70 Jahre Grundgesetz, ...
... aber die Verfassungsrichter haben seine Verteidigung gegen die EU-Anmaßung aufgegeben.23. Mai 2019
Das Grundgesetz hat Geburtstag
Ein Buch voller Tricks
Ein Essay von Nils Minkmar
...70 Jahre nach seiner Verabschiedung wirkt das Grundgesetz wie eine Utopie. Wer es liest, möchte nicht nur in dem darin entworfenen Staat leben... Utopisch wirkt heute diese Sprache, die klingt, als würde sie erst in der Zukunft formuliert, als seien wir noch gar nicht so weit. Der Ton des Grundgesetzes wurde nie zuvor und nie wieder so getroffen...
Das Grundgesetz bedient sich eines Tricks. Statt der schweren Begriffe sind es schlichte Hilfsverben, die den Text tragen und führen. Die autoritären Wörtchen soll und darf kommen nur selten vor. Star des Grundgesetzes sind drei Buchstaben, das ärmste der deutschen Verben: ist. Sie formen den magischen ersten Satz des ersten Absatzes, den Hit der deutschen Nachkriegsgeschichte, ohne den keine Rede zum Thema und natürlich auch nicht dieser Text auskommt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. ... Minkmar wäre aber nicht beim Spiegel, wenn er jetzt nicht eine Spitze „gegen Rechts“ einflechten würde:Rechte Deutung nahezu unmöglich
... Im Grundgesetz vertraut man dem Sein als Versprechen, das funktioniert wie ein Zauberspruch. So auch bei Artikel 102: Die Todesstrafe ist abgeschafft. ...
Alle neuen sozialen Bewegungen, die für die Geschichte der Bundesrepublik so wichtig waren, konnten sich auf Aspekte des Grundgesetzes berufen. Es wurde unnötig, die Systemfrage zu stellen. Für die Rechtspopulisten ist weniger im Angebot: eine rechte Deutung des Grundgesetzes ist nahezu unmöglich...
Was im Grundgesetz nicht steht
Seit dem Grundgesetz steht das private Glück im Zentrum der deutschen Umtriebe, ... in nahezu allen Punkten geht es den Deutschen heute unendlich viel besser als denen von 1949.
Aber etwas fehlt doch auch, vielleicht die öffentliche Aufgabe, die uns Bürgerinnen und Bürgern zugemutet werden kann. Der Moment, wo wir gestalten, weil nichts von alleine kommt, und dazu auch aufgerufen werden, zu helfen in Fragen des Klimaschutzes, der Gemeinschaftspflege und der Innovationen. Das Grundgesetz, dieses magische Buch, das so viel deutsche Dämonen erledigen konnte, hat uns verwöhnt. Alles super also, aber auch noch nicht alles, denn was unsere Generation noch so auf die Beine stellen sollte, steht nicht im Grundgesetz.
spiegel.de 23.5.2019 Um 2000 hat Edmund Stoiber (CSU) noch einen Satz ganz im Stil des Grundgesetzes formuliert: „Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ Das war 1949 eine Selbstverständlichkeit und seine Feststellung nicht für nötig erachtet worden.
2016 wurde von der SPD unter Führung der auch türkischen Staatsbürgerin und deutschen Staatsministerin Aydan Özoğuz die Aufnahme eines neuen Staatsziels ins Grundgesetz vorangetrieben – als Artikel 20b:„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland. Sie fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration aller Menschen.“
achgut.com 14.11.2016 Wer sich danach gegen eine unbegrenzte Ein- und Unterwanderung stellte, wäre also ein Verfassungsfeind. Schon heute wird die AfD so behandelt. Zum Glück mußte dieses Projekt nach der Wahl 2017 zurückgestellt werden. Es wurde ihm aber durch den „Compact of Migration“ ein weiterer Weg bereitet.
Ganz anders würdigt der Staats- und Verwaltungsrechtler Dr. Ulrich Vosgerau das Grundgesetz in seiner Gefährdung durch die zunehmende Unterwürfigkeit des Bundesverfassungsgerichts unter die anmaßenden EU-Gerichte. Seine Analyse ist in traditioneller Rechtschreibung in der Jungen Freiheit erschienen:70 Jahre Grundgesetz
Unter fremden Richtern
von Ulrich Vosgerau
Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft. In seiner Präambel heißt es bis heute: „(…) hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Allein das deutsche Volk ist verfassungsgebende Gewalt. Dies wird bestätigt durch die Schlußbestimmung aus Art. 146: „Dieses Grundgesetz (…) verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
In der Selbstbestimmungsgarantie des Art. 79 Abs. 3 heißt es dazu: Nicht der verfassungsändernde Gesetzgeber, sondern allein das Volk könnte die wesentlichen Grundsätze des Grundgesetzes, nämlich Menschenwürde, Sozialstaat, Rechtsstaat, Föderalismus, Demokratie und souveräne Eigenstaatlichkeit außer Kraft setzen. Diese Vorschrift ist der verfassungsrechtliche Schatz des deutschen Volkes oder war es, solange das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) noch darüber wachte; sie setzt vor allem einer uferlosen Europäisierung der Gesetzgebung Grenzen, wäre aber auch gegen die maßlose Grenzöffnungs- und Einwanderungspolitik ins Feld zu führen...
Dieses Grundrecht des demokratischen Souveräns auf Selbstbestimmung präzisierte das BVerfG in seiner Lissabon-Entscheidung (2009) zuspitzend sogar zu einem Grundrecht der Deutschen auf Eigenstaatlichkeit.
Mit dem Lissabon-Vertrag sei die höchste und letzte verfassungsrechtlich denkbare Stufe der europäischen Integration erreicht; wollten die Politiker noch mehr, müßte erst das Volk eine neue Verfassung beschließen. Das Lissabon-Urteil ist der Höhepunkt der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts; hier ist die deutsche Staatsrechtslehre im Gepräge einer einzigartigen, unwiederholbaren und beneideten Geistes- und Rechtsgeschichte ein letztes Mal ganz bei sich.
Luxemburg gegen Karlsruhe
... Die Honeywell-Entscheidung und das EZB-Urteil waren die beiden großen Kapitulationen des Bundesverfassungsgerichts vor Luxemburg.
Die politisch wichtigste Klage seit „Lissabon“, nämlich die gegen die Grenzöffnung seit Sommer 2015, nahm das Bundesverfassungsgericht 2018 nicht mehr zur Entscheidung an und erklärte sie unter Bruch mit allen bisher (etwa in der Pershing-II-Entscheidung, 1984) eingeführten Grundsätzen für unzulässig. Hätte das Bundesverfassungsgericht in der Sache entschieden, hätte es offensichtlich den Klägern Recht geben müssen, denn die Verfassungswidrigkeit der Grenzöffnung schrie zum Himmel; dazu fand es sich jedoch am Ende einer längeren Unterwerfungs- und Anpassungsgeschichte politisch nicht mehr bereit.
Dr. Ulrich Vosgerau lehrte Staats- und Verwaltungsrecht an mehreren Universitäten und lebt heute als Rechtsanwalt und Autor in Berlin.
jungefreiheit.de 23.5.2019 Daß Vosgerau unbestechlich die Positionen des Grundgesetzes verteidigte, war seiner weiteren Laufbahn nicht förderlich. „Heimatminister“ Horst Seehofer hatte seine Einschätzung der Asyl„krise“ als „Herrschaft des Unrechts“ noch übernommen, dann aber aus Angst vor Entlassung wieder fallengelassen.
Erg. 24.5.19
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