Süddeutsche Zeitung 3.3.1997:
Ortographie-Reform
ist Bürgersache
München (dpa) – Die Bürgeraktion „Mehr Demokratie“ hat sich gegen Verbote von Volksbegehren zur Rechtschreibreform gewandt. Die Äußerungen der Kultusminister, die Rechtschreibreform notfalls durch Verbote von Volksbegehren durchzusetzen, seien nicht hinzunehmen. „Schwebt den Kultusministern ein Putsch vor?“ fragte der Sprecher der Initiative, Oliver Hinz.
Der Verein zur Förderung von Bürgerentscheiden forderte die Minister auf, „den in den Verfassungen vorgesehenen demokratischen Willensbildungsprozeß des Volkes zu respektieren“. Die Minister sollten „von ihren hohen Rössern“ heruntersteigen und die Bürger überzeugen. „Es ist wichtig, daß die Bürgerinnen und Bürger über die Rechtschreibreform selbst entscheiden, denn sie sollen sie ja auch anwenden.“
Daher seien auch Volksbegehren der richtige Weg. „Mehr Demokratie“ sei nicht für oder gegen die Reform, sondern für Volksentscheide. Die Volksbegehren zur Ergänzung der Landesschulgesetze seien eindeutig zulässig, sagte Hinz. Darin wird gefordert, die Gesetze um einen Satz zu ergänzen: „In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet.“ Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair (CSU) hatte zum Abschluß der Kultusministerkonferenz (KNK) am Freitag in Bonn erklärt, er könne sich nicht vorstellen, „daß ein Volksbegehren zugelassen wird, das gegen das Grundgesetz verstößt und die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung zerstört“. Gegen die Reform laufen derzeit Bürgerbegehren in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Anm. von Th. I. Die Überschrift ist original!
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Th. Ickler
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