATIVER REGELUNGEN

1. Getrennt- und Zusammenschreibung 62 – 78
2. Groß- und Kleinschreibung: Attributive Adjektive 79 – 106

ZUSAMMENFASSUNG 107 – 113

ANLAGEN

Anlage 1: „Immer wieder falsche Beispiele (zu Seite 5) 115 – 119
Anlage 2: Stellungnahme zu den Vorwürfen Th. Icklers, die 22. Auflage des Dudens würde vom amtlichen Regelwerk abweichen (30. August 2000) (zu Seite 36) 120 – 125
Anlage 3: Fragebogen (Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. VA-Geschäftsstelle, Frankfurt am Main (zu Seite 7) 126
Anlage 4: Leitfragen für Erhebung zur Auswirkung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung auf den (Recht)schreibunterricht (zu Seite 7) 127
Anlage 5: Stellungnahme des bundesdeutschen Beirats (zu Seite 6) 128 – 129
Anlage 6: Stellungnahme des österreichischen Beirats (zu Seite 6) 130 – 131











Turnusmäßig erstattet die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung Bericht. Der dritte Bericht umfasst den Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende 2001. Im Berichtszeitraum kam die Kommission zu insgesamt neun zwei- bzw. dreitägigen Sitzungen zusammen. Sie tagte:

arntvom bis in

11. Februar 2000 12. Februar 2000 Mannheim 12. Mai 2000 13. Mai 2000 Salzburg 05. Oktober 2000 07. Oktober 2000 Mannheim 08. Dezember 2000 09. Dezember 2000 Mannheim 08. Februar 2001 10. Februar 2001 Mannheim 16. März 2001 17. März 2001 Mannheim 18. Mai 2001 19. Mai 2001 Eupen 26. September 2001 27. September 2001 Berlin geplant: 09. November 2001 10. November 2001 Mannheim

Im Mittelpunkt ihrer Beratungen standen inhaltliche Fragen und das Bemühen, durch

C

Gespräche mit Gästen, Befragungen und Analysen sich ein genaueres Bild vom Stand der Umsetzung der Neuregelung in den verschiedensten Bereichen und von den damit verbundenen Problemen zu machen. Damit kam die Kommission der Aufgabe nach, die in Artikel III, Absatz 2 der Wiener Absichtserklärung formuliert ist. Dort heißt es:

»Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deut-! schen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks.«

Im Einzelnen wurden Gespräche geführt: am mit Vertretern deutschsprachiger Nachrichtenagenturen und 11. Februar 2000 Zeitungsredaktionen (unter Teilnahme von Redakteuren führender Wörterbuchverlage)-, mit Vertretern der österreichischen Nachrichtenagentur, 12. Mai 2000 österreichischen Journalisten und weiteren Gästen der Landesregierung und der Universität Salzburg;

3



Im Einzelnen wurden Gespräche geführt: am • wiederum mit Vertretern der deutschsprachigen 6. Oktober 2000 Nachrichtenagenturen; • mit Schulbuchautoren; 6. Oktober 2000 • mit Fachbeamten Osterreichs und der deutschen Bundesländer; 6. Oktober 2000 • mit Vertretern aus Verwaltung und Praxis des schulischen Bereichs 16. März 2001 (unter Teilnahme von Mitgliedern des deutschen Beirats sowie von Fachbeamten). geplant: mit Vertretern der pädagogischen Psychologie sowie 9. November 2001 Rechtschreibdidaktikerinnen und -didaktikem

Mitglieder der Kommission haben darüber hinaus in Untergruppen gearbeitet, an Beratungen und Expertengesprächen teilgenommen,

a so bei dpa am 25. September 2000

in Hamburg

oder zu Problemen der Getrennt- und Zusammenschreibung mit geladenen Gästen verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen am 15. März 2001

in Mannheim

und waren auch zugegen bei der ersten Sitzung des deutschen Beirats für deutsche Rechtschreibung am 8. Februar 2001

in Mannheim

sowie bei der zweiten Sitzung des deutschen Beirats für deutsche Rechtschreibung am 25. und 26. September 2001

Seit Mai 2001 verfÜgt die Kommission über eine eigene Webseite:

http://www.rechtschreibkommission.de

in Berlin

Diese wird von der Geschäftsstelle aus betreut. In den letzten Monaten waren durchschnittlich 175 Zugriffe pro Tag zu verzeichnen. Im Berichtszeitraum wurden von der Geschäftsstelle der Kommission außerdem wiederum viele Hundert Anfragen von Behörden, Verlagen, Unternehmen und Privatpersonen zur neuen Schreibung und zu ihrer Umsetzuno beantwortet.

C



Innerhalb der zwei Jahre, die dieser Bericht umfasst, kam es zu einer immer stärkeren Anwendung der neuen Rechtschreibprig. Dies nicht nur in den Bei-eichen, in denen die Einführung der Neuregelung durch Erlass vorgeschrieben ist (also in Schulen und bei Behörden), sondeim auch durch viele eigenverantwortliche Umstellungen, angefangen bei den Zeitungsverlagen bis hin zu privat Schreibenden. Der große Durchbruch zur Neuregelung war bereits durch die Umstellung der Nachrichtenagenturen im August 1999 eingetreten. Eine kurzzeitige Irritation ergab sich noch einmal im Sommer 2000.

C



4

Während sich zum 1. August 2000 auch die Behörden der Europäischen Union auf die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung umstellten, kehrte die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) an diesem Tag zur alten Schreibung zurück. Vorangegangen war eine Vorab-Rezension der für August angekündigten 22. Auflage des Rechtschreibduden von Th. Ickler in der WELT mit der Meldung, der Duden würde angeblich wesentliche Teile der Neuregelung zurücknehmen und die Kommission arbeite insgeheim an einer "Reform der Reform". Zwar findet die
FAZ in der Folgezeit keine Nachahmer (und selbst die ab Januar 2001 erscheinende Internetausgabe der FAZ, die "FAZ-NET", verwendet die neue Schreibung), doch löst ihr Vorgehen eine neue Welle der Diskussion aus, in der wiederum alle bekannten Vorurteile auftreten und die nur langsam abebbt.1

Die Kultusministerkonferenz beschäftigte sich deshalb auf ihrer Sitzung im Oktober 2000 mit der Einführung der neuen Rechtschreibung und spezifizierte dabei die Bereiche der Praxis, für die die Anwendung der neuen Rechtschreibung beobachtet werden soll. In ihrer Presseerklärung heißt es:

»Die Kommission wird dazu die Anwendung in Schulen, Behörden, den Printmedien und im privaten Bereich beobachten, Rechtschreibanfragen systematisch auswerten und in ihrem Gesamtbericht auch die Ergebnisse ihrer Gespräche mit Schulbuchverlagen, Zeitschriftenverlegem und Nachrichtenagenturen berücksichtigen. Sie wird dabei besonderes Augenmerk auf häufig kritisierte Teile des Regelwerks legen.«

Aus dieser Auflistung ergibt sich der Aufbau unseres Berichts: In seinem ersten Teil (Teil A) wird dargelegt, wie die neue Rechtschreibung in Schulen und Behörden sowie in nichtstaatlichen Bereichen (Printmedien, Büchern, Wörterbüchern, Film, Fernsehen, Wirtschaft, Werbung, Software u. a.) umgesetzt wird. Im zweiten Teil (Teil B) werden dann einige Bereiche der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung herausgegriffen, die besonders in letzter Zeit noch häufig kritisiert wurden. Die Kommission diskutiert dabei in einem ausführlichen Pro und Kontra Alternativlösungen.

Eine Vorform dieses Berichtes hat sowohl dem »Beirat für deutsche Rechtschreibung« der Bundesrepublik Deutschland als auch dem »Beirat für Sprachentwicklung in Österreich« vorgelegen. Zu den Aufgabenbeschreibungen des bundesrepublikanischen Beirates, dessen erste Sitzung am 8. Februar 2001 stattfand, heißt es:

»Der Beirat für die deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, zu den von der Kommission für deutsche Rechtschreibung an die staatlichen Stellen im zweijährigen Turnus vorzulegenden Berichten Stellung zu nehmen. Gegenstand der Stellungnahme ist die Praktikabilität und die Akzeptanz von Vorschlägen der Kommission in der Sprachgemeinschaft.«

Der Beirat institutionalisiert damit die Anhörungen der "schreibrelevanten" Organisationen, die seinerzeit mit dem Hearing vom 4. Mai 1993 begonnen wurden. Ihm gehören Vertreter von sechzehn Organisationen bzw. Institutionen an, die auf Wunsch auch an Expertengesprächen teilnehmen können, die die Kommission führt.

1 Vgl. auch die Ar~Jagee -0 "Immer %vieder falsche Beispiele".

5

In den Statuten des österreichischen Beirats wird zur Aufgabenstellung gesagt:

»Der Beirat hat die Aufgabe, die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur übernommene Funktion der zwischenstaatlichen Koordinierung, wie sie im Artikel IV der am 1. Juli 1996 unterzeichneten "Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" verankert ist, wahrzunehmen.

Weiters hat der Beirat die Aufgabe zu den von der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, lt. Artikel III der o. a. Absichtserklärung, im zweijährigen Turnus vorzulegenden Berichten Stellung zu nehmen. Gegenstand der Stellungnahme ist die Praktikabilität und die Akzeptanz von Vorschlägen der Zwischenstaatlichen Kommission.«

Beiden Beiräten wurde der vorläufige Bericht Anfang August 2001 zugesandt. Der bundesrepublikanische Beirat hat am 25. und 26. September über diesen Bericht mündlich verhandelt. Am ersten Tag haben der Vorsitzende und der Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission beobachtend an der Beratung teilgenommen, am zweiten Tag auch die übrigen Mitglieder der Kommission. Als Gäste nahmen auch einige österreichischd und Schweizer Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission sowie der Vorsitzende des österreichischen Beirats, Ministerialmt Dr. Fritz Rosenberger, Leiter der Gruppe V/E. BMBWK (Wien) teil. Der österreichische Beirat tagte am 18. September 2001 und erarbeitete eine Stellungnahme.

Die Stellungnahmen beider Beiräte, sowohl des bundesdeutschen wie des österreichisehen, sind diesem Bericht als Dokumente beigefügt (Anlagen 0 und 0). Die Stellungnahmen sind im vorliegenden Bericht bereits berücksichtigt worden. Dieser gliedert sich in zwei Hauptteile:

Im Teil A wird die Anwendung der neuen Rechtschreibung in der Schule, den Behörden, den Presseorganen, der Wirtschaft u. a. dargelegt.

Im Teil B werden häufig kritisierte Reformbereiche in einem Pro und Kontra der verschiedenen Lösungsvorschläge ausführlich diskutiert.

Am Schluss sind in einer Zusammenfassung die wichtigsten Sachverhalte nochmals erwähnt und die weitere Arbeit der Kommission wird kurz skizziert.

6

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.56
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3. Bericht, Teil A, 1.: S. 7 - 15



1. Muttesprachlicher Schulunterricht (S. 7 – 15)

TEIL A

DIE ANWENDUNG DER NEUEN RECHTSCHREIBUNG

1. MUTTERSPRACHLICHER UNTERRICHT / SCHULE

1.0 Vorbemerkungen

Zur Materialgrundlage

Die Kommission hat der Beobachtung der Umsetzung der Neuregelung in den Schulen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dazu die Erfahrungen unterschiedlicher an der Schule beteiligter bzw. interessierter Kräfte zusammengetragen. Der folgende Bericht stützt sich daher auf verschiedene Quellen, insbesondere auf die folgenden:

Äußerungen aus Schulbuchverlagen in einer Anhörung, die die Zwischenstaatliche Kommission am 6.10.2000 in Mannheim veranstaltet hat; an ihr haben Autoren von Schulbüchern und Vertreter von Redaktionen deutscher, österreichischer und Schweizer Verlage teilgenommen.

Äußerungen von Vertretern der Schule(der Schulbehörden, Kultusministerien und Fortbildungseinrichtungen anlässlich einer Anhörung, die die Zwischenstaatliche Kommission am 16.03.2001 in Mannheim veranstaltet hat; auch hier waren Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zugegen.

– Erhebungen, die zum Teil von Mitgliedern der Kommission selbst, zum Teil von anderen (Behörden, Pädagogischen Instituten) in einzelnen Ländern und Regionen durchgeführt worden sind und die der Kommission zur Verfügung gestellt wurden. Zum Teil sind diese Erhebungen eher punktuell orientiert, zum Teil umfassender und systematischer. Erhebungen liegen (alphabetisch geordnet) vor aus Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, NordrheinWestfalen und Thüringen sowie aus Osterreich. Uberwiegend stützen sich diese Erhebungen auf einen Fragenkatalog, den die Professoren Augst und Dehn (Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission) entwickelt haben (vgl. Anlage
0). Die bayerische Erhebung untersucht vorwiegend das Vorkommen neuer Schreibweisen in Aufsätzen von Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulformen.

Beobachtungen und Erfahrungen, die einzelnen Mitgliedern der Kommission zugegangen sind.

Grundsätzliches

Die verpflichtende Umsetzung der Neuregelung der Rechtschreibung in den Schulen begann am 1.8.1998, also vor gerade einmal drei Jahren. Erfahrungen, die in einem so kurzen Zeitraum gemacht werden, können nur vorläufig sein. Vor allem sind folgende Besonderheiten zu beachten:

Bis anhin ist noch kein Schülerjahrgang durchgängig nach den neuen Regeln unterrichtet worden. Unter diesen Umständen lässt sich nicht für alle Regeln bzw. Schreibweisen zweifelsfrei feststellen, wie sie von Neulernern verarbeitet werden. Nur bei Neulernem kann sich aber das volle Ausmaß einer eventuellen Erleichterung oder Verbesserung abzeichnen, nicht dagegen bei Umlernern, denn Umlerner müssen sich nicht nur eine neue Regel einprägen, sondern sich von einer bisher erlernten und gewohnten verabschieden. Das aber ist umso



schwerer, je erfolgreicher man beim Erlernen der alten Regeln war. Dabei ist eine mögliche Abneigung gegen Veränderungen bzw. das übliche menschliche Beharrungsvermögen noch gar nicht in Rechnung gestellt.

– Noch immer sind – innerhalb und (zumal) außerhalb der Schule – Texte in alter Rechtschreibung weit verbreitet. Hier liegt – da normgetreues Schreiben nicht nur durch Regelvermittlung erlernt, sondern auch durch Einprägen von Wortbildern erreicht wird – zweifellos ein Hindernis. Das gilt auch für die in den Schulen verwendeten Schulbücher, denn auch wenn die Lernmittel in unterschiedlichem Ausmaß (s. u.) umgestellt sind, so sind doch noch zahlreiche Bestände vorhanden, vor allem in den Ländern, in denen Lernmittelfreiheit nach dem Ausleihprinzip durchgeführt wird.

– Die noch häufige Konfrontation mit Texten in alter Rechtschreibung ist insbesondere bei der Betrachtung von Fehlerhäufigkeiten zu berücksichtigen. Dabei ist außerdem hoch zu gewichten, dass in der Schule noch keine Fehler markiert (im Sinne von 'angerechnet') werden; wenn die Übergangszeit und die Fehlertoleranz beendet sind, wird sich auch ein stärkerer Antrieb zur Fehlervermeidung ergeben.

– Zu wichtigen Bereichen der Neuregelung – zum Beispiel der Nutzung der Entscheidungsfreiheit des Schreibers/der Schreiberin bei der Zeichensetzung – fehlt es noch an ausgereiften didaktischen Materialien und Konzepten der Vermittlung. Auch tragfähige didaktische Lösungen brauchen Zeit, unter anderem für die Bewährung in der schulischen bzw. unterrichtlichen Praxis. Wieder ist zu bedenken, dass didaktische und methodische Innovationen nicht einmal bei einem einzigen Schülerjahrgang in der Praxis beobachtet werden konnten.

– Bezüglich der Neuregelung flammt nach wie vor immer wieder ein öffentlicher Streit der Meinungen auf, es ist daher nicht auszuschließen, dass bei allen Erhebungen persönliche Einstellungen der Befragten bei der Abgabe ihrer Bewertung wirksam werden. Außerdem könnte sich bemerkbar machen, dass Einzelne damit rechnen oder befürchten, die Entscheidung sei noch nicht endgültig, und sich deshalb zurückhaltend verhalten.

1.1 Allgemeines

Die Einführung der neuen Rechtschreibung in der Schule war in allen Ländern gut vorbereitet. So hatte es seit sehr früher Zeit und dann immer wieder Informationen in diversen Publikationsorganen für eine breitere Öffentlichkeit gegeben, und gerade in der Schule hat sich positiv ausgewirkt, dass es von fi-üh an systematische, speziell an Lehrer adressierte Information auf verschiedenen Wegen gegeben hat.

Information, Betreuung und Ermunterung durch die Behörden waren, nachdem die Neuregelung einmal beschlossen war, sehr gut. Die Einfühi-ung der Neuregelung an den Schulen war insgesamt geprägt durch Ermunterung (zum Beispiel sofort anzufangen), handhabbare Ratschläge, schnelle Umstellung der Schulbücher und überlegte Gewichtung.

Bei den Schulbüchern wurden grundsätzlich zuerst die "rechtschreibrelevanten" Texte umgestellt (Texte, in denen über orthografische Phänomene gehandelt wird), in zweiter Linie Deutschlernmittel, in dritter alle anderen. Für die beiden ersten Gruppen kann man heute sagen, dass die Umstellung vollzogen ist; in der letzten Gruppe sind die Umstellungen in unterschiedlichem Ausmaß, im Ganzen aber recht weit gehend erfolgt. Das besagt aber nicht, dass an den Schulen nicht auch noch Bücher in alter Rechtschreibung Verwendung finden.

8

Es gab – spätestens ab 1996 – intensive Lehrerförtbildung, zum Teil auf Antrag -durch Einzelschulen oder Lehrergruppen, zum Teil von Schulverwaltungen organisiert (freiwillig oder obligatorisch). In der Lehrerschaft sind die Veranstaltungen durchweg gut aufgenommen worden: Im Ganzen fand die Neuregelung eine wohlwollende Aufnahme.

Es ist gelungen, die Vorteile, die sie für Lehrende und Lernende mit sich bringt, einsichtig zu machen. So artikulierte sich in der Schule kaum Widerstand, nur Nachfrage. Das gilt besonders für die Kolleginnen und Kollegen, die Rechtschreibung zu unterrichlen haben, also für die Lehrenden auf der Primarstufe und der Sekundarstufe I, in geringerem Maße für die Sekundarstufe II.

1.2 Die Akzeptanz der Neuregelung in der Schule

Wenn man die von Schulbehörden, Schulen, Lehrkräften, Fortbildungseinrichtungen, Verlagen, Redakteuren und Autoren aus der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz vorliegenden Berichte bzw. Äußerungen zusammenfasst, ergibt sich als übereinstimmendes Resultat, dass die Umsetzung der Neuregelung in den Schulen problemlos erfolgt ist. Der Unterricht nach den neuen Regeln verläuft ohne Auffälligkeiten. Auf einer allgemeinen oder grundsätzlichen Ebene kann daher festgestellt werden, dass die Neuregelung in der Schule angenommen worden ist und sich – soweit dies nach so kurzer Zeit gesagt werden kann – bewährt hat. Dabei gibt es in Teilbereichen und zu Einzelheiten auch unterschiedliche Reaktionen.

Bei der Beurteilung der Bewährung in der unterrichtlichen Praxis stellt sich insbesondere die Frage, ob die von der Neuregelung erwartete Erleichterung des Lernens tatsächlich eingetreten ist. In verschiedenen Erhebungen wurden Lehrkräfte sowohl allgemein als auch speziell für die verschiedenen Bereiche danach gefragt; in diesen Fällen wurde die Frage nach der Erleichterung jeweils eindeutig bejaht. Soweit Bewertungsskalen verwendet wurden, gab es günstige Werte; sofern nach der Zustimmung gefragt wurde, betrug sie meistens über 90 %. Das bedeutet: Man kann sagen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte in der Neuregelung einen Gewinn erkennt.

Allerdings muss dieses allgemeine Bild differenziert werden:

Sofern zu Einzelbereichen der Neuregelung Erhebungen durchgeführt und in Berichten Stellung genommen wurde (Brandenburg, Hamburg, Hessen, Thüringen, Österreich), ergibt sich eine [teilweise von über 90 % der Befragten gestützte] positive Beurteilung in folgenden Teilbereichen:

durchgehende Trennung nach Sprechsilben bei nicht zusammengesetzten Wörtern

Trennung von st

Neuregelung der sslß-Schreibung

[verstärkte] Beachtung des Stammprinzips bei der Wortschreibung

Neuregelung der Getrenntschreibung von Substantiv und Verb

Trennung von ck

Neuregelung der Schreibung beim Aufeinandertreffen dreier gleicher Buchstaben

Regelung der Großschreibung von Substantiven und Substantivierungen

9

1



- Kommasetzung bei mit undloder verbundenen Hauptsätzen

– Kommasetzung bei Infinitiven mit zu

– Getrenntschreibung zweier Verben im Infinitiv.

Die Bewertung anderer Bereiche weicht davon ab. Auf Skalen werden nur mittlere Werte erreicht; Zustimmungswerte sinken auf etwa zwei Drittel. Unterschiedliche Vorbehalte werden geltend gemacht für

– die Getrennt- und Zusammenschreibung allgemein und speziell für die Verbindung von Adjektiv bzw. Adverb und Verb, wobei die Anwendung grammatischer Proben problematisiert wird;

– die Groß- und Kleinschreibung speziell im Bereich der Adjektive in Eigennamen und festen Verbindungen (Nominationsstereotype)-,

– die Kommasetzung bei der Wiedergabe von wörtlicher Rede;

– die eingedeutschte Version von Fremdwörtern.

Hier wird deutlich Diskussionsbedarf angemeldet, wobei die Lösung fast durchweg nicht in einer Rückkehr zu den alten Bestimmungen gesucht wird, sondern in einer Weiterführung der Reform mit weiteren Vereinfachungen und Systematisierungen.

Ebenfalls als Hinweis zugunsten der Bewährung der Neuregelung in der schulischen und unterrichtlichen Praxis muss gewertet werden, dass die Frage, ob die Neuregelung zu neuen orthografischen Problemen geführt habe, dezidiert und auf hohem Niveau verneint wird.

Gewisse Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz lassen sich auch in den verschiedenen Schulstufen beobachten. Pauschal lässt sich hier feststellen,

– dass (a) bei Lehrern, die die Rechtschreibung unterrichten (also den Lehrenden auf der Primarstufe und der Sekundarstufe 1) die Zustimmung größer ist als bei denen, die Rechtschreibung nicht systematisch unterrichten, und – partiell mit (a) zusammenstimmend -

– dass (b) die Zustimmung dort größer ist, wo mit Neulernern gearbeitet wird, zurückhaltender dort, wo man mit Umlemern arbeitet.

Wo Kritik geäußert wird, richtet sich diese oft nicht gegen Veränderungen durch die Neuregelung, sondern dagegen, dass die Veränderungen nicht noch weiter gegangen

C

sind. Entsprechend aufschlussreich sind die geäußerten Vorschläge, die in unterschied

im

licher Gewichtung deutlich einer Weiterführung der Reform das Wort reden. Verschwindend gering sind Voten, die eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung präferieren.

Vor diesem Hintergrund sind im Einzelnen die folgenden Feststellungen zu treffen.

10

1.3. Zur Akzeptanz der einzelnen Neuregelungs

bereiche

Laut-Buchstaben-Zuordnung

Die Akzeptanz der Veränderungen bei der Laut-Buchstaben-Zuordnung ist durchweg hoch bis sehr hoch. Das gilt besonders für die Neuregelung der ssffl-Schreibung (hier ist die Schweiz auszunehmen, die diese Unterscheidung nicht kennt), es gilt für die Stärkung des Stammprinzips und – mit einem gewissen Abstand – für die Neuregelung der Schreibung beim Aufeinandertreffen dreier gleicher Buchstaben. Im Detail ist zum einen interessant, dass nur wenige in der Neuregelung der ss/ß-Schreibung ausdrücklich keine Vorteile erkennen können, zum andern, dass hier zwar Übergeneralisierungen beobachtet werden, dass aber ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es Übergeneralisierungen schon immer gegeben hat.

Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach den Ergebnissen einer Erhebung (Bayern) zur Anzahl der neuen Schreibweisen in Schüleraufsätzen 85
Olo der in den Texten vorkommenden veränderten Schreibungen auf die Laut-Buchstaben-Zuordnung entfallen. Das bedeutet: Für den weitaus am stärksten die Praxis berührenden Teil der Neuregelung ist die Resonanz besonders positiv.

Etwas detaillierter sei hier auf eine wissenschaftliche Untersuchung eingegangen, die im vergangenen Jahr in der Presse für einige Aufregung gesorgt hat. Es handelt sich hier urn eine Studie von Harald Marx 2 , der zweimal je ca. 300 Kinder aus den Klassen 2, 3 und 4 untersucht hat: Anfang 1996, also ein halbes Jahr vor Einführung der Neuregelung in den Schulen, und Anfang 1998, also eineinhalb Jahre nach der Einführung. Er hat dazu einen von ihm neu entwickelten Rechtschreibtest verwendet, bei dem in einen Lückentext 44 Wörter eingesetzt werden müssen. Dabei handelt es sich um 22 Wortpaare (Homophone wie rinni – Rind~ Heteronyme wie irre – ihre, Homonyme wie Macht -macht). 10 ltems betreffen die s-Schreibung (Schläss – schloss, Nest – nässt, floss – Floß; Schoß -schoss; weisen – weißen), die Hälfte davon enthält eine sSchreibung, die sich nach der Neuregelung vonß nach ss verändert hat.

Für unseren Zusammenhang wichtig ist, dass Marx keinen positiven Reformeffekt für die sWörter fand:- Vielmehr schneiden die nach der Neuregelung unterrichteten Kinder sowohl bei den reformkritischen s-Wörtern wie auch bei den reformunkritischen Wörtern deutlich schlechter ab als die nach der alten Regelung unterrichteten Kinder. Dieser Befund gilt sowohl für monolinguale wie für bilinguale Kinder; auch die rechtschreibschwachen Kinder lassen keinen positiven Reformeffekt erkennen. Bei den übrigen Wortpaaren des Tests waren keine signifikanten Unterschiede in der Rechtschreibleistung zwischen den Schülergruppen erkennbar.

2 H. Marx (1999): Rechtschreibleistung vor und nach der Rechtschreibreforrn: Was ändert sich bei Grundschulkindern? Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 31 (4), 180-189.

11

Dem Befund ist in der Fachdiskussion widersprochen worden. So hat sich Sigrun Richter zu 3

Wort gemeldet . Sie kritisiert die geringe Zahl kritischer Wörter aus dem Test; vor allem aber stellt sie heraus, 4 dass es sich bei den 1998 untersuchten Kindern um Umlerner handelt und dass auch Neulerner _ noch für längere Zeit – im schulischen und außerschulischen Schriftumfeld sowohl alter als auch neuer Rechtschreibung begegnen. Insofern ist nach ihrer Meinung der Zeitpunkt, Reformeffekte zu überprüfen vorläufig noch nicht gekommen. Im Ubrigen ist (s. o.) auf die grundsätzlichen Vorbemerkungen zu den Fehlerhäufigkeiten zu verweisen.

Getrennt- und Zusammenschreibung

Bei diesem Teilbereich der Neuregelung ist noch einmal zu differenzieren:

Eine positive Resonanz und Aufnahme haben die Regelungen für die Getrenntschreibung von Substantiv und Verb (Typus Radfahren) und von Verb und Verb im Infinitiv (Typus spazieren gehen) gefunden.

Wie oben schon angedeutet, trifft dies für die Regelungen der Getrennt- und Zusammenschreibung von Adjektiven bzw. Adverbien und Verben nicht zu. Hier werden auf Bewertungsskalen ungünstigere Werte erzielt, werden unterschiedliche Vorbehalte (zu viele Ausnahmen, mangelnde Eindeutigkeit) vorgebracht; bei Befragungen erreicht der Anteil derjenigen, die einen Vorteil erkennen, nur etwa zwei Drittel. Der Eindruck, dass der Gewinn durch die Neuregelung an dieser Stelle als nicht sehr groß angesehen wird, wurde auch gestützt durch verschiedene Voten bei der Anhörung. Allerdings hat man weder hier noch in den Erhebungen einer [Wieder-lEinführung des Kriteriums der semantischen Unterscheidung das Wort geredet.

Bei der Bewertung dieses Befunds ist zu beachten, dass die Regelung der Getrennt- und Zusammenschieibung zu den Punkten gehört, die in der öffentlichen Diskussion besonders hart angegriffen worden sind. Das hat mehrere Gründe:

Zunächst ist festzuhalten, dass der ganze Bereich von der Vorläuferregelung ausdrücklich ausgeblendet und praktisch nur durch Faustregeln und durch die Kodifizierung im Wörterbuch "geregelt" war. Im Grunde handelte es sich dabei oft um Eü=Ifallfestlegungen. Die Neuregelung ist mit dem ausdrücklichen Programm angetreten, Einzelfallfestlegungen zu minimieren und sie allgemeineren Regeln zu unterwerfen. Sie musste dabei in Kauf nehmen, dass es zu Neuschreibungen kam, die einer langen Gewohnheit entgegenstanden. Das hat Anstoß erregt. Die öffentliche Debatte hat solche Fälle (immer wieder die gleichen) genüsslich aufgegriffen, und so manches davon ist in die Schule geschwappt.

Sodann ist die linguistische Unterscheidung von "Woi-tgruppe' (auseinander zu schreiben) und "Zusammensetzung" (zusammenzuschreiben) schwer und letztlich nicht mit absoluter Sicherheit möglich.

3 S. Richter (2001): Schlechtere Rechtschreibleistungen nach Rechtschreibreform? Kritische Betrachtungen zu einer Untersuchung von Harald Marx. In: M. Fölling-Albers, S. Richter, H. Brügelmann, A. Speck-Hamdan(Hrsg.): JahrbuchGrundschulelll. FragenderPraxis- Befunde der Forschung. Velber, 141-143.

Für Neulemer hat H. Marx Anfang 2001 die Untersuchung wiederholt. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

12

Erwähnenswert ist bei all dem schließlich, dass der ganze Bereich bis zur Neuregelung von den Schreibenden und Lesenden immer als eher peripher behandelt worden ist. Verstöße gegen die "Regeln" fielen nicht auf, man schrieb, weil man nicht ständig im Wörterbuch nachsehen wollte, wie es gerade kam, und die Lesenden, die es ja auch nicht so genau wussten, nahmen daran keinen Anstoß. Das hat sich gründlich geändert. Die Sensibilität der Lesenden und der Schreibenden (sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule) ist im Moment außerordentlich hoch. Das begründet so manche Reaktion, die zu anderen Zeiten anders ausgefallen wäre.

Was ist zu tun? Die Kommission ist sicher, dass sich in der Schule didaktische Lösungen erarbeiten lassen, die den Umgang mit diesem Problem lösbar machen. Die nach der Umstellung erschienenen Lernmittel leisten zu diesem Zeitpunkt noch zu wenig. Es muss dafür Sorge getragen werden hier Abhilfe zu schaffen. Die Gespräche mit Vertretern des schulischen Bereichs sowie Rechtschreibdidaktikerinnen und -didaktikem im März und im November 2001 haben Hoffnungen in diese Richtung geweckt (und noch einmal sei dar~n erinnert, dass nach Einschätzung der Kommission dieser Bericht zu einem sehr frühen Zeitpunkt erfolgt). Außerdem erwartet die Kommission, dass sich im Laufe der Zeit die alte Großzügigkeit in diesem Bereich wieder einstellen wird.

Groß- und Kleinschreibung

Die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung wird im Ganzen positiv beurteilt. Nur in Einzelfragen wird weitere Stringenz gewünscht.

Eine deutliche Ausnahme bildet allerdings der Bereich der Unterscheidung von (mehrwortigen) Eigennamen (Typus Rotes Kreuz) und Nominationsstereotypen (Typus schwarzes Brett) - wobei ausdrücklich festgehalten sei, dass auch hier die Mehrheit der Befragten gegenüber der Vorgängerlösung einen Gewinn sieht, jedoch nur einen geringen.

Die Unterscheidung von Eigennamen und Nominationsstereotypen (auch in der Schreibung) ist im Grunde nicht neu. Sie war im Regelteil der Wörterbücher schon vor der Neuregelung gemacht worden, wurde aber durch die Wörterverzeichnisse tendenziell nicht selten unterlaufen. Das ist in aller Regel nicht wahrgenommen worden. Wenn heute hier ein Problem existiert, hat das nicht zuletzt mit der erhöhten Sensibilisierung zu tun, die auch anderen Bereichen zu erhöhter Aufmerksamkeit verholfen hat (s. o.). Die Schule sollte hier großzügig sein.

Zeichensetzung

Die Neuregelung der Zeichensetzung erhält in der Schule durchweg gute Noten (hohe bis sehr hohe Zustimmung), doch liegt der Kommission daran, hier ausdrücklich auf ein Problem hinzuweisen:

Deutlich positiv wird die Neuregelung der Zeichensetzung bei mit und und oder verbundenen Hauptsätzen und bei Infinitiven mit zu beurteilt: Hier wird eine Erleichterung gesehen. Auf die Frage, ob die Schüler den durch die Neuregelung eröffneten Spielraum stilislisch nutzen, wird aber oft eine negative Antwort gegeben: Das Komma wird ein

13

fach weggelassen. Die Kommission r~&istrielt eine solche Entwicklung mit Bedauern, sie sieht aber Remedur nicht in einer Anderung der Regelung, sondern in didaktischen Maßnahmen (vgl. hierzu auch die Anmerkung zu den noch fehlenden didaktischen Materialien).

Mehrheitlich positiv wird auch die Neuregelung der Kommasetzung bei der Anführung direkter Rede beurteilt, doch sind hier auch kritische Stimmen zu registrieren.

Worttrennung arn Zeilenende

Die Zustimmung zur Neuregelung der Worttrennung am Zeilenende ist am deutlichsten: Alle Einzelheiten der Neuregelung werden positiv bewertet.

1.4 Zur Akzeptanz der Neuregelung auf den ver

schlfedenen Schulstufen

Eine Ausweitung des vorliegenden Materials bezogen auf verschiedene Schulstufen/ Schulformen zeigt ein im Ganzen positives, im Detail aber auch signifikant unterschiedliches Bild.

Die größte Zustimmung ei-fährt die Neuregelung auf der Primarstufe; hier liegt der Anteil derjenigen, die in den neuen Regeln einen Gewinn sehen, besonders hoch bzw. werden auf Bewertungsskalen besonders günstige Werte erzielt.

Dieses Ergebnis hat in den Augen der Kommission deshalb eine besondere Aussagekraft, weil sich nur auf der Primarschule die Erfahrungen auch auf den Unterricht mit Neulernern beziehen. In allen anderen Schulformen muss man bislang die Probleme der Umlerner beachten. Eine Erleichterung des Erwerbs von Rechtschreibkenntnissen kann man aber besonders gut bei Neulernern beobachten.

In den höheren Jahrgangsstufen bzw. Schulformen ist die Zustimmung nicht ganz so hoch. Die Werte auf IB--wertungsskalen sinken. Der Anteil derjenigen, die in einzelnen Fällen keine Erleichterung sehen, steigt auf 20 % bis 25
Olo, in den schon genannten kritischeren Bereichen auch über 30 Olo. Gleichwohl behalten in jedem Fall diejenigen die klare Mehrheit, die einen Fortschritt in unterschiedlichem Umfang bejahen.

1.5 Wünsche nach weiteren Reformmaßnahmen

Die Kommission hat sich auf unterschiedliche Weise darum bemüht, neben Urteilen über die Neuregelung auch Wünsche nach weiteren Reförmmaßnahmen zu erheben. Hierüber zu berichten ist naturgemäß besonders schwierig: Man kann lakonisch festhalten, dass es keinen Wunsch gibt, der nicht geäußert worden ist (bis hin zur Forderung, neue Buchstaben einzuführen und bisher gebräuchliche abzuschaffen). Die nachfolgend zusammengestellten Aussagen stellen unter diesen Umständen eine Auswahl dar, der immerhin einige Repräsentativität zukommt.

14

Wichtig vor allem anderen ist, dass nur sehr selten die [vollständige] Rückkehr zu den bisherigen Regeln verlangt -wird. Dies zeigt, dass im Gegensatz zu der immer wieder vertretenen Behauptung, die alten Regeln hätten sich "bewährü', die Fachlehrkräfte für Deutsch – mit Ausnahme einer verschwindenden Minderheit – diese durchaus nicht für geeignet halten.

Auch von denen, die die Neuregelung in den genannten Teilbereichen der Getrennt- und Zusammenschreibung bzw. der Groß- und Kleinschreibung skeptischer beurteilen, wird eine Lösung in noch stärkerer Systematik, im Abbau von Ausnahmen, in einer "Weiterführung6' der Neuregelung gesehen. Die einzelnen Anregungen werden jedoch in aller Regel unkonkret geäußert, d. h. es werden nicht bestimmte Maßnahmen gewunscht, sondern pauschal Veränderung in Richtung einer einfachen Praktikabilität. Dabei verlangt niemand z. B. eine Rückkehr zur früheren völligen Unübersichtlichkeit der Getrennt- und Zusammenschreibung mit ihren zahlreichen Einzelfestlegungen. Wo sich die Wünsche konkreter artikulieren, gehen sie tendenziell in Richtung einer vermehrten Freigabe der Schreibung.

Immer wieder – mit besonderer Häufigkeit auf der Primarstufe – wird dezidiei t die Einführung der Substantivkleinschreibung gefordert. Die Kommission sieht darin einen Beleg für die unverändert vorhandene Uberzeugung vieler Lehrkräfte, dass hier weiterhin Reformbedarf besteht.

Neben diesen – eher grundsätzlich orientierten – Vorschlägen werden an weniger weit greifenden öfter genannt:

• Abschaff-ung der ai-Schreibung;

• Abschaff-ung der äu-Schreibung bei Wörtern, die keinen Stamm mit au aufweisen (z. B. Säule, räuspern);

• Vermehrte Eindeutschung bei Fremdwörtern, die nicht aus einer modernen Sprache kommen; der Vorschlag zielt vor allem auf [wenig gebräuchliche] griechische Fremdwörter,

eine praktikable Regelung für ein verbindliches Komma beim Infinitiv mit zu,

die Rückkehr zum verbindlichen Komma bei mit undloder verbundenen Hauptsätzen;

die Forderung nach völligem Verzicht auf dasß; relativ häufig wird in diesem Zusammenhang auch der Verzicht auf die Differenzierung von das und dass verlangt.
^(Noch S. 15)

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.51
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3. Bericht, Teil A, 3.: S. 15 - 18



2. Deutsch als Fremdsprache (S. 15 – 18)

2. DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE (DaF)

Was die Einführung der neuen Rechtschreibung im Bereich Deutsch als Fremdsprache angeht, so ist man zurzeit weitgehend auf persönliche Erfahrungen (Gespräche mit Deutschdidaktikern, Teilnahme am Unterricht) angewiesen. Verschiedene Kommissionsmitglieder haben aber bei Reisen ins Ausland, auf Konferenzen und bei ähnlichen Gelegenheiten Gespräche mit Lehrenden und Lernenden geführt, die vorsichtige Aussagen zur Umsetzung der neuen Rechtschreibung im Bereich Deutsch als Fremdsprache zulassen. Systematische Untersuchungen gibt es bisher kaum.

15

Bei den Germanisten in nichtdeutschsprachigen Ländern kann man, vergleichbar den Germanisten in deutschsprachigen Ländern, grob zwei Gruppen unterscheiden:

a

diejenigen, die vornehmlich mit der Lehre der deutschen Sprache (für Anfänger und Fortgeschrittene) befasst sind,

und diejenigen, die, darauf aufbauend, Germanistik als Fachwissenschaft (Literaturwissenschaft, Linguistik, Kulturwissenschaft) lehren.

Die Angehörigen der ersten Gruppe waren nach Einführung der neuen Rechtschreibung zunächst verunsichert und sehr daran interessiert, Informationen aus Büchern, Zeitschriften, Vorträgen und Seminaren zu erhalten. Sprachwissenschaftler aus Deutschland, besonders Anhänger der neuen Rechtschreibung, waren als Referenten und Kursleiter sehr gefragt. Später, als sie merkten, dass sich durch die neue Rechtschreibung wenig verändert hat, waren diese Deutschlehrenden je nach Standpunkt verärgert (weil sie sich eine größere Reform gewünscht hatten) oder erleichtert (weil sie ihre Unterrichtspraxis und zum Teil auch ihre Lehrmaterialien beibehalten konnten). Sehr verbreitet ist die Meinung, dass die neue Rechtschreibung – im Vergleich zu anderen, besonders grammatischen Problemen – den Lernenden keine besonderen Schwierigkeiten bereitet, ja, dass sie in manchen Bereichen das Schreiben- und Lesenlemen erleichtert.

Die Angehörigen der zweiten Gruppe, besonders die Literaturwissenschaftler, standen und stehen der neuen Rechtschreibung weitgehend kritisch gegenüber. In Gesprächen zeigt sich jedoch, dass ihr Interesse an der neuen Rechtschreibung und danüt auch ihr Wissen um Einzelheiten der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung meist sehr gering ist. Immer wieder kann man Äußei ungen hören wie Jch bedauere, dass das ß abgeschafft wurde" oder"Dass Philosophie nun mitf geschrieben werden soll, finde ich grässlich" oder "Ist die Reform inzwischen eingeführt?". Wegen des mangelnden Interesses gibt es keine nennenswerte Opposition dieser Gruppe gegen die neue Rechtschleibung. Exemplarisch seien die Ergebnisse zweier Umfragen angeführt:

1 ) Das INSTITUT
FÜR INTERNATIONALE KOMMUNIKATION in Düsseldorf hat nach der Rückkehr der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zur alten Rechtschreibung und der sich anschließenden Diskussion eine Umft-age im Internet durchgeführt, an der sich 176 Personen aus 33 Ländern beteiligten: 40,9 % sprachen sich für die Rücknahme, 59,1 % für die Beibehaltung der Reform aus (Einzelheiten, vor allem auch Kommentare aus didaktischer Sicht unter http://www.iik-duesseldorfde). Man muss hierbei bedenken, dass solche Umfragen selbstverständlich nicht repräsentativ sein können und dass sich an ihnen bekanntlich eher die Gegner als die Befürworter der neuen Rechtschreibung beteiligen.

C

2) Der ungarische Germanist Csaba Földes hat sich in mehreren Beiträgen mit den Auswirkungen der Rechtschreibreform auf den Deutschunterricht für Ausländer, insbesondere für Ungarn, befasst und sich auch mit der – geringen – Anzahl von Arbeiten zu diesem Themenbereich auseinander gesetzt. Zusammen mit einer Kollegin legte er Lehrern unterschiedlicher ungarischer Schultypen sieben Fragen (mit Unterfragen) vor, die sich auf die Unterrichtspraxis beziehen. Da sich die aus der

16

Umfi-age ergebenden Folgerungen vermutlich auch auf andere Länder übertragen .. 5

lassen, seien sie hier in Auszügen zitiert

»Auf die eingangs gestellte Frage nach den Schwerpunkten, die anhand der neuen Rechtschreibung im DaF-Unterricht wesentlich anders angegangen werden sollten als im Unterricht Deutsch als Muttersprache, möchten wir aufgrund unserer Untersuchung folgendermaßen zurückkommen:

1. Hinsichtlich der Aussprache- sei auf die unter Frage 3.1 ("Wechsel ss -ß" und "unterschiedliche Zuordnungen von Graphemen und Phonemen" erörterten Schwierigkeiten der DAF-Lernenden hingewiesen, welche vor allem mit dem anderen Lemweg zu tun haben als bei muttersprachlichen Schüler[inne]n: Die den Wechsel ss -ß und die Graphem-Phonem-Zuordnungen betreffenden Regeln können bei den DaF-Lemenden anders operationalisiert werden. Auf diese Erkenntnis sollte man u. E. entsprechende didaktisch-methodische Wege im DaF-Unterricht aufbauen. Es wäre auch zu erwägen, wann mit der Schrift generell bei DaF-Lernenden begonnen werden sollte. Wenn nämlich zu früh geschrieben wird, kann sich dies u. U. auf die schon zuvor erworbene Aussprache'destabilisierend auswirken. Dafür liefert die Praxis des DaF-Unterrichts zahlreiche Beispiele. Sollte nicht vielleicht mit der Schrifteinführung in der Fremdsprache Deutsch abgewartet werden, bis die Schüler[innen] nach der logographischen und phonographischen Phase in der muttersprachlichen Rechtschreibung die orthographische Phase erreicht haben? In diesem Zusammenhang dürfte hoffentlich plausibel sein, dass mit Diktaten im Rechtschreibunterricht DaF ein besonders zurückhaltender Umgang zu empfehlen ist.

2.

Gleichheiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der deutschen Sprache und der Muttersprache der DaF-Lernenden sollten ebenfalls vorsichtiger und auch umsichtiger [ ... ] betrachtet werden, denn pauschale Schlussfolgerungen führen zu falschen didaktisch-methodischen Schritten im Rechtschreibunterricht DaF.

Die Hochschulgermanistik sollte zur Unterstützung eines Umstellungskonzeptes beitragen. Auf die universitären Lehrkräfte im Ausland kommen andere Aufgaben als bei der Umstellung auf die neue Orthographie in den deutschsprachigen Ländern zu. In erster Linie könnte es sich hier um Fortbildungen für die DaF-Lehrkräfte und um eine adäquate Vorbereitung der Studierenden auf ihre Unterrichtspraktika an den Schulen handeln.«

Für Cine generelle Beurteilung der Auswirkungen der neuen Rechtschreibung auf den Bereich Deutsch als Fremdsprache ist es noch zu früh. Es ist aber wohl berechtigt, schon jetzt folgende Thesen aufzustellen:

Bei der Umstellung auf die neue bleme.

Rechtschreibung gibt es keine gravierenden Pro

Die Behauptung einiger Gegner, die neue Rechtschreibung schade der deutschen Sprache im Ausland, lässt sich nicht belegen.

Die hausinternen Festlegungen der Nachrichtenagenturen und einiger Zeitungen haben – von einigen Gegnern der Neuregelung (Rolland, Neubauer) zu soundsoviel nebeneinander geltenden Orthografien hochstilisiert -vorübergehend für Irritationen gesorgt~ stellen aber für Deutsch als Fremdsprache kein ernsthaftes Problem dar.

Ewa Drewnowska-Vargän6/Csaba Földes (1999): Überlegungen zur Umstellung auf die neue deutsche Orthographie aus der Perspektive von Deutsch als Fremdsprache und Auslandsgermanistik. In: LernSprache Deutsch, Jg. 7, 1999, S. 99f.

17

Die neue Rechtschreibung hat dazu geführt, dass das Nachdenken über Schrift und Orthographie bei den Lehrenden zugenommen hat und der Rechtschreibung im Unterricht ein höherer Stellenwert eingeräumt wurde. Früher habe, wie es in der didaktischen Literatur heißt, die Rechtschreibung im Unterricht keine allzu große Rolle gespielt, vielleicht deshalb, weil die deutsche Rechtschreibung als vergleichsweise leicht gelte.

Zu empfehlen ist, dass Rechtschreibexperten und -didaktiker aus deutschsprachigen Ländern ihre ausländischen Kolleginnen und Kollegen bei der Umsetzung unterstützen, auch bei der Entwick199 von Lehrmaterialien, und dass der Bereich Deutsch als Fremdsprache bei allen Uberlegungen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung stärker berücksichtigt wird.
(Noch S. 18)

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.41
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3. Bericht, Teil A, 3.: S. 18 - 24



3. Behörden (S. 18 – 24)

3.BEHÖRDEN

Für den Schrift-verkehr der Behörden aller deutschsprachigen Staaten gilt inzwischen die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung.

In Deutschland haben acht der sechzehn Bundesländer die Neuregelung zum 1. August 1998 eingeführt, und zwar Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Noch im gleichen Jahr folgten Brandenburg und Bremen. Zum 1. Januar 1999 kamen Baden-Württemberg, Bayern und Berlin hinzu, zum 1. August 1999 Mecklenburg-Vorpommern, zum 1. Oktober 1999 Schleswig-Holstein und zum 1. Januar 2000 Hamburg.

Berlin, Brandenburg und Sachsen haben die Übergangszeit bis zum 3 1. Dezember 1999 begrenzt, alle anderen Bundesländer mit Ausnahme von Hamburg, das keine Übergangszeit angibt, wollen die Übergangszeit zum 31. Juli 2005 bzw. Ende 2005 (Bayern) beenden oder geben allgemein das Jahr 2005 als Ende der Übergangszeit an (Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen).

Dreizehn Bundesländer stellen die Anwendung von Variantenschreibungen ausdrücklich frei; Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern mahnen aber Einheitlichkeit innerhalb eines Textes an. Bremen und Hessen machen hierzu keine Angaben. Nur in einem einzigen Bundesland, in Sachsen-Anhalt, werden (mit den Empfehlungen des Justizministeriums vom 8. Februar 2000) ins Einzelne gehende Aussagen für den allgemeinen Schriftverkehr der Behörden gemacht. Die Empfehlungen betreffen vor allem die integrierte Schreibung von Fremdwörtern bei nicht fachsprachlichem Gebrauch, sodann die generelle Bevorzugung der Zusammenschreibung bei mehreren zugelassenen Variantenschreibungen und die Beschränkung der Schreibung mit Bindestrich auf Zusammensetzungen mit Eigennamen sowie beim Aufeinandertreffen dreier gleicher Vokale und schließlich die Beibehaltung der Kommasetzung vorund bei gleichrangigen Teilsätzen sowie bei Infinitivgruppen.

Einige Bundesländer kennen spezielle Vorgaben für die "Normsprache", d. h. Gesetzestexte u. Ä. So stellen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern (bei Einheitlichkeit innerhalb eines Textes) die Anwendung von Varianten ausdrücklich fi-ei, während Brandenburg und Schleswig-Holstein Variantenschreibungen hier untersagen und die alten

C

Schreibungen verlangen. In Sachsen soll der Normprüfungsausschuss die einheitliche

Anwendung der Variantenschreibungen überprüfen; gelegentlich wird auf eventuelle

18

Sonderregelungen durch die Justizministerkonferenz (Rheinland-Pfalz, Saarland) *bzw. durch das Ministerium für Justiz und Europaangelegenheiten (Thüringen) verwiesen.

Für die deutschen Bundesbehörden gilt die neue Rechtschreibung ab 1. August 1999.

Neuregelung(Variantenschreibung in den Landesbehörden

In allen Bundesländern gilt inzwischen für den Schriftverkehr der Behörden die Neuregelung der Rechtschreibung. In acht Ländern wurde sie zum 1. August 1998 eingeführt.

Baden-Württemberg: Anordnung vom 5.10.1998

1.01.1999; Uber gangszeit bis 31.07.2005

keine Angaben zu Varlanten, aber Einheitlichkeit innerhalb eines Schriftwerks

vorgeschriebene Formulierungen werden entsprechend angepasst

keine Angaben

Bayern: Beschluss vom 15.12.1998

1.01.1999; Ubergangszeit bis Ablauf des Jahres 2005

Anwendung der Varlanten freigestellt

Anwendung der Varianten freigestellt

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Berlin: Verw. Vorschr. vom 8.09.1998

1.01.1999; Übergangszeit bis 31.12.1999

Anwendung der Varianten freigestellt

keine Angaben

keine Angaben

Brandenburg: Erlass vom 25.08.1998 (zu dienstl. Schriftverkehr); Bekanntmachung vom 16.09.1999 (Gesetze und Verordnungen)

Behörden: ab 25.08.1998; Übergangszeit bis 31.12.1999 (Gesetze: ab dritter Legislaturperiode)

Anwendung der Varlanten freigestellt

"Soweit [ ... ] bei einzelnen Wörtern und Kommasetzungen mehrere Schreibweisen zulässig sind, ist [ ... ] die bisher gebräuchliche Schreibweise zu verwenden. Varianten sind ausgeschlossen."

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

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Neuregelung(Variantenschreibung in den LandesbehÖrden

Bremen: Senats beschluss vom 15.10.1998

15.10.1998; Übergangszeit bis 31.07.2005

keine Angaben

keine Angaben

keine Angaben

Hamburg: Rundschreiben vom 29.07.1998; Stdatsrätebesprechung vom 4.10.1999

1. Januar 2000

Anwendung der Varianten freigestellt

keine Angaben

keine Angaben

Hessen: Erlass vom 24.07.1998

1.08.1998; Übergangszeit bis 31.07.2005

keine Angaben

keine Angaben

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Mecklenburg-VorPommern: Kabinettsbeschluss vom 29.06.1999

1.08.1999; Übergangszeit bis 31.07.2005

Anwendung der Varianten freigestellt; Einheitlichkeit innerhalb eines Textes

Anwendung der Varianten freigestellt; Einheitlichkeit innerhalb eines Textes

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Niedersachsen: Erlass vom 30.07.1998

1.08.1998; Übergangszeit bis 31.07.2005

Anwendung der Varianten freigestellt

keine Angaben

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Nordrhein-West falen. Erlass vom 31.07.1998

1.08.1998; Übergangszeit bis 31.07.2005

Anwendung der Varianten freigestellt

keine Angaben

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Rheinland-Pfalz: Rundschreiben vom 1.08.1997

1.08.1998: Übergangszeit bis 31.07.2005

Anwendung der Varianten freigestellt

gg

"f. Sonderregelungen durch Justizministerkonferenz

keine Angaben

20



Neuregelung(Variantenschreibung in den Landesbehörden

Saarland: Erlass vom 22.7.1997

1.08.1998; Übergangszeit bis 2005

Anwendung der Varianten ftelgestellt

ggf. Sonderregelungen durch Justizministerkonferenz

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Sachsen: Kabinetts beschluss vom 21.07.1998

1.08.1998; Übergangszeit bis 31.12.1999

Anwendung der Varianten fteigestellt

Einheitliche An-wendung der Varianten koordiniert der Normprüfungsausschuss

keine Angaben

Sachsen-Anhalt: Empfehlungen des Justizministeriums vom 8.02.2000

1.08.1998; Übergangszeit bis 2005

Fremdwörter: bei fachsprachlichem Gebrauch fremdsprachige, bei umgangssprachlichem Gebrauch integrierte Schreibung

Anglizismen (&§ 37(1»: Zusammenschreibung; zurückhaltender Gebrauch von Bindestrichen

GZS (&§ 39 E3): Zusammenschreibung bei adverbialen/präpositionalen Fügungen und sodass --------------------

Fremdwörter: bei Varianten fremdsprachige Schreibung

im Folgenden Schreibung wie im allgemeinen Schriftverkehr

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

21





Neuregelung(Variantenschreibung in den Landesbehörden

[noch -->] SachsenAnhalt: Empfehlungen des Justizministeriums vom 8.02.2000

Bindestrich (&§ 45, &§ 5 1): grundsätzlich zurückhaltender Gebrauch; -> nur bei drei Vokalen'; -~ bei Zusammensetzungen mit Eigennamen

GKS: einfache Infinitive klein (&§ 57 E3); --- > adv. Wend. mit aufs groß (&§ 58 EI); ---> Hundert usw. groß (&§ 58 E5)

ZS: ---> Komma und Punkt bei Kolum. (&§ 1 E2); ---> Komma vor und bei erweiterten Hauptsätzen (&§ 73); ---> kein Komma bei Wortgruppe zur Einleitung von Nebensatz (&§ 74 EI (2»; _~ in der Regel Komma bei Infinitivgruppen usw. (&§ 78(3»

22





Neuregelung(Variantenschreibung in den Landesbehörden

SchieswigHolstein: Erlass vom
28.09.1999

1.10.1999; Übergangszeit bis 31.07.2005

Anwendung der Varlanten freigestellt

Ab
1. 10. 1999 ausnahmslos neue Rechtschreibung; keine Übergangszeit; bei Varianten die bisher gebräuchliche

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

Thüringen: Regelung vom
24.07.1998

1.08.1998; Übergangszeit bis 2005

Anwendung der Varianten freigestellt

Sonderregelungen des Ministeriums für Justiz und Europaangelegenheiten

Empfehlung, entsprechend zu verfahren

In Österreich wurden auf Beschluss der Bundesregierung vom 23. Juli 1998 die Bundesminister und Bundesministerinnen eingeladen, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich für die Umsetzung der neuen Rechtschreibregeln Sorge zu tragen. Das Bundeskanzleramt übernahm in der Folgezeit die Koordination und legte mit Erlass vom 6. November 1998 einen Zeitplan für die Umsetzung fest. Demnach galt das Jahr 1999 als Übergangszeitraum. Ab dem Jahr 2000 waren alle Texte in neuer Rechtschreibung zu publizieren. Die Länderverwaltungen sowie eine Reihe von Verwaltungseinheiten haben sich diesem Zeitplan angeschlossen.

In der Schweiz konnte dank frühzeitiger enger Zusammenarbeit zwischen Bundesverwaltung, kantonalen Verwaltungen und der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz die Reform auf den vorgesehenen Stichtag (l. August 1998) in allen öffentlichen Verwaltungen eingeführt werden. Dabei haben sich alle Verwaltungen an einen von der Bundeskanzlei herausgegebenen j-eitfaden zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" gehalten. Dieser enthält in seinem 4. Kapitel eine Liste mit über 1.000 Wörtern, deren Schreibung sich mit der Reform geändert hat. Er führt jeweils auch die Varianten auf und bezeichnet für jeden Einzelfall die Hauptvariante, deren Verwendung er in amtlichen Texten empfiehlt. Bei der Variantenführung bevorzugt er grundsätzlich die neuen Schreibungen. Nur bei den eindeutschenden Schreibweisen von Fremdwörtern aus modernen Sprachen empfiehlt er mit Rücksicht auf die Viersprachigkeit des Landes größtmögliche Zurückhaltung.

23



In Liechtenstein beachtet die öffentliche Verwaltung die Neuregelung seit dem 1. August 1998. Bei der Einführung ergaben sich keinerlei Probleme.

Als Beispiel für die Länder, in denen Deutsch von einer Minderheit gesprochen wird, ist zu berichten, dass der Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien am 26. Oktober 1998 ein "Dekret über die Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" ab 1. Januar 1999 verabschiedet hat. Danach wenden "alle politischen Körperschaften, öffentlichen Dienste und Einrichtungen sowie die den öffentlichen Diensten gleichgestellten Dienste" das neue Regelwerk an. Die Übergangszeit gilt bis zum 31. Juli 2005.

Auf Beschluss der Verwaltung der EU-Institutionen ist die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ab 1. August 2000 auch für die der Europäischen Union verbindlich.
(Noch S. 24)

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.37
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3. Bericht, Teil A, 4., 5.: S. 24 - 32



4. Nachrichtenagenturen (S. 24 – 25)
5. Presseorgane (S. 25 – 32)

4. NACHRICHTENAGENTUREN

Am 16. Dezember 1998 haben die elf deutschsprachig~n Nachrichtenagenturen AFP, AP, dpa, ddpADN, epd, KNA, Reuters, sid, vwd, APA (Osterreich) und SDA (Schweiz) "nach intensiver Beratung" einvernehmlich beschlossen, die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung "weitestgehend und in einem Schritt" umzusetzen. Dabei waren sich die Agenturen bewusst, mit ihrem Grundsatzbeschluss Jediglich einen ersten Schritt für eine einheitliche und eindeutige Schreibung in ihren Häusern" getan zu haben. Sie wollen "die Rechtschreibung künftig aufmerksam beobachten und gegebenenfalls auf neue Entwicklungen reagieren".

Da in der Folgezeit Medienkunden immer wieder nach einer beispielgebenden Wörterliste fragten, entschloss sich die Arbeitsgruppe der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen kurzfristig zur Veröffentlichung einer solchen Beispielsammlung, die aufgrund einiger Fehler von verschiedenen Seiten kritisiert, mit Hilfe der Kommission richtig gestellt und in überarbeiteter Fassung dann aufs Neue bekannt gemacht wurde.

Prinzipiell folgen die Nachrichtenagenturen in allen wesentlichen Punkten der neuen amtlichen Regelung. Dennoch gibt es gewisse Besonderheiten, über die seither in mehreren Gesprächen mit der Kommission bzw. mit Mitgliedern der Kommission gesprochen wurde. Hervorzuheben sind hier die Beratungen vom 12. Mai 2000 und 6. Oktober 2000 in Mannheim, an der jeweils mehrere Vertreter deutschsprachiger Nachrichtenagenturen Argumente mit der Kommission austauschen konnten, sowie ein Gespräch des Geschäftsführers der Kommission, Dr. Heller, das er am 25. September 2000 mit dem Chefi-edakteur der dpa, Herrn Herlyn, sowie dem Leiter der Arbeitsgruppe der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, Herrn Nürnberger, in Hamburg füluie.

Die Kommission hat Gespräche mit den Nachrichtenagenturen gesucht, weil diese in einigen Punkten von der amtlichen Rechtschreibung abweichen.

Die Abweichungen der Naclu-ichtenagenturen von der amtlichen Regelung betreffen drei Punkte:

24

1. Feststehende Begriffe werden auch dann großgeschrieben, wenn sie keine Eigennamen sind (z. B. der Weiße Tod).

2. Adjektivische Ableitungen von Personennamen werden weiterhin großgeschrieben und erhalten keinen Apostroph (z. B. die Goetheschen Gedichte).

3. Die vertraulichen Anredepronomen werden großgeschrieben (z. B. Du, Dein, Dir, Euer, Euch).

Bezüglich 2. und 3. wird nicht deutlich, ob auf die alte Regelung zurückgegriffen oder nunmehr generell großgeschrieben wird (vgl. Teil B).

Hinzuzufügen ist, dass die Agenturen in Bezug auf die Schreibung von Fremdwörtern "aus lebenden SpracheW' und bei der Zeichensetzung die neuen Möglichkeiten nicht nutzen wollen, also am Gewohnten festhalten, was allerdings keine Abweichung von den amtlichen Regeln, sondern lediglich eine konservative Haltung bedeutet.

Gegenüber di~sen ursprünglichen Festlegungen haben sich bis heute Anderungen insofern ergeben, -als zum einen die Zahl der Fälle mit Großschreibung feststehender Begriffe von den Agenturen auf zwei Dutzend begrenzt wurde und nicht erweitert werden soll und sich zum andern die Großschreibung der vertraulichen Anredepronomen (die ja auch in der alten Schreibung schon auf die Textsorte Brief beschränkt war) als für die Agenturen weitestgehend irrelevant herausstellte. Angesichts der Problematik, die die Großschreibung einzelner, relativ willkürlich ausgewählter feststehender Begriffe aufwirft und die in den gemeinsamen Beratungen ausgiebig diskutiert wurde, hat sich die Schweizer Nachrichtenagentur SDA schließlich dazu entschlossen, ungeachtet des durchaus einsehbaren Kriteriums der Auffaälligkeitsgroßschreibung, die konsequenter angewandt vorübergehend zu einer unüberschaubaren Zahl von Großschreibungen geführt hatte, hierin den amtlichen Regeln zu folgen und die Großschreibung auf Eigennamen zu beschränken.

Das Gespräch mit den Nachrichtenagenturen wird in beiderseitigem Einvernehmen mit dem Ziel fortgeführt, zu einer Annäherung der Standpunkte zu kommen und damit eine weitestgehend einheitliche orthografische Praxis ohne Widersprüche zwischen Schule und Medien sicherzustellen.

5. PRESSEORGANE

Zum allergrößten Teil zeitgleich mit der Umstellung der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen auf die neue Rechtschreibung vollzogen auch die deutschen, österreichischen und Schweizer Tagesund Wochenzeitungen sowie der weitaus überwiegende Teil der Zeitschriften diesen Schritt. Nennenswerte Ausnahmen sind heute allenfalls DIE PRESSE (Wien), die die Umstellung bis heute nicht vollzogen hat, und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ), die nach einem Jahr, zum 1. August 2000, zur alten Schreibung zurückgekehrt ist. Unzutreffende Beispiele und die Art der Argumentation haben aber dazu beigetragen, dass ihr Vorgehen keinerlei Nachahmer fand (vgl. Anlage 0). Andererseits hat sich die deutsche Wochenzeitschrift DIE WOCHE bereits lange vor der Umstellung der Nachrichtenagenturen für die neue Schreibung entschieden und betont seither immer wieder, dass es damit keine Probleme, weder bei den Lesern noch in der Redaktion, gebe.

25

Einige wenige Zeitungen haben sich – wie das auch fiüher schon üblich war – eigene Schreibanleitungen gegeben. In dem Gefühl, es gebe jetzt plötzlich zahlreiche Variantenschreibungen, wollten sie auf diese Weise für ihre Corporate Identity Sorge tragen, den Gebrauch unterschiedlicher Schreibungen in ihrer Zeitung vermeiden – ein Ziel, das ungeachtet der nach alter Orthografie nicht wesentlich weniger zahlreichen Variantenschreibungen auch bisher durchaus erreicht worden war.

Abgesehen davon, dass – wie auch andernorts, etwa bei den Nachrichtenagenturen, zu beobachten ist -mit Vorliebe alte Schreibungen beibehalten werden, sofern sie weiterhin zulässig sind, das Gewohnte also nur aufgegeben wird, wenn es späterhin als falsch angesehen werden muss, haben sich einige Zeitungen in ihren Hausorthografien dazu entschlossen, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen, in einzelnen Punkten den neuen amtlichen Regeln nicht zu folgen.

Eigene Hausorthografien haben veröffentlicht:

DIE WOCHE (Hamburg)5

DIE ZErr(Hamburg)

RHEINISCHER MERKUR (Bonn)

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ)

Abweichungen sind im Wesentlichen folgende:

1. Im Bereich Laut-Buchstaben-Zuordnung will die NZZ bei den als Variantenschreibung nicht vorgesehenen Schreibungen Gemse, Stengel, behende, Greuel und Quentchen bleiben, Phantasie und Fantasie sollen weiterhin mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht werden.

2. Im Bereich der Groß- und Kleinschreibung schreibt die ZEIT feind sein weiterhin klein und leidtun anstelle von bisher leid tun und neu Leid tun. Die ZEIT und der RHEINISCHE MERKUR verwenden die Groß- und Kleinschreibung weiterhin bedeutungsunterscheidend bei der Ableitung von Personennamen auf -sch
(Z. B. Goethesche Gedichte, aber goethesches Naturerleben), während die NZZ hier der amtlichen Regelung folgt. Der RHEINISCHE MERKUR schreibt entgegen der amtlichen Regelung der Andere sowie die vertraulichen Anredepronomen groß. Zu Letzterem bekennt sich auch die NZZ. Die ZEIT und der RHEINISCHE MERKUR wollen feststehende Fügungen [weiterhin] großschreiben (z. B. Erste Hilfe), und die NZZ bleibt bei der Großschreibung an Kindes Stalt, gegen Unbekannt und jenseits von Gut und Böse.

Im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung finden sich Abweichungen von der amtlichen Regelung – von seltenen Ausnahmen wie leidtun bei der ZEIT – nur bei der NZZ. Sie will weiterhin unterscheiden zwischen schlechtmachen und schlecht machen, frischgebacken und frisch gebacken sowie sii-zenbleiben und sitzen bleiben.

5 Die Festlegungen der WOCHE bewegen sich völlig im Rahmen der von den amtlichen Regeln vorgegebenen Möglichkeiten.

26

Sie schreibt andererseits "der Einfachheit halber" groß schreiben und klein schreiben unabhängig von der jeweiligen Bedeutung stets getrennt und sogenannt sowie eine Handvoll nur zusammen.

4. Im Bereich der Schreibung mehrgliedriger Anglizismen stellt die ZEIT eigene Regeln auf.

Im Bereich der Zeichensetzung wollen die ZEIT, der RHEINISCHE MERKUR und die NZZ die neuen Freiheiten nicht nutzen, folgen der amtlichen Regelung aber beim obligatorischen Komma vor einer Redeeinkleidung. Allerdings finden sich in allen Zeitungen Abweichungen von der hergebrachten Zeichensetzung im Sinne der Neuregelung. Die WOCHE nutzt den zur Verfügung stehenden stilistischen Spielraum.

6. Im Bereich der Worttrennung gibt es keine Abweichungen von den amtlichen Regeln, wohl, aber -wie in anderen Bereichen auch – restriktive Vorschriften bei Kann-Bestimmungen.

Ergänzend soll eine kleine empirische Erhebung Aufschluss, darüber geben, wie weit die Umstellung vollzogen ist. Stichprobenartig wurden 18 Tageszeitungen in ihrer am Montag, den 15. Januar 2001 erschienenen Ausgabe herangezogen. Es wurden jeweils die beiden ersten Seiten und zwei weitere aus dem Regional- und/oder Sportteil ausgewertet. Durch diese Zweiteilung sollte sichergestellt werden, dass nicht nur Artikel, die von den Nachrichtenagenturen stammten, zum Korpus gehören, sondern auch in den Redaktionen selbst geschriebene Texte.

Alles in allem ergibt sich ein Korpus von ca. 100 000 Wörtern (diese Zahl errechnet sich aus der jeweiligen durchschnittlichen Zahl der Wörter pro Zeile mal den ausgezählten Zeilen).

In die Untersuchung wurden folgende Tageszeitungen mit der jeweils angegebenen Wortzahl einbezogen:

FRANKFURTER RUNDSCHAU

DIE WELT

BILD

EXPRESS-KÖLN

MANNHEIMER MORGEN

DARMSTÄDTER ECHO

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG

SIEGENER ZEITUNG

WESTFALENPOST

GIESSENER ANZEIGER

GIESSENER ALLGEMEINE

NORDDEUTSCHE NEUESTE NACHRICHTEN

OSTSEE-ZEITUNG

7.400 6.700 5.000 3.000 5.000

8.000

5.200 7.800 5.200

5.900 5.300 6.900

5.000

27

DER STANDARD (Österreich) KRoNEN-ZEITUNG (Österreich) SALZBURGER NACHRICHTEN (Österreich) NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ; Schweiz) TAGES-ANZEIGER (Schweiz)

6.600 2.300

3.200

6.100

5.200

.800

Die Zusammenstellung zeigt, dass überregionale und regionale Zeitungen, Boulevardblätter und seriöse Zeitungen sowie Zeitungen aus den drei deutschsprachigen Ländern berücksichtigt sind.

Beim Durchlesen wurden folgende Sachverhalte markiert: o. N. obligatorische Neuschreibung, z. B. Fluss statt Fluß.

N. fakultative Neuschreibung, z. B. nun auch selbsiständig neben selbständig. Es erscheint die neue Schreibung. E A. fakultative Altschreibung; Beispiel wie oben, es erscheint die alte Variante. F. Fehler: eine obligatorische neue Rechtschreibung ist unterlassen, z. B., wenn s-t nicht getrennt wird: Ki-ste; ferner: die Regeln werden falsch angewandt, z. B. Gruss (die neue Rechtschreibung hat dasß nach langem Vokal oder Diphthong nicht abgeschafft). sonstige Rechtschreibfehler (Fehler nach alter wie neuer Rechtschreibung), z. B. die Trennung Cle-aring.

Alle Texte wurden von je zwei Personen ausgewertet. Die Belege wurden den sechs Bereichen des amtlichen Regelwerks zugeordnet.

Es ergibt sich folgender quantitativer Überblick (ohne die sonstigen Rechtschreibfehler):

1 2 3 4 o. N. E N. f A. F.

LBZ 881 10 8 9 GZS 113 7 14 27 SMB 97 – 3 6 GKS 48 7 4 9 ZS 2 14 470 0 WT 99 17
is 32 Y- 1.240 55 517 83 % 65,4 2,9 27,3 4,4

% 908 47,9 161 8,5

106 68 486

5,6 3,6 25,6 8,8

166

1.895

100

100

28

Aus der Tabelle ergibt sich:

1. Die neue Rechtschreibung wird von den Tageszeitungen in erstaunlich hohem Maße richtig angewendet: nur in 4,4 % aller betroffenen 1.895 Fälle wird entweder eine obligatorische Neuschreibung nicht oder die Regel falsch angewendet.

2. Aus 1895 Fällen, bezogen auf 99.800 Wörter fortlaufenden Textes, ergibt sich, dass auf 100 Wörter – einschließlich der Kommasetzung – zwei Reformschreibungen kommen.

3. Die obligatorischen Neuschreibungen (richtig 1.240, falsch 83 – 1.323) machen 69,8
Ilo aller betroffenen 1.895 Fälle aus. Die Zahl der fälschen obligatorischen Neuschreibungen ist mit 83 von 1.323 – 6,27 % sehr gering. Der Löwenanteil der obligatorischen "» Neuschreibungen entfällt auf die Laut-Buchstaben-Zuordnung (LBZ) (!ichtig 881, falsch 9) mit 890 von 1.323 Fällen – 68 0/0. Dies geht vor allem auf die Anderung in der ß-Schreibung zurück, die fast immer richtig durchgeführt wird. Daher beträgt bei der LBZ der Fehleranteil (9 von 890) nur 1 'Yo.

4. Bei der Untersuchung der Variantenschreibung (Spalte 2 und 3) zeigt sich, dass das Ergebnis im Wesentlichen durch die Zeichensetzung bestimmt wird: Die Zeitungen richten sich bei der Kommasetzung vor und + Hauptsatz und beim Infinitiv nach den alten Regeln, daher der hohe Anteil an fakultativ alter Rechtschreibung. (Die 14 Fälle der fakultativ neuen Zeichensetzung sind daher wohl eher als falsche Anwendung der alten Rechtschreibung zu interpretieren.) Berücksichtigt man bei der Fakultativität die Zeichensetzung nicht, so wird in 41 (55-14) Fällen die neue Variante und in 47 (517-470) Fällen die alte Variante angewendet.

5. Von allen betroffenen 1.895 Fällen (= 100 entfallen knapp die Hälfte auf den Bereich Laut-Buchstaben-Zuordnung (LBZ) 47,9
9o) und ein Viertel auf die Zeichensetzung (ZS) (= 25,6 Olo), alle anderen Bereiche liegen unter zehn Prozent: Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) 8,5 111o, Schreibung mit Bindestrich (SMB) 5,6 %, Groß- und Kleinschreibung (GKS) 3,6 Olo und Worttrennung am Zeilenende (WF) 8,8 0/0.

6. Alles in allem wurden 91 sonstige Rechtschreibfehler registriert; diese verteilen sich auf die Rechtschreibbereiche wie folgt: Laut-Buchstaben-Zuordnung (LBZ) 15, Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) 15, Schreibung mit Bindestrich (SMB) 8, Groß- und Kleinschreibung (GKS) 16, Zeichensetzung (ZS) 25, Worttrennung am Zeilenende (WT) 12. Bezogen auf das Gesamtkorpus sind das 0,09 Olo, d. h., in Bezug auf eine korrekte Rechtschreibung und ZS sind die deutschsprachigen Tageszeitungen wesentlich besser als ihr Ruf

Ohne dass dies durch die Tabelle belegt werden könnte, sei noch ergänzend festgestellt, dass sich quantitativ keine Unterschiede für die Seiten 1 und 2 im Gegensatz zu den Sport- und/oder Regionalseiten ergeben haben.

29

Im Folgenden werden die einzelnen Rechtschieibbereiche für sich behandelt, dabei sollen vor allem die reforminduzierten falschen Schreibungen näher betrachtet werden:

o. N. C N. A. F.
x Anteil

881 10 8 9 908 47,90/o

97,00/o 1,10/0 0,90/0 1,00/0 100%

Die neue Laut-Buchstaben-Zuordnung (LBZ; Schreibung der Wörter) wird praktisch immer befolgt. Von den neuen Falschschieibungen (= 1,0
O/c) entfallen acht auf die Nichtanwendung derß> ss-Änderung, z. B. zweimal *mußte; eine Schreibung *vergass geht wohl auf eine Übergeneralisierung zurück.

o. N. N. A. F. Anteil

113 7 14 27 161 8,501o

70,2% 4,301o 8,70/o 16,8% 100%

Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS): In diesem Bereich werden mit 16,8
0/0 die zweitmeisten Fehler gemacht. Dabei geht es fast immer um die Phänomene x + Verb (&§ 34) und x + Partizip (&§ 36). Hier herrscht eine gewisse Verunsicherung, denn selbst dort, wo sich gar nichts geändert hat, tauchen Fehler auf, z. B. bei Paltikel + Verb *wieder zu finden, *vorbei zwängen, *hinab fließen, *heraus zu holen. Eine Übergeneralisierung liegt wohl auch vor bei *Wolfram gehärtet, *Länder Übergreifend, *bereit stehen (bereit als Partizip gedeutet?); in der Beibehaltung der Zusammenschreibung bei *kennenlernen kann sich möglicherweise auch die Opposition des Schreibers/der Schreiberin gegen die neue Rechtschreibung ausdrücken.

o. N. N. A. F. Anteil

97 3 2 102 5,601o

91,5% 5,7% 2,8% 100%

Schreibung mit Bindestrich (SMB): Zu diesem Bereich ist zunächst zu berichten, dass die Redakteurinnen und Redakteure jenseits der alten und neuen Rechtschreibung (&§ 45) einen starken Gebrauch vom Bindestrich machen, z. B. in BILD: Trennungs-Papier, Blitz-Scheidung, Wochen-Pleile, National-Elf u. a.; in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: Zukunfts-Ansatz, Neu-Ministerin, Verbraucher-Landwirtschaft, Grünen-Fraktionschef, im DARMSTÄDTER ECHO (vor allem im Sportteil): Tennis-Turnier, Firmen-Sprecherin, Diebstahls-Affäre, Welicup-Tage. Wir haben das nicht ausgezählt.

Die Fehler veiTaten keine Tendenz *29 mal, *Playoffrunde, (dreimal) *Centre Court (was man vielleicht als englische Schreibweise werten könnte).

o. N. f. N. f. A. F. Anteil

48 7 4 9 68 3,601o

70,60/o 10,301o 5,91-7,0 13,21/1o 100%

30



Der minimale Eingriff bei der Groß- und Kleinschreibung (GKS) drückt sich auch darin aus, dass sie mit 3,6
Olo den kleinsten Anteil an allen Veränderungen hat. Die neun Fehler verraten keine Systematik: dreimal geht es um die Änderung bei den Tageszeiten: *Samstag mittag, *Freitag abend, *gestern abend. *Deutsche Shell kann man vielleicht auch mit der Begründung 'Eigenname' als richtig werten. Interessant ist, dass in den Texten kaum Nominationsstereotype auftreten. Im DARMSTÄDTER ECHO findet sich einmal die rote Karte, was nach &§ 63 gemäß der Neuregelung richtig geschrieben ist, aber nach der abweichenden Regelung der Nachrichtenagenturen großgeschrieben werden müsste.

o. N. E N. £ A. F. E Anteil

2 14 470 0 486 25,6,7o

0,4% 2,9% 96,7% 0% 100%

Eine obligatorische Anderung des Kommas ergibt sich nur bei der wörtlichen Rede mit nachgestelltem Trägersatz: "Kommst du?", fragte sie. Dieser Fall findet sich in dem Korpus zweimal und wird beide Male richtig gelöst. Daher gibt es keine reforminduzierten Fehler. Die Menge der Belege ergibt sich durch die fakultative Kommasetzung beim Infinitiv (&§ 76) und bei und + Hauptsatz (&§ 73). Die Redakteurinnen und Redakteure folgen hier der Entscheidung der Nachrichtenagenturen den Freiraum gemäß der alten Regeln zu nutzen.

Eine erste Analyse der 470 kommatierten Infinitivkonstruktionen zeigt, dass nur in wenigen Fällen das Weglassen des Kommas ein "Missverständnis" (&§ 76) herbeiführen würde. Eine Operationalisierung des Stilmotivs 'Gliederung des Ganzsatzes' (&§ 73, &§ 76) gibt es bisher nicht.

o. N. L N. A. F. Z Anteil

99 17 18 32 166 8,8%

59,617o 10,20/o 10,8% 19,3% 1000/0

Die Worttrennung am Zeilenende (WT) hat die höchste Fehlerzahl aller Bereiche. Das liegt ganz einfach daran, dass manche Zeitungen noch kein neues Trennprogramm haben, so dass die Konsonantenfolge s + 1 dort nach alter Rechtschreibung getrennt wird, so allein 8-mal in der WESTFALENPOST und 17-mal in den NORDDEUTSCHEN NwF.STEN NACIPJCHTEN. Im Bezug auf die fakultative Trennung ist noch zu vermerken, dass der Typ wo-rauf fast immer in der neuen Variante getrennt wird, ebenso die synchron kaum oder nicht mehr durchschaubaren Fremdwörter des Typs inte-ressant. Hingegen wird Muta cum Liquida meist vor dem ersten Konsonanten getrennt, z. B. Sanz-1)i-as, Qua-dratmeter, desi-gniert; es begegnet aber auch die Trennung Rechtsextremisl. Erwähnt werden soll noch, dass unter den sonstigen Fehlern die üblichen falschen Computertrennungen vorkommen wie *Regierung-schef, *Mars-ha (ein Name), *Holli-ne, *Mar-kneukirchen, *ls-chinger (ein Name), *Ball-adur (ein Name), *besiraft, *lnstall-lalion (!),*brut-alen.

31

Eine separate kleine Untersuchung wurde an Kinder- und Jugendzeitschriften durchgeführt. Sie betrifft jeweils 8 vorab zufällig bestimmte Seiten in jenen sechs Zeitschriften, die nach einer Befragung von 754 Schülerinnen und Schülern der Klassen 1 bis 5 am meisten gelesen werden.6 Das sind: MICKY MAUS, BRAVO; GUTE ZEITEN – SCHLECHTE ZEITEN; SAILOR MOON; DONALD DUCK und WENDY. Analysiert wurde die Ausgabe, die am 13. Juni 2001 am Kiosk verfügbar war. Es zeigte sich, dass alle sechs Kinder- und Jugendzeitschriften die neue Rechtschreibung verwenden. Allerdings wurden in vier Zeitschriften (BRAVO; GUTE ZEITEN -SCHLECHTE ZEITEN; SAILOR MOON-, DONALD DUCK) auch etliche Belege für die alte Rechtschreibung gefunden. Sie betreffen vor allem die ß-Schreibung. Außerdem kommen gelegentlich Übergeneralisierungen wie *silss,
*Strasse
oder *Scheisse vor.

Damit ist im Ganzen die neue Rechtschreibung für die Kinder zwar präsent, doch finden sich hier eben jene Fehler, die H. Marx auch bei den Schülerinnen und Schülem festgestellt hat.
(Noch S. 32)

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.25
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3. Bericht, Teil A, 6. u. 7.: S. 32 - 40



6. Schulbücher und andere Verlagstexte (S. 32 – 38)
7. Wörterbücher (S. 39 – 40)


6. SCHULBÜCHER UND ANDERE VERLAGSTEXTE

6.1 SCHULBÜCHER

> Bundesrepublik

Ein Uberblick darüber, wie weit die Ausstattung mit Lemmitteln in neuer Rechtschreibung an den einzelnen Schulen der Bundesländer gediehen ist, lässt sich wegen des damit verbundenen hohen Ermittlungsaufwandes nicht geben. In einigen Bundesländern (etwa Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) sind die Schulträger für die Ausstattung der Schulen mit Sachmitteln zuständig und die Schulen entscheiden im Rahmen eines Budgets nach eigener Schwerpunktsetzung über die Beschaffung von Unterrichtsmaterialien. Das erschwert es, eine generelle Aussage zu machen.

Wie in Bayern oder in Rheinland-Pfalz, so werden wohl auch andere Bundesländer Fibeln, Sprach- und Lesebücher nach dem 1. August 1998, dem Stichtag für die Einführung der neuen Rechtschreibung in den Schulen, nur noch in neuer Rechtschreibung zugelassen haben. Andere Lernmittel, die noch in der alten Rechtschreibung verfasst waren, erhielten eine bis zum Ende der Übergangszeit (bis zum 1. August 2005) befristete Zulassung. Danach müssen allerdings die Lemmittel für alle Fächer die neue Rechtschreibung verwenden.

Mädler, Ute/Plath, Monika
(2000): Zeitschriftenpräfcrenzen von Grundschülem – ausgewählte Ergebnis.se einer Befragung. In: Karin Richter, Sabine Riemann (Hg.): Kinder – Literatur – "neue" Medien. Hohengehren 2000, S. 169-177.

32

Das Bundesland Hessen meldet, dass nach Stichproben an mehreren Grundschulen in der Regel alle Schulbücher im engeren Sinne für das Fach Deutsch in neuer Rechtschreibung vorhanden sind, dagegen Lektüren und Bibliotheksbestände überwiegend in alter Rechtschreibung. An manchen Schulen würden auch die Schulbücher irn engeren Sinn für die übrigen Fächer (Mathematik, Sachkunde usw.) bereits vollständig, wieder an anderen Schulen überwiegend oder teilweise in neuer Rechtschreibung vorliegen.

An den Schulen des Sekundarbereichs I sei die Situation von Fach zu Fach unterschiedlich. Am besten sei die Versorgung mit Schulbücheim in neuer Rechtschreibung auch hier in der Regel im Fach Deutsch, während im Übrigen noch mit einer Vielzahl von Büchem in alter Rechtschreibung gearbeitet werden müsse.

Aus Hamburg wird berichtet, dass die Ausstattung mit Schulbüchem in neuer Rechtschreibung zwischen den Schulformen und Fächern differiert. In der Grundschule gebe es – mit Ausnahme einzelner Bestände in Mathematik – fast nur noch Lehrbücher in neuer Rechtschreibung. In den 5. und 6. Klassen der weiterfUhrenden. Schulen arbeite das Fach Deutsch zu wenigstens 80 Prozent mit Büchern in neuer Schreibung, in den anderen Fächern zu wenigstens 50 Prozent. In den höheren Klassen lägen die Prozentzahlen etwas niedriger.

Für die bayerischen Hauptschulen wird festgestellt, dass bereits alle auf der Basis des derzeitigen Lehrplans zugelassenen Lernmittel die neue Rechtschreibung verwenden. Das soll ab der Einführung des neuen Lehrplans mit dem Schuljahr 2001/02 auch für die Grundschulen zutreffen. Da für die Gymnasien und sechsstufigen Realschulen derzeit neue Lehrpläne entwickelt werden, werden ab deren Einführung auch die neu zugelassenen Lernmittel in neuer Rechtschreibung vorliegen.

Eine Auswertung des Schulbuchkatalogs 2001/02 von Mecklenburg-Vorpommem ergibt, dass von insgesamt 1.426 Schulbüchein 1.246, das sind 87 Prozent, in neuer Rechtschreibung vorliegen. Über die tatsächliche Ausstattung der Schulen mit Lernmitteln in neuer Rechtschreibung ist damit nichts gesagt. Gemäß einem Erlass vom 16. Januar 1996 soll aus Aktualitätsgründen und wegen der fortschreitenden Abnutzung der Schulbücher die Nutzungsdauer fünf Jahre nach Möglichkeit nicht überschreiten. Damit dürfte die Umrüstung in allen Fächern noch innerhalb der Übergangszeit geschehen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für Thüringen. In den Grundschulen entsprechen alle im Schulbuchkatalog aufgefiffirten Bücher der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Von den insgesamt genehmigten 2.146 Titeln für die Schularten Förderschule, Regelschule (Klassenstufen 5-9/10), Gymnasium (Klassenstufen 5-10), gymnasiale 0berstufe sowie berufsbildende Schulen sind 1.426 Titel in der neuen Rechtschreibung verfasst, das sind 66,4 Prozent. Nimmt man nur den Sekundarbereich, so sind hier von 1.074 Büchern 781'umgestellt, also 72,7 Prozent. Die Schulbuchbeauftragten haben den Auftrag, den Austausch des Schulbuchbestandes unter Berücksichtigung der zentralen Vorgaben und des von den Schulen festgelegten Verfahrens zur Umsetzung der Neuregelung bis zum Jahr 2005 abzuschließen. Stichprobenhafte Kontrollen zur Bedarfsermittlung der jährlichen Schulbuchbeschaffung im Rahmen der Leimmittelfreiheit haben gezeigt, dass Deutschbücher – und zwar sowohl Sprach- als auch Lesebücher – in allen Schularien nach der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung weitestgehend neu angeschafft wurden. In anderen Fächern werden, vor allem zur Ergänzung, auch noch Schulbücher in alter Rechtschreibung genutzt.

33

> Österreich

In Österreich ist die Umstellung auf die neue Rechtschreibung vollständig abgeschlossen. Neue Lehrpläne in allen Unterrichtsgegenständen der Unterstufe (5. bis 8. Schulstufe) ab dem Schuljahr 2000/01 haben einen Neudruck aüer Schulbücher aus diesem Grund erforderlich gemacht, so dass nunmehr eine vollständige Erneuerung eingetreten ist – die Verlage können auch keine Restbestände in alter Rechtschreibung mehr absetzen. Dies war ja im Sinne der Kostenminirnierung seitens des österreichischen Unterrichtsministeriums zugestanden worden.

Es bleiben also nur noch bei den älteren Schülern und Schülerinnen solche Bücher in alter Schreibung, die sie entweder privat aufbewahren (aus früheren Jahren) oder so genannte Mehrjahresbücher, wie etwa Atlanten oder mehrsprachige Wörterbücher. Nach der österreichischen Schulbuchregelung bekommen die Schüler und Schülerinnen Atlanten einmal mit 11 und einmal mit 15 Jahren. Diese behalten sie dann vier Jahre. Ähnlich ist es mit den zweisprachigen Wörterbüchern, die einmal mit 13 und einmal mit 15 Jahren ausg~geben werden. Alle anderen Bücher werden jährlich erneuert, sind also Jahrgangsbücher, die ausnahmslos auch im Hinblick auf die Orthografie erneuert wurden.

> Schweiz

Für die Schulbuchsituation in der Schweiz gelten unterschiedliche Bedingungen:

Für die nicht obligatorische Schulzeit (praktisch: gymnasiale Oberstufe) gibt es keine planmäßige, vor allem keine flächendeckende einheimische Schulbuchproduktion. Es herrscht Lernmittelfreiheit, die Lehrer bedienen sich auf dem deutschen Markt. In diesein Sektor gelten also praktisch gleiche Bedingungen wie in Deutschland.

Lernmittel für die obligatorische Schulzeit hingegen werden in der [deutschsprachigen1 Schweiz selbst entwickelt und produziert, in aller Regel von staatlichen Schulbuchverlagen. Für diese Lernmittel gilt, dass man zunächst sehr schnell die Texte umgestellt hat, in denen über orthografische Phänomene gehandelt wird, danach Deutschlernmittel insgesamt, und schließlich alle anderen. Bis auf ganz wenige Fälle sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt alle Lernmittel auf die neue Rechtschreibung umgestellt.

6.2 ANDERE VERLAGSTEXTE

Unter"andere Verlagstexte" sollen im Folgenden verstanden werden:

Z Kinderbücher

Z Jugendbücher

Z



Belletristik (hohe Literatur, Unterhaltungsliteratur)

Sach- und Fachliteratur (einschließlich wissenschaftliche Literatur)

Um Genaueres über die Praxis der Verlage zu erfahren, wurde in der Bundesrepublik und in Österreich eine Befragung durchgeführt. Wir danken dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der "avj Arbeits~erneinschaft von Jugendbuchverlagen" und allen Einzelverlagen in Deutschland und Osterreich für ihre Bereitschaft Auskunft zu geben.

34

Im Folgenden werden die Ergebnisse getrennt nach den Ländern vorgeführt.

> Bundesrepublik

In Deutschland hat der Börsenverein im April 2001 einen von G. Augst erarbeiteten Fragebogen an Mitgliedsverlage verschickt (vgl. Anlage
0).

Im Kontext der Befragung des Börsenvereins hat sich auch die "avj Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen" einer Befragung angeschlossen, das Ergebnis selbst ermittelt und dem Börsenverein mitgeteilL

Im Bericht der avj heißt es:

»Rücklauf 55 Verlage, das sind 79 % der Mitgliedsverlage.

--+ 96 % geben neue Titel nach den Regeln der Rechtschreib-Reform heraus, davon 7 To mit Einschränkungen (z. B. nur Kinderbücher, Jugend- und Sachbücher hingegen nicht)

--> 71
Olo geben die Backlist überarbeitet heraus, davon 13 Olo mit Einschränkungen (z. B. nur Kinderbücher, nur Bücher für das erste Lebensalter, nur Schultitel)

-~ 4 'Yo ignorieren die Rechtschreibreform (FN-Verlag und Werner Dausien)«

Der Fragebogen des Börsenvereins wurde von 140 Verlagen beantwortet. Die wichtigste Frage war die nach der Anzahl der Neuerscheinungen seit 1. Januar 2001 und dem Anteil der in neuer Rechtschreibung publizierten Titel. 14 der 140 Verlage haben in den Monaten Januar bis April/Mai ~e nach Abgabe der Antwort) entweder noch keine Neuerscheinungen publiziert oder aber dazu keine Angaben gemacht.

Die verbleibenden 126 Verlage verteilen sich in Bezug auf die Rechtschreibung wie

folgt:

vom Verlag publizierte Neuerscheinungen: Verlage % nur in alter Rechtschreibung 26 20,6 nur in neuer Rechtschreibung 59 46,8 sowohl als auch 41 32,5

Von den "Sowohl-als-auch"-Verlagen drucken 17 (13,5 Prozent) weniger als die Hälfte ihrer Publikationen in neuer Rechtschreibung, 24 (= 19,0 Prozent) die Hälfte oder mehr in neuer Rechtschreibung.

35

Geht man von der tatsächlich publizierten Zahl der Bücher aus, so ergibt sich folgendes Bild:

vom Verlag publizierte alte neue

Neuerscheinungen Rechtschreibung Rechtschreibung nur in alter Rechtschreibung
318 – 318

nur in neuer Rechtschreibung – 2101 2101 unter 50 Olo neu 532 68 600 50 % bis 99 % neu 229 946 1175 Y- 1079 3115 4194 % 25,70/o 74,3% 1000/0

Es zeigt sich also, dass sich die neue Rechtschreibung bei den deutschen Buchverlagen schon in erstaunlich hohem Maß durchgesetzt hat: 80 Prozent der Verlage publizieren in neuer Rechtschreibung, fast 50 Prozent ausschließlich in neuer Rechtschreibung. Was die Neuerscheinungen, einzeln gezählt, betrifft, so sind drei Viertel der Produktion in den Monaten Januar bis April/Mai 2001 in neuer Rechtschreibung gedruckt.

Interessant ist nun noch festzustellen, was jene 41 "Sowohl-als-auch-Verlage" bewogen hat, sowohl in der alten als auch in der neuen Rechtschreibung zu publizieren. Dazu konnten die Antworten auf weitere Fragen Erhellendes beitragen.

Bei den 41 "Sowohl-als-auch-Verlagen" existiert bei 25 ein dezidierter Verlagsbeschluss bezüglich der Rechtschreibung, der nur in zwei Fällen dahingehend lautet, mit Ausnahme von Kinderbüchern der alten Rechtschreibung weiterhin zu folgen. In allen anderen Verlagen fällt die Entscheidung -wenngleich oft mit Einschränkung~5n – zugunsten der neuen Rechtschreibung. Diese betreffen einerseits den Grad der Ubernahme, andererseits den Willen der Autoren und Autorinnen und die Textsorten. Einige Verlage verpflichten sich selbst, die neue Rechtschreibung in der Version der dpa zu befolgen, zwei schließen sich der Variante der ZEIT an. Entscheidend ist aber noch mehr, dass der Wille der Autoren und Autorinnen in fast allen Fällen eine Einschränkung ei-zwingt.

Von den 41 Verlagen geben 34 an, dass sie sich nach den Vorgaben der Autoren und Autorinnen richten, nur sechs Verlage lehnen das ausdrücklich ab. Nun lässt sich der Wunsch der Autoren und Autorinnen noch näher bestimmen. Das Sowohl-als-auch er-ibt sich durch ein unterschiedliches Verhalten zu den Textsorten. Viele Verlage differenzieren hier: Kinder-, Jugend- und Lehrbücher werden fast ausnahmslos in neuer

36

Rechtschreibung gedruckt; auch bei den Sachbüchem legen sich 14 Verlage ausdrücklich auf die neue Rechtschreibung fest, nur zehn auf die alte. Anders gelagert ist das Ergebnis jedoch bei wissenschaftlichen Büchern, Unterhaltungsliteratur und hoher Literatur:

Ausdrückliche Festlegung auf alte Rechtschreibung -neue Rechtschreibung wissenschaftliche Literatur 8 7 Unterhaltungsliteratur 11 6 hohe Literatur 14 6

Gerade in diesen Sparten äußern die Autoren und Autorinnen offensichtlich am ehesten den Wunsch nach alter Rechtschreibung. So schreibt der S. Fischer-Verlag:

»Sofern von den Autorinnen und Autoren nicht ausdrücklich die alte Rechtschreibung gewünscht wird, wenden die S. Fischer-Verlage die neue Rechtschreibung an, wobei sie – in Absprache mit den Verlagen Rowohlt und Kiepenheuer – nur die zwingend vorgeschriebenen Neuregelungen berücksichtigen. Allerdings: ein großer Teil unserer Autorinnen und Autoren besteht auf der alten Rechtschreibung.«

Dieser Befund passt zu der Liste von VG Wort, bei der Autorinnen und Autoren oder deren Erben bei Wiederabdruck auf der alten Rechtschreibung bestehen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Autorinnen und Autoren der hohen Literatur, teilweise der Unterhaltungsliteratur und der Wissenschaft, aber so gut wie überhaupt keine Autoren und Autorinnen der oben genannten anderen Textsorten (Kinder-, Jugendbücher, Sachund Fachliteratur, z. B. Ratgeber).

> Österreich

Insgesamt wurden 19 Verlage (Kinder- und Jugendbuchverlage, Literaturverlage, Wissenschaftsbzw. Sachbuchverlage und andere) um die Beantwortung folgender vier Fragen gebeten:

1. Wie viel Prozent Ihrer Titel erschienen Anfang 1999 in neuer Rechtschreibung?

2. Wie vielPi-ozentlhrerTitel(inkl.Neuerscheinungen)erscheinendei-zeit(Fi-ühjahi-2001) in neuer Rechtschreibung?

3. Wie viel Prozent Ihrer Neuerscheinungen sind (von den Autorinnen und Autoren) in neuer Rechtschreibung verfasst?

4. Gibt es Bücher bzw. Neuerscheinungen, die keinesfalls umgestellt bzw. in neuer Rechtschreibung gedruckt werden?

Die Antworten waren unterschiedlich. In der nachstehenden Übersicht werden die Einzelantworten genannt und ein Durchschnitt aus allen Antworten errechnet, wobei man noch zwischen Belletristik und Sachbüchern unterscheiden müsste, denn bei den Sach

37

büchem ist die Umstellung auf neue Rechtschreibung fast ausnahmslos erfolgt, wäh~end ..literarische" Bücher zu einem nicht geringen Anteil irt alter Rechtschreibung gedruckt werden. Der Grund: Bei den literatischen Büchern wird den Wünschen der Autorinnen und Autoren deutlich stärker Rechnung getragen.

Zur Auswertung konnten 12 Verlage herangezogen werden. Sie zeigen eine gewisse Breite von klein bis groß und stellen eine Mischung aus reinen Jugendbuchverlagen und solchen Verlagen dar, bei denen das Jugendbuch eine Sparte unter mehreren ist.

Frage Einzelantworten 0

Wie viel Prozent Ihrer Titel er-
0, 0, 0,30,70,100, schienen Anfang 1999 in neuer 65,47,100, 44,750/o Rechtschreibung? 0,80,45 Wie viel Prozent Ihrer Titel 1, 20,10,30, 99, 100, (inkl. Neuerscheinungen) er- 75,86,100, 57,50/o scheinen derzeit (Frühjahr 0, 100,70 2001) in neuer Rechtschrei bung? Wie viel Prozent Ihrer Neu- 0, 0, 10,60, 70, erscheinungen sind (von den 10, 100, 44,0801o Autorinnen und Autoren) in 55,25, neuer Rechtschreibung ver- 0, 100,99 fasst? Gibt es Bücher bzw. Neu- 8 xja

erscheinungen, die keinesfalls (Autorinnen- und Autorenwunsch zu über umgestellt bzw. in neuer
90 17o, Fortführung mehrbändiger Werke, die Rechtschreibung gedruckt vor der Reform begonnen wurden; Bücher, die wer den? auslaufend sind und nicht nachgedruckt wer den; Notenstiche; Nachdrucke wissenschaft licher Kleinauflagen)

4 x nein

Aus dieser Aufstellung ist deutlich zu erkennen, dass die Tendenz sich in Richtung neuer Rechtschreibung bewegt, dass es aber im literarischen Bereich noch einige Zeit dauern wird, bis eine restlose Umstellung erfolgt ist.

> Schweiz/Liechtenstein

Eine eigene Befragung wurde hier nicht durchgeführt, doch stellt sich die Situation ähnlich wie in Deutschland dar.

38

7. WÖRTERBÜCHER

Sehr bald nach Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung (l. Juli 1996) erschienen die marktführenden Rechtschreibwörterbücher in überarbeiteten Ausgaben, die die Neuregelung umsetzten. Wie nicht anders zu erwarten, gab es zwischen den verschiedenen Wörterbüchern zunächst eine Reihe von Differenzen, die unter anderem auf unterschiedliche Auslegungen des amtlichen Regelwerkes zurückzuführen waren. Obschon aus der Situation erklärlich und bei weitem nicht so zahlreich, wie die Gegner der Neuregelung behaupteten7, war hier doch Abhilfe zu schaffen. Die Kommission hat deshalb umstrittene Einzelfragen mit den Wörterbuchverlagen besprochen und zur einvernehmlichen Interpretation der Regeln beigetragen. Die Umsetzung geschah in den jeweils folgenden Auflagen: zunächst in der Bertelsmann-Rechtschreibung vom März 1999, dann in der 22. Auflage des Rechtschreibduden vom August 2000 und schließlich auch im Österreichis ' chen Wörterbuch in seiner 39. Auflage. Damit gibt es zwischen diesen Standard-Nachschlagewerken in Bezug auf die Auslegung der neuen amtlichen Rechtschreibregeln keine nennenswerten Unterschiede mehr.

An einem Einzelfall vorgeführt, bedeutet das: Die ersten Wörterbuchauflagen, die die neue Rechtschreibung darstellen, waren zu teilweise unterschiedlichen Interpretationen von Bildungen wie er

.folgversprechend
(Bertelsmann 1996) bzw. Er

.folg versprechend (Duden 1996) gekommen (vgl. auch S. 62ff. dieses Berichts). Die Kommission stellte klar, dass immer dann beide Schreibungen möglich sind, wenn neben einer aus zwei Wörtern bestehenden Grundform (Erfolg versprechen), die zur ebenfalls in zwei Wör tern zu schreibenden partizipialen Form führt (Erfolg versprechend), auch gesteigerte Formen existieren, die nur zusammengeschrieben werden können (noch erolgver f sprechender, sehr er

.folgversprechend)
und folgerichtig zu partizipialen Formen gehören, die auch dann zusammengeschrieben werden, wenn sie nicht gesteigert sind (erfolgversprechend). (Zur genaueren Erläuterung vgl. Teil B.)

Dass sowohl die Bertelsmann-Rechtschreibung als auch der Rechtschreibduden mit Info-Kästen im Wörterbuchteil arbeiten, erhöht die Benutzerfreundlichkeit beider Wörterbücher.

Die Kritik Th. Icklers (FAZ, 11. August 2000), der Duden widerspreche in seiner 22. Auflage in einigen Fällen dem amtlichen Regelwerk und praktiziere so eine "Reform der Refole', hat die Kommission Punkt für Punkt überprüft und widerlegt.8

Viele Rechtschreibwörterbücher werden in ihren derzeitigen Ausgaben auch dem Bedürfnis gerecht, dass sich die bis zum Ende der Übergangszeit noch gültigen alten Schreibungen nachschlagen lassen. Es ist damit zu rechnen, dass die Verlage rechtzeitig mit dem Ende der Übergangszeit Neuauflagen herausbringen werden.

Vgl. K. Güthert/K. Heller, Das Märchen von tausendundeiner Differenz. Vergleichsstudie zur Quantität und Qualität der Abweichungen zwischen den marktführenden Wörterbüchern – vor und nach Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. In: Muttersprache 4/1997, S. 339-353.

8 Vgl. Anlage
0. Ähnliche Vorwürfe wurden von Ickler auch gegen die Berielsmann-Rechtschreibung erhoben (vgl. "Regelungsgewalt: Hintergründe der Rechtschreibreform, St. Goar 2001).

39

Der neuen Rechtschreibung bedienen sich auch zweisprachige Wölterbücher des Inund Auslands, so etwa – um nur einige zu nennen – die Reihe "viamundo" von BERTELSMANN/LAROUSSE, das bei DIDIER (Paris) 1998 erschienene Lernwürterbuch DISCOplus, das neuartige deutsch-ungarische Lernwörterbuch von Zita Hal16s, Szeged 2001, das deutsch-italienische Großwörterbuch von ZANICHELLI/KLETT oder das bei SANSHUSHA PUBLJSIHNG CO. 1999 erschienene, fast 2000 Seiten umfassende deutschjapanische Wörterbuch.
(noch s. 40)

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Matthias Dräger
24.02.2002 08.19
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3. Bericht, Teil A, 8.-11.: S. 40 - 51



8. Fernsehen und Computerspiele (S. 40 – 44)
9. Privates Schreiben (S. 45 – 48)
10. Wirtschaft, Industrie, Werbung (S. 48 – 49)
11. Software (S. 49 – 51)


8. FERNSEHEN UND COMPUTERSPIELE

Untersucht wurden im April 2001 zwanzig deutschsprachige Fernsehsender im Hinblick auf die Rechtschreibung ihrer Intemetseiten und Videotexte. Pro Sender wurden 20 bis 25 Internetseiten ausgewertet, darunter stets die Bereiche Kinder, Nachrichten, Kultur. Bei den Videotexten betrug die Verweildauer 15 bis 25 Minuten.

8. 1 Fernsehen

Sender Wörter In neuer Wörter In alter Wörter In neuer Wörter In alter Rechtschrelbung Rechtschrelbung Rechtschrelbung Pachtschreibung (Videotext) (Videatext) und falsch (Internet) (Internet) und falsch verstandene verstandene Neusehreibungen r) Neuschreibungen r) ARD Missachtung; dass, Schifffahrt: so ge- Schiffährt www.ard.de Schifffahrtsweg; nannte; musst; Tipp dass; Prozess; du (Anredepronomen)

ZDF
Ausschuss, dass; dass; TV-Tipp, wer kennenlernt www.zdf.de entlässt bekommt Recht; frisst

N3 Mordprozess; Hass, Beschuss; allgemeinver www.ndr.de muss; Beitrags- du; Filmtipp; ständlich; Kuß; entlasItung, Tipp Dienstlagabend; muß; genußt; und als Erster sogenanntgenau www.ndrtv.de soviel, *ausserdern

Vor allem auf den Kinderseiten unterschiedliche Schreibungen imß-IssBereich: SesamStraße -*Sesamsirasse; dass – daß

WDR Zuschuss; dass; muss; dass; ver- muß; wußie; Spiizenkochiipp gissi; Schifffahrt schlof3; bis es so www.wdr.dr weit ist; *Linden strasse; *heisst

40

Sender Wörter In neuer Wörter In alter W&ter In neuer Wörter In alter Rechtschreibung Rechtschreibung Rechtschreibung Rechtschreibung (Videotext) (Videotext) und falsch (Internet) (Internet) und falsch verstandene verstandene Neuschreibungen Neusehreibungen BR 3 Untersuchungs- – Buchtipp; umso, www.br- ausschuss; pro- missfdllt; lässt, online.delbavem3 tesitiert; Kicktipp; dass, SchijDWirer dass MDR Ausschuss; pro- dass; muss; so ge www.mdr.de tesitieren; so ge- nannten; Stillle nannte; Koloss; gung; Selbststän~ Verbrauchertipp digkeit, Tipps SWR Tipps; nachlässt, dass, Buchtipps; www.swr.de gefasst zusammengefasst, Prozess RTL Ausschuss, Be- du; Fernsehtipp;

www.rtl.defftlwodd.html schuss, dass dass, muss; Anlass

SAT 1 Tipp; Ausschuss, Großschreibung fasst; Tipp, Pro
WWw.sat1.de dass des Anredeprono- zess; so genannten; mens Du auf den du; Stängel Kinderseiten HH 1 Einfluss; Tipps Tipps, Schuss www.hamburgl.de waffe, heute Morgen, Biss; Entschluss RTL II Reise-Tipp;

(Internet zusam- palefinesische, men mit RTL) Veterinäraus schuss; lässt

RTL World Tipp; dass; biss; (Intemet zusam- Ausschuss men mit RTL)

zuviel;

auf derselben Seite: Schiffahrt und SchijPhrer und Wasserschiffifahrtsamt

Tip, Buchlips

auf einer anderen Seite findet sich an gleicher Stelle: Buchlipps!

etwas Allgemeingültiges

Du

teilweise auf denselben Seiten auch du, besonders auf den Kinderseiten!

Verkehrstips, *Spass

41

Sender Wörter in neuer Wöder in alter Wörter In neuer Wörter In alter Rechtschreibung Rechtschreibung Rechtschreibung Rechtschreibung (Videotext) Mdeotext) und falsch nternet) (Internet) und falsch verstandene verstandene Neuschreibungen Neuschreibungen Prerniere World Ausschuss; dabei sein, muß auf einer

www.Premiereworlci.de Genuss, Fluss Geisterschloss, Kinderseite Abo-Abschluss; Ihr und Euch auf dass; kennen ler- einer Kinderseite nen, muss; lässt auf derselben

Seite: dass und daß! ) zuwenig, des öfteren

Geisterschloß auf
derselben Seite mit Geisterschloss!

Phoenix umfasst, dass; muß; Mißver- Anschluss; Ge- gehaßt; Miß
www.Phoenix.de Anlass ständnisse; heimtipps; dass; trauensvotum, im Einfluß lässt allgemeinen in bestimmten Bereichen (Wirt schaft) alte Recht schreibung n-tv Bundesinnen- Prozess, dass; Abriß; Anschluß www.n-tv.de minislier, Kom- Tipps; muss; Don promiss; Ab- nerstagmorgen schluss; Analyse Tipps Super-RTL Freizeittipps, eure; (Internet zusam- dass, loslässt men mit RTL) VIVA Tipp; muss; kom- Dich, Du; im muss; du Jahresabschluß www.vivatv.de promisslos übrigen und www.vivamediaag.de (hat nur eine sehr knappe Internet darstellung) 3 sat dass; Prozess *begrüsst; gewusst; Buch- Tips & Trends; www.3sat.de *Klauenftisser tipps; verpassi; saubermachen heute Abend; Prozess; Tipps Vox Literaturtipps; Du Tagestipp; Kängii dass; Fluss; du ru; dass, Brazilge www.vox.de (Anredepronornen) nuss; erfasst Pro 7 Ausschuss; ver- Sieuer- und du; Tipps; muss, Du www.Pro7.de misst; Aklientipps,- Geldtips Stress; dass; Filmfesliii,al, Schifffahrt ausItralische

42

Die Recherche hat ergeben, dass auf den Videotextseiten ganz überwiegend der Neuregelung gefolgt wird, während auf den Intemetseiten eine Mischung von alten und neuen Schreibungen zu finden ist. Das lässt sich damit erklären, dass die Internetseiten von wesentlich offeneren Redaktionen betreut werden. Auf den Kinderseiten (soweit vorhanden) finden sich wesentlich häufiger Wörter in alter Rechtschreibung (nicht nur, das Anredepronomen Du) als zum Beispiel auf den Nachrichtenseiten derselben Sender. Falsch verstandene Neuschreibungen beziehen sich ausschließlich auf Übergeneralisierungen bei der s-Schreibung. Schließlich ist anzumerken, dass in hohem Maß Bindestrichschreibungen verwendet werden.

8.2 Computerspiele

Die Durchsicht von zwanzig Computerspielen aus den Bereichen Adventure, Action, Sinzulation aus den Publikationsjahien 1999 bis 2001 zeigt sehr deutlich, dass hier im Verlauf des Jahres 2000 ein Wechsel zur Übernahme der Neuregelung stattgefunden hat: Folgten von neun Computerspielen aus dem Jahr 1999 sieben Spiele noch der alten Regelung, so gebrauchen von zehn Spielen aus dem Jahr 2000 nur noch zwei Spiele die alte Regelung; alle übrigen folgen der Neuregelung. Das gilt auch für das Computerspiel aus dem Jahr 2001.

Alters Name Hersteller Jahr Genre Alte RS Neue RS begren zung(FSK) Atlantis 2 Cryo Interactive 1999 Adventure x Ab 12 J.

1

Civilisation call to Activision 1999 1 Simulation. x Keine power Angabe Gabriel Knight 3 Sierra 1999 Adventure x Ab 16 L Utima Online Origin Systems 1999 Adventure x Ab 12 L

Maclünes Acclaim 1999 Simulation x Ab 12 J.

Utima 9 Origin Systems 1999 Adventure x Keine
1 Angabe

Nocturne Terrninal Reality 1999 Action1 x x Ab 16 L Adventure (Spiel) (Ardtg.)

Pharao Sierra 1999 Siniulation x Ab 6 J.

Was ist los mit Ravensburger 1999 Adventure x Ohne Hanni und Nanni? Interactive Alters begren
1 zung

43

Name Hersteller Jahr Genre Alte RS

Anstoss Ascaron 2000 Simulation x



Grim Fandango Lucas Art s 2000 Adventure x

Sims Electronic Arts 2000 Sinzulation x



Cultures Funatics 2000 Sirnulation Developrnent

Die CD-Rom n-üt Tivola 2000 Lernspiel der Maus

Flucht von Monkey LucasArts 2000 Adventure Island

Die drei ??? – Das USM 2000 Adventure Geheimnis des Magiers

Diablo II Blizzard 2000 Adventurel Action

Disneys 102 Di sney Interacti ve 2000 div. Spiele Dalmatiner

Wheel of Time Interactive Software 2000 Adventurel Corp. Aciion

Black and White EA Games 2001 Simulafion

1 Neue RS AltersbegrenFS

Ohne Alters begren zung

Keine

Angabe

x

x

Ohne Alters begren zung

Keine Angabe

Ohne Alters begren zung

x

Ohne

Alters begren

zung

Ohne

Alters begren

zung

Ab 16 1.

Ohne Alters begren zung

Ab 16 J.

Ab 12 J.

Benutzei-n von Videotext- und Intei-netseiten des Fei-nsehens sowie Benutzem von Computerspielen begegnen im Fi-ühjahi- 2001 in diesen Bei-eichen demnach sowohl Schreibungen nach dei- Neuregelung als auch alte Schreibungen. Auch wenn von den Hei-stellern offenbar eine Umstellung angesti-ebt ist, ist sie noch nicht überall i-ealisiei-t. Computei-spiele aus dem Jahi-e 1999 sind natüflich weiterhin in Gebi-auch.

44



9. PRIVATES SCHREIBEN

Die KMK hat in ihrem Katalog der zu prüfenden eigenverantwortlichen Umstellungen auf die neue Rechtschreibung auch den „privaten Bereich“ genannt. Die privat Schreibenden gelten deshalb als besonders interessante Gruppe, weil sie weder durch einen amtlichen Erlass (wie Schulen und Behörden) noch durch Verbandsbeschlüsse (wie Zeitungen und Buchverlage) verpflichtet werden können die neue Rechtschreibung anzuwenden. Insofern bedeutet die private Umstellung auf die neue Rechtschreibung eine persönliche Willenserklärung. Die Beibehaltung der alten Rechtschreibung muss hingegen nicht zwangsläufig eine Ablehnung der neuen Schreibung bedeuten; sie kann auch auf bloße Beharrung und Gewohnheit zurückzuführen sein.

So verständlich daher der Wunsch der KMK ist gerade über die privat Schreibenden etwas zu erfähren, so schwer hat es sich erwiesen an private Schreiben heranzukommen. Hier gelten das Postgeheimnis und der Schutz der persönlichen Sphäre. Nun könnte man an Schreiben denken, die die Kommission in den letzten Jahren erhalten hat. Aber Kritiker werden wohl zu Recht bemerken, dass hier viele Personen geschrieben haben, die beruflich durch den Erlass gebunden sind und die sich daher auch privat nach den neuen Regeln richten.

Erfolgversprechender schien es, Zeitungsverlage nach Leserbriefen zu fragen. Aber auch das erwies sich als ein dorniger Weg, weil nahezu alle Zeitungsredaktionen entschieden ablehnten. Mit viel Mühe ist es schließlich gelungen, zwei Redaktionen zu finden, die aber nicht namentlich genannt werden sollen. Dabei handelt es sich um eine Zeitung in Nordrhein-Westfalen und eine weitere in Baden-Württemberg. Die Briefe wurden vollständig anonymisiert in Kopie übergeben. Es handelt sich um 131 Briefe, geschrieben im Februar und im März 2001 mit einer Länge von fünf handgeschriebenen Zeilen bis zu vier gedruckten DIN-A4-Seiten, was einem Durchschnitt von einer DINA4-Seite pro Brief entspricht. Aufgrund der wenig umfangreichen Materialbasis können die folgenden Ausführungen lediglich als eine erste Beobachtung gewertet werden, die Tendenzen anzeigt. Keine dieser Zuschriften wurde in der Zeitung abgedruckt.

Die 131 Briefe konnten zunächst einmal in zwei Gruppen eingeteilt werden: alte vs. neue Rechtschreibung. Dies erwies sich in einigen Fällen als schwierig, weil die Texte zu kurz waren und zu wenig unterscheidende Beispiele enthielten. Wenn ein Schreiber beim Infinitiv fast immer das Komma weglässt oder eine Schreiberin nummerieren mit zwei m schreibt, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass die neue Rechtschreibung verwendet wird, könnte es sich doch auch ganz schlicht um Fehler innerhalb der alten Rechtschreibung handeln. In diesem Zusammenhang sei wenigstens der Hinweis erlaubt, dass die Schreibfähigkeit (einschließlich der Rechtschreibung) einer ganzen Reihe von Schreibenden generell sehi schlecht ist. Um daher zu einigermaßen validen Entscheidungen zu kommen wurde die ss/ß-Schreibung als Kriterium gewählt: Das Vorkommen der Schreibungen des Typs Fass statt Faß galt als Ausweis der neuen Rechtschreibung, wenn in dem Brief mindestens einmal in korrekter Weise auch der Buchstabeß verwendet worden war, z. B. bei Gruß.

45

Sortiert man die Briefe in dieser Weise, so zeigen-.

66 Briefe alte Rechtschreibung

65 Briefe n e u e Rechtschreibung

Nun ist das ein Ergebnis, das sich nach dem bekannten Schema vom halb vollen oder halb leeren Glas interpretieren lässt. Immerhin ist es doch bedenkenswert, dass sich gut zwei Jahre nach der Umstellung des publizistischen Schreibens die Hälfte der privat Schreibenden auf die neue Rechtschreibung eingelassen hat. Das Ergebnis wiegt umso schwerer, als hier – anders als bei Befragungen – tatsächliche Schreiben zu Grunde liegen. Mehr als eine Tendenz, die allerdings deutlicher als erwartet ist, soll aus dieser schmalen Datenbasis nicht herausgelesen werden.

Über das Faktum der Umstellung hinaus interessiert natürlich auch der Grad der Umstellung. Wie gut oder schlecht wird das Neue beherrscht? Wann wird aus Gewohnheit trotz intendierter Umstellung ein Wort in alter Rechtschreibung geschrieben oder wird gar eine neue Regel teilweise oder gar ganz falsch verstanden? Um dies an einigermaßen verlässlichen Fallzahlen zu überprüfen wurde wiederum die ss/ß-Schreibung herausgegriffen. Ausgezählt wurden alle Tokens der folgenden Fallgruppen:

alt

neu

richti2 falsch

(1)
fassen =fassen *faßen (2) Faß ---> = Fass *Faß (3) Gruß = Gruß *Gruss

Beim Fehleityp (1) *faßen wäre die Falschschreibung nur so zu erklären, dass der Schreibende durch die neue Rechtschreibung völlig verunsichert worden ist oder noch nie so genau gewusst hat, wie richtig geschrieben wird.

Beim Fehlertyp (2)
*Faß dürfte die Gewohnheit obsiegt haben.

Beim Fehlertyp (3)
*Gruss liegt entweder die Auffassung zu Grunde, dass durch die Neuregelung der Buchstabeß ganz abgeschafft wurde, oder es bereitet die Bestimmung der Vokalquantität (lang oder kurz) bzw. der Stimmhaftigkeit des s-Lautes (stimmhaft vs. stimmlos) Probleme. In alter wie neuer Rechtschreibung wirkt sich zusätzlich das Nicht-Anwenden-Wollen oder Nicht-Anwenden-Können des Buchstabensß negativ auf die richtige Schreibung aus, weil Schreibende Wörter dieses Typs immer auch schon in der Variante mit ss gelesen haben. Das quantitative Ergebnis zeigt die folgende Tabelle:

46

Richtige und falsche s-Schreibung in Leserbriefen

*faßen.
3

1,4%

Typ richtig

(1)
fassen 209

98,60/o

(2) Fass 174

63,30/o

(3) Gruß 111 84,4% 1 494 79,4%

falsch

Z

212

1000/0

275

*Faß 101

3 6, 7 'Yo

100%

*Gruss 24

15,601o

135

100%

128

20,6%

622

1000/0

Alles in allem ergeben sich 622 einschlägige Fälle, von denen 79,4 % richtig geschrieben sind, was den s Laut betrifft.

Der Fehlertyp (1) *faßen ist so gut wie nie (1,4
Olo) anzutreffen.

Die eigentliche Umstellung durch den Typ (2), alt Faß - neu Fass wird in 63,3 9o, also fast zwei Dritteln der Fälle, richtig vollzogen. Auch dies soll ob der schmalen Belegmenge nur als Tendenz gewertet werden. Dass bei kleinen Belegmengen die Zahlen rasch schwanken können, sei daran demonstriert, dass ein Schreiber, der mit mindestens sechs Leserbriefen vertreten ist, im absoluten Auslaut weiterhin ß schreibt, also *muß, aber im gedeckten Auslaut die neue Schreibung anwendet, z. B. (er) musste.

Der Fehlertyp (3) *Gruss findet sich in gut 20 % aller Fälle. Da es sich auf Grund der Textsorte Brief vorwiegend um die Wortfamilie Gruß, grüßen handelt, liegt wohl eine bewusst vorgenommene Übergeneralisierung eines in der alten Rechtschreibung gespeicherten Schreibschemas vor.

Generell scheint das Schreibschema bei der Umstellung auf die neue Rechtschreibung eine Rolle zu spielen. Während bei der Umstellung von daß auf dass (sofern die Konjunktion erkannt wurde!) kaum Fehler gemacht werden – hier nützt die Berufung auf das Schreibschema daß nicht, da das konkurriert –, wirken bei den Modalverben müssen (du mußt, er muß, sie mußte) und lassen (du läßt) sowie bei bei4,ußt die Schreibschemata offenbar sehr stark und die Umstellung ist schwieriger als bei seltener gebrauchten Wörtern, für die es möglicherweise kein Schreibschema gibt.

47

Über die tagesaktuelle Diskussion hinaus sollte dieser Umstellungsprozess wissenschaftlich genauer untersucht werden, weil er an einem übeischaubaren Exempel psycholinguistische Einsichten in das jnnenleben“ der Rechtschreibkompetenz gewährt.

Zusammenfassend zeigt die kleine Stichprobe zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Tendenzen für 2001:

1. Auch im privaten Bereich wird die neue Rechtschreibung angewandt. Die Umstellungsrate liegt bei etwa 50 %.

2. Inhaltlich gelingt den Neuschreibern die Umstellung etwa in zwei Dritteln aller Fälle.

Die Analyse sollte gegen Ende der Übergangszeit auf jeden Fall wiederholt werden, wenn möglich mit einer größeren Materialgrundlage und bezogen auf alle Neuschreibphänomene.

10. WIRTSCHAFT., INDUSTRIE., WERBUNG

Das allgemeine Bild, das die Kommission in Bezug auf die Umsetzung der neuen Rechtschreibung im Bereich von Wirtschaft, Industrie und Werbung gewonnen hat, ist durch einige gezielte Untersuchungen erhärtet und konkletisiert worden. Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ für diesen sehr breit gefächerten Bereich, kennzeichnen aber die für den gegenwärtigen Stand der Umsetzung wesentlichen Merkmale.

Untersucht worden sind

kundenorientierte Texte von acht Banken und Versicherungen sowie der Deutschen Bahn AG (März 2001),

Werbeprospekte unterschiedlicher Firmen, Unternehmen, Institutionen als Postwurfsendungen für Haushalte (Dezember 2000, Januar 2001),

Stellenanzeigen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ 3. März 2001) und in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FASZ 18. März 2001).

Die Analyse vermittelt die folgenden – und wohl über den begrenzten Untersuchungs

C

ausschnitt hinaus verallgemeinerungsfähigen – generellen Erkenntnisse:

Die kundenorientierten Texte von Banken, Versicherungen und Bahn sind ausnahmslos in neuer Rechtschreibung verfasst, wenn auch nicht in Bezug auf alle Oi-thogramme durchweg regelgemäß. Die Postwurfwerbeschriften zeigen einen etwas höheren Grad an nicht normgerechten Umsetzungen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Umstellung umso zuverlässiger erfolgt, je größer und wütschaftlich potenter das betreffende Unternehmen ist und je mehr offenbar in die Umstellung investiert werden konnte.

Die in den Jahren 2000 und 2001 erschienenen kundenorientierten Texte von Banken, Versicherungen und Bahn sind generell auf neue Rechtschreibung umgestellt. Mitunter

C

liegen in den Filialen daneben noch Materialien aus den Neunzigerjahren aus, die überwiegend in alter Rechtschreibung verfasst sind.

48

Unter den Stellenanzeigen in der FAZ und in der FASZ sind sowohl solche in alter als auch solche in neuer Rechtschreibung enthalten, d. h. dass viele Unternehmen die neue Rechtschreibung bereits anwenden, so z. B. Abbott, Aero Lloyd, Braun, DaimlerChrysler, Ericsson, Rolls-Royce, Siemens, Techem (vgl. auch 2.4.).

In Bezug auf einzelne Orthogramme ist auffällig,

– dass der Wechselß/ss in den kundenorientierten Texten von Banken, Versicherungen und Bahn sowie in den Stellenanzeigen durchgängig normgemäß vorgenommen worden ist, während in manchen Werbeprospekten diesbezüglich relativ viel Willkürlichkeit herrscht (z. B. Anschluß neben zum Schluss, grosse Auswahl neben größtes Möbelhaus), was – zumindest zum Teil – auf Unkenntnis der Regeln schließen lässt;

– dass es Unsicherheiten im Einzelfall in Bezug auf die Getrennt- und Zusammenschreibung gibt (z. B. soviel statt so viel, gleichbleibend statt gleich bleibend, um so statt umso);

- dass die Groß- und Kleinschreibung und die Worttrennung nahezu problemlos umgesetzt werden;

– dass fäkultative Neuschreibungen nur zum geringen Teil benutzt werden (z. B. weiterhin Ozeanographie, Potential, selbständig);

- dass die Kommasetzung in sämtlichen – auch in den alle anderen Orthogramme korrekt neu schreibenden – Texten traditionell vorgenommen wird.

Schließlich sei auf eine allen untersuchten Texten gemeinsame und mithin offenbar für diesen Bereich typische Eigenart hingewiesen, die unabhängig von alter oder neuer Regelung der Rechtschreibung existiert, nämlich auf den sehr hohen Anteil an Eigenbezeichnungen, deren grafische Form gegen nahezu alle Regeln verstößt, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (z. B. DB AutoZug, StadtExpress, OnlineBankingweb, BBBank-MultiZins, Deutsche Bank 24-ec-Karte).

11. SOFTWARE

Neben der Vorbildfunktion der Printmedien kommt bei der Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung der Computersoftware besondere Bedeutung zu. Sie wird nicht nur im geschäftlichen wie privaten Bereich wirksam, sondern auch im Hinblick auf die Printmedien. Hier kann die Umsetzung in der Regel nicht besser sein, als es die verwendete Software zulässt. Die Kommission hat daher schon fi-üh Kontakt zu führenden Software-Herstellern aufgenommen und am 12. Juli 1999 ein Gespräch mit Vertretern der Firmen Microsoft, softex, SoftMaker und Corel geführt.

Besondere Aufmerksamkeit von Seiten der Kommission erfährt die zu diesem Zeitpunkt festzustellende Tendenz, nach der einzelne Unternehmen oder gar Branchen Vereinbarungen über Art und Umfang der bei ihnen zur Anwendung kommenden neuen Rechtschreibung treffen. Nach Meinung der Computerfachleute ist es technisch möglich, derartige individuelle Wünsche zu berücksichtigen, doch handelt es sich dann stets um zusätzliche Festlegungen auf der Basis des amtlichen Regelwerkes. Ein solches Neben

49

einander verschiedener Vereinbarungen – selbst wenn es sich, wie ein Vergleich der einzelnen „Hausorthograflen“ zeigt, nur um orthografische Randbereiche handelt – wurde sowohl von den Mitgliedern der Kommission als auch von den Vertretern der Computerfirmen nicht gutgeheißen.

Überschaut man die auf dem Markt befindlichen Softwareprogramme, so ergibt sich folgendes Bild:

Neben der Übungssoftware (so genannte Rechtschreibtrainer), die von nahezu allen Verlagen angeboten wird und vom einfachen Diktattiaining für Grundschüler bis hin zu Übungsprogrammen für Erwachsene reicht, gibt es einerseits Textverarbeitungsprogramme mit eigenen Rechtschreibprüfein und andererseits Zusatzprogramme, die in alter Rechtschreibung verfasste Texte in die neue Orthografie umsetzen (so genannte Konvertierungsprogramme).

Die Textverarbeitungsprogramme mit Rechtschreibprüfern findet man in den OfficePaketen. Word 2000 von Microsoft, WordPerfect 8.0 von Corel, WordPro 9.5 von Lotus, RagTime 5 von B&E Software und TextMaker 97 von Softmaker erlauben wahlweise alte und neue Rechtschreibung. (Für Word 95197 stellt Microsoft auf seiner Webseite ein Update der Rechtschreibkorrektur bereit.)

Die meisten in den Office-Paketen vorhandenen Korrekturfunktionen sind für eine Rechtschreibkorrektur jedoch wenig geeignet, da die Fehlererkennung zu gering ist. Sie helfen zwar, Tippfehler zu vermeiden, können jedoch den Sinn des Textes nicht erfassen und somit oftmals nicht auf die richtige Schreibweise schließen. Am besten schneidet im Bereich der Fehlererkennung das System TextMaker der Firma Softmaker ab. Die Programme lassen sich erweitern, indem man sich ein neues Wörterbuch in elektronischer Form als Korrekturgrundlage einspielt.

Was den Bereich der Konvertierungsprogramme betrifft, sind diese in nahezu allen Preisklassen zu finden, wobei die Qualität jedoch nicht immer am Preis zu erkennen ist. Im Idealfall sollte es mit Hilfe des Computers möglich sein einen beliebigen Text rasch und fehlerfrei in die neue Schreibung umzusetzen. Bereits vorliegende Bewertungen auf dem Markt befindlicher Konverter zeigen, dass ein absolut fehlerfrei funktionierendes Computerprogramm nach wie vor nicht existiert. Festgestellt wurden zudem erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, wobei diese Einschätzung freilich auch davon abhängen mag, was von der entsprechenden Software erwartet wird.

Zu den empfehlenswerteren Konvertierungsprogrammen gehören:

BERTELSMANN ORTHOGRAF
3.0 1999 Koch Metlia GmbH Basisversion BERTELSMANN ORTHOGRAF 3.0 1999 Koch Media GmbH Professional

1 DM 49,90

DM 98,00



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Die Kommission ist mit den Computerfirmen weiterhin in Kontakt und hat ihre Hilfe zur Klärung inhaltlicher Fragen angeboten.
(Noch S. 51)

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Matthias Dräger
24.02.2002 07.57
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3. Bericht, Teil A, 12.-13.: S. 51-60



12. Anfragen bei Sprachberatungsstellen (S. 51 – 55)
13. Umschulungen – Kurse zur neuen Rechtschreibung (S. 56 – 60)

12. ANFRAGEN SEI SPRACHBERATUNGSSTELLEN

Orthografische Fragen bilden seit jeher einen großen Prozentsatz aller Anfragen, die an Sprachberatungsstellen gerichtet werden.9 Seit dem Bekanntwerden der Neuregelungs

Vgl. etwa U. Förster, Der Sprachberatungsdienst. In: Der Sprachdienst 1972, S. 2-13; G. Kolde, SprachberatungMotive und Interessen der Fragesteller, In: Muttersprache 1976, S. 20ff.; S. Wiechers, Der Sprachberatungsdienst der Gesellschaft für deutsche Sprache. Darstellung der schriftlichen Sprachberatung 1985-1994. Magisterarbeit, Universität Tübingen 1996.

51

Ul .AL

300

250

200

150

100

50-z

0

92000 [12001

Laut-Buchstaben Zuordnungen

Getrennt- und Schreibung mit Groß- und Zusammenschrei Bindestrich Kleinschreibung
bung 54 293 29 91 35 9 8 48 119 35 108 85 1 14 44

Zeichensetzung

Worttrennung am Zellenende

Sonstiges

C
CD CD

CL

Cn





CD CD -h







30

25

20

15

10

5

0

e ~T,9 02001

B

Ul vi

Lauf-Buchstaben Zuordnungen

15

Getrennt- und Zusammenschrei bung

22 30 25

reibung mit destrich

3

1

Groß- und Kleinschreibung

24

9

Zeichensetzung

am nde

Sonstiges

meines

CD

CD -h CD

CL

10 c







CD











13. Umschulungen – Kurse zur neuen Rechtschreibung

Allgemeine Einschätzung

Die Einführung der neuen Rechtschreibung hat zu einem großen Angebot an Büchern, Broschüren, Faltblättern, Zeitungsbeilagen und anderen Inforniationshilfen (etwa im internet oder durch Sprachberatungsstellen) geführt. Außerdem haben Behörden, Schulen und andere Institutionen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kurse zur neuen Rechtschreibung angeboten. Auch Fortbildungsinstitutionen (wie die Volkshochschulen), Verlage und Einzelpersonen waren bestrebt, den Bedarf zu befriedigen. So hat zum Beispiel das Bibliographische Institut in Zusammenarbeit mit SHT-Stuttgart 40 Dozentinnen und Dozenten für ihre Aufgabe als jehrer" fu-r neue Rechtschreibung trainiert, der Bertelsmann Lexikon Verlag bietet Schulungen zur neuen Rechtschreibung an und verschiedene Schulbuchverlage haben mit zahlreichen Weiterbildungsveranstaltungen in nahezu allen großen Städten der Bundesrepublik Lehrern die Möglichkeit geboten, sich auf die neue Rechtschreibung umzustellen. Eine Reihe von Personen hat sich Lehrprogramme erarbeitet und in den verschiedensten Bereichen Seminare abgehalten. Alles in allem gibt es ab 1996 eine starke Kursnachfrage in den Schulen, ab 1998 in den Behörden und mit der Umstellung der Nachrichtenagenturen ab 1999 auch in der Wirtschaft. Die Rückurnstellung der FAZ (August 2000) führt für einige Monate zu einem leichten Rückgang, im Jahr 2001 scheint die Nachfrage generell nachzulassen. Von vielen Betrieben wird die Umschulung auch allgemein als Programm zur Rechtschreibverbesserung genutzt, teilweise sogar auf Text- und Formulierungsschulung oder auf den Umgang mit Textprogranunen ausgedehnt.

In diesem Bericht interessiert nun nicht so sehr das Faktum der Umschulung als solches, etwa die didaktisch-methodische Aufbereitung, sondern ob sich aus der Ubemahme der neuen Rechtschreibung Anhaltspunkte für gelungene oder misslungene, verständliche oder unverständliche Anderungen ergeben. Gerade weil es sich zum allergrößten Teil bei den "Umschülern" um professionell Schreibende handelt, sind ihre Kommentare zu den Regeln und Ausnahmen höchst aufschlussreich, denn in den Kursen kommt es – auch aus Gründen der Lemmotivation – zu vielen Diskussionen um das Für und Wider. Im Folgenden sollen daher -natürlich in einer Verallgemeinerung – immer wieder vorgebrachte Argumente und dahinter liegende Motive angeführt werden. Die Kommission kann sich hierbei auf Erfahrungen ihrer Mitglieder als Lehrende in Umschulungsseminaren sowie auf eine Reihe von Gesprächen mit Einzelpersonen stützen, die unterschiedlich viele Kurse abgehalten haben.11

Danach ist festzustellen:

Z



Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen mit einer gewissen Verunsicherung in die Kurse. Das Hin und Her über die Neuregelung hat vielfach zu falschen Informationen geführt. So gehen nicht wenige davon aus, dass nun alle Fremdwörter eingedeutscht geschrieben werden können; andere sind der Überzeugung, dass das.ß ganz abizeschafft ist-, manche alauben, dass die Zeit von 1996 bis 2005 nur eine Erprobungsphase ist, wiederum andere meinen, dass Variantenschreibungen nur bis 2005 gelten.

11 So hat z. B. Frau L. Walgenbach (Bonn) aueührlich von ihren Erfahrungen berichtet.

56

a

a

Da die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer professionell schreiben, beherrschen sie die alte Rechtschreibung recht gut; ein unmittelbarer persönlicher Nutzen ist für sie daher mit der Neuregelung nicht verbunden. In ein paar Bereichen, wie Kommasetzung bei Infinitiv, bestimmte Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung und der Groß- und Kleinschreibung, entstehen, wie sie selbst angeben, gelegentlich Fragen; aber generell bedeutet die neue Rechtschreibung für diesen Personenkreis zunächst einmal Verunsicherung, ein Infragestellen dessen, was man konnte und kann, ohne dass genau und klar einsehbar ist, was sich im Einzelnen ändert. Das Einzige, was man sicher weiß, ist häufig, dass sich beimß etwas getan hat. Die neue s-Schreibung gilt als Erkennungssignal der neuen Rechtschreibung.

Bei der Besprechung der Änderungen stellt sich zur Verblüffung vieler Kursleiterinnen und -leiter heraus, dass die Kenntnis der alten Rechtschreibung im Großen und Ganzen nicht auf einer Kenntnis der Regeln beruht. Die allermeisten beherrschen die [alte] Rechtschreibung gut, können die einzelnen Schreibungen aber nicht begründen. Das Sprachgefühl steuert die Kommasetzung, die Getrennt- und Zusammenschreibung, die Groß- und Kleinschreibung und auch die Laut-Buchstaben-Zuordnung. Das der Linguistik bekannte Phänomen der Differenz von Know-how und Know-that hat nun ganz entscheidenden Einfluss auf das Erlernen und die Akzeptanz der neuen Rechtschreibung, denn diese neue Rechtschreibung präsentiert sich in der Form eines Regelwerks, also ausformulierter Regeln und einer bestimmten Begrifflichkeit und Tern-ünologie. Aber gerade diese Präsentation ist nicht die Art, wie man die alte Rechtschreibung beherrscht hat und wie man – nach einer Übergangszeit – auch die neue Rechtschreibung beherrschen wird. Aus dieser Differenz folgt die immer wieder gemachte Beobachtung, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst einmal viele Neuregelungen emotional ablehnen. Das neue Erscheinungsbild entspricht nicht dem Gewohnten; und da das Gewohnte nicht durch bewusste Regeln gerechtfertigt werden kann, ist das Rechtschreibgefühl emotional bestimmt. Das gewohnte Alte ist das Gute, Wahre und Schöne, das ungewohnte Neue das Schlechte, Falsche und Hässliche. So wird oft die Abtrennung eines Vokals A-bend als un' ästhetisch abgelehnt, und bei Brennnessel mit drei n heißt es: „Wie sieht das denn aus!“ Erst wenn die Kursleiterinnen und -leiter die Komplexität der alten Regeln entfalten, ist das Erstaunen groß – in den allermeisten Fällen wird die Anderung dann auch als einsehbar akzeptiert. So werden die Schreibungen [auf dem Stuhl] sitzen bleiben und auch sitzenbleiben ('nicht geheiratet werden') sowie sitzenbleiben ('in der Schule nicht versetzt werden') jeweils unhinterfi-agt für richtig gehalten, ebenso aber auch [im Fluß] baden gehen und [mit der Firma] baden gehen. Das ist alles so richtig, weil es so ist, wie es ist, und der Wörterteil der Rechtschreibwörterbücher kann das im Zweifelsfall bestätigen. Erst wenn die Kursleiterinnen und -leiter die Dudenregeln heranziehen, wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich, dass hier einiges im Argen liegt und sie sehen die neue Regel „Infinitiv + Verb getrennt“ als eine gute Lösung an, die leicht zu handhaben ist.

Mit dieser Differenz von Rechtschreibgefühl und Rechtschreibregeln verbindet sich aber noch eine weitere Schwierigkeit. Die Regeln, vor allem in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung und Zeichensetzung, verwenden grammatische Begrifflichkeit und Terminologie, die dem Schulwissen der 10. Klasse entsprechen. Die meisten Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, obwohl zu einem ganz großen Teil Akademiker, verfügen nicht über dieses Wissen!

57

Z



Das erstaunt die Linguistik nicht, denn bewusste Grammatikkenntnisse sind weder eine hinreichende noch eine notwendige Voraussetzung für sprachlich erfolgreiches Handeln und sie waren es bisher: auch nicht bei der Anwendung der alten Rechtschreibung. Die Wörterbuchverlage hatten daraus die Konsequenz gezogen jeden Einzelfall im Wöiterteil zu präsentieren, z. B. konsequente Angabe der Wortrenning, so dass die Nachschlagenden den Regelteil kaum zu benutzen brauchten. Es spricht also emotional nicht nur gegen die neue Rechtschreibung, dass sie in Form eines Regelwerks daherkommt, sondern dass dieses Regelwerk in seinem ganzen inhaltlichen und sprachlichen Duktus an den Rechtschreib- und Grammatikunterricht der mittleren Schulzeit (5. bis 7. Klasse) erinnert. Genau das berichten die Kursleiterinnen und -leiter. die Vermittlung der neuen Rechtschreibung ist vielfach verknüpft mit einem Repetitorium zu basalen Grammatikkenntnissen. Dass dieser Sachverhalt nicht gerade Begeisterung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern hervorruft, ist verständlich.

Ein letzter Punkt sei noch erwähnt. Die Neuregelung lässt an manchen Stellen Varianten zu, z. B. bei der Fremdwortschreibung, bei der Kommasetzung. Dies geschieht einmal in der pädagogischen Absicht, den Umgewöhnungsprozess zu erleichtern, vor allem aber aus der linguistischen Erkenntnis, dass Sprachwandel ein Wesensmerkmal einer jeden Sprache ist. Dieser Wandel impliziert, dass es immer Varianten in der Sprachverwendung gibt. Das ist trotz Normierung und amtlicher Verordnung auch in der Rechtschreibung so. Nur sehen das die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer meist anders: Die Normierung wird verknüpft mit Variantenfreiheit, d. h. nur eine einzige grammatische Form oder eine einzige Schreibweise kann und darf richtig sein. Jede Abweichung lässt die „noimativen Alarmglocken“ (Feilke) schrillen. Wenn also bei der Neuregelung pädagogischer Hilfestellung wegen und aus sachlogischer Einsicht mit einer „gezielten Variantenführung“ gearbeitet wird, so ist das notwendigerweise vollkommen kontraintuitiv zur Sprachhaltung des normalen Sprachteilhabers und damit auch der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmen Sie sind oft sehr erstaunt, wenn die Kursleiterinnen und -leiter ihnen demonstrieren, dass es schon immer in begrenztem Umfang Varianten gegeben hat, auch in der Rechtschreibung, z. B. bei der grafischen Integration von Fremdwörtern. Im Übrigen stehen die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer mit dieser Haltung nicht allein, denn auch die Nachrichtenagenturen lehnen Varianten ab, und die Forderung der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass wenigstens in ein und demselben Text nur eine Variante durchgehalten werden soll, wird auch von den Chefredakteurinnen und -redakteure sowie von den Korrektorinnen und Korrektoren geteilt.

Es liegt der Kommission viel daran, die Hindernisse aufzuspüren, die die Akzeptanz der neuen Rechtschreibung erschweren, zumal davon nicht nur die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer betroffen sind, sondern generell Erwachsene – ganz gleich, ob sie einem Erlass für Behörden und Schulen unterliegen oder ob ein Unternehmen beschließt hinfort die neue Rechtschreibung anzuwenden.

12 Bei einer Untersuchung zur Wörterbuchbenutzung hat sich daher auch herausgestellt, dass viele gar nicht wussten, dass der Rechtschreibduden einen Regelteil hat.

58

Beispiel: Groß- und Kleinschreibung

Damit nun deutlich wird, wie sich dies im Einzelnen auf bestimmte Bereiche der Neuregelung auswirkt, wird im Folgenden die Groß- und Kleinschreibung herausgegriffen. Sie zeigt viele kleine, unterschiedlich motivierte Änderungen, jedoch wurde die vom Internationalen Arbeitskreis für Orthographie vorgeschlagene [gemäßigte] Kleinschreibung der Substantive und Substantivierungen nicht umgesetzt.

Die überwiegende Mehrheit der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer zeigte sich enttäuscht darüber, dass in der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung darauf verzichtet wurde, die Kleinschreibung der Substantive einzuführen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erzielten bei der Bewertung der Regeländerungen, die sich bei der Groß- und Kleinschreibung ergeben hatten, eine hohe Übereinstimmung.

Dazu Folgendes im Einzelnen:

Substantive.und Substantivierungen:

a

Z



Die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüßten einstimmig folgende neuen Großschreibungen:

Substantive in Verbindung mit einer Präposition: in Bezug

Bezeichnungen für substantivische Tageszeiten, die nach den Adverbien [vor-] gestern, heute und [Über/morgen stehen: heute Abend

- Adjektive in festen Wortverbindungen, unabhängig davon, ob sie wörtliche oder übertragene Bedeutung haben: im Großen und Ganzen, auf dem Trocknen sitzen

- nichtdeklinierte Adjektive in Paarformeln zur Bezeichnung von Personen: Arm und Reich

substantivierte Adjektive als Ordnungszahlen: der Erste

Superlative mit aufs: aufs Schönste

Sie verbinden dies oft mit dem Hinweis, Schreibungen dieses Typus stets als Substantive bzw. Substantivierungen wahrgenommen und daher die bisherige Regelung nicht verstanden zu haben. Allerdings erwies sich, dass zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die die linguistischen Begründungen füh die Regeländerungen als schlüssig bezeichnet hatten, im Übungsteil Schwächen darin zeigten, nichtsubstantivische Wortarten, die in einem Text als Substantive verwendet wurden, als solche zu erkennen.

Verbindungen von Wochentag und Tageszeit:

Zustimmung fand die Neuregelung, die Verbindung von Wochentag und Tageszeit als substantivische Zusammensetzung zu behandeln: Mittwochabend

Adjektive in festen Fügungen mit einem Substantiv:

Ablehnung erfuhr zunächst die Festsetzung, Adjektive in festen Fügungen mit einem Substantiv grundsätzlich kleinzuschreiben, da es sich hierbei um feststehende Ausdrücke, quasi Eigennamen, handeln würde. Wie sich allerdings im Verlauf der Diskussion über die neuen Schreibweisen zeigte, waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer davon ausgegangen, dass dem alten Regelwerk zufolge Adjektive in Verbindungen dieses Typus grundsätzlich großgeschrieben werden mussten. So wurde die Neuregelung verständlich. Manche hätten aber auch genau die entgegengesetzte Lösung, d. h. die konsequente Großschreibung des Adjektivs, für sinnvoll gehalten.

59

Z

a

Ableitungen von Personennamen auf -isch und -sch:

Geteilte Zustimmung fand die Neuregelung, nach der Ableitungen von Personennamen auf -isch und -sch durchgängig kleingeschrieben werden, wobei sich im Verlauf der Diskussionen deutlich zeigte, dass den Teilnehmerinnen und Teilnehmer offensichtlich nicht bewusst war, welche schwierige Differenzierung die alte Regel ihnen abverlangt hatte. Nach ihrem Sprachgefühl sollte ein Personennamen grundsätzlich großgeschrieben werden –, unabhängig davon, welcher Woitart er sich in einer Verbindung zuordnen lässt. Manche Kursleiterinnen und -leiter berichten jedoch, dass die neue Regelung angesichts der Kompliziertheit der alten Regel akzeptiert wird.

Anredepronomen

Die Mehrzahl der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer kündigte an, die Kleinschreibung der vertraulichen Anredepronomen nicht zu befolgen, da sie auch dann, wenn sie mit Personen vertraut seien, das Bedürfnis hätten, diese höflich zu behandeln und ihnen durch Großschreibung besondere Wertschätzung zuteil werden zu lassen. Allerdings waren sie sich bei ihrer Kritik an der Neuregelung mehrheitlich nicht bewusst, dass Anredepronomen dem alten Regelwerk zufolge nicht in allen Textsorten, sondern ausschließlich in Briefen und briefähnlichen Texten großgeschrieben werden mussten. Außerdem befürchten einige für unhöflich gehalten zu werden, da ja der Adressat vielleicht nicht wisse, dass in der Neuregelung das Anredepronomen du kleingeschrieben werde. Wie hoch konnotativ manches in der Rechtschreibung aufgeladen ist, wird daran deutlich, dass eine Kursteilnehmerin in tiefster Überzeugung ankündigt, sie könne zwar ihr, euch, euer neu kleinschreiben, nicht aber du, dir, dein.

Fazit

Alle Kursleiterinnen und -leiter berichten, dass am Ende des jeweiligen Kurses die Stimmungslage vollkommen anders ist als am Anfang:

die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer stufen den Umfang der Neuregelung als klein und überschaubar ein;

ihnen erscheinen die neuen Regelungen in den meisten Fällen einleuchtend und an wendbar, ihre Kritik richtet sich vor allem auf die Varianten;

sie haben vielfach erhellende rationale Einsichten in das Funktionieren der Recht schreibung generell gewonnen, was viele als außerordentlich hilfi-eich begrüßen.

Sie beklagen:

die Regeln sind noch zu kompliziert (formuliert);

die Proben sind oft zu schwierig, z. B. Wortgruppe oder Zusammensetzung;

die Varianten sind lästig, weil Varianten der Normierung widersprechen, und weil man nie wissen kann, wann eine Variante zugelassen ist oder nicht, z. B. bei den Fremdwör tern;

es ist in manchen Bereichen zu wenig reformiert worden, z. B. Groß- und Kleinschrei bung.

60

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Matthias Dräger
24.02.2002 07.37
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3. Bericht, Teil B, 1: S. 61 - 78



TEIL B

DISKUSSION ALTERNATIVER REGELUNGEN



0. Einleitung

0. 1 Problembereiche

Auf den folgenden Seiten werden besonders oft genannte Bereiche der Neuregelung exemplarisch vorgestellt. Zum einen behandelt das Papier drei Problembereiche der Getrennt- und-Zusammenschreibung, die in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre besonders häufig eine Rolle gespielt haben. Es handelt sich um die folgenden Bereiche:

Verbindungen mit Partizipien, zum Beispiel Aufsehen erregend (auf-sehenerregend), die allein Stehenden (die Alleinstehenden), so genannt, wohl durchdacht,

eine nicht sehr umfangreiche, aber in Texten häufig vorkommende Fallgruppe von Verbindungen aus Substantiv und Verb, zum Beispiel Leid tun, Bankrott gehen, Acht geben,

- eine Anzahl von Verbindungen mit Präpositionen, zum Beispiel sich in Acht nehmen, zu Hause.

Zum anderen geht das Papier auf zwei Bereiche der Groß- und Kleinschreibung ein, die vor allem durch die Hausorthografien der Presseagenturen und einiger großer Medienhäuser zu reden gegeben haben. Es handelt sich um die folgenden Bereiche:

feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv, zum Beispiel der rote Faden, die rote Karte, das schwarze Breit, die schwarze Magie;

Ableitungen von Eigennamen, insbesondere Ableitungen von Personennamen auf -sch und -isch, zum Beispiel das ohmsche Gesetz, die platonische Liebe.

In der öffentlichen Rezeption haben praktisch nur die oben genannten Regelbereiche eine größere Rolle gespielt. Dieses Papier befasst sich daher vorrangig mit diesen. Das heißt aber nicht, dass nicht auch noch andere Problemfälle zu überprüfen sind. Um ein Beispiel dafür zu nennen: Paragraf 43 hält fest, dass man Bindestriche bei substantivisch gebrauchten Zusammensetzungen (Aneinanderreihungen) zu setzen hat, insbesondere bei substantivisch gebrauchten Infinitiven ' mit mehr als zwei Bestandteilen. Als Beispiele führt das Regelwerk auf das Auf-die-Iange-Bank-Schieben, das An-den-Haaren-Herbeiziehen, das In-den-Tag-Hineinträumen, das Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben. Auf den Bindestrich kann hier in der Tat kaum verzichtet werden; Schreibungen wie das Aufidielangebankschieben sind kaum akzeptabel. Anders ist das bei kürzeren Verbindungen. Aus diesem Grund hält eLrie zusätzliche Erläuterung fest: »Dies gilt nicht für einfache Zusammensetzungen mit Infinitiv, zum Beispiel: das Autofahren, das Ballspielen, beim Walzertanzen.« Das Problem an dieser Formulierung ist das Adjektiv »einfach«. Intendieil war die Bedeutung »unkompliziert, übersichtlich«, gelesen worden

61



ist das Adjektiv aber meist in seiner zahlwörtlichen Bedeutung (in Opposition zu »zweifach«, »dreifach« usw.). Das.~hat dazu geführt, dass viele gedacht haben, dass eine doch relativ übersichtliche Verbindung wie das Inkrafttreten neu nur noch mit Bindestrichen geschrieben werden dürfe: das In-Kraft-Treten. Da das so gar nicht beabsichtigt war, wird es darum gehen, die Erläuterung weniger missverständlich zu formulieren. Das ist hier möglich, indem man das Adjektiv »einfach« durch »übersiehtlich« ersetzt und eventuell ein weiteres Beispiel wie das Inkrafttreten anführt.

Solche Problemfälle sind eher technischer Art. Sie haben denn auch in der öffentlichen Rezeption eine germge Rolle gespielt. Zu behandeln sind sie dennoch, da sie gerade bei professionellen Schreibern zu Irritationen führen und von der großen Zahl geglückter Regelungen ablenken können. Die Zwischenstaatliche Kommission wird in ihrem nächsten Bericht auch Fälle dieser Art erörtern.

0.2 Vorgehen

Die Diskussion der in diesem Papier ausführlich behandelten Bereiche der Getrenntund Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung folgt jeweils dem folgenden Muster:

– In einem einleitenden Abschnitt wird die Sachlage aus gegenwärtiger Sicht dargestellt. Insbesondere wird eingegangen auf die frühere Regelung mit den Problemen, die Anlass zur Neuregelung waren, sowie auf die jetzige Regelung und auf die Einwände, die gegen sie vorgebracht worden sind.

– Anschließend werden auf Grundlage der genannten Kritik alternative Regelungen präsentiert. Gerade in Bereichen, in denen die Kritik sehr heterogen war, fand es die Kommission sinnvoll, mehrere Alternativen zur geltenden Regelung zu formulieren.

– Jeder Vorschlag wird kontradiktorisch diskutiert, das heißt, es wird versucht, auf möglichst objektive Weise die Vorzüge und Nachteile der jeweiligen Alternativen aufzuzeigen. Dieses Vorgehen erleichtert es, sich einen umfassenden Überblick über die zuweilen komplexen Sachverhalte zu verschaffen.

Die Zwischenstaatliche Kommission hofft mit diesem Vorgehen einen Weg gewählt zu haben, mit dem die anstehenden Entscheidungen optimal vorbereitet werden können.

1. GETRENNT- UND ZUSAMMENSCHREIBUNG

1.0 Übers

icht

In den kritischen Äußerungen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung wird die Getrenntund Zusammenschreibung besonders häufig genannt. Wenn man die Stellungnahmen genauer ansieht, stellt man allerdings schnell fest, dass sie eigentlich nur zwei, allerdings keineswegs marginale Teilbereiche betreffen, nämlich:

– Adjektiv/Adverb + Verb

– Adjektiv/Adverb oder Substantiv + Partizip

Der erstgenannte Bereich gehört zu &§ 34, der zweite zu &§ 36 EI.

62

Daneben sind auch noch einige Einzelfälle zu überdenken. Zu nennen sind hier unfeste Verbindungen aus Substantiv und Verb. Die allgemeine Regelung hat hier breite Akzeptanz erfahren. Sie sieht vor, dass der substantivische Bestandteil in solchen Verbindungen grundsätzlich getrennt und groß steht, zum Beispiel: Anteil nehmen, Auto fahren, Radfahren, Klavier spielen, Schlange stehen, Fuß fassen, Schritt halten, Gefahr laufen. Einzig für eine überblickbare Anzahl von Verbindungen wird Zusammenschreibung vorgesehen; diese Fälle sind in einer geschlossenen Liste zusammengestellt, zum Beispiel: preisgeben, teilnehmen, standhalten. Die Diskussion hat sich hier praktisch auf die Frage beschränkt, ob bestimmte Verbindungen zusätzlich der geschlossenen Liste zuzuordnen sind.

Schließlich sind auch einige Verbindungen des Typs mit (ursprünglichen) Präpositionen zu überprüfen wie zum Beispiel in Kraft setzen oder zu Hause.

Die Kommission hat außerdem mehrfach erörtert, ob die Verwendung der Betonung als Kriterium zweckmäßig sein könnte.

Wir gehen auf die genannten Problemfelder in der folgenden Reihenfolge ein:

Verbindungen mit Partizipien (1.1)

– Einzelrälle des Typs Substantiv + Verb (1.2)

– Präpositionalgruppen (1.3)

– Betonungskriterium (1.4)

1.1 Verbindungen mit Partizipien

1.1.0 Die Ausgangslage

Die Regelung der Schreibung von Verbindungen mit Partizipien war in der früheren Rechtschreibung relativ unübersichtlich. Das lag zum Teil daran, dass schon die Schreibung der zugrunde liegenden Fügungen mit Infinitiv (oder finiter Verbform) nicht transparent geregelt war, so schrieb man zum Beispiel leichtnehmen (weil ich es leichtnahm), aber ernst nehmen (weil sie es ernst nahm). Bei Verbindungen mit Partizipien wurde teilweise zusätzlich zusammengeschrieben, allerdings nur im attributiven Gebrauch; im prädikativen Gebrauch war wie bei den zugrunde liegenden Fügungen getrennt zu schreiben: der ernstgemeinte Vorschlag, aber: Der Vorschlag ist ernst gemeint (wie: Er hat den Vorschlag ernst gemeint). Bei manchen Verbindungen war die Zusammenschreibung beim attributiven Gebrauch der Partizipien allerdings fakultativ: ein ernst zu nehmender oder ernstzunehmender Vorschlag, der zugrundeliegende Sachverhalt oder der zugrunde liegende Sachverhalt. Komparative wurden meist getrennt geschrieben, zum Beispiel: die ernster gemeinte Anfrage. Manchmal wurde aber auch hier Zusammenschreibung verlangt, zum Beispiel: ein näherliegendes Argument.

Die Neuregelung versucht hier zu einer Vereinfachung zu gelangen, indem die Schreibung konsequent davon abhängig gemacht wird, ob eine entsprechende Verbindung auch im Infinitiv besteht. Wenn dies der Fall ist, wird die Getrennt- bzw. Zusammenschreibung von dort übernommen (&§ 36 El (1); im Einzelnen sind dann &§ 34 und &§ 35

63

heranzuziehen). Ein Beispiel: der ernst gemeinte Vorschlag (wegen: den Vorschlag ernst meinen). Andernfalls gelten &§ 36 (1) bis (5) und &§ 36 EI (2) bis (4), zum Beispiel: der ölgetränkte Lappen (es gibt- keine zugehörige infmitivische Verbindung, etwa *den Lappen Öl tränken; statt dessen mit einer Präpositionalphrase: den Lappen mit Öl tränken). Die Zusammenschreibung ölgetränkt ergibt sich aus &§ 36 (1).

Diese Regelung hat zu drei Problemfeldern geführt:

Problernfeld (1): Überlappung von &§ 36 El (1) und &§ 36 (2)

– Problernfeld (2): Prädikative Verwendung

– Problernfeld (3): Substantivierungen

1.1.1 Problemfeld (1): Überlappung von &§ 36 El (1) und &§ 36 (2)

Regel &§ 36 (2) hält fest, dass Zusammenschreibung gilt, wenn der zweite Bestandteil so selbstständig nicht vorkommt. Das trifft etwa zu, wenn eine Verbindung mit einem Partizip als Ganzes in den Komparativ gesetzt werden kann, zum Beispiel: eine gewinnbringendere Investition. Es gibt hier keinen zugehörigen einfachen Komparativ *bringendere. Der Grund für diese Lücke liegt in der Tatsache, dass einfache Partizipien generell nicht kompariert werden können, außer wenn sie sich zu eigenständigen adjektivischen Lexemen verselbstständigt haben, zum Beispiel: das bedeutendere Werk. Im Positiv führt dieser Sachverhalt zu zwei möglichen Schreibungen: die Gewinn bringende Investition (nach dem Infinitiv: die Investition wird Gewinn bringen) oder eine gewinnbringende Investition (nach dem Komparativ: die gewinnbringendere Investition). Ähnliches gilt für Verbindungen mit einem Adjektiv als erstem Bestandteil: ein schwer wiegender Votfall (wegen: ein schwerer wiegender Vorfall; mit Komparation des Adjektivs) oder ein schwerwiegender Vorfall (wegen: ein schwerwiegenderer Vorfall; mit Komparation der gesamten Verbindung, das Komparationssuffix steht dann am Ende der Verbindung, das heißt beim Partizip).

Die genannten Möglichkeiten werden im Regelteil nirgends explizit vorgeführt. Es lässt sich nur aus einigen Einträgen im Wörterverzeichnis rekonstruieren, dass beide logisch denkbaren Schreibungen tatsächlich zugelassen sind. Dies widerspricht aber der Grundintention der Neuregelung, außerhalb bestimmter Teile der Wortschreibung im engen Sinn (Laut-Buchstaben-Beziehungen; Teil A des amtlichen Regelwerks) keine Regelung über das Wörterverzeichnis vorzunehmen. Das heißt, der Schreibende sollte sich in den Bereichen B bis F des amtlichen Regelwerks darauf verlassen können, dass die Schreibung allein auf Basis des Regelteils sicher hergeleitet werden kann, also ohne Konsultation des amtlichen Wörterverzeichnisses. Dies ist umso wichtiger, als das amtliche Wörterverzeichnis nicht jede aus den Regeln ableitbare Schreibung zeigen kann; insbesondere wird die Anwenduncy fakultativer Regeln (etwa im Bereich der Schreibung mit Bindestrich) gewöhnlich nicht vorgeführt. Streng logisch gesehen, hat das amtliche Wörterverzeichnis in Bezug auf die Teile B bis F des Regelteils nur illustrierenden, nicht normsetzenden Charakter.

64

Dass von den zwei logisch denkbaren Schreibungen Gewinn bringend und gewinnbringend tatsächlich beide zugelassen sind, ist keineswegs selbstverständlich, gibt es in der Rechtschreibung doch zahlreiche Metaregeln, die festlegen, welche von zwei möglichen Regeln zur Anwendung kommen darf. Das heißt, im Fall eines Regelkonflikts kommt tatsächlich nur e i n e Regel zur Anwendung.

Im hier diskutierten Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung ist in Fällen wie Gewinn bringend oder gewinnbringend also eine Art Toleranz-Metaregel anzusetzen. Dieser komplizierte Sachverhalt muss im amtlichen Regelwerk so nicht explizit aufge~eigt werden, er sollte aber wenigstens indirekt in einer passenden Erläuterung ein Aquivalent haben.

Während die Komparierbarkeit zu Schleibvarianten wie gewinnbringend vs. Gewinn bringend und schwerwiegend vs. schwer wiegend führt, lässt sich für nichtkomparierbare Fügungen-aus dem amtlichen Regelwerk nur eine einzige Schreibung ableiten, also beispielsweise -nur allein stehend (und nicht auch alleinstehend). Aus grammatischer Sicht ist allerdings zu vermuten, dass auch in solchen Verbindungen eine Varianz zwischen zwei Arten von Lexikalisierung vorliegt, nämlich Lexikalisierung mit und ohne Univerbierung (im ersten Fall liegt ein einzelnes, morphologisch komplexes syntaktisches Wort vor, im zweiten Fall handelt es sich um eine lexikalisierte Phrase, um einen Phraseologismus aus mehreren syntaktisch selbstständigen Wörtern).

1. 1.2 Problemfeld (2): Prädikative Verwendung

Die Getrenntschreibung von Verbindungen aus Substantiv und Partizip I trifft nicht unbedingt die Intuition der Schreibenden, wenn die Verbindungen in einem Syntagma wie dem folgenden auftreten: Diese Investition ist Gewinn bringend. (Statt dessen findet sich meist: ... ist gewinnbringend; zur Herleitung dieser Variante'siehe oben.)

Gegen die Getrenntschreibung kann der folgende Zusammenhang angeführt werden: Das Partizip I tritt im Gegensatz zum Partizip I I gewöhnlich nicht als Prädikativ bei einer Kopula auf, Wohl kaum akzeptierbar: *Sie ist lachend. *Sie ist Briefe schreibend. Scheinbare Abweichungen sind damit zu erklären, dass sich das ursprüngliche Partizip zu einem eigenständigen Adjektiv entwickelt hat, vgl. zum Beispiel: Der Schaden ist bedeuiend. Wenn Fügungen aus Substantiv und ursprünglichem Partizip I prädikativ vorkommen, ist zu vermuten, dass die ganze Verbindung zu einem komplexen Adjektiv reanalysiert wird (Univerbierung). Das legen auch Oppositionen wie die folgende nahe: Diese Investition ist gewinnbringend. Aber kaum: *Diese Investition ist großen Gewinn bringend.

1.1.3 Problemfeld (3): Substantivierungen

Bei Verbindungen mit Partizipien stieß die Schreibung der zugehörigen Substantivierungen (Nominalisierungen) verbreitet auf Kritik, vgl. etwa: das klein Gedruckte (wegen: das klein gedruckle Werk, eiwas klein drucken), die allein Sieh-enden (wegen: die allein stehenden Personen, sie werden bald allein stehen). In einigen Fällen sind allerdings gegen die ursprüngliche Intention der Neuregelung im Wörterverzeichnis auch

65

Varianten mit Zusammenschreibung aufgenommen worden, und zwar unter Berufung auf &§ 37 (2), wo die Zusammenschreibung von Substantivierungen behandelt wird. Das führte zu Schreibungen wie den folgenden: das Kleingedruckte oder das klein Gedruckie, aber attributiv nur: das klein gedruckte Werk, die Alleinstehenden oder die allein Stehenden, aber attributiv nur: die allein stehenden Personen.

Das Problem an der Regelung in &§ 37 (2) ist, dass sie nicht sehr explizit formuliert ist. Im Deutschen ist nämlich zwischen substantivierten Infinitiven bzw. Infinitivgruppen einerseits sowie substantivierten Adjektiven und Partizipien anderseits zu differenzieren. Univerbierung und damit Zusammenschreibung tritt nur bei Infinitivgruppen auf, vgl. die folgenden Beispiele:

auf dem Boden liegen ---> das Auf-dem-Boden-Liegen Kaffee trinken ---> das Kaffeetrinken

Aber ohne Univerbierung: das auf dem Boden liegende Zeug ---> das auf dem Boden Liegende die Kaffee trinkenden Leute ---> die Kaffee Trinkenden

Dass in Verbindungen wie die Alleinstehenden oder das Kleingedruckte eine Neigung zur Zusammenschreibung besteht, hat also nichts mit Substantivierung zu tun, es ist vielmehi Univerbierung schon im zugrunde liegenden attributiven Gebrauch anzunehmen.

1.1.4 Vorschlag

Der folgende Vorschlag versucht, die Schreibung von Verbindungen mit Partizipien durch eine Anpassung von &§ 36 E2 etwas zu flexibilisieren. Diese Erläuterung lautet in der Fassung von 1996:

&§ 36 E2: Lässt sich in einzelnen Fällen der Gruppen aus Adjektiv, Adverb oder Pronomen + Adjektiv/Partizip zwischen &§ 36 und &§ 36 EI keine klare Entscheidung für Getrennt- oder Zusammenschreibung treffen, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, ob er sie als Wortgruppe oder als Zusammensetzung verstanden wissen will, zum Beispiel nicht öffentlich (Wortgruppe) / nichtöffentlich (Zusammensetzung).

Es dürfte ausreichend sein, zwei Beispielgruppen und eine Toleranzklausel anzufügen. Auf den Sonderfall der Substantivierungen wird in einer Anmerkung verwiesen. Änderungen gegenüber der Neuregelung von
1996 sind mit dem Gradzeichen ' markiert:

C e

ein Aufsehen erregendes Ereignis (nach dem Infinitiv: Dieses Ereignis wird Aufsehen erregen) oder ein aufsehenerregendes Ereignis (nach den Steigerungsformen: ein aufsehenerregenderes Ereignis, das aufsehenerregendsie Ereignis, &§ 36 (2»; schwer wiegende Vorwürfe (nach den Steigerungsformen schwerer wie gende Voi-ii,üife, die am schwersten wiegenden Vorwürfe; aber: schwerstwiegende Vorwüife (&§ 36 (2» oder schwerwiegende Vorwütfe (nach den Steigerungsformen schwerwiegendere Voi-ii,iitfe, die schwerwiegendsten Vorwüife (&§ 36 (2».

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Nach diesen Mustern ist bei Verbindungen mit Partizipien, die nicht steigerbar.sind, neben der Getrenntschreibung nach , &§.36 EI (1) ebenfalls Zusammenschreibung möglich:

die Rat suchenden Bürger oder die 'ratsuchenden Bürger; eine allein erziehende Mutter oder eine 'alleinerziehende Mutter.

Entsprechend auch bei Substantivierungen (vgl. &§ 57 (1»:

etwas Aufsehen Erregendes oder etwas Aufsehenerregendes, die Rat Suchenden oder die Ratsuchenden, die allein Erziehenden oder die Alleinerziehenden.

1.1.5 Diskussion

Im Folgenden gehen wir auf die Argumente ein, die sich für und gegen diesen Vorschlag vorbringen lassen.

Pro

Für den Vorschlag lässt sich anführen, dass er die folgenden Punkte der vorangehend formulierten Kritik berücksichtigt:

– Es wird explizit vorgeführt, dass aus der Regelstruktur des Regelwerks zwei Schreibungen logisch ableitbar sind und dass beide Schreibungen auch tatsächlich zugelassen sind.

– Die Varianz, die in komparierbaren Verbindungen wie gewinnbringend vs. Gewinn bringend oder schwer wiegend vs. schwerwiegend ohnehin besteht, wird auf eine Anzahl weiterer, nichtkomparierbarer Fügungen ausgedehnt, die in der kritischen Diskussion oft genannt worden sind, darunter die Verbindung sogenannt bzw. so genannt.

- Attributiver und substantivierter Gebrauch unterscheiden sich – den grammatischen Regularitäten des Deutschen folgend – nur in der Groß- und Kleinschreibung, nicht aber in der Getrennt- und Zusammenschreibung: eine alleinerziehende Mutter, eine Alleinerziehende vs. eine allein erziehende Mutter, eine allein Erziehende.

Keine Unterscheidung wird zwischen attributivem, prädikativem, koprädikativem und adverbialem Gebrauch getroffen. Dies ist insofern verantwortbar, als nicht in allen Fallgruppen die gleichen Tendenzen bestehen. So neigen zum Beispiel Verbindungen aus Substantiv und Partizip I im prädikativen Gebrauch zur Univerbierung und damit zur Zusammenschreibung (siehe oben, Punkt 3): Dieses Vorgehen ist zeitraubend. (Weniger üblich: Dieses Vorgehen ist Zeit raubend.)

Hingegen bleiben die Bestandteile von Verbindungen aus Adjektiv und Partizip II in demselben Kontext eher syntaktisch selbstständig: Dieser Landstrich ist dicht bevölkert. (Weniger üblich: Dieser Landstrich ist dichtbevölkert.)

Der Vorschlag unterscheidet also in der Freigabe der Schreibung nicht nach dem syntaktischen Kontext. Eine Regelung, die auch die Syntax miteinbezieht, wäre theoretisch durchaus denkbar, sie wäre aber für die Sprachgemeinschaft wegen ihrer Kompliziertheit nicht mehr zumutbar. Der Vorschlag appelliert daher implizit an das Sprachgefühl der Schreibenden.

67

Verzichtet wird auch auf das Kriterium, dass es sich bei der möglichen Zusammenschreibung nichtkomparierbarer Fügungen wie alleinstehend (neben allein stehend) um eine »feste Verbindung« handeln muss. Da Laien nicht ohne weiteres feststellen können, ob eine Verbindung als lexikalisiert anzusehen ist oder nicht, würde die Entscheidung schnell auf die Wörterbuchredaktionen abgeschoben. Diese Entwicklung entspräche nicht der Grundintention der Neuregelung, die Schreibung wenn immer möglich über allgemeine Regeln und nicht über Einzelfestlegungen zu steuern.

Kontra

Viele Schreibende ertragen Freiräume schlecht und verlangen stattdessen nach einer Vorschrift, die zu genau einer Schreibung führt. Wenn die amtliche Regelung dies nicht leistet, springen Hausorthografien der Medienhäuser sowie die Wörterbücher (über die Variantenführung) in die Bresche. Das kann längerfristig dazu führen, dass sich im realen Usus teils die Getrenntschreibung, teils die Zusammenschreibung etabliert. Die allgemeinen Regeln wären dann de facto außer Kraft gesetzt; der Ratsuchende müsste in Zweifelsfällen im Wörterbuch nachsehen -ein Ergebnis, das den Intentionen der Neuregelung widerspricht.

Die weitgehende Freigabe der Schreibung bei Verbindungen mit Partizipien schafft den Wörterbuchredaktionen Probleme. Zum einen sind sie gezwungen, alle fraglichen Fügungen doppelt und dreifach aufzuführen. An einem Beispiel:

Neben dem eigenständigen Eintrag gewinnbringend wäre unter den Stichwörtern Gewinn und bringend auch die Variante Gewinn bringend zu erwähnen. Bei allen Einträgen müsste außerdem auf die jeweils andere Variante verwiesen werden, bei gewinnbringend also auf Gewinn bringend, bei Gewinn und bringend auf gewinnbringend.

Darüber hinaus sähen sich die Wörterbuchredaktionen wohl bald dem Druck ausgesetzt, bestimmte Varianten zu favorisieren. Obwohl die heutigen Lexikografen mit den elektronischen Datenbanken über bessere Hilfsmittel verfügen als frühere Generationen, ist keineswegs garantiert, dass die Variantenführung durch die Wörterbuchredaktionen zu einem kohärenten Ergebnis führt.

1.2 Einzelfälle des Typs Substantiv + Verb

1.2.0 Ausgangslage

Die öffentliche Diskussion hat sich hier auf eine Anzahl Einzelfälle beschränkt, das heißt, die eigentlichen Regeln – neben &§ 34 (3) und &§ 34 E3 (5) auch &§ 55 (4) – haben eine breite Akzeptanz erfahren.

Die frühere Regelung kannte bei unfesten (trennbaren) Verbindungen des Typs Substantiv plus Verb vier Schreibungen:

1. Getrenntschreibung mit Großschreibung des Substantivs (zum Beispiel: Anteil nehmen, ich nehme Anteil)

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2. Getrenntschreibung mit Kleinschreibung des Substantivs (zum Beispiel: diät leben, ich lebe diät)

Zusammenschreibung (zum Beispiel: teilnehmen); mit Kleinschreibung des abgetrennten Bestandteils: ich nehme teil

4. Zusammenschreibung (zum Beispiel: radfahren); mit Großschreibung des abgetrennten Bestandteils: ichfahre Rad.

Nicht zu behandeln sind feste (untrennbare) Zusammensetzungen wie maßregeln (ich maßregle) oder schlussfolgern (ich schlussfolgere), die Schreibung war hier seit je klar, sodass die Neuregelung von 1996 zu keinen Änderungen geführt hat.

Bei den unfesten (trennbaren) Verbindungen bildet jetzt die erste der oben gezeigten Schreibweisen den Standardfall. Die dritte Möglichkeit gilt nur noch für eine kleine Anzahl Verbindungen, die in einer geschlossenen Liste zusammengestellt sind, siehe &§ 34 (3). Die zweite Möglichkeit – eine Mischung aus der ersten und der dritten Schreibung: klein, aber getrennt – ist ganz aufgegeben worden. Entsprechendes gilt füh die vierte Möglichkeit, ebenfalls eine Mischung aus der ersten und und der dritten Schreibung. Wenn in der öffentlichen Diskussion zuweilen die Rückkehr zu den aufgegebenen Schreibungen gefordert wird, hat das nicht mit fehlender Akzeptanz der Grundtendenzen der Neuregelung zu tun, sondern damit, dass die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist, vgl. etwa unten die Diskussion zur Fügung Bankrott gehen.

Wir gehen auf die folgenden Verbindungen näher ein:

Leid tun

Nottun

Pleite gehen

Bankrott gehen

Kopf stehen

Eis laufen

Acht geben

Recht haben, Unrecht haben

1. Leid tun

Der Bestandteil Leid bzw. leid in der Verbindung mit dem Verb tun ist grammatisch weder synchron noch diachron eindeutig zu bestimmen (vgl. die Angaben in Pfeifer 1989). In süddeutschen Dialekten erscheint neben dem Substantiv (das) Leid noch ein Adjektiv leid in bestimmten Wendungen; vgl. zum Beispiel Schweizerdeutsch: kä läidi Idee (wörtlich: keine leide Idee, gemeint: keine schlechte Idee).

Allgemein standardsprachlich ist die Verbindung mit dem Verb sein, zum Beispiel: Ich bin es leid, so etitas machen zu müssen. Bei Auffassung von leid als defektives Adjektiv ergibt sich die Schreibung leidiun; man schreibt dann in Analogie zu kundtun zusammen.

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Vorschlag A: Man schreibt neu-. leidlun (es tut mir leid).

Vorschlag B: Man schreibt neu: leidtun oder Leid tun (es tut mir leid oder es tut
1 mir Leid).

Die Versionen A und B unterscheiden sich hier sowie bei den nachfolgend diskutierten Fügungen nur darin, dass die vorgeschlagene Änderung in A obligatorisch, in B nur fakultativ eingeführt wird. Bei Version B bleiben die Schreibungen von 1996 also weiterhin gültig.

Pro

Bei Zusammenschreibung muss der Schreibende nicht darüber nachdenken, ob das Substantiv Leid oder das Adjektiv leid vorliegt. Allenfalls ist die Schreibung freizugeben (Vorschlag B): Leid tun (bei substantivischer Auffassung; Standardschreibung für Verbindungen aus Substantiv und Verb) oder leidtun (bei adjektivischer oder substantivischer Auffassung; wie kundtun bzw. wie teilnehmen). Die Freigabe verhindert außerdem, dass Wörterbücher plötzlich »falsche« Einträge enthalten.

Kontra

Die Sprachgemeinschaft hat sich nach anfänglichem Zögern an die Schreibung Leid tun mit substantivischer Interpretation von Leid gewöhnt. Eine neuerliche Änderung verunsichert unnötig und bringt die Wörterbuchverlage in Schwierigkeiten. Im Alltag könnte es sich als irritierend erweisen, dass die Lesenden voiübergehend mit drei Schreibungen konfrontiert sind: leid tun (alte Schreibung), Leid tun (neu), leidtun (ganz neu).

2. Not tun

Der syntaktische Status des Bestandteils Not lässt sich nicht ohne weiteres bestimmen; jedenfalls liegt kein Akkusativobjekt vor, auf das mit einem Pronomen Bezug genommen werden kann. Dessen ungeachtet kann der Bestandteil Not klar dem substantivischen Lexem (die) Not zugeordnet werden. Die Verbindung not sein mit dem kategoriell unklaren Prädikativ not ist heute obsolet; sie tritt wohl fast nur noch im historischen Zitat »Schifffahrt ist not« auf. Die Kleinschreibung von not kann mit Analogie zu den Fällen in &§ 56 (1) (zum Beispiel schuld sein, pleite sein) gerechtfertigt werden. Feste Wendungen mit dem Substantiv Not sind hingegen allgemein üblich: wenn Not am Mann ist; mit etwas hat es keine Not, ohne Not. Univerbiert: vonnöten (sein).

Fazit: Die Großschreibung von Not ist gut begründet. Allenfalls zu erwägen ist die Zuordnung zur geschlossenen Liste &§ 34 (3): noltun, es tut not (eventuell neben: Not tun, es tut Not). Die frühere Schreibung not tun (getrennt und klein) sollte nicht wiederbelebt werden.

Vorschlag A: Man schreibt neu: nottun (es tut noi).

Vorschlag B: Man schreibt neu: nottun oder Not tun (es tut not oder es tut Not).

Zum Status der Varianten A und B siehe auch Leid tun.

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Pro

Die semantische Verselbstständigung der Fügung legt es nahe, wie bei teilnehmen, preisgeben, stattfinden zusammenzuschreiben. Variante B verhindert, dass Wörterbücher plötzlich »falsche« Einträge enthalten.

Kontra

Die lexikalische Zuordnung zum substantivischen Lexem Not rechtfertigt die Schreibung nach der Grundregel für Verbindungen aus Substantiv und Verb. Zumindest vorübergehend ergeben sich im Alltag bei Einführung der Zusammenschreibung drei Varianten: not tun (alt), Not tun (neu), nottun (ganz neu) – eine unerwünschte Vielfalt.

3. Pleite gehen

Der Bestandteil Pleite kann als Verkürzung einer Präpositionalphrase interpretiert werden: in die Pliite gehen --> Pleite gehen. Die Zuweisung zum substantivischen Lexem Pleite liegt nahe; vgl. aber daneben die Wendung pleite sein mit Kleinschreibung nach &§ 56 (1) wie in schuld sein, angst sein. Bei substantivischer Interpretation von Pleite ist zunächst vom Standardfall mit Getrennt- und Großschreibung von Pleite auszugehen; daneben ist auch die Zusammenschreibung nach &§ 34 (3) denkbar: pleitegehen, die Firma geht pleite. Nicht wiederzubeleben ist die Kombination von Getrennt- und Kleinschreibung: pleite gehen.

Vorschlag A: Man schreibt neu: pleitegehen (sie gehen pleite).

Vorschlag B: Man schreibt neu: pleitegehen oder Pleite gehen (sie gehen pleite oder
1 sie gehen Pleite).

Zum Status der Varianten A und B siehe auch Leid tun.

Pro

Bei gleichzeitiger Anpassung von bankrottgehen (siehe den nächsten Abschnitt) ergibt sich eine kohärente Schreibung. Variante B verhindert, dass Wörterbücher plötzlich »falsche« Einträge enthalten.

Kontra

Die lexikalische Zuordnung zum substantivischen Lexem (die) Pleite rechtfertigt die Schreibung nach der Grundregel für Verbindungen aus Substantiv und Verb. Zum zeitweiligen Nebeneinander dreier Varianten siehe die Diskussion unter Leid tun und Not tun.

4. Bankrott gehen

Die amtliche Regelung behandelt diese Wendung wie Pleite gehen, das heißt als Verkürzung aus in den Bankrott gehen. Im Gegensatz zu Pleite existiert neben dem Substantiv (der) Bankrott allerdings auch ein Adjektiv bankrott, zum Beispiel: der bankrotte Betrieb, der Betrieb ist bankrott. Die Verbindung kann daher auch zu Fügungen wie kaputtgehen gestellt werden, man müsste dann zusammenschreiben: bankrottgehen.

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Die Rückkehr zur Kombination von Getrennt- und Kleinschreibung ist abzulehnen: bankrott gehen.

Vorschlag A: Man schreibt neu: bankrottgehen (sie gehen bankrott).

Vorschlag B: Man schreibt neu- bankrotigehen oder Bankrott gehen (sie gehen bankrott oder sie gehen Bankrott).

Zum Status der Varianten A und B siehe auch Leid tun.

Pro

Bei Zusammenschreibung muss der Schreibende nicht darüber nachdenken, ob das Substantiv Bankrott oder das Adjektiv bankrott vorliegt. Allenfalls ist die Schreibung freizugeben: Bankrott gehen (bei substantivischer Auffassung; Standardschreibung für Verbindungen aus Substantiv und Verb) oder bankrottgehen (bei adjektivischer oder substantivischer Auffassung; wie kaputtgehen bzw. wie teilnehmen). Die Freigabe verhindert außerdem, dass Wörterbücher plötzlich »falsche« Einträge enthalten.

Kontra

Eine unterschiedliche Behandlung von Pleite gehen und Bankrott gehen ist eine unnötige VerkompIizierung. Zum zeitweiligen Nebeneinander dreier Varianten siehe die Diskussion unter Leid tun und Not tun.

5. Kopf stehen

Die Verbindung kann als Verkürzung einer Wendung mit Präpositionalphrase bestimmt werden: auf dem Kopf stehen -> Kopf stehen. Daneben ist auch mit der Möglichkeit einer Rückbildung aus dem Substantiv Kopfstand zu rechnen: auf dem Kopf stehen ----> der Kopfstand ---> kopfsiehen, Kopf stehen. Der Bestandteil Kopf ist klar dem substantivischen Lexem (der) Kopf zuzuweisen. Dies legt die Standardschreibung Kopf.stehen nahe; die Zusammenschreibung kopfstehen stellt die Fügung zu den semantisch verdunkelten Verbindungen des Typs teilnehmen, standhalten, preisgeben.

Vorschlag A: Man schreibt neu: kopfstehen (sie stehen kopf).

Vorschlag B: Man schreibt neu: kopfsiehen oder Kopf stehen (sie stehen kopf und sie stehen Kopf).

Zum Status der Varianten A und B siehe auch Leid tun.

Pro

Die Rückkehr zur alten Schreibung berücksichtigt eine öfter vorgebrachte Kritik.

Kontra

Die Fügung sollte nicht anders behandelt werden als zahlreiche andere, die als Verkürzungen aus Präpositionalphrasen aufgefasst werden können: Klavier spielen (auf dem Klavier spielen), Gefahr laufen (in die Gefahr laufen), Karten spielen (mit Kartell spielen), Aulofahren (mit dem Aulofahren). Die Kleinschreibung von kopf in abgetrennter Stellung kann überdies niTitieren, zum Beispiel: sie stand eine ganze Viertelstunde kopf.

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6. Eis laufen

Die Fügung ist grammatisch wie die vorangehende zu beurteilen: auf dem Eis laufen Eis laufen. Oder auf dem Eis laufen -~ der Eislauf --> eislaufen, Eis laufen.

Vorschlag A: Man schreibt neu: eislaufen (ich laufe eis).

Vorschlag B: Man schreibt neu: eislaufen oder Eis laufen (ich laue eis oder ich laufe Eis).

Zum Status der Varianten A und B siehe auch Leid tun.

Pro

Die Rückkehr zur alten Schreibung berücksichtigt eine öfter vorgebrachte Kritik. Mit dieser Änderung wird die Fügung zu den semantisch verdunkelten Verbindungen des Typs teilnehmen, standhalten, preisgeben gestellt.

Kontra

Die Schreibung sollte nicht von anderen Verbindungen mit laufen abweichen, vgL: Gefahr laufen, Schlittschuh laufen. Vgl. außerdem die unter Kopf stehen aufgeführten Verbindungen. Die Kleinschreibung von eis in abgetrennter Stellung kann überdies irritieren, zum Beispiel: Sie lief zwei Stunden lang eifrig eis.

7.Achtgeben

.Das Problem bei dieser Verbindung ist, dass das zugehörige substantivische Lexem

C)

(die) Acht außer Gebrauch gekommen ist. Es erscheint noch in den folgenden Wendungen: sich in Acht nehmen, etwas außer Acht lassen, etwas aus aller Acht lassen (frühere Schreibungen: sich in acht nehmen, etwas außer acht lassen, aber groß: etwas aus aller Acht lassen). Die Rückkehr zur früheren Zusammenschreibung achtgeben ist nur dann sinnvoll, wenn für die anderen Wendungen (außer derjenigen mit dem Indefinitum aller) zumindest fakultativ auch die Zusammenschreibung nach &§ 39 E3 (1) vorgesehen wird: achtgeben (ich gebe acht), sich inacht nehmen (ich nehme mich inacht), außeracht lassen (ich lasse außeracht), vgl. Verbindungen wie infrage stellen, instand setzen (neben: in Frage stellen, in Stand setzen). Die Rückkehr zu den alten Schreibungen sich in acht nehmen, außer acht lassen ist abzulehnen, da bei ursprünglich substantivischen Bestandteilen die zwitterhafte Kombination von Getrennt- und Kleinschreibung in der Neuregelung systematisch beseitigt worden ist.

Vorschlag A: Man schreibt neu: achtgeben (ich gebe acht), sich inacht nehmen (ich nehme mich inacht), außerachi lassen. Aber: außer aller Acht lassen.

Vorschlag B: Wie A plus Beibehaltung der Neuschreibungen von 1996 als Vari anten.

Pro

Die Aufgabe der Großschreibung berücksichtigt eine öfter vorgebrachte Kritik.

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Kontra

Nur die Großschreibung sichert -eine einheitliche Behandlung aller Verbindungen mit Acht, einschließlich der Fügung außer aller Acht lassen. Bei den piäpositionalen Fügungen kommt es im Alltag vorübergehend zum Nebeneinander dreier Versionen: außer acht lassen (alt), außer Acht lassen (neu), außeracht lassen (ganz neu); Variationen dieser Art sind in der Öffentlichkeit oft als »Beliebigkeitsschreibung« kritisiert worden.

8. Recht haben, Unrecht haben

Die französische Entsprechung avoir raison legt es nahe, dass in dieser Verbindung das Substantiv (das) Recht und nicht das Adjektiv recht vorliegt. Dass die Wortart von Recht nicht ohne weiteres zu bestimmen ist, hängt damit zusammen, dass sich haben nicht nur mit Substantiven, sondern auch mit Adjektiven verbinden kann: einerseits Hunger haben, Angst haben, Zeit haben usw., anderseits freihaben, leicht haben (sie wird es nicht leicht haben).

Sowohl bei substantivischer als auch bei adjektivischer Auffassung von Recht ist auch die Zusammenschreibung als Option zu erwägen: rechthaben (ich habe recht), unrechthaben (ich habe unrecht). Die Fügungen werden so zu den semantisch verdunkelten Verbindungen des Typs teilnehmen, preisgeben, standhalten gestellt.

Vorschlag A: Die frühere Kleinschreibung soll als Variante wieder zugelassen werden: Recht haben oder recht haben (ich habe Recht oder ich habe recht).

Vorschlag B: Zusätzliche Einführung der Zusammenschieibung.

Pro

Die Rückkehi zur alten Schreibung berücksichtigt eine öfter vorgebrachte Kritik.

Kontra

Neuschreiber gewöhnen sich schnell an die Großschieibung, weil die substantivische Auffassung von Recht grammatisch plausibefist und von den zahlreichen Verbindungen von haben plus Substantiv unterstützt wird: Angst haben, Durst haben, Zeit haben usw.; Verbindungen von haben und Adjektiv sind viel seltener. Das Nebeneinander dreier Varianten, wie es Vorschlag B anstrebt, führt in die falsche Richtung, ist doch öfter kritisiert worden, dass die Neuregelung zu viele Varianten zulässt. Hier hätte man es mit den folgenden Varianten zu tun: Recht haben, recht haben, rechlhaben.

1.3 Präpositionalgruppen

1.3.0 Ausgangslage

Den folgenden Verbindungen ist gemeinsam, dass die gegenwärtige Regelung entweder nur Zusammenschreibung oder nur Getrenntschreibung vorsieht, obwohl aus der allgemeinen Struktur des Regelwerks auch die Freigabe der Schreibung denkbar ist:

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anhand, zuhanden, zu Händen, infolge, zufolge in Kraft setzen, außer Kraft setzen, in Acht nehmen, außer Acht lassen

zu Hause

Bei den an erster Stelle genannten Verbindungen ist &§ 39 (3) heranzuziehen. Zu prüfen ist, ob die Freigabe der Schreibung von den dort aufgeführten Fügungen (zum Beispiel an Stelle oder anstelle) auf die hier diskutierten auszuweiten ist. Dies ergäbe die folgenden Varianten: anhand oder an Hand, zuhanden oder zu Handen, zuhänden oder zu Händen (gegenwärtig übersubtil: zuhanden versus zu Händen); infolge oder in Folge (vgl. gegenwärtig: infolge eines Unfalls versus in der Folge eines Unfalls), zu-folge oder zu Folge.

Bei den Fügungen mit Kraft und Acht lässt sich die bestehende Varianz in Fällen wie in Frage stellen oder infrage stellen, in Stand setzen oder instand setzen als Muster nennen; &§ 39 (1). Entsprechend ist zu erwägen: in Kraft setzen oder inkraft setzen, außer Kraft setzen oder außerkraft setzen usw.; siehe auch die Diskussion oben zur Verbindung Acht geben.

Bei der Verbindung zu Hause ist die Variante mit Zusammenschreibung schon angebahnt: Sie ist in Osterreich und in der Schweiz amtlich zugelassen und findet sich auch in Deutschland entgegen der jetzigen und der früheren Regelung recht oft. Da nationale Varianten bei Fügungen, die im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet sind, unerwünscht sind, ist die Schreibung generell freizugeben: zu Hause oder zuhause. Dass tatsächlich eine Tendenz zur Univerbierung besteht, zeigt sich an der Verbindung von zu Hause [kommen] bzw. von zuhause [kommen] (heute wohl nicht mehr üblich- von Hause [kommen], vgl. aber von Haus aus, von Hause aus; von Haus zu Haus). Hingegen ist allein nach Hause üblich (ausgeschlossen: nach zu Hause, nach zuhause). Bei der letztgenannten Verbindung sollte gleichwohl – damit Spitzfindigkeiten ausgeschlossen werden können – auch die Zusammenschreibung nachhause vorgesehen werden; diese Schreibung ist im amtlichen Wörterverzeichnis unter dem Stichwort nachhause schon jetzt uneingeschränkt zugelassen (im Widerspruch zu den Bemerkungen unter Haus).

1.3.1 Vorschlag

Die Freigabe der Schreibung in den genannten Fällen hätte die folgende Auswirkung auf das Regelwerk:

Regeltext.- -

Beispiele (zum Regeltext):

(1) In &§ 39 (3) streichen: anhand, infolge, zufolge. (2) In &§ 39 E2 (2.1) streichen: zu Hause (samt Kommentar) (3) &§ 39 E3: unverändert. (4) In &§ 55 (4) streichen: zu Händen von (aber zuhanden von; abhanden kommen); infolge

Wörterverzeichnis anpassen (in alphabetischer Reihenfolge):

Acht, Folge, Hand, Haus, Kraft, anhand, außeracht, inacht, infolge, inkraft, zu-folge, zuhanden, zuhause

75

1.3.2 Diskussion

Pro

Die Freigabe stärkt die Intention der Neuregelung, Einzelfestlegungen zu vermeiden.

Kontra

Schreibvarianten finden nicht bei allen Regelanwendem Gefallen; oft wird gefordert, bei Anpassungen des Regelwerks sei der umgekehrte Weg zu gehen, nämlich derjenige zu größerer Eindeutigkeit – selbst wenn dafür bestimmte logisch herleitbare Schreibungen auszuschließen sind.

1.4 Betonungskriterium

1.4.0 Ausgangslage

Zur besonderen Problematik der Getrennt- und Zusammenschreibung gehört es, dass sie im amtlichen Regelwerk von 1902 nicht normiert wurde. Erst im »Buchdrucker-Duden« und danach in der 9. und allen folgenden Auflagen des Rechtschreib-Duden wurde die Getrennt- und Zusammenschreibung geregelt, wobei semantische Verschiebungen (eine »innigere Verbindung« von Wörtern, wodurch »ein neuer Begriff« entsteht) und die Intonation (»die [starke] Betonung des ersten Gliedes der Zusammensetzung« als Kliterien genannt werden.

Mit Hilfe des Betonungskiiteriums wird die Zusammenschreibung als individueller Schreibusus möglich. Weiters werden Univerbierungstendenzen als grammatische Prozesse verstanden, die in der Schreibung auf klar erkennbare und beschreibbare Kategorien beschränkt sind und ausdrucksseitig durch die Erstsilbenbetonung bezeichnet sind. Dadurch wird der in der neueren Orthografiegeschichte beobachtbaren Tendenz zur Zusammenschreibung Rechnung getragen; gleichzeitig wird es aber auch durch die Beschränkung der Zusammenschreibung auf bestimmte morphologische und syntaktische Kategorien vermieden, unklare und schwer nachvollziehbare semantische Kriterien zur Grundlage von Zusammenschreibungen zu nehmen.

Die Prinzipien dieses Ansatzes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Trennbare Verbzusätze werden immer mit dem Basisverb zusammengeschrieben (»Zusammensetzungen«.

Präpositionen, Adverbien, Adjektive und Substantive können mit bestimmten Verben Wortgruppen bilden. Sie werden im Prinzip getrennt geschrieben. Fakultative Zusammenschreibungen gibt es nur im Infinitiv, in den Partizipien und im Nebensatz bei Endstellung des Verbs. (Daraus folgt, dass auch in diesen Fällen die Getrenntschreibung grundsätzlich möglich ist.)

Wenngleich hier das Betonungskriterium in den Vordergrund gestellt wird, so kommen doch noch weitere syntaktische Proben in Frage wie die Erststellenfähigkeit von Adverbien und die Möglichkeit, zwischen dem Adverb und dem Basisverb Wörter oder Wortgruppen einzufügen.

C

Zusammen mit dem Betonungskriterium ei-geben sich damit gegenüber dem ursprünglichen Regelwerk nicht nur die oben unter 2. genannten Zusammenschreibungsmöglich

76

keiten, sondern auch deutlich vermehrte Getrenntschreibungsmöglichkeiten. Das betrifft vor allem auch solche Fälle, wo derzeit wegen der fehlenden Erweiterungs- und Steigerungsmöglichkeit nur Zusammenschreibung regelkonform ist, etwa (in der Rechtschreibung) großschreiben und kleinschreiben: Hier kann auch nach den erwähnten syntaktischen Proben getrennt geschrieben werden, sofern man Sätze wie die folgenden als allgemeinsprachlich korrekt ansehen will:

Groß habe ich dieses Wort immer schon geschrieben. ... weil ich dieses Wort groß mit voller Absicht schreiben wollte.

Dieser Ansatz verstärkt das Prinzip der Getrenntschreibung selbstständiger Lexeme und verzichtet konsequent auf die orthografische Kennzeichnung lexikalisierter Wortgruppen. Die Wortbetonung wird ohne besonderes grammatisches Wissen der eigenen Aussprachegewohnheit entnommen.

1.4.1 Diskussion

Für und gegen das Betonungskriterium lassen sich die folgenden Argumente vorbringen:

Pro

Es entlastet die Schreibgemeinschaft von in manchen Fällen komplizierten und unklaren grammatischen Proben. Es verstärkt das Prinzip der Schemakonstanz, wonach jedes Wort als Lexikoneintrag auch in der Schriftgestalt konstant bleibt. Es berücksichtigt die verschiedenen Arten der inneren Regelbildung und lässt die Möglichkeit offen, dass eindeutige Univerbierungen nach abgeschlossener Schreibentwicklung ins Wörterbuch aufgenommen werden (Typus wiedersehen).

Es verstärkt das Bestreben, das Schreiben zu erleichtern und führt in didaktischer Sicht zweifellos zu weniger Fehlermarkierungen, erfordert aber andrerseits eine entsprechende Disziplin der Wörterbuchredaktionen und damit die Bereitschaft, zugunsten einer Verstärkung der Reformprinzipien auf eine werbewirksame Erhöhung der Wörterbucheinträge zu verzichten.

Es verzichtet auf die Kriterien der Erweiterbarkeit und der Steigerbarkeit. Dies ist umso eher verkraftbar, als viele Adjektive nach ihrer Bedeutung so beschaffen sind, dass sie nicht gesteigert werden können (polare Begriffe wie tot, wahr usw.). Bei der Erweiterungsprobe ist oft nicht klar, ob die Erweiterung das Adverb bzw. Ad ektiv betrifft oder j

die ganze Verbindung. Manche Erweiterungsmöglichkeiten (Temporalausdrücke wie morgen oder am Dienstag) beziehen sich auf die ganze Verbindung, werden aber manchmal als Erweiterungen des Adjektivs/Adverbs angesehen und gelten dementsprechend irrtümlich als ein Kriterium für die Getrenntschreibung. Auch Adverbien, die sich auf den ganzen Satz beziehen, könnten fälschlich als mögliche Erweiterungen gelten. Das wird vermieden, wenn die Betonung und die Geltung als syntaktisch eigenständiges Adjektiv bzw. Adverb als Kriterien herangezogen werden.

Schon der Neuregelung von 1996 wurde vorgeworfen, dass sie zum Verlust von »gewohnten Wörtern« geführt hat. Dieser Vorwurf könnte verstärkt auch gegen eine Regelung mit Hilfe des Betonungskriteriums erhoben werden. Er ist aber nicht stichhaltig. Viele aus bloßer Gewohnheit zusammengeschriebene Formen haben keine spezifische Bedeutung und müssen daher nicht als eigene Wörterbucheintragungen vorgesehen werden. Außerdem ändert sich die Verbbedeutung (Verbalhandlung) in vielen Fällen je

77

nach den Ergänzungen im Prädikatsverband und oft auch je nach der Bedeutung des Subjekts ohne irgendwelche Auswirkungen auf die Rechtschreibung (gehen: auf der Straße / auf allen vieren / aufs Gymnasium / ins Ausland 1 mit einer Französin / wandern / nach Wien, der Schrank geht ins Zimmer, das Geschäft geht gut, der Motor geht, der Zug geht von Wien nach Mannheim). Hier wie in anderen Fällen ist die konkrete Verbbedeutung nur auf Grund der gemeinsamen Weltkenntnis von Schreibenden und Lesenden erschließbar, ohne dass sie von der Rechtschreibung bezeichnet werden müsste. Ebenso würde die Weltkenntnis entscheiden, welche Verbalhandlung in einen Brief zusammen schreiben (gemeinsam einen Brief schreiben) und *zwei Wörter zusammen schreiben (zwei Wörter ohne Zwischenraum schreiben) gemeint ist. Es ist nicht sinnvoll, von der Rechtschreibnorin eine Differenzierung aller nur denkbaren Bedeutungsnuancen zu verlangen.

KONTRA

Der Ansatz nach dem Bedeutungskriterium verzichtet auf jede Art, durch geregelte Zusammenschreibungen Bedeutungsnuancen systematisch zu unterscheiden. Kontext, Konsituation, verschiedene syntaktische Konstruktionen und Kollokationen bleiben wie auch sonst die einzigen Möglichkeiten, Mehrdeutigkeiten zu erkennen. Die Rechtschreibwörterbücher müssen auf einen Großteil der bisher angeführten Zusammenschreibungen verzichten und die Bedeutungsvarianten anders darstellen; das steht der tendenziellen Ausweitung des Wortschatzes in den geläufigen Wörterbüchem entgegen. Weiters führt die Verwendung der Betonung als Kriterium für die Getrennt- und Zusammenschreibung zu weit gehenden Eingriffen in das (reformierte) Regelwerk.

Dem Betonungskriterium stehen darüber hinaus tendenziell folgende Problembereiche entgegen:

1. Ein Großteil der Nlerbzusätze kann auch als eigenständige Adverbien vorkommen.

2. In der Sprachgemeinschaft können unterschiedliche Betonungsvarianten vorkommen.

Verschiedene Textproduktionsbedingungen können auch zu idiolektalen Betonungsvarianten führen.

4. Im Unterricht »Deutsch als Fremdsprache« ist das Betonungskriterium vor allem im Anfangsunterricht schwer vermittelbar.

Gerade im Zweifelsfall treten Unsicherheiten verstärkt auf und Wort- und Satzakzent können konkurrieren. Daher galt schon in der alten Rechtschreibung das Betonungskriterium als schwierig zu handhaben.

6. Da die faktische Freigabe der Getrennt- und Zusammenschreibung dem Prinzip der Normierung entgegensteht und Varianten stets einen Bereich der Unsicherheit darstellen, ist es wahrscheinlich, dass die Wörterbücher Einzelfestlegungen treffen werden. Damit würde ein gut gemeinter Vorschlag in sein Gegenteil verkehrt.

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Matthias Dräger
24.02.2002 07.32
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3. Bericht, Teil B, 2.: S. 79-106


2. GROSS- UND KLEINSCHREIBUNG

ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE

2.0 Überblick

Zum Problembereich

Feste Verbindungen des Typs Adjektiv + Substantiv

Adjektivische Ableitungen von Eigennamen

Anhänge-.

- Materialsammlung zu festen Verbindungen des Typs Adjektiv + Substantiv

– Liste der Presseagenturen (1999), mit Kommentar

– Liste der
ZEIT (1999), mit Kommentar

2.1 Zum Problembereich

Wenn ein Adjektiv als Attribut ein nachstehendes Substantiv näher bestimmt, wird es grundsätzlich kleingeschiieben:

die weißen Blüten, die europäischen Staaten

Die bisherige Regelung kannte drei Bereiche, in denen abweichend von dieser Grundregel Großschreibung galt, nämlich:

1. mehrteilige Eigennamen, zum Beispiel: der Weiße Nil, die Europäische Union

2. bestimmte feste Wortverbindungen, zum Beispiel: der Weiße Sonntag, der Weiße Tod

3. bestimmte adjektivische Ableitungen von Eigennamen, zum Beispiel: die Schm,eizer Berge, das Ohmsche Gesetz

Der Bereich 1 war relativ systematisch geregelt; bei der Neuregelung konnte man sich daher auf eine bessere Formulierung der betreffenden Regeln beschränken; inhaltlich hat sich nichts verändert (&§ 60). Bei den anderen zwei Bereichen hat sich hingegen mit der Zeit eine gewisse Uneinheitlichkeit entwickelt, sodass ein Reformbedarf gegeben war. Die in der Regelung von 1996 gewählten einheitlicheren Lösungen haben in der Folge zu Diskussionen geführt, auf die wir in diesem Papier näher eingehen werden. Wir behandeln zuerst den Bereich 2, die festen Wortverbindungen, danach den Bereich 3, die adjektivischen Ableitungen von Eigennamen.

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2.2 Feste Verbindungen des Typs Adjektiv +

Substantiv

2.2.0 Ausgangslage

Die bisherige Regelung nannte in den allgemeinen Regeln nur zwei Bereiche, in denen attributive Adjektive großgeschrieben wurden, obwohl sie nicht Bestandteil eines Eigennamens waren. So sah der Duden in seiner Ausgabe von 1991, eingegliedert unter »mehrteilige Titel und Namen« (R 75), die folgenden systematischen Ausnahmen vor.

a) Funktionsbezeichnungen und Ehrentitel wie Erster Vorsitzender, Regierender Bürgermeister, Seine Eminenz,

b) biologische Termini wie Roter Milan, Weiße Lilie, Gefleckte Hyäne.

Für alle andere " n entsprechenden Wortgruppen wurde mit Hinweis darauf, dass es sich nicht um wirkliche Eigennamen handelt, ausdrücklich Kleinschreibung des Adjektivs verlangt, zum Beispiel künstliche Intelligenz, italienischer Salat, neues Jahr. Diese relativ strikte Beschränkung im Regelteil wurde im Wörterverzeichnis des Duden aber teilweise unterlaufen, indem dort eine Reihe von Wortverbindungen mit Großschrei bung des adjektivischen Bestandteils aufgeführt wurde. Diese Großschreibungen waren von den eben erwähnten Regeln nicht gedeckt; außerdem waren keine klaren Grund sätze für die Wahl von Majuskeln oder Minuskeln erkennbar. Vgl. etwa die folgenden Beispiele (sowie den Anhang zum vorliegenden Papier):

die Erste Hiffie, (aber) die erste Wahl, das Ewige Licht, (aber) die ewige Seligkeit, das Große Los, (aber) die große Fahrt, der Letzte Wille, (aber) jemandem die letzte Ehre erweisen; der Goldene Schnitt, (aber) die goldene Hochzeit; das Schwarze Brett, die Schwarze Kunst, (aber) die schwarze Liste, der schwarze Humor, das schwarze Schaf, der schwarze Markt; der Weiße Tod, (aber) die weiße Kohle; das Zweite Gesicht, (aber) der sechste Sinn

Die Neuregelung von 1996 wollte diese Widersprüche beseitigen, indem sie im Sinne ihrer generellen Zielsetzung eine eindeutigere und klarere, überzeugend begründete Regelung vorlegte, die die Erlernung und Handhabung der Rechtschreibung auch auf diesem Gebiet einfacher macht. Dafür waren prinzipiell zwei Möglichkeiten zu erwägen:

a) die Ausweitung der Anfangs'großschreibung auf alle entsprechenden substantivischen Wortgruppen mit phi-aseologischem oder terminologischem Status etwa im Sinne einer Begriffsgroßschreibung unter Fortführung vorhandener Tendenzen im Schreibgebrauch;

b) die Einschränkung und Begrenzung solcher Tendenzen zur Anfangsgroßschreibung im Schreibgebrauch auf relativ eindeutig bestimmte Fallgruppen und Kleinschreibung in allen anderen Fällen.

Die Neuregelung hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden, und zwar mit folgender Begründung:

Die Überwindung der Widersprüchlichkeiten der bisherigen Regelung in Richtung auf die Möglichkeit a) würde einen unzumutbar großen, mit dem hohen Normanspruch der

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Orthografie unvereinbaren Unsicherheitsbereich in der Schreibung zur Folge haben. Es müssten nicht nur – wie auch jetzt schon – die schwierigen Übergänge von eigennamenartigen zu nicht-eigennamenartigen Wortgruppen in Regeln gefasst werden, sondern auch die vielfältigen Abstufungen zwischen terminologischen oder phraseologischen und freien Wortgruppen. Das würde im Vergleich mit der bisherigen Regelung keine größere Sicherheit füh den Schreibenden schaffen, sondern viele neue Unsicherheitsfälle produzieren, zum Beispiel in Wortgruppen wie den folgenden:

erster Platz, dritter Weg, grüner Junge, graue Eminenz, alter Herr, großer Lauschangriff, komischer Vogel, duales System, feindliche Übernahme, friedliche Koexistenz, direkte Verbindung, schöne Bescherung

Am Ende wäre dies auf eine Freigabe der Groß- und Kleinschreibung der Anfangsbestandteile entsprechender Wortverbindungen hinausgelaufen, was nicht nur dem Normanspruch der Orthografie widersprochen, sondern auch den Wörterbuchmachern große Schwierigkeiten bereitet hätte.

Deshalb hat sich die Neuregelung von 1996 für die relativ restriktive Möglichkeit b) entschieden. Die Regelung benennt in &§ 64 die Ausnahmen von der normalen Anfangskleinschreibung solcher Wortgruppen konkret, begrenzt sie strikt und reduziert auf diese Weise die Unsicherheitsbereiche der bisherigen Regelung deutlich. Sie folgt damit einem Grundsatz der Neuregelung, den Vorrang der Einzelfallregelung im Wörterverzeichnis auf bestimmte Teilbereiche der Laut-Buchstaben-Beziehungen (Wortschreibung im engen Sinn; Teil A des amtlichen Regelwerks) zu beschränken (zum Beispiel Schreibung mit oder ohne Dehnungs-h vor 1, m, n, r). Das heißt, der Schreibende kann sich in allen übrigen Bereichen, darunter auch in der Groß- und Kleinschreibung (Teil D des amtlichen Regelwerks), darauf verlassen, dass in Zweifelsfällen die allgemeinen Regeln und nicht das Wörterverzeichnis den Ausschlag geben. Das Wörterverzeichnis kann nicht jede aus den Regeln ableitbare Schreibung zeigen; insbesondere wird die Anwendung fakultativer Regeln (etwa im Bereich der Schreibung mit Bindestrich) gewöhnlich nicht vorgeführt. Streng logisch gesehen, hat das amtliche Wörterverzeichnis in Bezug auf die Teile B bis F des Regelteils nur illustrierenden, nicht nonnsetzenden Charakter.

Mit der Entscheidung für Möglichkeit b) wendet sich die Neuregelung allerdings gegen die eingangs erwähnten, offensichtlichen Tendenzen im Schreibgebrauch. In der Folge haben sich denn auch einige wichtige Instanzen der öffentlichen Kommunikation, darunter die deutschen Presseagenturen sowie die Wochenzeitung DIE ZEIT, bei bestimmten Verbindungen für Großschreibung des attributiven Adjektivs entschieden (siehe dazu die Listen im Anhang). Zu bedenken ist allerdings, dass andere Medien, zum Beispiel die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, die in manchen Belangen seit je eigenen orthografischen Konventionen folgt, sich im hier diskutierten Bereich der amtlichen Regelung anschließen.

Die seit der Neuregelung von 1996 eingetretene Entwicklung bildet nun den Anlass, die orthografische Regelung im angesprochenen Teilbereich noch einmal zu erwägen.

Wir führen hier den entsprechenden Passus des amtlichen Regelwerks der Übersichtlichkeit halber vollständig auf

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&§ 63: In substantivischen Wortgruppen, die zu festen Verbindungen geworden, aber keine Eigennamen sind, schreibt man Adjektive klein. Beispiele:

der italienische Salat, der blaue Brief, das autogene Training, das neue Jahr, die gelbe Karte, das gelbe Trikot, der goldene Schnitt, die goldene Hochzeit, das große Los, die höhere Mathematik, die innere Medizin, die künstliche Intelligenz, die grüne Lunge, das olympische Feuer, der schnelle Brüter, das schwarze Brett, das schwarze Schaf, die schwedischen Gardinen, der weiße Tod, das zweite Gesicht, die graue Eminenz

&§ 64: In bestimmten substantivischen Wortgruppen werden Adjektive großgesehrieben, obwohl keine Eigennamen vorliegen.

Dies betrifft

(1) Titel, Ehrenbezeichnungen, bestimmte Amts- und Funktionsbezeichnungen, zum Beispiel:

der Heilige Vater, die Königliche Hoheit, der Erste Bürgermeister, der Regierende Bürgermeister, der Technische Direktor

(2) fachsprachliche Bezeichnungen bestimmter Klassifizierungseinheiten, so von Arten, Unterarten oder Rassen in der Botanik und Zoologie, zum Beispiel:

die Schwarze Witwe, das Fleißige Lieschen, der Rote Milan, die Gemeine Stuben fliege

(3) besondere Kalendertage, zum Beispiel:

der Heilige Abend, der Weiße Sonntag, der Internationale Frauentag, der Erste Alai

(4) bestimmte historische Ereignisse und Epochen, zum Beispiel:

der Westfälische Friede, der Deutsch-Französische Krieg 187011871, der Zweite Weltkrieg, die Goldenen Zwanziger, die Jüngere Steinzeit

Im Folgenden werden zwei mögliche Alternativen zu dieser Regelung diskutiert:

Alternative E Ersatz von &§ 64 (2) durch eine Erläuterung mit zusätzlichen Fallgruppen aus weiteren Fachsprachen

Alternative II: Zulassung von »Hei-vorhebungsgroßsehreibung« durch eine neue Erläuterung zu &§ 64

Diese beiden Alternativen schließen sich, wie auch unten noch zu bemerken sein wird, nicht unbedingt gegenseitig aus. Die entsprechenden Erläuterungen werden darum im folgenden Text zur Verdeutlichung durch die Bezifferung als EI bzw. E2 voneinander unterschieden.

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2.2.1Alternative 1: Ersatz von &§ 64 (2) durch

eine Erläuterung mit zusätzlichen Fall

gruppen (E1)

Fachsprachliches ist eigentlich nicht Gegenstand der amtlichen Regelung von 1996. Es wurde denn auch schon vorgeschlagen, Punkt (2) von &§ 64 in eine Erläuterung umzuformulieren; &§ 64 würde dann nur noch die Punkte (1), (3) und (4) umfassen (mit entsprechender Umnummerierung). Bei Punkt (4) wäre überdies auch die Zuordnung der Fallgruppe zu den eigentlichen Eigennamen (&§ 60) zu erwägen. Die Erläuterung müsste etwa folgendermaßen lauten:

&§ 64 El: In manchen Fachsprachen werden attributive Adjektive großgeschrieben, wenn sie mit dem Substantiv zusammen für eine begriffliche Einheit stehen, zum Beispiel Aiten, Gattungen und Rassen in der Biologie: die Schwarze Witwe (eine Spinnenart), das Fleißige Lieschen (eine Zimmerpflanzenart), der Rote Milan (eine Vogelart), der Fransige Wulstling (eine Pilzart).

Eine solche Erläuterung könnte nun mit zusätzlichen Fallgruppen aus weiteren Fachsprachen ergänzt werden:

&§ 64 El: In manchen Fachsprachen werden attributive Adjektive großgeschrieben, wenn sie mit dem Substantiv zusammen für eine begriffliche Einheit stehen, zum Beispiel:

Gattungen und Rassen in der Biologie: die Schwarze Witwe (eine Spinnenart), das Fleißige Lieschen (eine Zimmerpflanzenart), der Rote Milan (eine Vogelart), der Fransige Wulstling (eine Pilzart)

Begriffe des Rechts und der Politik: die "Aktuelle Stunde (im Parlament), die *'Kleine Anfrage, die *'Schwarze Liste, die *ONeue Mitte, der *'Große Lauschangriff

Begriffe der Wirtschaft: der Neue Markt, der "Schwarze Markt

Begriffe des Sports: die *`Rote Karte, die *"Gelbe Karte

Begriffe der Religion: die Letzte Ölung, die *Heilige Messe, das 'Ewige Licht (in der Kirche)

(Fügungen, deren Schreibung von der gegenwärtigen Interpretation der Neuregelung abweichen, sind mit dem Zeichen ' markiert. Änderungen gegenüber der Schreibung vor 1996 haben einen Stern.)

In den nachstehenden Abschnitten werden die Vor- und Nachteile dieses Vorschlags einander gegenübergestellt.

Pro

Die Erläuterung geht auf die Praxis in vielen Fachsprachen ein, attributive Adjektive in bestimmten begrifflichen Einheiten großzuschreiben; man spricht hier auch von Nomenklaturen oder Nominationsstereotypien.

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Bei der voFgeschlagenen Erläutei ung handelt es sich streng genommen nicht um eine inhaltliche Anderung, sondern nur um eine Verdeutlichung der Regelung von 1996. Die Form einer Erläuterung wurde gewählt, weil Fachsprachliches eigentlich nicht in die zentralen Teile des amtlichen Regelwerks gehört. Dass überhaupt ein entsprechender Passus im amtlichen Regelwerk enthalten sein soll, lässt sich damit begründen, dass fast alle Schreibenden zumindest gelegentlich mit Fachsprachen oder fachsprachlichen Wendungen konfrontiert werden und daher ein gewisser Klärungsbedarf besteht.

Die Behandlung der fachsprachlichen Großschreibung in einer bloßen Erläuterung zwingt die Wörterbücher dazu, bei allen fraglichen Fügungen die amtliche Kleinschreibung zumindest als eine Möglichkeit (neben der fächsprachlichen Variante mit Großschreibung) aufzuführen und gegebenenfalls auch als solche zu kennzeichnen. Schreibende, die sich grundsätzlich am amtlichen Regelwerk orientieren wollen oder müssen, wird so eine klare und eindeutige Schreibpraxis ermöglicht.

Kontra

Wörterbücher enthalten auch Fachsprachliches; sie müssen daher auch die fachsprachliche Schreibung von Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv berücksichtigen. Da eine strenge Scheidung von Fachsprachen und Allgemeinsprache nicht möglich ist, führt dies zu einem Nebeneinander von allgemeinsprachlicher Schreibung (= Kleinschreibung) und fachsprachlicher Schreibung (= Großschreibung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass manche Fachsprachen, etwa diejenigen der Physik, der Astronomie und der Medizin, Verbindungen von Adjektiv und Substantiv seit je kleinschreiben:

die absolute Temperatur, der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, das magnetische Feld, das schwarze Loch, der rote Zwerg; der graue Star, das follikelstimulierende Hormon

Abhilfe könnte eine Klassifikation des Wortschatzes nach inhaltlichen Gesichtpunkten schaffen. Damit könnte man beispielsweise verhindern, dass im Bereich der Tier- und Pflanzengattungen sich ein Usus etabliert, wonach allgemein bekannte Pflanzen- und Tiergattungen klein, nur Fachleuten bekannte hingegen großzuschreiben sind (zum Beispiel fleißiges Lieschen, rote Beete, schwarze Witwe vs. Fransiger Wulstling, Gelbbauchige Unke, Roter Milan). Es würden allerdings allzu viele Wendungen übrig bleiben, bei denen eine sichere Zuordnung zu einer bestimmten Fachsprache bzw. zu einem bestimmten Wortfeld nicht möglich ist, vgl. etwa die folgenden Verbindungen mit dem Adjektiv schwarz, für die teilweise auch schon Großschreibung gewünscht worden ist (siehe auch die Materialsammlungen im Anhang):

das *schwarze Breit; ein schwarzer Freitag; ein schwarzes Geschäft, das schwarze Gold; der schwarze Humor, die *schwarze Kunst; die *schwarze Magie, der schwarze Mann (Schornsteinfeger); die schwarze Messe; der *schwarze Peter (Kartenspiel); die schwarzen Pocken; das schwar7 Schaf,- ein schwar~ r Tag; der schwarze Tee; der

e ze *schwarze Tod
(Beulenpest)

(Der Stern * kennzeichnet Verbindungen, deren Schreibung 1996 verändert worden ist.)

Wenn in einem Teil dieser Verbindungen die Großschreibung des Adjektivs vorherrschend würde oder sich ganz durchsetzte, in einem anderen aber nicht, führte dies zu einem völlig inkonsistenten Bereich der Rechtschreibung. Die Wörterbücher könnten kaum davon abgehalten werden, den jeweils dominanten Gebrauch an erster Stelle zu nennen – mag er nun mit dem amtlichen Regelwerk übereinstimmen oder nicht. In der

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Folge wären diejenigen Schreibenden, die sich an den allgemeinen Usus halten wollen oder müssen, bei jeder Unsicherheit gezwungen, im Wörterbuch nachzuschlagen, da faktisch keine allgemein gültigen Regeln mehr bestünden. Das Ziel der Neuregelung, die Anwendung der Grundregeln auszuweiten und Einzelfestlegungen so weit wie möglich zu beschränken, wäre im hier diskutierten Bereich der Rechtschreibung aufgegeben worden. Bei der derzeit geltenden Regelung kann sich der Schreibende darauf verlassen, dass in Zweifelsfällen die amtlichen Regeln und nicht das Wörterverzeichnis (oder ein davon abgeleitetes Wörterbuch) den Ausschlag geben. Abgesehen von den LautBuchstaben-BeziehÜngen hat das Wörterverzeichnis nur exemplarischen, also nicht normsetzenden Charakter.

2.2.2 Alternative 11: Zulassung von »Hervorhe

bungsgroßschreibung« durch eine neue Erläuterung zu &§ 64

Den Nachteil der oben genannten Lösung, dass die Toleranzzone nur in fachsprachlichen Kontexten gewährleistet wäre, könnte mit einer völlig neuen Erläuterung zu &§ 64 vermieden werden. Diese Erläuterung führt das Kriterium der Hervorhebung in die Groß- und Kleinschreibung ein:

1&§ 64 E2: Attributive Adjektive können in Ausnahmefällen zur Hervorhebung eines besonderen Gebrauchs großgeschrieben werden, zum Beispiel: die *oRote Karte, das 'Schwarze Brett, die 'Erste Hiffie, die Letzte Ölung, die "Kleine Anfrage.

(Fügungen, deren Schreibung von der gegenwärtigen Interpretation der Neuregelung abweichen, sind mit dem Zeichen ' markiert. Änderungen gegenüber der Schreibung vor 1996 haben einen Stern.)

Wie schon oben angesprochen, schließen sich Alternativen I und II logisch nicht gegenseitig aus. Das heißt, es sind auch zwei Erläuterungen zu &§ 64 denkbar- EI ersetzt im Sinne von Alternative 1 Punkt (2) von &§ 64; E2 führt zusätzlich das Kriterium der Hervorhebung ein.

In den nachstehenden Abschnitten werden die Vor- und Nachteile der »Hervorhebungsgroßschreibung« einander gegenübergestellt.

Pro

Bei der Großschreibung der attributiven Adjektive in bestimmten Wortverbindungen wie Rote Karte handelt es sich um eine besondere Form der »Aufmerksamkeitsschreibung«, vergleichbar mit der Schreibung von Eigennamen in Versalien oder Kapitälchen oder mit der Hervorhebung von Textsequenzen durch Kursiv- und Fettdruck. Der Sinn dieser Mittel ist es, die Aufmerksamkeit und das Interesse des Lesers zu wecken und Anhaltspunkte für das schnelle Lesen zu geben. Die Möglichkeit, die Großschreibung als Mittel der Aufmerksamkeitsschreibung einzusetzen, könnte auch in der Einleitung zum Abschnitt »Großschreibung« des amtlichen Regelwerks erwähnt werden. Es bestünde dann eine fünfte Funktion der Großschreibung neben der schon bisher amtlich aufgeführten Markierung von Satzanfängen, Substantiven, Eigennamen und distanzierter Anrede, die grammatisch bzw. semantisch-pragmatisch fundiert sind.

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Die Aufmerksamkeitsgroßschreibung ist einem Übergangsbereich zwischen orthografischer Regel und Typografie zuzuordnen. Da die heutige Software zum Schreiben am Computer jedem Schreibenden praktisch die gesamte Palette typografischer Möglichkeiten zugänglich macht, sollte das amtliche Regelwerk dazu etwas sagen. Zum Schreiben gehört heute in viel stärkerem Maße als bis vor einigen Jahren auch das Layouten und Herstellen. Davon ist auch die Orthografie als Teil des Schriftgebrauchs betroffen.

Kontra

Die typografischen Möglichkeiten der Textgestaltung bedürfen nicht der amtlichen Regelung. Das amtliche Regelwerk hat daher typografische Aspekte weitestgehend ausgeblendet. Dies gilt zum Beispiel auch für die Regeln zum Gebrauch der AnfÜhrungszeichen (&§&§ 89-95): Hier gibt es verschiedene typografische Varianten: "Wort", "Wort", »Wort«, «Wort», <Wort> usw.; außerdem stehen die Anführungszeichen teilweise in Konkurrenz zu typografischen Mitteln wie Kursiv- oder Fettdruck. Das amtliche Regelwerk verzichtet bewusst darauf, hier Präferenzen anzugeben. Nichtamtliche Regelwerke sind hingegen frei, Empfehlungen zu publizieren, vgl. etwa die Hinweise zur Textverarbeitung und zum Maschineschreiben im Rechtschreibduden.

Möglicherweise liegt ein Problem vor, das gar nicht in den «technischen» Belangen des amtlichen Regelwerks zu orten ist, sondern in der Art des Umgangs mit dem Regelwerk. Manche meinen, alle Varianten der Schreibung, die nicht ausdrücklich zugelassen sind, seien verboten. Diese Auffassung beruht auf einer allzu engen Einstellung gegenüber Normen. Im Zweifelsfall ist eher vom umgekehrten Ansatz auszugehen- Die Schreibenden können ihre Präferenzen frei wählen, sofern das amtliche Regelwerk keine explizite Einschränkung vorgibt.

Im Übrigen sind gegen die hervorhebende Großschreibung attributiver Adjektive ähnliche Einwände zu erheben wie gegen die fachsprachlich motivierte Großschreibung bestimmter Klassifikationseinheiten. Insbesondere ist zu bedenken, dass bei Etablierung der Großschreibung in bestimmten Verbindungen der Grundsatz der Neuregelung aufgeweicht wird, dass außerhalb der Laut-Buchstaben-Beziehungen (der Wortschreibung im engen Sinn) die amtlichen Regeln und nicht das Wörterverzeichnis maßgeblich sind. Siehe dazu die Diskussion oben.

2.3. Adjektivische Ableitungen von

Eigennamen

2.3.0 Ausgangslage

Hier geht es in erster Linie um Schreibungen wie das ohmsche Gesetz, die archimedische Spirale, das ptolemäische Weltbild. Die Neuregelung sieht vor, in solchen Wendungen die adjektivischen Ableitungen von Personennamen nach der Grundregel für attributive Adjektive einheitlich kleinzuschreiben. Die Neuregelung hält sich hier an grammatische Kriterien. Beim verkürzten Suffix -sch besteht daneben auch die Möglichkeit, den Personennamen mit Apostroph von der Endung abzutrennen und dann großzuschreiben; der Personenname wird auf diese Weise stark hervorgehoben.

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Die Regelung von 1996:

&§ 62: Kleingeschrieben werden adjektivische Ableitungen von Eigennamen auf -(i)sch, außer wenn die Grundform eines Personennamens durch einen Apostroph verdeutlicht wird, ferner alle adjektivischen Ableitungen mit anderen SuffLxen. Beispiele:

die darwinsche / die Darwin'sche Evolutionstheorie, das wackernagelsche / Wackernagel'sche Gesetz, die goethischen / goetheschen / Goethe'schen Dramen, die bernoullischen / Bernoulli'schen Gleichungen

die homerischen Epen, das kopernikanische Weltsystem, die darwinistische Evolutionstheorie, tschechisches Bier, indischer Tee, englischer Stoff

mit eulenspiegelhaftem Schalk, eine kaj'kaeske Stimmung

Es scheint nun, dass manche Schreibende vor der generellen Kleinschreibung der Ableitungen zurückschrecken und auch nicht Gebrauch von der Möglichkeit machen, den Personennamen zur Hervorhebung mit Apostroph abzutrennen. So wird die Regelung von &§ 62 in den Empfehlungen der Arbeitsgruppe der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen – die allerdings in diesem Punkt selbst unklar sind – nicht befolgL

Die Entscheidung der Neuregelung resultierte aus den theoretischen und praktischen Unzulänglichkeiten der bisherigen Regelung, die zu erheblichen Schreibunsicherheiten führten. Das sollte durch eine klare und einfach zu handhabende Regelung behoben werden.

Die frühere Regelung in diesem Fall war einerseits dadurch gekennzeichnet, dass bei adjektivischen Ableitungen auf -(i)sch von Personennamen nicht der Wortartstatus, sondern nur der Status als Eigenname die Großschreibung bestimmte.

Dieses Kriterium galt aber nicht bei anderen Ableitungen von Personennamen (zum Beispiel auf -esk oder -istisch wie in kafkaesk, darwinistisch) sowie bei entsprechenden Ableitungen von geografischen Namen (englisch, chinesisch, schwedisch).

Andererseits war die frühere Regelung dadurch gekennzeichnet, dass die Anfangsgroßschreibung bei solchen Ableitungen durchaus nicht immer vorgeschrieben war, sondern dass die Groß- oder Kleinschreibung sich jeweils auf bestimmte Bedeutungsvarianten dieser Ableitungen bezog, also eine semantische Unterklassifizierung der jeweiligen Ableitung markierte, und zwar die Majuskel »die persönliche Leistung oder Zugehörigkeit« (zum Beispiel: Platonische Schriften, Heinesche Reisebilder, Ohmsches Gesetz), die Minuskel dagegen, »daß etwas nach einer Person benannt worden ist oder ihrer Art, ihrem Geist entspricht« (Duden 1991, R 134) (zum Beispiel: platonische Liebe, heinesche Ironie, ohmscher Widerstand). Eine solche Regelung ist nicht nur theoretisch inkonsequent und fragwürdig, sie ist auch als praktische Schreibanweisung unbrauchbar und vergrößert zwangsläufig die Schreibunsicherheit. '

Deshalb hat sich die Neuregelung für eine klare, ausschließlich am adjektivischen Wortartstatus dieser Ableitungen orientierte Festlegung entschieden, nämlich die Kleinschreibung, womit sowohl diese Ableitungen einheitlich geschrieben als auch alle Schreibunsicherheiten beseitigt werden.

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Allerdings hat die Neuregelung von 1996 die theoretische Konsequenz nicht so weit getrieben, auch die funktional den Adjektiven zuzuordnenden Ableitungen auf -er von geografischen Namen (Schweizer Käse, Berliner Bevölkerung) in die Kleinschreibung einzubeziehen. Dies wäre zwar theoretisch angemessen gewesen. Da hier aber kaum Schreibunsicherheiten auftraten, war eine solche Änderung der bisherigen Regelung nicht zwingend geboten. Der entsprechende Passus des amtlichen Regelwerks lautet:

&§ 61: Ableitungen von geografischen Eigennamen auf -er schreibt man groß. Beispiele:

die Berliner Bevölkerung, die Mecklenburger Landschaft, der Schweizer Käse, das St. Galler / Sankt Galler Kloster, das Bad Krozinger Kurgebiet, die New Yorker Kunstszene

Zur Schreibung mit oder ohne Bindestrich siehe &§ 49 E.

Im Folgenden werden vier Alternativen zur Regelung von 1996 diskutiert:

Alternative L Rückkehr zur früheren Regelung

Alternative 11: Großschreibung aller Ableitungen von Personennamen auf
-sch und -isch

- Alternative III: Großschreibung aller Ableitungen von Eigennamen

AlternativeIV: KleinschreibungallerAbleitungenvonEigennamen

Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die Regelung von &§ 62 in einigen Fällen mit derjenigen in &§60 und &§ 63, &§ 64 (2) überlappt: der Halleysche Komet / der Halley'sche Komet (astronomischer Eigenname, Großschreibung nach &§ 60, auch wenn ohne Apostroph geschrieben); der pawlowsche Reflex / der Pawlow'sche Reflex (feste Verbindung aus Adjektiv und Substantiv; in den Wörterbüchern Kleinschreibung nach &§ 63; theoretisch aber auch Großschreibung nach &§ 64 (2) denkbar).

2.3.1 Alternative 1: Rückkehr zur früheren

Regelung

Früher galt die folgende Regel (Duden-Rechtschreibung 1991):

»R 77 Von Personennamen abgeleitete Adjektive werden groß geschrieben, wenn sie die persönliche Leistung oder Zugehörigkeit ausdrücken.

Plafonische Schriften (Schriften Platos), die Heineschen Reisebilder (von Heine geschrieben), die Mozartschen Kompositionen (von Mozart)

9 Diese Adjektive werden k 1 e i n geschrieben, wenn sie aussagen, daß etwas nach einer Person benannt worden ist oder ihrer Art, ihrem Geist entspricht.

plaionische Liebe (nach Plato benannt), eine heinesche Irotzie (nach der Art'Heines), die Konzpositionen wirken mozarfisch (wie die Kompositionen Mozarts)

9 Immer k 1 e i n schreibt man die von Personennamen abgeleiteten Adjektive auf istisch. -esk und -liaft, weil sie die Art angeben, und die Zusammensetzungen mit vornach- u. ä.

danvinislische Auffassungen, kajkaeske Gestalien, eulenspiegelhaftes Treiben, vorlulherische Bibelübei-setZutigeii«

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Pro

Die Wochenzeitung DIE ZEIT spricht sich mit den folgenden Argumenten füh die Rückkehr zur alten Regelung aus:

Obwohl wenige die alte Regel befolgten oder auch nur kannten und schon vor Jahrhunderten ein Apostroph gesetzt wurde (der eigentlich ein Auslassungszeichen ist und hier nicht hingehört), folgt die ZEIT der unklaren Neuregelung nicht und bleibt bei der klaren und einfachen semantischen Unterscheidung. Sie schreibt groß immer dann, wenn nicht die Bedeutung 'in der Art von Soundso' vorliegt.

Kontra

Die ftühere Regel war ohne enzyklopädisches Hintergrundwissen nicht zu bewältigen. Dies zeigen auch so bekannte Gegensatzpaare wie Ohmsches Gesetz vs. ohmscher Widerstand. Auf die richtige Schreibung kommt nur derjenige, der weiß, dass Ohm das entsprechende Gesetz selbst herausgefunden hat, hingegen der ohmsche Widerstand nur ihm zu Ehren so benannt ist.

2.3.2 Alternative 11: Großschreibung aller Ab

leitungen von Personennamen auf -(i)sch

Alternative 111:

Großschreibung aller Ab

leitungen von Eigennamen

Die Presseagenturen haben 1999 die folgende interne Regelung getroffen:

Wortverbindungen von Personennamen und Substantiven werden von den Agenturen weiterhin großgeschrieben. Beispiele: das Ohmsche Gesetz, die Goetheschen Gedichte.

Da die Fallgruppe der bisher kleingeschriebenen Ableitungen nicht explizit erwähnt ist, bleibt unklar, ob die Agenturen nach dem Vorbild der ZEIT die :ftühere Regelung beibehalten wollen oder ob sie die generelle Großschreibung anstreben. Wie dem auch sei – es ist grundsätzlich denkbar, die Regelung an &§ 61, Ableitungen von geografischen Namen auf -er, anzugleichen. Zu prüfen sind zwei Alternativen.

Alternative II nennt wie &§ 61 ein bestimmtes Suffix, nämlich -ischl-sch:

&§ 62. Adjektivische Ableitungen von Personennamen auf -isch oder -sch schreibt man im attributiven Gebrauch groß. Beispiele:

das Ohmsche Gesetz, der *Ohmsche Widerstand, die *Platonische Liebe, die Platonische Philosophie, das Viktorianische Zeitalter, der *Viktorianische Stil, der Archimedische Punkt, die *Archimedische Spirale, die Darwinschen Schriften

E: Ableitungen auf -istisch schreibt man klein: die darwinistische Evolutionstheorie, die marxistischen Parteien.

(Änderungen gegenüber der Regelung vor 1996 sind mit einem Stern * markiert.)

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Alternative III orientiert sich an der englisch-amerikanischen Regelung und sieht generelle Großschreibung aller Ableitungen von Eigennamen vor, also nicht nur der Personennamen, sondern auch der geografischen Eigennamen. Die bisherigen Regeln &§ 61 und &§ 62 können dann in einem einzigen Paragrafen zusammengezogen werden:

&§ 61/&§ 62: Adjektivische Ableitungen von Eigennamen schreibt man im attributiven Gebrauch groß. Beispiele:

das Ohmsche Gesetz, der *Ohmsche Widerstand, die *Platonische Liebe, die Platonische Philosophie, das Viktorianische Zeitalter, der * Viktorianische Stil, der Archimedische Punkt, die *Archimedische Spirale, die Darwinschen Schriften; die *Darwinistische Evolutiontheorie, die *Marxistischen Parteien, die *Kalkaesken Gestalten, das *Eulenspiegelhafte Treiben, die *vor-Lutherische Bibelübersetzung

die *Deutsche Sprache, die Schweizer Berge, die *Schweizerischen Berge, die Schweizerischen Bundesbahnen, die *Amerikanische Industrie, die Nordamerkanische Freihandelszone; ein *Tschechisches Bier, die Tschechische Republik, der *Zypriotische Außenminister

(Änderungen gegenüber der Regelung vor 1996 sind mit einem Stem * markiert.)

Pro

Die Alternativen II und III geben die schwer handhabbare fiühere Regelung genauso auf wie die amtliche Regelung von 1996, allerdings nicht zugunsten der Kleinschreibung, sondern (in unterschiedlichem Maß zugunsten der Großschreibung. Wenn die Eigennamengroßschreibung nach Alternative III bei Ableitungen jeder Art zur Anwendung käme, ergäbe sich eine erhebliche Vereinfachung (kein Gegensatz mehr zwischen Ableitungen auf -er und -isch; vgl. nach der früheren Regelung und nach der Regelung von 1996: die Schweizer Berge, aber: die schweizerischen Berge). Die Großschreibung ermöglicht die schnelle Erfassung von Eigennamen, auch wenn sie grammatisch gesehen in ein Adjektiv »verbaut« sind.

Die generelle Großschreibung stuft auch die Bedeutung der gelegentlich kritisierten Möglichkeit der Neuregelung, Ableitungen von Personennamen auf -sch mit Apostroph zu schreiben, zurück. Bei der Opposition ohmsches Gesetz versus Ohm'sches Gesetz nach der Regelung von 1996 unterscheidet sich die zweite Variante nicht nur im Apostroph, sondern auch in der Groß- und Kleinschreibung von der ersten. Wenn.die Opposition nur noch aus den Varianten Ohmsches Gesetz versus Ohm'sches Gesetz besteht, kann vielleicht auf die zweite Variante ganz verzichtet werden.

Kontra

Die generelle Großschreibung verunmöglicht es, Fügungen, die als Ganzes den Charakter eines Eigennamens haben, von appellativischen Verbindungen zu trennen, vgl. etwa gegenwärtig die Deutsche Bank vs. eine deutsche Bank oder die Schweizerischen Bundesbahnen vs. die schweizerischen Bahnen.

Außerdem favorisieren auch grammatische Gesichtspunkte die Kleinschreibung der diskutierten Ableitungen. Attributive Adjektive werden im Deutschen grundsätzlich kleingeschrieben. Von dieser Grundregel sollte möglichst wenig abgewichen werden.

90

2.3.3 Alternative IV: Kleinschreibung aller Ab

leitungen von Eigennamen

Schon bei der Vorbereitung der Neuregelung von 1996 wurde die Möglichkeit diskutiert, adjektivische Ableitungen von Eigennamen generell kleinzuschreiben. Streng logisch gesehen, könnten dann &§ 61 und &§ 62 ganz entfallen, da ja die Kleinschreibung als der Normalfall nicht explizit zu regeln wäre. Im Sinne einer Verdeutlichung könnte man dennoch die folgende Regel formulieren:

&§ 61/&§ 62: Adjektivische Ableitungen von Eigennamen schreibt man im attributiven Gebrauch klein. Beispiele:

das *ohmsche Gesetz, der ohmsche Widerstand, die platonische Liebe, die *platonische Philosophie, das *viktorianische Zeitalter, der viktorianische Stil, der *archimedische Punkt, die archimedische Spirale, die *darwinschen Schriften, die darwinistische Evolutionstheorie, die marxistischen Parteien; die kaftaesken Gestalten, das eulenspiegelhafte Treiben, die vorlutherische Bibelübersetzung

die deutsche Sprache, die *münchner Innenstadt, die *schweizer Berge, die schweizerischen Berge, die amerikanische Industrie, ein tschechisches Bier, der zypriotische Außenminister

E: Aber Großschreibung in mehrteiligen Eigennamen (&§ 60): der Halleysche Komet, das Schauweckersche Gut; die Deutsche Bank, die Schweizerischen Bundesbahnen, die Nordamerikanische Freihandelszone, die Tschechische Republik.

(Änderungen gegenüber der Regelung vor 1996 sind mit einem Stern * markiert.)

Pro

Diese Schreibungen weisen zwei Vorteile auf. Zum einen gilt für alle Arten adjektivischer Ableitungen von Eigennamen nur noch die Schreibung nach einem einzigen, leicht erlembaren grammatischen Kriterium. Die Kleinschreibung wird nur durch die Eigennarnenregelung in &§ 60 aufgehoben, die schon bisher für Ableitungen von geografischen Eigennamen auf -sch und -isch gegolten hat (zum Beispiel die Deutsche Bank vs. eine deutsche Bank oder die Schweizerischen Bundesbahnen vs. die schweizerischen Bahnen); neu wird sie nun auch auf Ableitungen von geografischen Eigennamen auf -er sowie auf Ableitungen von Personennamen angewendet (zum Beispiel die Zürcher Kantonalbank vs. die zürcher Banken, der schauweckersche Grundbesitz vs. das Schauweckersche Gut).

Kontra

Der theoretische Vorteil, dass sich mehrgliedrige Eigennamen von gewöhnlichen appellativischen Fügungen unterscheiden lassen, kann bei Ableitungen auf -er zu einem praktischen Problem werden. Hier gibt es sehr viele Verbindungen, bei denen nicht ohne weiteres klar ist, ob ein mehrteiliger Eigenname vorliegt oder nicht, vgl. zum Beispiel: der Klkölner Dom, das BIberner Oberland, das Blberliner Abgeordnetenhaus. Vielleicht liegt hier aber nur ein Übergangsproblem vor; es ist dann zu erwarten, dass sich die Groß- und Kleinschreibung in gleicher Weise stabilisiert wie bei den Ableitungen auf -isch.

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Außerdem sind mehrgliedrige geografische Eigennamen zu beachten. Die Großschreibung der Ableitungen auf -er in -der -Neuregelung von 1996 beruht auf dem orthografischen Prinzip der Schemakonstanz: Der zugrunde liegende Eigenname wird möglichst wenig verändert. Dies wirkt sich auch auf die Schreibung mit Bindestrich aus: Zwischen den Bestandteilen der Ableitungen mehrgliedriger geografischer Eigennamen ist der aus grammatischer Sicht eigentlich gebotene Bindestrich fakultativ (und wird in der Praxis meist weggelassen): die Bad Kreuznacher Innenstadt, die Sankt Galler (St. Galler) Bibliotheken, die New Yorker Filmszene. Bei Ausrichtung der Schreibung auf grammatische Kriterien müsste hier der Bindestrich für obligatorisch erklärt werden: die badkreuznacher Innenstadt, die sankt-galler (st.-galler) Bibliotheken, die new-yorker Filmszene. Es ist unsicher, ob solche Schreibungen auf Akzeptanz stoßen werden.

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Anhang 1: Materialsammlung zu &§ 63

Die folgenden Schreibungen entsprechen der amtlichen Neuregelung von 1996. Zu den Verbindungen, die mit dem Zeichen $ markiert sind, siehe den Kommentar am Ende der Tabelle.

Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64 das achte Weltwunder die aktuelle Stunde (im Parlament) das autogene Schweißen das autogene Training die bildende Ku~gt die blaue Blume (Sinnbild der Romantik) das Blaue Band des Ozeans (Auszeichnung) der blaue Brief der Blaue Eisenhut (Pflanzengattung) jemandem blauen Dunst vonnachen der Blaue Enzian (Eigenname eines Zuges) der blaue Fleck (Bluterguss) der Blaue Engel (Siegel für umweltschonende die blauen Jungs (Marinesoldaten) Produkte) der blaue Montag die Blaue Grotte von Neapel sein blaues Wunder erleben der Blaue Nil der *Blaue Planet (die Erde) der Blaue Reiter (Eigenname einer Künstlergemeinschaft) der blinde Alarm der blinde Passagier der blinde Fleck der dritte Stand der Dritte Oktober (Tag der Deutschen der dritte Weg Einheit) die dritten Zähne der Dritte Punische Krieg das Dritte Reich die *Dritte Welt der (*)Dritte Weltkrieg mit dem eisernen Besen auskehren das Eiserne Kreuz (ein Orden) mit eiserner Faust die Eiserne Krone (der Lombarden) die eiserne Hochzeit das Eiserne Tor (Durchbruchstal der Donau) die eiserne Ration der eiserne Vorhang (im Theater) ein eiserner Wille

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Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64 die erste Geige (spielen) der (*)Erste Weltkrieg die *erste Hilfe der Erste Schlesische Krieg erster Klasse fahren der *Erste Geiger (Dienstbezeichnung das erste Mal im Orchester) die erste Kommunion der Erste Bürgernzeister der erste Rang der Erste Staatsanwalt der erste Spatenstich der Erste Vorsitzende das Erste Deutsche Fernsehen (für ARD) die *Erste Bundesliga der ewige Frieden die Ewige Stadt (Rom) der ewige Kalender der Ewige Jude (Ahasver) das ewige Leben die *ewige Lanzpe das (*)ewige Licht der ewige Schnee die ewige Seligkeit inzfinsIeren Mittelalter derfreie Fall Sender Freies Berlitz diefreie Beweiswürdigung die Freie Reichsstadt Nürnberg derfreie Eintritt Freier Architekt (als Titel) die freie Hansestadi die *sieben *freien Künsie die freie Liebe diefreie Marktwirtschaft derfreie Mitarbeiter die freie Reichssiadt derfreie Schriftsteller auffreier Wildbahn derfreie Wille die friedliche Koexistenz die geflügeltetz Worte das gelbe Fieber die *Gelben Rübetz (Pflanzengattung) die gelbe Karte (im Fußball) der Gelbe Fluss (in China) der gelbe Sack die Gelben Engel (des ADAC) das gelbe Trikot $

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Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64
die goldene Hochzeit Golden Delicious (Pflanzengattung) den goldenen Mittelweg einschlagen Golden Goal (Anglizismus) der *goldene Schnitt die Goldene Aue (Gebiet südlich des Harzes) das goldene Tor (spielentscheidendes Tor) das Goldene Buch (einer Stadt) die goldenen Worte die Goldene Bulle (historisches Schriftstück) ein goldenes Zeitalter (im beschreibenden die Goldene Rose (Auszeichnung) Sinn) die Goldene Schallplatte (Auszeichnung) die Goldene Stadt (Prag) das Goldene Kalb (der Bibel) das Goldene Vlies (der griechischen Sage) das Goldene Zeitalter (als fIktive Zeitepoche) die Goldenen Zwanziger (Zeitepoche) der gordische Knoten (der unauflösbare der Gordische Knoten (der antiken Sage) Knoten) eine graue Eminenz die Graue Eminenz (F. von Holstein) sich keine grauen Haare wachsen lassen die Grauen Schwestern (katholische der graue Markt Gemeinschaft) der graue Star (Krankheit) die Grauen Panther (Seniorenschutzbund) in grauer Vorzeit die kleinen grauen Zellen (Gehirn, Denk vermögenj die große Anfrage (im Parlament) der Große Schweiger (Moltke) einen großen Bahnhof bekommen der Große Bär, der Große Wagen das große Einmaleins (Sternzeichen) auf großer Fahrt die Große Strajkammer an die große Glocke hängen die Große Mauer (in China) das große Einmaleins der Große Rat (Schweiz: Kantonsparlament) die großen Ferien der *Große Teich (der Atlantische Ozean) auf großem Fuß der Große Belt die *große Kreisstadt das große Latinunz der große Lauschangriff das große Los die große Pause die große ( ornehme) Welt

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Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64

Kleinschreibung nach &§ 63

die grüne Grenze die grüne Hochzeit die grüne Hölle (tropischer Urwald) ein grüner Junge die grüne Lunge (der Großstadt) die grüne Minna (Polizeiauto) ach du grüne Neutte! der grüne Punkt der grüne Star (Krankheit) am grünen. Tisch das grüne Trikot (im Sport) $ die grüne Versicherungskarte die grüne Welle (im Verkehr) die grüne Witwe das heilige Abendmahl heilige Einfall! mit heiligem Ernst der heilige Krieg (des Islam) die heilige Kuh die heilige Messe die erste heilige Kommunion die heilige Tat(fe die heilige Theresia der heilige Thomas in heiligem Zorn

die Grüne Insel
(Irland) die Grüne Woche (Berliner Ausstellung) das Grüne Gewölbe (in Dresden)

der Heilige Abend (24. Dezember) die Heilige Allianz die Heilige Dreifaltigkeit die Heilige Familie (in der Bibel) der Heilige Geist das Heilige Grab der Heilige Gral die Heilige Jungfrau die Heiligen Drei Könige das Heilige Land die Heilige Nacht der Heilige Rock von Trier das Heilige Römische Reich Deutscher Nation die Heilige Stadt (Jerusalem) der Heilige Stuhl der Heilige Vater

ein heißes Eisen der heiße Draht die heißen Höschen ein heißer Ofen.
(Motorrad) ein hei

ßer Wunsch

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Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64 die höhere Gewalt die Hohe Tatra

das *hohe Haus
(Parlament) $ die Hohe Messe in h-Moll (von Bach)

die hohe Jagd das Hohe Lied (das Hohelied) die höhere Laufbahn die Höhere Handelsschule (in Stuttgart) das höhere Lehranzt der Hohe Priester (der Hohepriester) die höhere Mathematik die *hohe Schule (des Reitens) die höhere Schule (Oberschule) auf hoher See die inneren Angelegenheiten die Innere Mongolei die innere Führung die Innere Mission (als Organisation) die innere Medizin die innere Mission (als Aufgabe) eine italienische Nacht die Italienische Republik der italienische Salat -die italienische Schweiz

die jungen Wilden $ das Jüngste Gericht

die *junge Genzeinde
(die Jugendlichen der Jüngste Tag einer Kirchgemeinde) die Junge Union

das Junge Deutschland
(Dichter gruppe, 19. Jh.) kalte Ente (ein Getränk) der *Kalte Krieg (1945 – 1990) eine kalte Fährte ein kalter Krieg (Krieg ohne Waffen) die kalte Küche die kalte Miete (Miete ohne Heizung) der kalte Schlag (nicht zündender Blitz) die kleine Anfirage (im Parlament) der Kleine Bär, der Kleine Wagen (Sternbild) kleine Fahrt nwchen (Seemannssprache) der Kleine Belt kleine Fische (Kleinigkeiten) das Kleine Walsertal der kleine Grenzverkehr die Kleinen Sundainseln das kleine Latinunz die kleinen Leute -der kleine Mann die künstliche Atinung die künstliche Befruchtung die künsfliche Intelligenz die künstliche Niere

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Kleinschreibung nach &§ 63

die *letzten Dinge (nach katholischer Lehre) die letzte Ehre letzten Endes eitle Ausgabe letzter Hand die letzte Ruhestätte der letzte Schrei das letzte Stündchen der *letzte Wille die neue A rmut die neuen Bundesländer das neue Jahr die neue Linke die neue Mathematik die neuen Medien die neue Mitte .die neue Wellordnung das olympische Dorf der olympische Eid die olympische Fahne das olympische Feuer die olympischen Ringe die olympische Ruhe das rote As (im Kartenspiel) die roten Blutkörperchen die rote Fahne (der Arbeiterbewegung) der rote Faden die rote Grätze der rote Hahn (Feuer) keinen roten Heller besitzen die rote Liste (der vom Aussterben bedrohten Arten) die rote Karle (im Fußball) wie ein rotes Tuch wirken

Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64

das Letzte Gericht die Letzte Ölung $

der Neue Bund
(in der Religion) das Neue Forum (politische Organisation) die Neue Maas der Neue Markt $ die Neue Runäschau (Zeitschrift) das Neue Testament die Neue Welt (Amerika)

die Olympischen Spiele das Internationale Olympische Komitee das Nationale Olympische Komitee

der schnelle Bräter die schnelle Eingreiftruppe auf die schnelle Tour die schöne Bescherung das schöne Geschlecht die schöne Literatur

die Rote A rmee die Rote Beete
(Pflanzengattung) die Rote Erde (Westfalen) der Rote Fluss (in Vietnam) der Rote Halbmond die Roten Johannisbeeren (Pflanzengattung) die Rote Liste (D (Arzneirnittelverzeichnis) das Rote Kreuz der Rote Main (ein Quellfluss des Mains) das Rote Meer der *Rote Planet (der Mars) die Rote Wand (Berg in Österreich) die Schnelle Medizinische Hiffie (SMII) (eitle Organisation)

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Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64 das *schwarze Brett der Schwarze Erdteil (Afrika) ein schwarzer Freitag der Schwarze Freitag ein schwarzes Geschäft die Schwarze Hand (serbischer Geheimbund) das schwarze Gold der Schwarze Holunder (Pflanzengattung) der schwarze Hunzor das Schwarze Meer die schwarze Liste die Schwarze Witwe (Tiergattung) die *schwarze Kunst die *schwarze Magie der schwarze Mann (Schornsteinfeger) der schwarze Markt die schwarze Messe der *schwarze Peter (Kartenspiel) die schwarzen Pocken das schwarze Schaf ein schwarzer Tag der schwarze Tee der *schwarze Tod (Beulenpest) die schwedischen Gardinen die seltenen Erden wn sieben Ecken verwandt sein die Sieben Berge (in Niedersachsen) die *sieben *freien Künste die siebenjetten und die sieben nwgeren Jahre die *sieben Raben (im Märchen) die *sieben Schwaben Schneewittchen und die sieben Zwerge die sieben Sakramente mit sieben Siegeln die sieben Todsünden die *sieben Weltwunder die trojanischen Helden der Trojanische Krieg das trojanische Pferd (falsches Geschenk, das Trojanische Pferd (der antiken Sage) fehlt in Duden 2001) die warnie Miete (Miete mit Heizung)

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Kleinschreibung nach &§ 63 Großschreibung nach &§ 60 und &§ 64
die weiße Fahne hissen ein weißer Fleck (auf der Landkarte) die weiße Kohle (Elektrizität) die weiße Maus (Verkehrspolizist) weiße Mäuse sehen ein weißer Rabe der weiße Sport (Tennis) der *weiße Tod (Lawinentod, Tod durch Erfrieren) eine weiße Weste haben der westfälische Schinken der zweite Bildungsweg Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) die zweite Geige spielen die Zweite Republik (Staatsform

der zweite Geiger $ Österreichs nach 1945)

aus zweiter Hand der (*)Zweite Weltkrieg sein zweites Ich zur zweiten Natur werden das zweite Gesicht die -weite Stinune singen

Möglicherweise Korrekturbedarf

(vgl. in der Tabelle die Ausdrücke mit dem Zeichen $):

- das Hohe Haus (Parlament): Großschreibung, sofern (mit dem Bundestag) ein ganz bestimmtes Parlament gemeint ist

- die letzte Ölung (vgl. andere religiöse Begriffe wie: die heilige Messe, die letzte Ruhestätte)

- der Neue Markt
(Großschreibung nur, sofern spezifische Institution)

- der Zweite Geiger (vgl.: der Erste Geiger); Dienstbezeichnung im Orchester

– Eventuell nach &§ 60 (3.4), Ehrenzeichen: das Gelbe Trikot, das Grüne Trikot

– die Jungen Wilden
(wenn Entwicklung ähnlich wie bei das Junge Deutschland (= Dichtergruppe des 19. Jahrhunderts)

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Anhang 11: Liste der Presseagenturen zu &§ 63

Die folgende Liste stammt aus einer internen Festlegung der deutschsprachigen Presseagenturen (Intemet-Seite der dpa) von 1999. Sie enthält auch einige Verbindungen, die gar nicht unter die hier diskutierten Regeln fallen; siehe die betreffenden Bemerkungen

in der Tabelle.

K o m m e n t a r die Aktuelle Stunde (im Parlament) In Duden 1991 nicht aufgeführt der Archimedische Punkt Zugleich Ableitung von Personenname; 62 Duden 199 1: Archimedischer Punkt vs. archimedische Spirale die Atlantische Allianz Großschreibung korrekt, da Eigenname; &§ 60 (4.3), &§ 60 (5) der Eiserne Vorhang (im Kalten Krieg) Großschreibung korrekt, da Eigenname; &§ 60 (5) die Erste Hilfe die Fünf Weisen Großschreibung korrekt, da Eigenname; &§ 60 (5) das Gelbe Trikot (Sport) In Duden 1991 klein Bei Auffassung als Ehrenzeichen auch Großschreibung nach &§ 60 (3.4) legitim die Gelbe.Karte (Sport) In Duden 1991 klein Bei Zuordnung der Sportsprache zu den Fachsprachen auch Großschreibung legitimierbar der Goldene Schnitt der Große Lauschangriff In Duden 1991 nicht aufgeführt das Grüne Trikot (Sport) In Duden 1991 klein Bei Auffassung als Ehrenzeichen auch Großschreibung nach &§ 60 (3.4) legitim der Grüne Punkt In Duden 1991 nicht aufgeführt der Heilige Krieg (Dschihad) die Hohe Schule die Jungen Wilden Bei Auffassung als kunsthistorischer Eigenname einer künstlerischen Bewegung nach &§ 60 (4.2) auch Großschreibung legitim das Jüngste Gericht Großschreibung korrekt, da eigennamenähnliche Verbindung; &§ 64 (4)

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K o m m e n t a r der Kalte Krieg Großschreibung korrekt, da eigennamenähnliche Verbindung; &§ 64 (4) der Letzte Wille (Testament) Bei Zuordnung zur juristischen Fachsprache auch Großschreibung legitimierbar Vgl. aber daneben: der freie Wille die Neue Linke In Duden 1991 klein Bei Auffassung als historischer Eigenname einer politischen Bewegung nach &§ 60 (4.2) auch Großschreibung legitim die Neue Mitte In Duden 1991 nicht aufgeführt die Neuen Medien In Duden 1991 klein der Olympische Eid In Duden 1991 klein das Olympische Feuer In Duden 1991 klein die Olympischen Spiele Großschreibung korrekt, da Eigenname; &§ 60 (4.3) die Potemkinschen Dörfer Zugleich Ableitung von Personenname; &§ 62 die Rote Karte (Sport) In Duden 1991 klein Bei Zuordnung der Sportsprache zu den Fachsprachen auch Großschreibung legitimierbar der Runde Tisch (in der Politik) In Duden 1991 klein der Schnelle Brüter (Reaktortyp) In Duden 1991 klein das Schwarze Brett (Merkzettelbrett) der Schwarze Freitag Großschreibung korrekt, da eigennamenähnliche Verbindung; &§ 64 (4) die Schwarze Kunst die Schwarze Magie der Schwarze Peter der Schwarze Tod (Pest) die Sieben Weltwunder Nicht erwähnt: das achte Weltwunder der Weiße Tod (Tod durch Erfrieren) der Wilde Wesien Großschreibung korrekt, da Eigenname; &§ 60 (2. 1), &§ 60 (5)

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Anhang 111: Die Regelung der ZEIT zu &§ 63

Kommentar von Dieter E. Zimmer (1999):

Die Möglichkeit, Formeln dieser Art [- feste Verbindungen von Adjektiv und Substantiv] großzuschreiben, um ihre übertragene Bedeutung zu betonen, haben sich die Schreibenden gegen den Duden geschaffen. (Ein schwarzes Brett ist ein Brett, das schwarz ist; ein Schwarzes Brett muss weder schwarz noch ein Brett sein. Die Unterscheidungsschreibung trägt dem semantischen Unterschied Rechnung.) Es ist dies einer der ganz wenigen Fälle, in denen der Wille der Schreibenden schließlich in die Norm Eingang gefunden hatte. Dass sie diese Errungenschaft jetzt wieder preisgeben, ist nicht zu erwarten. Um die orthografische Unterscheidung zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung nicht zu verwischen, wird auch die ZEIT etliche solcher Fügungen weiterhin großschreiben, selbst wenn sie keine Eigennamen sind. Wann ein solches Wortpaar großschreibungsreif wird, ist und bleibt eine Ermessensfrage. Auch die Unterscheidung zwischen Bezeichnungen und Eigennamen, welche die Neuregelung zugrunde legt, ist unscharf und lässt dem Ermessen viel Spielraum. (Ist der Grüne Punkt ein Name oder eine Bezeichnung?) In der Praxis lässt sich die Frage Groß/Klein darum nur über eine – offene – Positivliste der großgeschriebenen Wortpaare lösen. Auf der aktuellen Positivliste der ZEIT stehen jene Fälle, in denen der alte Duden die Großschreibung erlaubte, die nachreformatorischen Wörterbücher sie aber abschaffen; außerdem all das, was in der ZEIT bisher entgegen dem alten Duden großgeschrieben wurde.

(Bei der folgenden Tabelle entspricht die linke Spalte der Auflistung von Zimmer-, der – nicht gerade kohärente -Gebrauch des definiten Artikels ist von dort übernommen worden. Ein einfacher Stern * verweist auf eine Änderung von groß zu klein, ein doppelter Stern ** auf eine Änderung von klein zu groß. Das eingeklammerte Ausrufezeichen verweist auf eine Fehlinterpretation der Neuregelung durch Zimmer.)

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Duden 1991 Aktuelle Stunde Amerikanischer Traum die Atlantische Allianz

der Blaue Planet (Erde) der blaue Planet Dritte Welt dritte Welt Dritte Weg Eiserner Vorhang (zwischen Entspricht Duden 1991 und Ost und West), aber eiserner Neuregelung Vorhang (im Theater) Erste Hilfe * Erste Hilfe die Fünf Weisen Gelbe Karte gelbe Karte

Gelbe Rüben (Mohrrüben) ** gelbe Rüben Goldener Schnitt * Goldener Schnitt Goldenes Zeitalter * das Goldene Zeitalter

Gregorianischer Kalender * Gregorianischer Kalender

Große Koalition Großer Lauschangriff das Große Los das Große Los der Große Teich der große Teich der Grüne Punkt das Hohe Haus das Hohe Haus das Hohe Lied das Hohelied

Neuregelung 1996 aktuelle Stunde amerikanischer Traum Als inoffizieller Eigenname auch gemäß Neuregelung groß der Blaue Planet Dritte Weit klein unverändert

erste Hilfe

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gelbe Karte Gelbe Rüben goldener Schnitt das Goldene Zeitalter (als fiktive historische Epoche), ein goldenes Zeitalter gregorianischer Kalender (auch &§ 62) Große Koalition (Großschreibung als spezifisches historisches Bündnis; sonst klein) großer Lauschangriff das große Los der Große Teich (als inoffizieller Eigenname für: Atlantischer Ozean) der grüne Punkt das hohe Haus Adjektiv unflektiert: das Hohelied, des Hohelieds Adjektiv flektiert: das Hohe Lied, des Holien Liedes



Duden 1991 Neuregelung 1996 der Hohe Priester der Hohepriester Adjektiv unflektiert: der Hohepriester, ein Hohepriester, des Hohepriesters Adjektiv flektiert: der Hohe Priester, ein Hoher Priester, des Hohen Priesters die Hohe Schule (der die Hohe Schule (der die hohe Schule (der Reitkunst) * Reitkunst) Reitkunst) Julianischer Kalender Julianischer Kalender julianischer Kalender (auch &§ 62) die Jungen Wilden die jungen Wilden (aber groß, wenn Entwicklung ähnlich wie bei das Junge Deutschland - Dichtergruppe des 19. Jahrhunderts) das Jüngste Gericht das Jüngste Gericht das Jüngste Gericht der Jüngste Tag der Jüngste Tag der Jüngste Tag Kalter Krieg kalter Krieg Als historische Epoche: der Kalte Krieg; als allgemeine Sachbezeichnung: der kalte Krieg

Kölnisch(es) Wasser Kölnisches Wasser, Kölnisch kölnisches Wasser, Wasser, Kölnischwasser Kölnischwasser Künstliche Intelligenz künstliche Intelligenz künstliche Intelligenz der Letzte'Wille * der Letzte Wille der letzte Wille die Letzten Dinge die Letzten Dinge (nach kath. die letzten Dinge Lehre)

Neue Linke neue Linke neue Linke (Duden 2001) Neue Mitte neue Mitte neue Mitte Neue Weltordnung neue Weltordnung Olympischer Eid olympischer Eid olympischer Eid Olympisches Dort olympisches Dorf olympisches Dorf Olympische Fahne olympische Fahne olympische Fahne Olympisches Feuer olympisches Feuer olympisches Feuer Olympische Ringe olympische Ringe olympische Ringe Poternkinsche Dörfer Potemkinsche Dörfer potemkinsche Dörfer (auch &§ 62) Organisierte Kriminalität organisierte Kriminalität Rote Be(e)te ** rote Bete, rote Beete Rote Bete, Rote Beete

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Duden 1991 Neuregelung 1996 Rote Karte rote Karte rote Karte der Rote Planet (Mars) der rote Planet der Rote Planet Schneller Brüter schneller Brüter schneller Brüter

Schwarze Magie Schwarze Magie schwarze Magie Schwarzer Peter Schwarzer Peter schwarzer Peter Schwarzes Brett * Schwarzes Brett schwarzes Brett Schwarze Kunst * Schwarze Kunst schwarze Kunst (neues) Strategisches (neues) strategisches Konzept Konzept Volkswirtschaftliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Gesamtrechnung Weißer Tod * Weißer Tod w«eißer Tod

Wilder Westen Wilder Westen Wilder Westen

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Matthias Dräger
24.02.2002 07.24
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3. Bericht, Zusammenfassung: S. 107-113


Die Umstellung – Fakten

Die neue Rechtschreibung wurde 1996 fakultativ in den Schulen, speziell in der Primarstufe, eingeführt und mit Beginn des Schuljahres 1998/1999 verbindliche Grundlage des Rechtschreibunterrichts. Da ab 1996 Neuerscheinungen von Schulbüchern, zunächst im Fach Deutsch, nur noch in neuer Rechtschreibung zugelassen wurden, sind die Lehrmaterialien für Deutsch heute zum größten Teil umgestellt. Das hatte Bedeutung vor allem für die Neulerner, bei denen die ersten Schülerinnen und Schüler jetzt die Mittelstufe erreichen. Für die Umlerner haben die Schulbuchverlage spezielle Materialien bereitgestellt. Im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) verlief die Umstellung ähnlich. Im Gleichklang mit den Schulbuchverlagen haben auch die Kinder- und Jugendbuchverlage ihre Produktion umgestellt. Alles in allem ist der Übergang zur neuen Rechtschreibung für die Kinder und Jugendlichen, innerhalb und außerhalb der Schule, problemlos erfolgt. Die bisher vorliegenden Untersuchungen und Reaktionen aus der Schule (Befragungen von Lehrkräften) sind nahezu durchgängig positiv und bestätigen insgesamt (bei Unterschieden im Detail), dass die mit der Reform verbundenen Erwartungen erfÜllt wurden.

Etwas später als die Schulen haben die Behörden die neue Schreibung eingeführt. Hier gab es eine Fülle von Erlassen, in denen unterschiedliche Anfangs- und Übergangstermine festgesetzt wurden. Allen gemeinsam ist das Ende der Übergangsfrist zum 31. Juli 2005.

Auch außerhalb des staatlichen Regelungbereichs werden die neuen Regeln in zunehmendem Maße akzeptiert und praktiziert. Ein wichtiger Anstoß war die Umstellung der de,itschsprachigen Nachrichtenagenturen zum 1. August 1999, der fast die gesamte deutschsprachige Presse folgte. Die Wochenzeitung DIE WOCHE hatte schon ab 1. Januar 1997 die neue Rechtschreibung praktiziert. Zeitgleich begann auch die Umstellung in Industrie und Wirtschaft (z. B. Banken, Versicherungen, Werbebranche). Während bei der Presse die Umstellung schlagartig und mit entsprechender publizistischer Begleitung vonstatten ging, vollzog sie sich in der Industrie und Wirtschaft eher gleitend und unspektakulär und ist hier auch noch nicht abgeschlossen. Eine zeitweise Irritation trat durch die propagandistisch inszenierte Rückumstellung der FAZ ein, die jedoch in der Tagespresse keine Nachahmer fand.

Zeitgleich mit der Umstellung bei der Presse begann auch die Umstellung bei den Buchverlagen. 75 % der Neuerscheinungen, also der weit überwiegende Teil der neuen Buchproduktion, erscheint bereits in neuer Rechtschreibung. Zurückhaltender erfolgt hierbei die Umstellung wissenschaftlicher und schöngeistiger Literatur. Gerade im letzteren Bereich gibt es eine Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern (nebst Erben), die verfügt haben, dass ihre Texte nur in der alten Rechtschreibung gedruckt und nachgedruckt werden dürfen.

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Überhaupt keiner bindenden Verpflichtung unterliegen privat Schreibende. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier nur schwer Aussagen über den Umfang der Umstellung gemacht werden können. Eine kleine Stichprobe ergab, dass im Frühjahr 2001 immerhin schon 50 % der bei zwei Zeitungsredaktionen eingereichten Leserbriefe in neuer Rechtschreibung abgefasst waren.

Der gesamte Prozess der Umstellung wurde und wird begleitet und gefördert durch das Erscheinen neuer Wörterbücher, durch neue Rechtschreibkontroll- und Rechtschreibumstellungsprogramme (Konverter). Eine Fülle von Druckerzeugnissen aller Art hat die neue Rechtschreibung bekannt gemacht und trägt auch weiterhin zur sachlichen Information bei. Seit 1996 bieten sowohl Institutionen (wie die Volkshochschulen) als auch Privatpersonen Umschulungskurse an.

Der Umfang der Umstellung

Die neuen Regeln bieten Varianten an. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die Fremdwortschreibung sowie auf das fakultative Komma vor und und beim Infinitiv mit zu. Rechtschreibkontrollprogramme erlauben daher oft wahlweise eine progressive oder eine konservative Einstellung. Im ersten Fall wird alles geändert, was geändert werden kann, im zweiten Fall nur das, was unbedingt geändert werden muss, so dass von den angebotenen neuen Variantenschreibungen kein Gebrauch gemacht wird. Bei den meisten Schreibenden spielt natürlich das Beharrungsvermögen eine wichtige Rolle. Dazu kommt Unsicherheit, wenn es z. B. darum geht, wie die neue fakultative Kommaregel zu handhaben sei. Hier wird deutlich, dass es an Anleitung und Hilfestellung fehlt und dass das Reformkonzept der gezielten Variantenführung als Analogie zum natürlichen Sprachwandel nur dann Erfolg haben kann, wenn vor allem die Dynamik sprachlicher Prozesse stärker ins Bewusstsein gerückt wird. Hierin kommt der Schule eine besondere Bedeutung -zu. Generell besteht gerade in den schreibenden Berufen noch immer ein Horror Variationis, was z. B. durch die strikten Festlegungen der Nachrichtenagenturen deutlich wird.

In sehr kleinem Umfang machen manche Schreibende, die nicht durch die Regelungsvollmacht des Staates gezwungen sind, der neuen Rechtschreibung zu folgen, von ihrer Freiheit Gebrauch, Teile der Neuregelung nicht zu vollziehen oder partiell eigene Änderungen vorzunehmen.

Rechtschreibreformen treffen auf sehr eingefahrene Verhaltensweisen. Sie brauchen daher Zeit, bis sie sich durchsetzen. Das Gleiche gilt für die einheitliche Praxis, den einheitlichen Umgang mit neuen Regeln. In der Anfangszeit sind geringfügige Abweichungen unvermeidbar. Auch 1901 benötigte Konrad Duden – bei einer sicher größeren Bereitschaft in der damaligen Gesellschaft, staatliche Vorgaben zu respektieren – mehrere Auflagen seines Orthographischen Wörterbuchs, um eine allgemein anerkannte Auslegung der amtlichen Regeln zu erreichen. In Dänemark benötigte die Einführung der Kleinschreibung nach dem Krieg ebenfalls einige Jahre.

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Verunsicherungen

Jede Umstellung ist von Verunsicherung begleitet. So gingen zum Beispiel fälschlicherweise viele davon aus, dass dasß ganz abgeschafft seL Manche hielten, wie sich bei den Umschulungen herausstellte, die Variantenschreibung für ein Phänomen, das nur für die Ubergangszeit bis 2005 gelte. Der hohe Sensibilisierungsgrad für Rechtschreibfragen ließ den Schreibenden schmerzlich bewusst werden, dass sie die alte Rechtschreibung größtenteils unbewusst beherrschten, so dass sie die teilweise vorhandene Unlogik oder Überspitztheit der alten Regeln gar nicht kannten. Die neue Rechtschreibung kommt nun aber im Gewand eines Regelwerks mit weitgehender doppelter Kodifikation von Regeln und Wörterverzeichnis daher, wobei der Regelteil der ausschlaggebende ist. Begrifflichkeit und Terminologie der Regelformulierung – obwohl auf allgemeinem Schulwissen aufbauend – sind nicht selten vielen Sprachteilhabern fremd und es wird auch aus diesem Grunde deutlich, dass das amtliche Regelwerk der didaktischen Umsetzung für unterschiedliche Adressatengruppen bedarL

Anfangs stimmten die großen Wörterbuchverlage BERTELSMANN und DUDEN noch nicht in allen Punkten überein. Die Zahl dieser Unterschiede war jedoch deutlich geringer als von den Gegnern behauptet. Im Übrigen gab es solche Unterschiede natürlich schon immer. Die Kommission hat sich um eine einvernehmliche Interpretation der Regeln zusammen mit den WörterbuchverlageEL bemüht. Nunmehr zeigen die Neuauflagen von BERTELSMANN 1999, DUDEN 2000, OSTERREICHISCHEM WÖRTERBUCH 2001 und WAHRIG 2000 eine übereinstimmende Auslegung der amtlichen Regeln. Da der normale Benutzer im Zweifelsfall eher im Wörterverzeichnis als im Regelteil nachschlägt, wirkt sich das besonders rasch als einheitsstiftend aus.

Durch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Juli 1998 ist der rechtliche Streit um die Neuregelung beendet. Die Regelungskompetenz des Staates und die gewählte Vorgehensweise wurden ausdrücklich bestätigt. Das letzte Verfahren vor dem Oberlandesgericht Lüneburg ist jedoch erst im Juni 2001 zu Gunsten des Landes Niedersachsen entschieden worden. Der Umstand, dass die Presse davon kaum Notiz genommen hat, ist ein Zeichen dafür, dass die breite Öffentlichkeit am Streit um die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung kaum noch interessiert ist.

Auch unter Linguistinnen und Linguisten gibt es zur Neuregelung unterschiedliche Auffassungen. Diese beruhen auf unterschiedlichen theoretischen Annahmen. Sie spiegeln aber auch den wissenschaftlichen Pluralismus wider, nämlich dass es für die Festlegung von Schreibweisen durchaus unterschiedliche Vorschläge mit unterschiedlichen Begründungen geben kann. Zwischen diesen Vorschlägen kann nicht immer nach den Kategorien von »richtig« und »falsch« unterschieden werden, weil es Gesichtspunkte und Argumente für und gegen diese Vorschläge gibt und die verschiedenen Lösungen für ein Rechtschreibproblem Vorzüge und Nachteile aufweisen können. Ein Beleg dafür ist der Streit, den Ramers und Eisenberg 1999 in der Zeitschrift LINGUISTISCHE BERICHTE ausgefochten haben. Die Kommission hat deshalb im zweiten Teil dieses Berichts zu ausgewählten kritisierten Bereichen die verschiedenen Vorschläge in einem Pro und Kontra erörtert.

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Auffällig ist, dass manche Reformgegner, auch wenn ihr Beruf die Wissenschaft ist, äußerst emotional und teilweise im höchsten Maße verunglimpfend arbeiten. Besonders sticht hier die Auftragsarbeit des Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hervor, in der schon im Titel ein Zusammenhang zwischen »Rechtschreibreform und Nationalsozialismus« hergestellt wird.

Die Akademie für Sprache und Dichtung, die scharfe Kritik an der Reform geübt hat, indem sie neben akzeptablen und bedingt akzeptablen auch völlig unakzeptable Änderungen benannt hat, wurde von der KMK gebeten eine Wörterliste zu ihren Vorschlägen vorzulegen, damit die Reichweite ihrer Gegenvorschläge deutlich wird. Eine solche Liste ist der Kommission bisher nicht zugegangen.

Th. Ickler, der als einer der schärfsten Kritiker der Neuregelung in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, hat in der Zwischenzeit ein eigenes Wörterbuch13 publiziert, das weder die Regeln der alten DUDEN-Rechtschreibung noch die Neuregelung befolgt. Im völligen Widerspruch zu seiner heftigen Kritik an vielen neuen Getrenntschreibungen (z. B. des Typs
sitzen bleiben in allen Bedeutungen) lässt er diese in seinem Wörterbuch nun selbst als fakultative Varianten zu. Auch Wissenschaftler und Rezensenten14 außerhalb der Kommission sehen darin einen eklatanten Glaubwürdigkeitsverlust Icklers als Kritiker der Neuregelung.

Manchmal enthalten die Texte der Gegner und Befürworter der Neuregelung durchaus auch eine Reihe kritischer Hinweise zur Darstellung des neuen Regelwerks und zu inhaltlichen Fragen, die es zu bedenken gilt. So schlägt D. E. Zimmer vor, dass die Varianten phonlfon,
photlfot, graphlgraf in nicht wissenschaftlichen Texten (und dazu zählen Zeitungen) immer mit f geschrieben werden. Die Kommission registriert dies alles sehr genau. Sie stellt allerdings auch fest, dass vieles, was am Anfang heftig umstritten war und bekämpft wurde, in der Zwischenzeit nicht mehr in Frage gestellt wird.

Die Umstellung als Konventionalisierungsprozess

Jenseits aller heißen Debatten und scharfen Polemik haben die deutsch Schreibenden – vor allem nach der Umstellung der Zeitungen und Zeitschriften – erkannt, dass die Neuregelung im Schriftbild kaum Auswirkungen hat. Daraus resultieren zwei positive Effekte: Die Angst vor der Umstellung zeigt sich als unbegründet und – was noch wichtiger ist – die Behauptung, dass durch die neue Rechtschreibung die schrifts'prachliche Ausdrucksfähigkeit leide, kann einfach mangels Masse nicht stimmen. Beides zusammen hat die Neuregelung auf ein harmloses Normalmaß reduziert. Sie ist nicht das große sprachliche Jahrhundertereignis, doch sind ihre wenigen Änderungen sinnvoll und weisen in die richtige Richtung.

13 Das Rechtschreib-Wörterbuch. Die bewährte deutsche Rechtschreibung in neuer Darstellung. St. Goar 2000.

14 Vgl. den Beitrag W. Kürschners auf dem 10. Internationalen Germanistenkongress (Wien 2000), der in den Akten des Kongresses veröffentlicht wird, sowie die Rezension von G. Schoett: Codex Ickleranus. Theodor Ick-lers Rechtschreibwörterbuch. In: Sprachreport 2/2001, S. 30-32. Diesen Aspekt erwähnt nicht L Niederhauser Rechtschreibwörterbücher. In: ZGL 2001, S. 261-272.

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Damit reduziert sich das Phänomen der Neuregelung für die Schreibenden auf einen Konventionalisierungsprozess, der seine sozialpsychologische Eigengesetzlichkeit hat. Das Neue ist zunächst das Ungewohnte und hat es – wenn nicht eine sehr hohe Motivation zur Umstellung besteht – schwer gegen das Alte, Gewohnte. Das umso mehr, als die vertraute Schreibung zwar beherrscht, aber nicht erklärt werden kann. Deshalb ist eine Reaktion wie „Schifffahrt mit dreif, wie sieht denn das aus!“ durchaus verständlich, doch wäre die gleiche Reaktion erfolgt, wem die neue Rechtschreibung statt dessen vorgeschrieben hätte, Schifjlracht nur mit zwei f zu schreiben. Irgendwann kippt die Gewohnheit von der alten zur neuen Schreibung. Wenn man viele Male TippITipps (analog zu tippen) gelesen und vielleicht auch einige Male geschrieben hat, dann wird plötzlich die alte Form TipITips auffa-Ilig und schließlich auch emotional abgelehnt.

Dieser Konventionalisierungsprozess ist zurzeit noch im vollen Gang. Manches geht dabei leichter, wie z. B. die Schreibung von ss statt ß nach kurzem Vokal, anderes schwerer wie z. B. so genannt. Schwierig, weil nicht allein auf grammatisch-syntaktischen Grundlagen beruhend, ist auch die Umgewöhnung an eine stilistisch-textuelle Kommasetzung beim Infinitiv.

Umstellungen brauchen ihre Zeit und es wäre daher wenig sinnvoll, aus der derzeitigen Übergangssituation Rückschlüsse auf die Nichtakzeptanz bestimmter Bereiche zu ziehen. Alles in allem wird sich der Prozess der Konventionalisierung in den nächsten Jahren zunehmend beschleunigen. Einmal weil die Zahl der umgestellten Texte immer größer wird und damit die tagtägliche Begegnung mit der alten Rechtschreibung abnimmt, die mit der Zeit sogar markiert wird üemand liest ein Buch aus früherer Zeit), zum anderen weil Störfaktoren immer mehr zurücktreten oder in der Zwischenzeit bereits ganz weggefallen sind, so etwa die Verunsicheiung durch ausstehende Gerichtsurteile oder durch differierende Wörterbucheinträge infolge unterschiedlicher Regelauslegung.

Empfehlungen und Wünsche

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Damit die neue Rechtschreibung sich noch weiter durchsetzt, sind nach Ansicht der Kommission einige Maßnahmen wünschenswert.

Mehr als bisher sollte in der Lehrerausbildung darauf geachtet werden, dass die Studierenden aller Lehrämter die neue Rechtschreibung kennen lernen und in ihren eigenen Texten anwenden. Außerdem sollten Deutsch Studierende aller Lehrämter obligatorisch in die Struktur der Orthografie, deren Ontogenese und Vermittlung eingeführt werden.

Die neue Rechtschreibung verlangt in manchen Bereichen auch eine neue Methodik der Vermittlung. Dies betrifft vor allem die ss/ß-Schreibung und die Zeichensetzung beim Infinitiv. Die Kommission empfiehlt Rechtschreibdidaktikerinnen und – didaktikern sowie Lehrbuchautorinnen und -autoren, neue Materialien zu entwickeln. Dabei sollte auch generell noch einmal ganz intensiv über neue Vermittlungsformen zur Rechtschreibung nachgedacht werden. Im Wechselspiel von eigenaktiver Aneignung und systematischer Vermittlung sollte mehr als bisher der Weg eines gestuften Basiswissens verfolgt werden.

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Die Kommission und die beiden Beiräte empfehlen die Einheitlichkeit der neuen Rechtschreibung zu stärken. Das heißt konkret, im Vorfeld des Berichts 2003 mit den Nachrichtenagenturen und denjenigen Zeitungsverlagen zu sprechen, die eine Hausorthografie haben, damit ab 2005 unter Einschluss möglicher Veränderungen eine einheitliche Rechtschreibung in allen Bereichen angewendet wird. Die Bemühungen richten sich auch auf die Autorinnen und Autoren (oder deren Erben)„die bei VG WORT bestimmt haben, dass ihre Werke nur in alter Rechtschreibung geschrieben werden dürfen. Es sollte versucht werden, zumindest eine Lockerung für den schulischen Wiederabdruck (z. B. in Lesebüchern) zu erreichen.

In den Schulen und darüber hinaus sollte stärker als bisher die Einsicht in die Dynamik der Sprache deutlich gemacht werden. Diese Dynamik erscheint synchron als Varianz und diachron als Sprachgeschichte. Die Veränderung der Rechtschreibung könnte damit trotz (amtlicher) Normierung als etwas der Rechtschreibung Wesensgemäßes verstande«n und toleriert werden. Damit könnten Varianten akzeptabler und Veränderungen tolerabler werden.

Weitere Arbeit der Kommission

Die Kommission wird die oben beschriebenen empirischen Untersuchungen vor ihrem nächsten Bericht (2003) wiederholen, um noch vor dem Ende der Übergangszeit (Juli 2005) zu erfahren, wie es in den Schulen und bei den Behörden, in der Presse, in den Verlagen sowie bei privat Schreibenden bezüglich der Umstellung auf die neue Rechtschreibung aussieht.

Die Kommission möchte auf zunehmende Einheitlichkeit der neuen Rechtschieibung hinwirken, was neben einem ständigen Kontakt zu den Wörterbuchverlagen auch weitere Gespräche mit den Nachrichtenagenturen, Zeitungen u. a. einschließt. Große Hoffnung setzt die Kommission dabei in die Beiräte, in denen sie den versammelten Sachverstand der professionell Schreibenden sieht.

Die Kommission wird dort, wo es im Regelwerk zu Auslegungsschwierigkeiten oder Ungenauigkeiten gekommen ist, auf eine Präzisierung hinarbeiten. Sie möchte das vor allem durch einen fortlaufenden Kommentar erreichen. Alle Bereiche von A »Laut-Buchstaben-Zuordnung« bis F »Worttrennung am Zeilenende« sollen systematisch abgearbeitet werden. Sie möchte dabei den Grundsatz »Regelteil geht vor Wörterteil« noch deutlicher machen. Zu überprüfen ist, ob sich die Zahl der Variantenschreibungen reduzieren lässt.

Die Kommission hält es für notwendig inhaltlich strittige Fragen noch weiterhin auch und vor allem mit Schreibpraktikern genau zu diskutieren. Das betrifft neben einigen Einzelfällen vor allem die im Teil B dieses Berichts dargestellten Sachverhalte, so z. B. innerhalb des Bereichs der Getrenntund Zusammenschreibung die Typen Adjektiv/Adverb + Verb (&§ 34) und Adjektiv/Adverb + Partizip (&§ 36)-, im Bereich Groß- und Kleinschreibung den Fall Leid tun, einige Nominationsstereotype (Rote Karte usw.) und die Ableitung von personalen Eigennamen des Typs Grinim'sche SchriftenIgrinimsche Schriften. Die Darlegungen der Kommission

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sollen deutlich machen, dass es in vielen Details keinen Königsweg gibt, sondern nur ein Abwägen des Für und Wider, dass eine jede Lösung Vorteile, aber auch Nachteile hat und dass linguistische Gründe allein nicht ausschlaggebend sein können, sondern auch sprach- und lempsychologische Kriterien einzubeziehen sind. Die Kommission hat deshalb ihre Darstellung bewusst als ein Pro und Kontra formuliert. Sie wird ihre Entscheidung nach reiflichem Überlegen der im Laufe des Diskussionsprozesses, zutage getretenen Argumente so rechtzeitig fallen, dass daraus gegebenenfalls resultierende Änderungen bis zum Ende der vorgesehenen Übergangszeit berücksichtigt werden können. Die Kommission wird auch künftig kritische Fragen auf diese Weise sowohl mit Experten als auch mit Schreibpraktikein erörtern.

Die Kommission wird – gemäß ihrem Auftrag, die Rechtschreibung fortzuentwickeln – diskutieren, ob weitere Neuregelungen singulärer oder genereller Art angebracht sein könnten. Bei den oft überlauten Stimmen der Reformgegner wurden und werden jene leicht überhört, denen die Neuregelung nicht weit genug geht. Dabei geht es nicht so sehr um den emotional hoch gehängten Dauerbrenner der gemäßigten Kleinschreibung als vielmehr um viele kleinere Veränderungen in allen Bereichen der Rechtschreibung. Man sollte daher allen Versuchen widerstehen, die neue Regelung durch zusätzliche Unterscheidungen, Subregeln und/oder Ausnahmen wieder schwieriger werden zu lassen. Stattdessen sollte eine noch größere Einfachheit – soweit der Gegenstand das zulässt – ein stetes Bemühen sein, so dass nicht nach wiederum vielleicht hundert Jahren eine übergroße Anstrengung notwendig ist nur das Kleinste zu ändern.

Mögliche Änderungen können sich auch dadurch ergeben, dass die Schreibenden auf der Grundlage der neuen amtlichen Regelung die Schreibung weiterentwickeln; dies kann z. B. bei der Binnengroßschreibung der Fall sein oder bei der Ausdehnung der Großschreibung auf Fälle wie *der Eine, *der Andere, *die Meisten.

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Matthias Dräger
24.02.2002 07.15
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3. Bericht, Anlagen (S. 114-131)

Anlage 1: »Immer wieder falsche Beispiele« [zu Seite 5]

Anlage 2: Stellungnahme zu den Vorwürfen Th. Icklers, die 22. Auflage des Duden würde vom amtlichen Regelwerk abweichen [zu Seite 36]

Anlage 3: Fragebogen (Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., VA-Geschäftsstelle, Frankfurt am Main) [zu Seite 7]

Anlage 4: Leitfragen für die Erhebungen zur Auswirkung der Neu-' regelung der deutschen Rechtschreibung auf den [Recht] schreibunterricht [zu Seite 7]

Anlage 5: Stellungnahme des bundesdeutschen Beirats [zu Seite 6]

Anlage 6: Stellungnahme des österreichischen Beirats [zu Seite 6]

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Zahlreiche Beiträge zur kürzlich wieder entfachten Diskussion über die Rechtschreibung offenbaren große Unkenntnis nicht nur der neuen, sondern auch der alten Regeln. Die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung sieht sich deshalb veranlasst, einige der immer wieder angeführten falschen Beispiele und Behauptungen zu korrigieren.

Falschmeldung Richtigstellung

.. Wird wieder kommen/wie- Wieder kommen/wiederkommen wurde nie nur zusam

derkommen künftig wieder nur mengeschrieben. Wie bisher gibt es je nach Verwen zusammengeschrieben?“ dung die Möglichkeit zur Getrennt- bzw. Zusammen (D. Guratzsch in der Welt vom schreibung. 25.7.2000, S. 4) Vgl. Duden 1991, S. 803: wiederkommen (zurückkom men); aber: wieder kommen (nochmals kommen); Duden 1996, S. 83 1: wiederkommen (zurückkommen), aber- wieder kommen (nochmals kommen.); Bertelsmann 1999, S. 979: wiederkommen; ich bin wie dergekommen, aber: er ist immer wieder (zu mir) ge kommen.

.. Während [ 1 das zehnbändige Steigerungsformen wie *am Aufsehen erregendsten

'Große Wörterbuch' von den und *noch viel sagender sind ungrammatikalisch und skurrilen amtlichen Neuschrei- entsprechen weder der Intention des Regelwerkes noch bungen A ufsehen erregend (am werden sie in einem der gängigen Rechtschreibwörter Aufsehen erregendsten), viel bücher aufgeführt. Im Duden 1996, S. 132 wird unter sagend (noch viel sagender) dem Eintrag ein A ufsehen erregendes Ereignis auf die und den schwer Behinderten Duden-Richtlinie 40 verwiesen. schon gar nichts mehr weiß, Diese Regel fordert – in Übereinstimmung mit dem stehen sie seit vier Jahren so im amtlichen Regelwerk – Zusammenschreibung, wenn Rechtschreibduden." der zweite Bestandteil gesteigert ist: eine Furcht ein (Th. Ickler, Essay in der Welt flößende Gestalt, aber eine nochfurcliteinj7ößendere vom 25.7.2000, S. 9) Gestalt.

Bei den Verbindungen von viel + Partizip (Duden 1996, S. 804 f.) wird ebenfalls auf Richtlinie 40 verwiesen.

Die Schreibung schwer Behinderter entspricht den alten wie den neuen amtlichen Regeln. Daneben bleibt

die Schreibung der Schwerbehinderfe weiterhin richtig. Im Duden 1996 (S. 669 f.) gibt es keinen Eintrag der

schwer Behinderte,
hier ist nur die Schreibung der Schwerbehinderte aufgeführt.

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Falschmeldung Richtigstellung
Juvor war bereits das zehn- im zehnbändigen Großen Wörterbuch des Duden bändige Große Wörterbuch des verlags ist neben dem Stichwort aufsehenerregend Duden von zahlreichen arnt- auch ein (viel) Aufsehen erregender Film verzeichnet lichen Neuschreibungen wie am (Bd. 1, S. 349). Auf.sehen erregendsten, noch Neben schwerbehindert und der Schwerbehinderte viel sagender und schwer Be- steht unter dem Stichwort schwer auch sie ist (sehr) hinderter abgerückt." schwer behindert (Bd. 8, S. 3485). (gur/DW; Welt vom 25.7. 2000, Neben vielsagend gibt es viel sagend als Partizip zu viel sagen (Bd. 10, S. 4322 f.). "Unterdessen belegt eine im Die empirischen Erhebungen für diese Studie wurden Frühjahr an der Universität Bie- im Januar/Februar 1998 in Nordrhein-Westfalen lefeld abgeschlossene Studie, durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war der Unterricht dass die Zahl der Rechtschreib- nach den neuen Regeln hier noch freigestellt. Auch fehler bei Kindern in der lagen allenfalls Lesebücher in neuer Rechtschreibung Grundschule mit der Einfüh- vor. rung der Reform nicht gesun- Der Autor schränkt selbst vorsichtig ein: ken, sondern gestiegen ist." "Von jeder Grundschule, wenn auch nicht von allen (Th. Steinfeld, FAZ vom Lehrkräften lag eine Beantwortung der Frage nach 26.7.2000) Übernahme der neuen Rechtschreibregeln vor. Da "Die einzige veröffentlichte aber anzunehmen ist, daß eine Empfehlung der Kul Untersuchung über die Aus- tusministerien schulweise und nicht klassenweise wirkungen auf die Schule wahrgenommen wird, kann wohl davon ausgegangen kommt zu einem negativen werden, daß ihre Übernahme im Vorgriff auf ihr In Ergebnis." krafttreten flächendeckend, wenn auch nicht immer (Appell der Deutschen Aka- mit Beginn des Schuljahres 1996/97 erfolgt ist." demie für Sprache und Dich- (H. Marx, "Zeitschrift, für Entwicklungspsych. u. Päd. tung, FAZ vom 4.8. 2000) Psychologie" 1999/4, S. 180-189, Zitat S. 183)

"Zu einem für die Neuerer enttäuschenden Ergebnis kommt auch Harald Marx von der Universität Bielefeld." (K. Reumann, FAZ vom 10.8.2000)

"Immer mehr Deutsche gehen Auch nach den neuen Regeln ist hier nur Zusammen

bei Rot über die Ampel [ 1 schreibung möglich, denn
wohlbehalten ist nicht rück

Und weil sie dabei keinen führbar auf steigerbares Adjektiv + Verb. Schaden an ihrer Seele genom- Vgl. Duden 1996, S. 835:
er kanz wohlbehalten an; men haben, schreiben sie auch Bertelsmann 1999, S. 983: wohlbehalten ankommen. das Wörtchen wohlbehalten weiterhin zusammen, obwohl ihnen anderes vorgeschrieben wurde." (H. Spiegel; FAZ vom 27.7.2000, S. 49)

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Falschmeldung Richtigstellung "Der Deutsche Hochschulver- Nach &§ 34(1) des amtlichen Regelwerkes ist in diesen

band [ ] fordert [ ] 'die deut- Fällen je nach Verwendung Getrennt- oder Zusammen

sche Sprachkultur vor Schaden schreibung vorgesehen. Die immer wieder zitierte Aus zu bewahren'. Vor allem die legung des Rechtschreibduden von 1996, nach der nur Abschaffung der Unterschei- Getrenntschreibung gelten sollte, wurde schon im dungsschreibungen (wieder Duden-Praxiswörterbuch von 1998 korrigiert. sehen1wiedersehen) führe zu Vgl. Praxiswörterbuch, 1998, S. 414- er kann wieder einer 'unerträglichen Verkür- sehen, aber er wird sie bald wiedersehen. zung der sprachlichen Aus- Vgl. auch Bertelsmann, Die deutsche Rechtschreibung drucksmöglichkeiten'.“ 1999,S.979. (FAZ vom 2.8.2000) H. Schiedermair (Deutscher Bereits die alte Rechtschreibung sah an dieser Stelle Hochschulverband): „Viele keine Unterscheidungsschreibung vor. Die neuen Re Worte, die doppelsinnig sind, geln haben daran nichts geändert. Alt wie neu wird ent

wie entgegenkommen kann gegen immer mit dem folgenden Verb zusammenge

man in ihrem Doppelsinn nicht schrieben, also entgegenkommen. mehr schriftlich zum Ausdruck Vgl. Amtliche Regelung, &§ 34 (1). bringen, weil die Rec.htschreib reform uns zwingt, das immer getrennt zu schreiben.“ (Yahoo! Schlagzeilen, 2.8.2000)

J 1 der Staat überschreitet Ein Blick in die einschlägigen etymologischen Wörter

seine Kompetenz, [ ] indem er bücher belegt die Verwandtschaft von Schnauze und

meint, diktieren zu können, [ 1 schnäuzen.

daß Schneuzen von Schnauze Vgl. Kluge, 23. Aufl. 1995, S. 735 ff., und Pfeifer kommt." (Hrsg.), München 1997, S. 1228 ff. (Appell der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, FAZ vom 4.8.2000) "Und verbläuen ist nicht mit Jerbläut ihn! Schlagt! / Sein Maul soll jedes Wort blau verwandt." entgelten!" (aus einem Gedicht Friedrich von (K. Reumann, FAZ vom Hagedorns, 1757, in der FAZ vom 9.8.2000 (1); S. N 6) 10.8.2000; S. 3) "Die Kultusminister haben Er ist schwer gefallen und es ist ihm schwer gefallen gesagt, die Neuerung schaffe sind syntaktisch ganz unterschiedliche Konstruktionen. kein einziges Wort ab. Aber das Auch wenn schwerfallen jetzt – wegen der Stel ist nicht die Wahrheit; denn so gerbarkeit des Adjektivs – in beiden Fällen getrennt dumm sind die Minister nicht, geschrieben wird, geht keine Bedeutung verloren, son daß sie nicht wüßten, welch ein dern allenfalls ein Wörterbucheintrag. Im Kontext ist Bedeutungsunterschied zwischen schwerfallen immer eindeutig. Das Gleiche gilt für schwerfallen und schweifalletz leichtfallen, heilig sprechen usw. besteht." (K. Reumann, FAZ vom 10.8.2000)

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Falschmeldung Richtigstellung "Und falls Ministerpräsidenten Auch nach der Neuregelung wird der Sekt kalt oder überlegen würden, ob sie nicht sehr kalt gestellt. ein Politiker allenfalls kaltgestellt. den einen oder anderen Kultus- Steigerbarkeit des Adjektivs und damit Getrennt minister kaltstellen sollten, Schreibung ist im letzteren Fall standardsprachlich wollen sie ihn nicht gleich im nicht möglich. Kühlschrank kalt stellen." Vgl. Amtliche Regelung &§ 34 E3(3), Wörterverzeichnis (K. Reumann, FAZ vom (kalt stellen # kaltstellen) und alle Wörterbücher seit 10.8.2000) 1996.

"Die [ ] Neuerer [ ] gaben [ 1 Die Feststellung, dass Zusammensetzungen in einem

eine Faustregel für das Getrennt-' Wort und Wortgruppen in mehreren Wörtern geschrie

und Zusammenschreiben [ ) ben werden, ist ebenso banal wie richtig, aber nicht

vor: Die einzelnen Bestandteile neu. von Wortgruppen werden wie An der Schreibung von gastfrei hat sich nichts geän Wörter voneinander getrennt dert. Es wird nach derselben Regel wie früher zusam geschrieben, Zusammensetzun- mengeschrieben. Gegenüber der entsprechenden Wort gen dagegen nicht. Das hat nicht gruppe (frei für Gäste) spart die Zusammensetzung nur zu inflationärer Getrennt- eine Präposition oder einen Artikel ein. Schreibung geführt bis hin zu Mißgeburten wie Gastfrei statt Vgl. Duden 20. Aufl. 199 1, S. 63, R 209; Amtliche Re gastfrei, sondern auch zur Ver- gelung &§ 36(1) und Duden 2 1. Aufl. 1996, S. 35, R 40. wirrung darüber, was das denn sei: eine Zusammensetzung." (K. Reumann, FAZ vom 10.8.2000) jm Falle vonfesthalten oder Im Falle vonfesthallen wird wie bisher unterschieden wohltuend kann ich Wörter bil- zwischen ein Ergebnis festhalten oder jetnanden auf. den, die getrennt oder zusammen der Wachefestlialten (beides nicht steigerbar) und ein geschrieben (!) eine andere Be- Tier ganzfest/nochfester halten (damit es sich nicht deutung haben. Nach der Reform losreißt). werden diese Wörter alle gleich Vgl. Duden 1996, S. 278. behandelt und gezwungener maßen getrennt." Bei wohltuend gab es nach den alten Regeln nur Zu (Westfälische Nachrichten, sammenschreibung. 11.8.2000. Interview mit Prof. W. Grießhaber) "Wie leidet ein Journalist, wenn Die FAZ steht damit in der Tradition der "WelÜ, die der Computer Te e 1 n a g e r schon am 7.6.1997 (!) behauptet hatte, man müsse trennt Statt Teenlager, jetzt MisssItand (statt MissIstand) und kusIsecht Eilnöde statt Einlöde, (statt kuss 1 echt) trennen. Damals war von Computer bestIraft statt belstrafi, fehlern noch nicht die Rede. Regierunglschefs statt RegierungsIchefs? (FAZ vom 27.7.2000)

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Falschmeldung

Richtigstellung

(Diese Trennungen werden zwar als Computerfehler angeführt, indirekt aber der neuen Schreibung angelastet. Ähnliches gilt für Gastfrei statt gastfrei; vgl. FAZ vom 27.7.2000, S. 2)

Die FAZ (27.7.2000) verschweigt auch, dass man weiterhin Teenlag er trennen kann und dass man auch nach der alten Schreibung Te e 1 n ie bzw. Tee 1 ny [beide Itixi ] trennen musste (vgl. Duden, 20. Aufl. 199 1, S. 708).

Thron ---> Trotz

(Schaubild bei einer Sendung von n-tv am 1.8.2000)

Die Schreibung Thron ist nicht geändert worden (vgl. Amtliches Wörterverzeichnis und alle Wörterbücher seit 1996).

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Zum Hintergrund: Sehr bald nach Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung (l. Juli 1996) erschienen die marktfÜhrenden Rechtschreibwörterbücher in überarbeiteten Ausgaben, die die Neuregelung umsetzten. Wie nicht anders zu erwarten, gab es zwischen den verschiedenen Wörterbüchern zunächst eine Reihe von Differenzen, die unter anderem auf unterschiedliche Auslegungen des amtlichen Regelwerkes zurückzuführen waren. Obschon aus der Situation erklärlich und bei weitem nicht so zahlreich, wie die Gegner der Neuregelung behaupteten, musste hier doch Abhilfe geschaffen werden. Auf Betreiben der Zwischenstaatlichen Kommission und unter ihrer Mithilfe einigten sich die großen Wörterbuchverlage diesbezüglich bald auf eine einheitliche Auslegung der amtlichen Regeln.. Die Umsetzung geschah in den jeweils folgenden Auflagen: zunächst in der Bertelsmann-Rechtschreibung vom März 1999, jetzt auch in der 22. Auflage des Rechtschieibduden vom August 2000. Gegenüber seiner letzten Auflage hat der Duden zudem dreierlei getan, um die amtliche Regelung noch konsequenter umzusetzen:

Erstens gibt er – wie Bertelsmann – jetzt alle Trennmöglichkeiten an. Zweitens zeigt er in Fällen wie Schlussstrich nunmehr die zulässige Variantenschreibung mit Bindestrich grundsätzlich direkt beim Stichwort (Schluss-Strich). Und drittens führt er – wie im Regelwerk vorgegeben und auch von Bertelsmann bereits praktiziert – die sich aus der Steigerbarkeit des Gesamtausdrucks ergebende Zusammenschreibung in Fällen wie eifolgversprechend neben der Schreibung als Wortgruppe Erfolg versprechend nun überall an.

Die Rezension der neuen Dudenauflage von Th. Ickler in der FAZ vom 11. August 2000 greift unter anderem auch einige dieser inzwischen geklärten Zweifelsfälle auf und in

C

terpretiert sie als „Reform der Reform“ und also als dem amtlichen Regelwerk zuwiderlaufend.

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Im Einzelnen:

1. Als regelwidrig werden die Schreibungen schwindelerregend, musikliebend,- vielsagend, vielversprechend kritisiert.

Die jetzigen Dudenschreibungen können alle aus dem amtlichen Regelwerk hergeleitet werden.

Begründung:

Wenn eine Verbindung des Typs Nomen bzw. Adjektiv + Partizip kompariert wird, schreibt man zusammen, zum Beispiel
schwindelerregender. In solchen Fällen kann auch im Positiv zusammengeschrieben werden: schwindelerregend.

In der Ausgabe des Duden von 1996 waren nur die getrennten Schreibungen aufgeführt, allerdings stets mit dem Verweis auf R 40 (= Richtlinie 40), die – in Ubereinstimmung mit dem amtlichen Regelwerk – Zusammenschreibung fordert, wenn der zweite Bestandteil gesteige~t isL Schreibungen wie *am Aufsehen erregendsten und *wn viel sagendsten (vgl. Ickler, DiF, WELT, 25.7.2000, S. 9) sind damit nicht zulässig.

Während sich die Getrenntschreibung aus der Grundforrn
(Schwindel erregen) ergibt, resultiert die Zusammenschreibung daraus, dass der Gesamtausdruck steigerbar ist (sehrl äußerst schwindelerregend/noch schwindelerregender) und nur zusammengeschrieben werden kann:

Schwindel erregen

noch schwindelerregender

Schwindel erregendlsclzlidndelerregend

Im Wörterverzeichnis des Regelwerkes ist dieser Sachverhalt beispielgebend dargestellt, vgl. Gewinn bringendIgewinnbringend und Grauen erregend/grauenerregend.

2. Als regelwidrig hingestellt werden auch die Schreibungen blutbildend und blutsaugend.

Auch diese Schreibungen sind regelkonform.

Begründung.

Die Variantenschreibungen
blutbildendlBlut bildend und blutsaugend/Blut saugend ergeben sich nach &§ 36 E2, da die Rückführbarkeit auf eine Wortgruppe nach &§ 36(1) zwar möglich, aber nicht zwingend ist (neues Blut bilden --) bluibilden; Blut bilden --e Bhil bildend).

3. Kritisiert wird die inkonsequente Handhabung der Fälle zufrieden stellend und nichts sagend.

Die Variantenschreibungen zufriedenstellend und nichtssagend entsprechen zwar der amtlichen Regelung, sind im amtlichen Wörterverzeichnis aber nicht ausdrücklich genannt.

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Entsprechend der unter 1. gegebenen Begiündung (Steigerbarkeit) wäre es richtig, die zusammengeschriebenen Formen bei einer Neuauflage des Duden (der jetzt schon ein zuftiedenstellenderes Ergebnis vel zeichnet) zu bei ücksichtigen.

Als regelwidrig werden die Schreibungen Hohelied und Hohepriester bezeichnet.

Die Angaben des Duden sind korrekt. Die neu aufgenommenen Schreibungen sind fachsprachlich. Die Aufnahme fachsprachlicher Schreibungen ist den Wörterbüchem unbenommen.

Begründung-.

Flektierte Adjektive werden nach dem Regelwerk nur getrennt geschrieben; unflektierbare Adjektivformen können mit Nomen Zusammensetzungen bilden und werden dann zusammengeschrieben: der neue Bau vs. der Neubau.

Bei Hohes Lied, das Hohe Lied, des Hohen Liedes, im Hohen Lied usw. überwiegt Flexion des Adjektivs; man schreibt daher getrennt

Fachsprachlich kommt aber Invarianz des Adjektivs vor; dann ist zusammenzuschreiben: des Hohelieds, im Hohelied usw. (Im schwachen Norninativ/Akkusativ Singular ist die Schreibung frei, da sie bei beiden Flexionsvarianten gleich lautet: das Höhe Lied, das Hohelied.)

5. Als regelwidrig wird die neuerliche Aufnahme der Schreibung Agent provocaleur kritisiert.

Die Dudenangaben sind korrekt.

Begründung:

In vielen französischen Grammatiken wird prot,ocateur in Fügungen wie der vorliegenden als Adjektiv klassifiziert. Wer sich an die grammatische Bestimmung dieser Werke hält, schreibt provocateur klein. Die Großschreibung orientiert sich an der appositiven und damit nominalen Interpretation von provocateur.

6. Als regelwidrig wird die Aufnahme der Schreibung Messmer bezeichnet.

Eine Übertragung von Schreibungen, die im Regelwerk vorgegeben sind, auf analoge, jedoch nicht amtlich zu regelnde Fälle (Regionalismen), ist den Wörterbüchem überlassen.

Begründung:

Das amtliche Wörterverzeichnis enthält Messner, Mesner und (als Helvetismus) Mesmer. Der Duden gibt analog zu hochsprachlich Messner auch die Form Messtner für den schweizerischen Regionalismus Mesmer an. Diese Schreibung ist mit dem schweizerischen Dudenausschuss abgesprochen worden.

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7. wiederlwieder

Hier wird kritisiert, dass der Duden zwar die in seiner Ausgabe von 1996 nicht angeführte Zusammenschreibung wiedersehen jetzt angibt, in einer Reihe weiterer Fälle (wieder aufnehmen, wieder herrichten usw.) jedoch bei der Getrenntschreibung bleibt.

Die Getrenntschreibung in diesen Fällen entspricht jedoch der amtlichen Regelung.

Begründung:

wieder gehört, wie zusammen, dabei usw., zu den Partikeln, die gleichlautend sowohl als Adverb wie auch als Verbzusatz verwendet werden.

Für das Adverb gilt Getrenntschreibung. In diesem Falle lässt sich zwischen wieder und nachfolgendem Verb ein Satzglied einschieben:

Sie hal ihre Allergie wieder [im April] bekommen. Dieses Produkt wird Jetzt wieder [hier] hergestellt.

USW.

Das Adverb trägt die Bedeutung 'erneut', 'nochmals' bzw. kann ausdrücken, „daß nicht durch eine erneute, sondern durch eine erstmalige Handlung eine Veränderung zu einem früher bestehenden, nicht besonders ausgesprochenen Zustand herbeigeführt wir&' (WDG 1977, S. 4345). Zum Beispiel:

leinen Balll Weder aujheben, leinen Schaden] wieder gutnwclwn

Für den Verbzusatz gilt Zusan-unenschreibung mit dem folgenden Verb. In vielen Fällen steht hier wieder in der Bedeutung von 'zurück'. Zum Beispiel:

Hast du das verliehene Buch schon wiederbekommen (= 'zurückbekommen') ? Wir werden ihm seine Unterlagen wiedergeben (= 'zurückgeben').

Aber auch in allen anderen Fällen, in denen nieder nicht Adverb ist, d.
IL nicht in den Bedeutungen des Adverbs verwendet wird, handelt es sich um einen Verbzusatz, so dass folglich zusammengeschrieben werden muss.

Zum Beispiel: wiedererzählen (= 'mündlich weitergeben') im Unterschied zu: leinen Witzl wieder (='nochmals') erzählen; wiedererkennen (# wieder erkennen) usw.

Zu ergänzen sind Zusanunenschreibungen, bei denen der zweite Bestandteil selbstständig nicht vorkommt (wiederkäuen, wiederkehren) sowie der I-Unweis auf untrennbare Zusammensetzungen wie wiederholen (wir wiederholen, nicht: *wir holen wieder).

An der Schreibung von wiedersehen bzw. nieder sehen hat sich durch die Neuregelung nichts geändert. Der Duden hat lediglich seine Interpretation von 1996 modifiziert. Hier hatte er die Bedeutungsangaben 'erneut', 'nochmals' vs. 'zurück', die das amtliche Wörterverzeichnis bei den Beispielen gibt, um den Unterschied zwischen Adverb und Verbzusatz zu verdeutlichen, zu eng ausgelegt.

Die Kompliziertheit der Unterscheidung von Adverb einerseits und Verbzusatz andererseits in vielen Fällen hat dazu geführt, dass in den ersten Wörterbuchausgaben nach der Neuregelung gewisse unterschiedliche Auslegungen anzutreffen waren. Das hat die Kornmission dazu veranlasst, Variantenschreibungen überall dort gutzuheißen, wo eine eindeutige Entscheidung nicht möglich oder nur mit sehr speziellen Argumenten vertretbar ist.

Zu überlegen wäre, ob nicht in zwei der kritisierten Fälle auch die Zusammenschreibung zugelassen werden sollte: Bei nieder aufnehmen und wieder gutmachen liegt eine Herleitung aus den Substantiven Wiederaufnahme bzw. Wiedergutmachung und damit Zusammenschreibung nahe. Für die anderen Fälle kann das nicht gelten.

1

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8. wohllwohl

Hier wird behauptet, dass bei den Zusammensetzungen mit wohl eine „notorisch wirre Darstellung“ herrsche, z. B. wohlverdient, aber wohl versorgt. Der neue Duden stimmt hier grundsätzlich mit den amtlichen Regeln überein.

Begründung:

Bei den Zusammensetzungen mit wohl konkurrieren mehrere Regeln:

(1) Stets getrennt geschrieben wird (wie bisher auch) wohl in der Bedeutung 'wahrscheinlich', 'vermutlich', z. B.: Er wird wohl kommen.

(2) Getrennt geschrieben wird wohl – sofern nicht 3. bzw. 4. zutrifft – in den Bedeutungen 'gesund'; 'behaglich' bzw. 'gut', (vgl. Duden Bd. 9, 4. Aufl. 1977, Richtiges und gutes Deutsch, S. 826: „Die Vergleichsformen von wohl 'gesund'; 'behaglich' lauten wohler, am wohlsten ... Dagegen hat wohl im Sinne von 'gut' die Vergleichsforrnen besser, beste – - – 1:

sich wohl 1wohler, am wohlsten1 ftililen, wohl [besser, am besten] informiert sein, wohl [besser, am besten] versorgt sein

(3) Zusammengeschrieben wird allerdings stets dann, wenn der zweite Bestandteil allein nicht vorkommt, z. B.: wohlweislich, wohlgemut, wohlgestalt usw.

(4) Zusammengeschrieben wird auch, wenn wohl in dieser Fügung nicht steigerbar ist, z. B.: wohlachtbar, wohlanständig, wohlbehalten, wohlverdient USW.

(5) Getrennt- und Zusammenschreibung ist dann möglich, wenn sowohl wohl als auch die Fügung als Ganzes gesteigert werden kann. Das trifft nur für wenige Fälle zu, z. B.:

wohl [besser, am besten] temperiert / wohltemperiert [noch wohllemperierter, am wohltemperiertesten1

wohl [besser, am besten] schmeckend / wohlschmeckend Inoch wohlschmeckender, am 14,olilsclimeck-endstenl

USW.

9. hoch

Hier heißt es, bei hoch herrsche weiterhin „ein undurchschaubares Dickicht: hochauflösend, hoch empfindlich, hocherfreut, hoch begabt, aber auch hochbegabt, ... hoch gesteckte Ziele, aber hochgesteckte Haare usw.“

Die Darstellung im Duden stimmt mit den amtlichen Regeln überein.

Begründung:

Bei Verbindungen mit hoch + Partizip oder Adjektiv sind – ähnlich wie bei wohl – mehrere Regeln zu berücksichtigen:

(1) Es gilt Getrenntschreibung:

---> wenn das zugrunde liegende Verb getrennt geschrieben wird, z. B. die Ziele hochlhöher siech-en ---> hoch gesteckte Ziele (&§ 36 EI (1»; wenn der erste Bestandteil gesteigert bzw. erweitert werden kann, z. B. hochlhöher entwickelt (&§ 36 E4).

124

(2) Es gilt Zusammenschreibung:

wenn das zugrunde liegende Verb zusammengeschrieben wird, z. B.
die Haare hochstecken --> hochgesteckte Haare (&§ 36 (3»;

-4 wenn ein Bestandteil nicht selbständig vorkommt, z. B. hochgemut (&§ 36 (2»;

bei bedeutungsverstärkenden/-rründemden Zusätzen, z. B.
hochgiftig, hocherfreut (&§ 36 (5»

In einigen Fällen ist die Abgrenzung zwischen hoch als steigerbarem Adjektiv bzw. hoch als bedeutungsmodifizierendem Zusatz schwierig. In diesen Fällen sind beide Schreibungen möglich. So etwa bei hochbegabt (Zusammenschreibung, da Zusatz nach &§ 36(5»; sehr hoch Jund vielseitig] begabt (Getrenntschreibung nach &§ 36 E4).

Zu überlegen wäre, ob nicht das angeführte Beispiel hoch empfindlich künftig besser der letzten Gruppe zugeordnet werden sollte, da hoch hier auch bedeutungsmodifizierend verstanden werden könnte.

10. der Schwerverletzte

Es wird behauptet, dass Schreibungen wie der Schwerverletzte, die Schwerbewaffneten durch das Regelwerk nicht gedeckt sind und dass „einige Reformer eine abenteuerliche grammatische Regel erfunden [hätten]: Bei Substantivierung tritt fakultativ Großschreibung ein“.

Einen Gegensatz zum amtlichen Regelwerk gibt es nicht.

11. Onestepp

Die Schreibung Onestep war ein Druckfehler in den 1996er Ausgaben des amtlichen Regelwerkes und wurde in späteren Nachdrucken korrigiert. Twostepp ist in dieser Schreibung auch in den ersten Ausgaben enthalten.

125

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Fax: 06911306-399

Zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung: Fragebogen

1. Gibt es einen generellen Beschluss Ihres Verlages zur Anwendung der neuen

Rechtschreibung bei Neuerscheinungen?

ja

Wenn ja, wie lautet er:

11 nein

2. Richten Sie sich nach den Schreibvorgaben Ihrer Autoren? 13 ja 13 nein

3. Differenzieren Sie bezüglich der Rechtschreibung nach Textsorten? 13 ja EI nein

wenn ja: alt neu Lehrbücher EI 13 Kinderbücher 13 EI Jugendbücher EI 13 Sachbücher 13
r-i wissenschaftl. Literatur EI EI Unterhaltungsliteratur 13 r-i Literarische Werke r-i EI

4. Anzahl der Neuerscheinungen seit 1.1.2001: davon in neuer Rechtschreibung:

126





A Laut-Buchstaben-Zuordnung

Die ss-ß-Schreibung wurde geändert. Wirkt sich das positiv auf das Erlernen und die Handhabung aus? Wie vermitteln Sie die verbleibendeß-Schreibung (Regeln, Grundwortschatz)?

Die Stammschreibung (Bändel, nummerieren, Potenzial) wurde gestärkt. Gibt es hier Ubergeneralisierungen, z. B. *sprächen (wegen Sprache)?

Bei den Fremdwörtern gibt es einige Eindeutschungen, vor allem als Varianten. Wie verhalten Sie sich? Die Nachrichtenagenturen verwenden bei Fremdwörtern aus toten Sprachen die neue Variante (Eindeutschung), bei solchen aus lebenden Sprachen die alte Variante. Ist das lehrbar?

B Getrennt- und Zusammenschreibung; C. Bindestrich

Die Neuregelung orientiert sich nicht am semantischen Kriterium (entsteht ein neuer Begriff?), sondern nennt grammatische Proben: Erweiterbarkeit, Steigerbarkeit (kurz treten, kürzer treten). In einigen Fällen werden Festlegungen getroffen, z. B. Infinitiv + Verb werden getrennt geschrieben (sitzen lassen).

Üben Sie die GuZ überhaupt? Welche Probleme gibt es? Sind die Regeln handhabbar?

D Groß- und Kleinschreibung

Die Neuregelung geht von dem Grundsatz aus, Normen, wo immer es geht großzuschreiben; andere Wortarten werden immer dann großgeschrieben, wenn ein Artikel oder wenn Präposition + Artikel sich darauf beziehen. Daher Abschaffung der metaphorischen Kleinschreibung: die Polizei tappt im Dunkeln (alt: im dunkeln); Tageszeiten groß: heule Abend; im Nachhinein, im Voraus; es ist das Beste, wenn ... Kleingeschrieben werden hingegen neu: das schwarze Breit, das ohnische Gesetz (oder das Ohm'sche Gesetz), du (im Brief).

Hat diese Neuerung das Erlernen und die Handhabung erleichtert? Entstehen neue Fehlerquellen, z. B. *seit Langem ?

E Zeichensetzung

Die Neuregelung sieht bei und + Hauptsatz, beim Infinitiv mit zu und bei Partizipwsätzen vor, dass kein Komma mehr gesetzt zu werden braucht. Ein Komma kann stehen, wenn,.der Schreibende dem Lesenden Orientierungshilfe geben will, z. B. zur Vermeidung von Doppeldeutigkeiten (&§ 73, &§ 76).

Wie lernen die Schülerinnen und Schüler diesen Sachverhalt, wie nutzen sie diesen Freiraum?

Wie beurteilen Sie, dass die Nachrichtenagenturen und die meisten Zeitungen bis jetzt bei den

t2

alten, grammatisch basierten Regeln geblieben sind?

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F Worttrennung am Zeilenende Lässt sich die Trennung von s-i (Fes-le) im Unterricht mit s-p (Wes-pe) verbinden? Fügt sich die Trennung vor -ck (Zu-cker) in die Reihe na-schen, wa-chen ? Trennen die Schülerinnen und Schüler bei Konsonant + 1, v, r nach der Silbe (Hy-draiii) oder nach dem ersten Konsonanten (Hyd-raiii)? Sollte analog auch für deutsche Wörter die Trennung *im-pfen, *Kar-pfen, *knus-prig, *dun-kle, *kühn-sie erlaubt sein unter Berufung auf &§ 107?

127



Der Beirat versteht sich als beratendes Grenüum, das vom Standpunkt der Praxis aus die Vorschläge der Kommission im Hinblick auf Praktikabilität und Akzeptanz überprüft.

Auf der Basis einer fünfstündigen Diskussion des Berichtsentwurfs und unter Einbeziehung zweier schriftlicher Voten gelangt der bundesrepublikanische Beirat zu nachstehender Stellungnahme.

Der bundesrepublikanische Beirat setzt sich mit Nachdruck dafür e4

1. dass keine grundlegende alternative Regelung von zentralen Komplexen des amtlichen Regelwerks vorgenommen wird, sondern dass die vorhandenen Regeln präzis iert werden.

Diese Präzisierungen sollen ausschließlich auf der Basis des amtlichen Regelwerks erfolgen. Eine »Reform der Reform« ist weder sachlich begründet noch aus der Sicht der Schreibenden sinnvoll. Trotz der in einigen Punkten divergierenden linguistischen Ansichten darf nicht übersehen werden, dass das Regelwerk in weiten Bereichen eine deutliche Systematisierung vornimmt (z. B. generelle Getrenntschreibung von Infinitiv und Verb). Aufgabe kann es daher nur sein, die vorhandenen Regeln erförderlichenfalls zu präzisieren.

2. dass vor dem Ablauf der Übergangszeit aufgrund unzureichender Erfahrungen keine Präzisierungen am amtlichen Regelwerk vorgenommen werden.

Die Erhebungen zeigen, dass der Prozess der Umstellung auf die neuen Regeln noch nicht abceschlossen ist. Zum Teil fehlt es auch noch an entsprechend didaktisch auf

C

bereiteten Lehrmaterialien (wie z. B. zur Zeichensetzung). Da der Präzisierungsbedarf jedoch erst nach einer Phase der Gewöhnung offensichtlich wird, bedarf es – weiterer Beobachtung des Schreibgebrauchs.

128



3.

dass langfristig eine behutsame Weiterentwicklung in Richtung auf eine noch stärkere Systematisierung der Regeln anzustreben ist.

Ausnahmen erschweren die Erlernbarkeit der Rechtschreibung. Insofern die Sprachgemeinschaft die interiorisierten Regeln per Analog~ebildung auf bestehende Ausnahmen ausweitet, ist das Regelwerk an den beobachteten Sprachgebrauch anzupassen. Entsprechende Tendenzen zeichnen sich z. B.“ bei der Schreibung von Zahladjektiven wie *der Eine, *der Andere und *die Meisten ab.

4. dass die Anzahl der Variantenschreibungen im amtlichen Regelwerk möglichst verringert wird.

Staatliche Normierung der Rechtschreibung ging stets mit einer Reduktion der Variantenschreibungen einher. Ungeachtet der Funktion, die Variantenschreibungen beizumessen ist (z. B. Markierung historischer Übergänge), ist das Regelwerk in diese historische Tradition zu stellen. Wenngleich historische, linguistische und dem Gewöhnungsprozess geschuldete verfahrenstechnische Gründe für Varianten sprechen, sollte die Notwendigkeit von Varianten in der amtlichen Schreibung auch fernerhin ständig überprüft werden.

Variantenschreibungen setzen den Schreiber unter Entscheidungszwang und tragen in Ermangelung einer konsistenten Variantenführung zur Verunsicherung bei. Deshalb sollen auch im zweiten Teil des Berichts die Vorschläge nicht berücksichtigt werden, die zu wesentlich mehr Varianten führen.

5. dass bis zum Jahre 2005 ein Ausgleich zwischen dem amtlichen Regelwerk und den in einzelnen Punkten davon abweichenden Schreibanweisungen in bestimmten Praxisbereichen herbeizuführen ist.

Hier sind alle Beteiligten dazu aufgerufen, den vorhandenen Verhandlungsspielmum zu nutzen, um die Einheitlichkeit der Rechtschreibung auch in diesen (ohnehin eher peripheren) Punkten wieder herzustellen. Eine Einigung im Bereich der Schreibung von Nominationsstereotypjn wird beispielsweise zu einem nicht unwesentlichen Teil davon abhängen, wie weit die Definition der Fachsprachlichkeit gefasst wird (und somit z. B. die Schreibung *Rote Karte als Terminus aus dem Bereich des Sports zulässig ist).

Im Rahmen eines Durchgangs durch den gesamten vorläufigen Bericht ergeben sich eine Reihe von weiteren Präzisierungswünschen, Ergänzungen und Koi-rekturvorschlägen, die die Kommission berücksichtigen soll. In diesem Zusammenhang hebt der bundesrepublikanische Beirat resümierend hervor, dass der dritte Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission füh deutsche Rechtschreibung eine grundlegende, umfassende und aufschlussreiche Analyse zur Akzeptanz der neuen deutschen Rechtschreibung in verschiedenen wichtigen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen darstellt. Während sich bisherige Zahlen und Ergebnisse häufig nur auf Schätzungen oder auf Einzelquellen (Zeitschriftenaufsätze o. Ä.) stützen konnten, liegt hier nun eine systematische Auswertung vor, die die überwiegend gute Akzeptanz der Neuregelung belegt.

129

Der Beirat für Sprachentwicklung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat am 18. September 2001 den 3. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung diskutiert und als sehr gründliche Analyse der Erfahrungen mit der Anwendung der neuen Rechtschreibung gewürdigt. Der Bericht zeigt auf, dass die Umstellung auf die neue Rechtschreibung in allen Ländern planmäßig erfolgt ist, er stellt aber auch die Probleme, die sich bei der Anwendung ergeben haben, dar. Der Beirat für Sprachentwicklung betrachtet diese Analyse der Erfahrungen aber nicht als abgeschlossen und ermuntert die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung weiterzuforschen, insbesondere Originaltexte einzubeziehen, die noch nicht durch Rechtschreibprogramme korrigiert bzw. durch Konvertierungsprogramme an die neue Rechtschreibung angepasst wurden.

Die Kommission möge weitels auf Basis des Berichtes anregen, dass die neue Rechtschreibung im methodisch-didaktischen Bereich in den Schul- und Lehrbüchern stärker berücksichtigt wird. Eine derart gründliche methodisch-didaktische Aufarbeitung wird derzeit vermisst. So sind in Schulbüchern noch immer intensive Übungen zur »Dreibuchstaben-Regelung« vorgesehen, obwohl dies auf Grund der neuen Rechtschreibung praktisch überhaupt nicht mehr notwendig wäre.

Weiters regt der Beirat an, die Kommission möge klären, wie in Hinkunft aus belletristischen, wissenschaftlichen und juristischen Originaltexten zitiert werden soll.

Der Beirat teilt überdies mit, dass die Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren festgestellt hat, dass im Gegensatz zum Bericht (Seite 36) die IG Autorinnen und Autoren nie behauptet hätte, „die Verlage würden dazu tendieren, kommerziell gut gehende Titel rasch in neuer Rechtschreibung aufzulegen, während sie bei eher weniger gefi-agten Titeln, nur sehr zögerlich vorgehen“. Der Beirat regt deshalb an, diesen Absatz im Bericht auf Seite 36 ersatzlos zu streichen.

130



Was die alternativen Vorschläge zur Präzisierung der Regelungsvorschläge betrifft, so sieht der Beirat diese nicht als bereits ausdiskutierte Vorschläge zur Neuregelung sondem lediglich als Diskussionsgrundlage über Problembereiche, die sich aus der Anwendung ergeben hätten. Der Beirat hat diese alternativen Vorschläge diskutiert, gibt jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt keine Empfehlungen ab, die eine der vorgeschlagenen Varianten bevorzugen würde. Der Beirat ist allerdings der Meinung, dass eine allfällige Anpassung und Präzisierung des Regelwerkes erst nach dem Ende der Übergangszeit 2005 erfolgen und diese in enger Zusammenarbeit mit den Wörterbuchredaktionen bis zu diesem Zeitpunkt gut vorbereitet werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die alternativen Vorschläge in der Kommission auf ilu-e Praktikabilität, Vereinfachung und auch in Hinblick auf möglichst liberale Lösungen für die Schreibenden diskutiert werden.

Grundsätzlich ist der österreichische Beirat der Auffassung, dass dem Toleranzgedanken, namentlich im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, mehr Raum gegeben werden sollte.

Ebenso sieht der Beirat in der Frage der Groß- und Kleinschreibung von Nominationsstereotypen nach der Art SIschwarzes Brett die praktikabelste Lösung darin, dass grundsätzlich Kleinschreibung des ersten Bestandteiles (Adjektiv) vorgesehen wird, dass es aber keinerlei »Fehler« sein soll, wenn betroffene Personen (etwa Mitglieder bestimmter Vereine, Interessensvertretungen) ihre jeweiligen Anliegen (z. B. Offenes Lernen, Lebensbegleitendes Lernen, Gelbe Karte) durch Großschreibung kennzeichnen wollen. Das Regelwerk muss sich dazu nicht unbedingt äußern.

Wien, 16. Oktober 2001

Der Vorsitzende:

GL Ministerialrat Dr. Fritz Rosenberger Beirat Rir Sprachentwicklung im Bundesministerium für Bildung,“ Wissenschaft und Kultur

131

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