Peter Schmachthagen findet die „Schlechtschreibreform“ immer noch gut
Deutschstunde
Wer pleite ist, hat vorher Pleite gemacht
Von Peter Schmachthagen
... Bis 1996 hatten sich Schüler und Erwachsene daran gewöhnt, die Schreibweise jedes Wortes und jeder Verbindung einzeln zu betrachten und nachzuschlagen. Man lernte keine Regeln, sondern Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen.
[Welch ein Unsinn! Bis 1996 habe ich 50 Jahre lang nie einen Duden in die Hand genommen.]
Die Reformer bemühten sich danach, möglichst eine Systematik in den orthografischen Dschungel zu bringen, um das Wörterbuch bei vielen Wortarten überflüssig zu machen. Zwischen 1996 und 2006 hieß es: Verb und Verb (Infinitiv) immer getrennt. Bis dahin galt die unsägliche Betonungsregel des Dudens.
[Diese Regel habe ich nie gelernt, aber nach Gehör und Sprachempfinden mindestens ebenso vernünftig wie der Duden geschrieben.]
Wer jedoch die Schreibweise eines Wortes aus dem Satzzusammenhang entnehmen muss, braucht eigentlich keine unterschiedliche Schreibweise, um den Sinn eines Satzes zu präzisieren. Und das Wesentliche: Nur derjenige, der perfekt Deutsch sprach, konnte diesen Feinheiten folgen, nicht derjenige, der Deutsch erst lernte oder lernen musste.
[Sollen wir nun nachlässiger sprechen und schreiben, nur damit Ausländer und weniger Gebildete nicht auffallen?]
Der Lehrer sagte: Ihr könnt gern sitzen bleiben, wenn ich in die Klasse komme, aber einige von euch werden am Ende des Schuljahres bestimmt sitzenbleiben. Wie einfach, auch für Ausländer, war und ist doch dagegen die Anweisung: Verb und Verb immer getrennt, egal in welchem Kontext. Bekanntlich haben die Reformer der Reform diese Regel 2006 verwässert, ohne sie abzuschaffen....
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht! So kann man den Duden kennen lernen oder seit 2006 auch kennenlernen. Merke: Eine Regel wird erst schön, wenn wir eine Ausnahme dazu erfinden.
Die Ministerpräsidenten, die 2004 die nach einer Probephase gerade abgesegnete Rechtschreibreform erst einmal einem Rat für deutsche Rechtschreibung überließen, der ähnlich zusammengesetzt war wie eine Krawall-Talkrunde von Frank Plasberg, sorgten sich nicht um die deutsche Sprache, sondern um die Wählerstimmen...
[98 Prozent im Rat waren Reformfreunde!]
Die Rechtschreibreform war keineswegs eine Schlechtschreibreform, nur geben sich einige Leute alle Mühe, sie zu einer solchen zu machen. Die deutsche Sprache ist schwierig genug, als dass wir sie in Parteiprogrammen und Kampagnen verheizen dürften.
abendblatt.de 10.12.2013
Die Wählerstimmen waren kaum entscheidend. Bekanntlich gab es immer „Wichtigeres“ als die Rechtschreibreform. Größer war die Sorge der Politiker, daß die Wähler erkennen könnten, daß sie (nicht nur in dieser Sache) aus Unfähigkeit und Kurzsichtigkeit die Karre in den Dreck gefahren haben. Deswegen wurde die Rechtschreibreform, um nicht ihre völlige Überflüssigkeit zugeben zu müssen, weiter durchgesetzt und nur durch Flickwerk „verschönert“, um die damals abtrünnigen Zeitungsverlage, und nur um die ging es, wieder einfangen zu können.
Der beste Beweis dafür, daß nie Volkswille und Vernunft entscheidend waren, ist (neben den bekannten, verbliebenen Albernheiten) die neue ss-Regelung, die, vorher von niemandem ernsthaft verlangt, wahrheitswidrig für „unstrittig“ erklärt wurde. Sie wirkt flächendeckend sozusagen als Chemiekampfstoff der „Reform“, als Massen-Büchervernichtungsmittel, als Massenverdummungsmittel und als Massen-Kontrollmittel.
Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Ernst Gottfried Mahrenholz hatte klar erkannt:
„In der Neuregelung der Daß-Schreibweise haben die Minister ihre Kompetenz überschritten... Hier kann ein Eingriff, der die bisherige Funktion eines Buchstabens betrifft, eine Veränderung seines überlieferten „Ortes“, nicht aus der Kompetenz für Schulfragen gerechtfertigt werden...“ (Süddeutsche Zeitung 23./24. 08.1997).
Die entscheidenden Verfassungsrichter unter Jutta Limbach (SPD) und Hans-Jürgen Papier (CSU) fanden dann aber die Ausklammerung der ss-Regel nicht zu beanstanden, die die Veränderungen auf scheinbar harmlose 0,5 Prozent herunterdrückte, wie sie dreist das Böhrksche Bildungsministerium in Kiel schon den Schleswiger Vorinstanzen untergeschoben hatte.
Prof. Peter Eisenberg stellte in der FAZ v. 28.3.03 fest: „Insgesamt sind damit fast zwanzig Prozent des Wortschatzes betroffen.“
Sachlich, juristisch und demokratisch war die Rechtschreib„reform“ ein Schwindelunternehmen. Kulturfreunde sollten an die Parteien, die daran beteiligt waren, keine Wählerstimme mehr verschwenden.
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