… und mit finanzieller Unterstützung von Wahrig.
Deutsche Sprachwelt 23.10.2008
auch veröffentlicht von lifepr 23.10.2008
Bertelsmann-Wahrig bestreitet Geldzahlungen an Sprachverein
Es sind keine Gelder von Wissen Media/Bertelsmann an den „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) geflossen, um diesen zur Umstellung der VDS-Mitgliederzeitschrift auf die Rechtschreibreform zu bewegen. Das erklärte jetzt Sabine Krome, Leiterin der Wahrig-Redaktion und Mitglied im „Rat für deutsche Rechtschreibung“, der am Freitag eine Sitzung abhält. Der Eindruck eines solchen Geschäfts war entstanden, nachdem aus einem Vorstandsprotokoll des VDS Einzelheiten über Verhandlungen mit Wahrig bekanntgeworden waren. Der VDS ist mit etwa je 15.000 Mitgliedern in Deutschland und im Ausland der mitgliederstärkste deutsche Sprachverein. Das Wahrig-Rechtschreibwörterbuch erscheint im „Wissen Media Verlag“, der zur Bertelsmann AG gehört. Der Bertelsmann-Konzern spielt bei der Durchsetzung der Rechtschreibreform eine wichtige Rolle. In einem Schreiben an die DEUTSCHE SPRACHWELT betont Ratsmitglied Krome, daß dem VDS von Wahrig auch nicht „für die Zukunft finanzielle Zusagen irgendwelcher Art gemacht worden“ sind.
VDS erhoffte sich „handgreifliche Vorteile“ aus dem Verzicht auf die traditionelle Rechtschreibung
Entsprechende Fragen hatte das Protokoll der VDS-Vorstandssitzung vom 31. Juli dieses Jahres ausgelöst. Dort heißt es unter Punkt „4. Rechtschreibung“: „Die Gespräche mit Wahrig werden fortgeführt. Der Vorstand billigt einstimmig die bisherige Verhandlungsführung der Delegation Baer/Behland/Pogarell. Konsens, dass eine Abkehr der SN [=Sprachnachrichten, VDS-Mitgliederzeitschrift] von der traditionellen Rechtschreibung für den VDS mit handgreiflichen Vorteilen verbunden sein sollte, ansonsten bleibt alles wie es ist. Der Vorstand vertraut seiner Delegation, dass diese hier einiges herausholen wird, läßt [sic!] ihr aber ansonsten freie Hand.“ Und unter Punkt „5. Gestaltung der Sprachnachrichten“ ist zu lesen: „Eventuell Umstellung auf Magazinformat, [...] wenn, dann möglichst in einem Zug mit der Umstellung der Rechtschreibung und mit finanzieller Unterstützung von Wahrig. Dazu aber keine formelle Abstimmung. In der nächsten Nummer wird schon mal die Diskussion zur Rechtschreibung begonnen, quasi als Vorgriff auf die kommende Umstellung. Insbesondere sollen hier auch Gegenstimmen gegen den Standpunkt von Helmut Glück gewissen Raum erhalten.“ Mit Ausgabe 3/2008 stellten dann im September die „Sprachnachrichten“ von der traditionellen Rechtschreibung auf reformierte Schreibweisen um.
Wahrig erläutert die „Philosophie des VDS“ bei der Umsetzung der Rechtschreibreform
Wahrig-Redaktionsleiterin Krome erklärte, es entspreche der „Philosophie des VDS“, nach der sich „die Umsetzung der Rechtschreibregelung am allgemeinen Schreibgebrauch und an Bedeutungsdifferenzierungen orientiert, wie in der WAHRIG-Rechtschreibung“. Diese Philosophie sei „inhaltlich, nicht kommerziell begründet“. Krome zeigte Verständnis dafür, daß der VDS „es für sinnvoll hält, sich an der verbindlichen aktuellen Rechtschreibung zu orientieren“. Dabei ließ sie jedoch außer acht, daß die reformierte Rechtschreibung weder für Presseerzeugnisse noch für Sprachvereine verbindlich ist.
Wie erklärt sich der Widerspruch zwischen den Aussagen von Wahrig und den Aussagen des VDS-Protokolls, in dem die Umstellung der Rechtschreibung mit „finanzieller Unterstützung von Wahrig“ in Verbindung gebracht wird? Tatsache ist, daß es Gespräche zwischen Wahrig und dem VDS gegeben hat. Dabei hatten die Abgesandten des VDS offenbar den Eindruck gewonnen, der VDS könne von Wahrig Gelder erwarten. Vermutlich vorgreifend stellte der VDS dann auf reformierte Rechtschreibung um, ohne dafür Geld erhalten zu haben.
Rechtschreibung als Verhandlungsmasse?
Fragen bleiben also offen, und sie dürfen gestellt werden. Denn wenn sich ein Sprachverein gegenüber einem Verlag, der an der Rechtschreibreform beteiligt ist und daraus Gewinn zieht, zum Gebrauch einer bestimmten Rechtschreibung verpflichtete, womöglich gar als Gegenleistung für finanzielle Zuwendungen, gäbe er seine Unabhängigkeit auf. Zur Zeit werden die Ergebnisse der Gespräche zwischen VDS und Wahrig ausgewertet, so Krome. Es bleibt zu hoffen, daß erstens Wahrig darauf achtet, sich nicht zu fragwürdigen Geschäften verleiten zu lassen. Zweitens sollte der Vorstand des VDS eine Entscheidung treffen, die im Interesse der deutschen Sprache ist und dem Willen seiner Mitglieder entspricht. Rechtschreibung ist keine Verhandlungsmasse, sondern ein Dienst am Leser.
geschrieben von dsw am 23.10.2008
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