Das gescheiterte große SZ
Peter Schmachthagen schreibt in seiner „Deutschstunde“ Vielleicht hätte Gutenberg es einführen können
Jetzt ist es jedoch zu spät für ein großes Eszett, obwohl es Schwierigkeiten mit Eigennamen in Großbuchstaben gibt ... Allerdings bestand kaum Bedarf dafür, denn man konnte es immer durch SS oder SZ ersetzen,Um das Fazit dieser Kolumne vorwegzunehmen, sei klar und deutlich gesagt: Ein großes Eszett ist weder im deutschen Alphabet noch in der deutschen Rechtschreibung vorhanden, und da das Eszett (ß) eine deutsche Errungenschaft ist, werden wir es auch in keinem fremden Alphabet finden. Grund genug wieder mal für schwache Geister, den deutschen „Sonderweg“ peinlich zu finden.Alle deutschen Buchstaben bilden jeweils ein Pärchen aus klein und groß, nur das Eszett, das Zeichen für das scharfe S, bleibt immer klein. Man könnte meinen, es sei bescheiden und halte sich lieber im Hintergrund. Doch die Erklärung ist viel pragmatischer: Ein Eszett steht nie am Wortanfang und kann also auch nie großgeschrieben werden.
Eigentlich handelt es sich beim Eszett gar nicht um einen Buchstaben, sondern um zwei, nämlich – wie der Name schon sagt – um ein s und um ein z. Allerdings sahen die Buchstaben früher in der deutschen Druckschrift nicht so aus wie heute, sondern das s war ein Lang-s mit Ober- und Unterlänge und das z ein deutsches z mit Schleife und Unterlänge. Seit dem 14. Jahrhundert wurden die beiden Buchstaben ineinander verschlungen, das heißt, zusammen auf einer Drucktype gegossen. Genau gesagt, seit der Erfindung der beweglichen Lettern durch Gutenberg um 1450.Wenn sich zwei Buchstaben auf einer Letter umarmen, spricht man in der Typografie von einer Ligatur. Die deutschen Frakturschriftarten (gebrochene Schriften, von lat. fractura Bruch) kannten noch mehr Ligaturen, etwa tz, ch und st. Da man eine Ligatur am Zeilenende nicht trennen konnte, es sei denn, man sägte die Letter durch, was recht mühsam gewesen wäre, entstand die damalige Regel: Trenne nie st, denn es tut ihm weh. Das gilt seit der Rechtschreibreform nicht mehr, ... Man konnte immer st auflösen, hat es auch mitunter gemacht, aber anders als unsere „dümms-ten Reformer“ uns weismachen wollen, bleibt st mei-stens besser zusammen, z.B. auch in Di-stanz (v. „stare“ stehen, nicht Dis-tanz) ... wie auch die Fraktur als Druck- und Schreibschrift am 2. Januar 1941 per Führerbefehl verboten wurde. Bis dahin benutzten übrigens nicht nur Nationalsozialisten die deutschen Frakturschriften, sondern alle Parteien, Publikationen und Verlage, auch die linken. Gut, daß das mal gesagt wird. Egon Bahr, ich finde die Stelle nicht mehr, hatte mal über die angebliche Nazi-Fraktur geklagt.Falls ein Wort durchgehend in Versalien (nur in Großbuchstaben) geschrieben wird, geraten wir bei einem Binnen-ß in Schwierigkeiten, weil es das Eszett nicht als Großbuchstaben gibt. Das amtliche Regelwerk (§ 25 E3) und der Duden (K 160) sehen für diesen Fall vor, das ß in SS aufzulösen. Die Unterscheidung MASZE (Maße) und MASSE (Masse) gibt es seit der Rechtschreibreform nicht mehr. Ja, warum eigentlich nicht? „Vereinfachung“? Angleichung an die Schweiz? Mir war das in technischen Zeichnungen geläufig. Der Fluch der bösen Tat war die „Reform“ mit ihrer zwingenden Längendefinition des vorhergehenden Vokals durch das ß. Schmachthagen lenkt aber lieber ab auf die Namensgroßschreibung in amtlichen Dokumenten: Da bei dieser Konvertierung jedoch die Schreibweise einiger Eigennamen nicht deutlich wird, wenn wir bei ROLF GROSSE also nicht wissen, ob wir es mit Herrn Grosse oder Herrn Große zu tun haben, ist in diesem Fall ein ß zwischen den Versalien erlaubt. Es heißt also HEUSSSTRASSE, aber LITFAßSÄULE. Wenn Sie bei Stefan Kießling von Bayer Leverkusen etwa KIEßLING hinten auf dem Trikot lesen, ist das korrekt und kein Grund für einen Beschwerdebrief.... Ein großes Eszett ist ... weder Mitglied des Alphabets noch Gegenstand der Rechtschreibung. Vielleicht hätte Gutenberg es einführen können. Jetzt ist es zu spät dafür.
11.10.2016 Gutenberg hat in seinen frühen Drucken das ß aus zwei Lettern, aus lang s und schmalem Schluß-z, zusammengesetzt. Für ein großes ß hatte er einfach keinen Bedarf – wie wir auch keinen Bedarf an der Rechtschreib„reform“ hatten.
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