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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
Chrysler
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Norbert Schäbler
19.04.2002 22.04
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Klar Text

Nur, daß das klar ist.

Ich achte die sich hier zu Wort meldenden Sprachwissenschaftler – allen voran Herrn Professor Ickler – die der Staatsmacht ins Gewissen reden, und die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, doch ich – keinem Staatsdiktat unterworfen – bin nicht gewillt, mich mit der zweitbesten Lösung zufriedenzugeben.

Es ist ein Affront:
gegen das Sprachgefühl und das Sprachwissen,
gegen die Lehrtradition der vergangenen hundert Jahre sowie deren Adressaten,
gegen die Sprachentwicklung,
gegen den Sprachusus,
gegen die Kreativität
sowie gegen mein Wert- und Werteempfinden;
wenn es zwölf Sprachbastlern (daraus besteht die Rechtschreibreformkommission) – oder besser einer Sprachmafia – einfällt,
die Sprache neu zu erfinden,
dahingehend,
daß die beste aller Möglichkeiten gestrichen
und durch die zweitbeste aller Möglichkeiten ersetzt wird.

Dabei verwahre ich mich nicht gegen wissenschaftliche Erkenntnisse, und ich habe lange gebraucht, um einzusehen, daß Schreibalternativen eine gängige Praxis werden könnten. O.K.!

Nur! Diese Scheinliberalisierung, diese dreckige, hinterfotzige Machart der „Reform“, dieses revolutionäre Umkrempeln, diese Überrumpelungstaktik und die Verballhornung des Faktischen – all das stinkt zum Himmel.

Sieben verdammte Jahre beschäftige ich mich nun mit diesem Nonsens. Nichts, aber auch gar nichts, hat die Reform sachlich und fachlich verbessert.
Lediglich die Diskussion hat sie angeregt, den Blick geschärft für verantwortungsvollen Umgang mit der Sprache, und eine gewisse Relativität hat sie uns nahegelegt:
„Der Inhalt ist wichtiger als die Form!“

Das wußten wir aber schon vorher, und eigentlich ist diese Aussage ein Selbsttor, weil im Computerzeitalter – mehr denn je zuvor – die Form und die Aufmachung den Inhalt regiert.

Und noch ein gewaltiges Selbsttor hat diese Rechtschreibreform geschossen.
Sie gaukelt uns vor, daß Alternativschreibung das Nonplusultra sei.
Gleichzeitig aber verwehrt sie die Schreibung althergebrachter Wörter (z.B. „probefahren“).

Eine schlimmere Normierung hat es doch noch zu keinem Zeitpunkt gegeben (wider besseres Wissen wird die Heyse´sche Regel aus der Klamottenkiste hervorgeholt). Eine so lächerliche Sprachwissenschaft wurde doch noch zu keinem Zeitpunkt staatlicherseits geduldet.

Tut mir leid (Tut mir Leid).
Eine derartige Selbstverarschung mache ich nicht mit.



__________________
nos

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Walter Lachenmann
19.04.2002 21.55
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Nicht traurig sein!

Prüflesen ist ja wirklich ganz toll, und vielleicht erlebt auch diese Wortschöpfung einen ähnlichen Siegeszug wie die Hubkarre.

Ich hab auch eine. Der kleine Sohn eines Freundes kam neulich vom Stillen Örtchen zurück und verkündete: »Mama, ich hab' noch nicht abgeklot.«

Also, wie wär's mit »abkloen« für einen Vorgang, für den es ein exakteres Wort meines Wissens bisher nicht gibt?

Wieso »...ss-seule«? Sowas muß man einen erklären! Wenn ich Reformer wäre, hätte ich Lithfasssäule verordnet, denn das Lithfass hat volksetymologisch schon seinen Sinn: Lith von lithos = Stein, und dann eben Fass. Die Dinger sehen doch aus wie Fässer aus Stein.

Auch warum Hubraum ein Anglizismus sein soll, müßte uns unser Schlaum-Eier erklären, das heißt doch ursprünglich Kubikzentimeter und kommt aus dem Ladinischen. Oder ging es doch ums Prüflesen? Linsenlesen kenne ich noch, aber das hilft hier auch nicht weiter.
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Walter Lachenmann

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Reinhard Markner
19.04.2002 21.53
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Litfasssonderregelung

Nachzutragen ist folgendes :

Das Wort Litfaßsäule ist aus der Perspektive der Reformer eine dreifache Ausnahme, müßte es doch eigentlich Littfassseule geschrieben werden. Geändert worden ist aber vorläufig nichts, da Litfaß eben ein Eigenname ist, auch wenn er den wenigsten geläufig sein dürfte.

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Norbert Schäbler
19.04.2002 16.35
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Weit aus dem Fenster gelehnt

Zur Rechtschreiboptimierung meines vorhergehenden Beitrages besteht eigentlich wenig Anlaß. Er ist weitestgehend gehalten in top-up-to-dater Fasson. Fremdwörter sind drin, Dummdeutsch ist drin; nur, verständlich ist er halt nicht. Aber das bringt der Umbruch mit sich. Wir werden uns allesamt dran gewöhnen, wenn wir gewillt sind, das nächstniedrigere Niveau anzustreben.

Gedanken habe ich mir tatsächlich gemacht, ob ich zwischen „Schlange und Kopf stehen“ einen Bindestrich einfüge (Schlange- und Kopf- stehen), doch dann wäre ich zwangsläufig in der altbewährten Schreibweise (schlange- und kopfstehen) gelandet, und ich wollte ja wenigstens einmal modern sein.

Was die Fahnenstich’sche Leitidee angeht – Herr Fahnenstich hat ja lediglich seiner Verwunderung Ausdruck verliehen, daß man jetzt „Probe fahren“ statt „probefahren schreibt, bzw. schreiben muß – will ich mich ein bißchen weiter aus dem Fenster lehnen, und klar sagen, daß ich diese Hauptvariante – die Alternative „probefahren“ ist ja zwischenzeitlich veraltet und ausgemerzt – total beschissen finde.

Jegliche zarte Kritik („das ist ein ungelenker Ausdruck“), jegliche Duldsamkeit und Toleranz („es ist nichts dagegen einzuwenden, da grammatikalisch richtig gebildet“) geht mir allmählich gegen den Strich. Niemals wäre ein Mensch, der der deutschen Sprache mächtig ist – und schon gar nicht das Weltunternehmen Daimler-Chrysler – auf die Idee gekommen, die „Probefahrt“, das „Probefahren“, „probefahren“ oder „probezufahren“ derart zu verhackstücken.

Wer derartigen Blödsinn mitmacht, wer dem Blödsinn eventuell noch einen Sinn abzugewinnen versucht, der wird irgendeines Tages total verblödet aufwachen.


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nos

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Detlef Lindenthal
19.04.2002 15.35
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Alles klar, Herren Markner und Lachenmann,
Karre (von lat. carrus, Wagen) ist >>„zweifellos die Eindeutschung für Auto“<< ,
prüflesen ist ein >>„geradezu exemplarischer Anglizismus“<<,
und die Erde ist eine Scheibe.

Und ob Herr Schäbler die Rechtschreibung und Verständlichkeit seines Beitrages überarbeiten mag?

Sicherlich können Sie noch weitere kraftvolle Argumente gegen das Wort prüflesen zusammentragen?
Die Wörter Hubkarre und Hubwagen sind schon vergeben, so heißen die von Hand geführten Gabelstapler für Paletten; z.B.:

Bildunterschrift:
Aluminium-Hubkarre
– hochfeste Leichtmetall-Konstruktion
– selbsthemmende Sicherheitswinde
– verschiedene Ausführungen lieferbar
(http://www.spitzenqualitaet.de/transportgeraete8.html)

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Detlef Lindenthal

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Norbert Schäbler
19.04.2002 13.20
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Ups!

Worum geht’s hier eigentlich?
Wird hier Probe gefahren, oder ein Exempel statuiert, oder Schlange oder Kopf gestanden, oder gar Präferenzverfälschung be- und getrieben?

Und was hat der Global-Player (der dämliche Chrysler) mit uns am Hut, oder wir mit ihm?
War ja ursprünglich nur 'ne Idee vom Fahnenstich.
Sachen gibt’s!

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nos

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Reinhard Markner
19.04.2002 13.05
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Seltsam

Wieso soll ein geradezu exemplarischer Anglizismus wie *prüflesen auf einmal eine glänzende Wortschöpfung sein ? Hier ist ja eine geradezu showerliche Verirrung zu beobachten.

Analog zu *prüflesen empfiehlt sich zweifellos die Eindeutschung Karre für Auto, vielleicht auch *Hubkarre, zu Hubraum.

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Walter Lachenmann
19.04.2002 09.38
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Einspruch!

Ich bin aber ickelhafter als derselbe. Es ist eben nicht Hose wie Jacke. Wenn jemand »Korrektur lesen« schreibt, erkennt man, daß er nur am Rande mit der professionellen Verlegerei oder Druckerei zu tun hat. Das ist allerdings nicht schlimm. Wenn einer von »Prüflesen« schreibt oder spricht, fragt man sich, was es mit dem wohl auf sich hat. Ist auch nicht schlimm.
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Walter Lachenmann

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Elke Philburn
19.04.2002 08.37
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Zitat:
Nein: Korrekturlesen. Das ist einfach so. Meistens jedenfalls.

Das ist Hose wie Jacke. Wenn wir mal nicht päpstlicher als der Papst sein wollen. Oder ickleriger als der Ickler.

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Detlef Lindenthal
19.04.2002 08.15
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Litfaß

Danke für die Berichtigung: Litfaßsäule.
Übrigens: Hierfür steht es bei Google Lit... zu Lith... 3700 zu 10.


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Detlef Lindenthal

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Walter Lachenmann
19.04.2002 07.46
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
('Prüflesen? Sie meinen sicher Korrektur lesen.')

Nein: Korrekturlesen. Das ist einfach so. Meistens jedenfalls.
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Walter Lachenmann

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Walter Lachenmann
19.04.2002 07.42
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Sprachmut

kommt mir so heroisch vor wie Sprachpatriotismus. Es hat aber mit mangelndem Sprachmut nichts zu tun, wenn man feststellt, daß ein Wort, das Herr Lindenthal erfunden hat, in der beruflichen Praxis außerhalb dessen eigenem engeren Wirkungskreis (seinen Kunden, Mitarbeitern und Schülern – die halten das natürlich aus Expertenmund für authentische Fachsprache) nicht vorkommt. Auch hat noch niemals sich über den Sinn des Begriffes Korrekturlesen ernsthaft den Kopf zerbrochen oder sich das Wort nicht merken können. So wird man wohl auch weiterhin dabei bleiben.
Es ist ja schön, wenn man hinter jeder Buchstabenfolge den tieferen Sinn des Wortes, das daraus gebildet wird, erahnt. Als Fachmann denkt sich da manch ein Sprachmutiger, es müsse – spätestens ab einer entsprechenden profi-etymologischen Vermutung – Lithfaßsäule heißen, denn im »Printbereich« spricht man ja auch von Lithographie, Lithos usw. – obwohl der dahinter liegende ursprüngliche Begriff Stein (Lithographie heißt Steindruck) mit der heutigen Technik nicht mehr das Geringste zu tun hat. Nun leitet sich der Name der Plakatsäule von dem ihres Erfinders, des Berliner Buchdruckers E. Litfaß, her – weshalb auch die reformierte Schreibweise »Litfass« völlig unzulässig ist.
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Walter Lachenmann

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Elke Philburn
19.04.2002 07.23
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Es mag ja sein, Herr Lindenthal, daß Sie nie von ihren Schülern für das Wort prüflesen kritisiert wurden. Dagegen kann sich ein Schüler nicht sicher sein, ob sein Lehrer ihm ein Wort abnimmt, das kaum jemand kennt und an dessen Stelle man ein viel gebräuchlicheres setzen kann.

('Prüflesen? Sie meinen sicher Korrektur lesen.')

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Detlef Lindenthal
19.04.2002 07.00
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Neue Wörter; Tuwort+Tuwort in den Fachsprachen

Walter Lachenmann schrieb:
>>„Was den Text angeht, so spricht man vom Korrektur(en)lesen. Prüflesen ist kein gängiger Begriff in diesem Bereich, klingt sehr fremd und reingeschmeckt, kommt eigentlich – soweit ich sehe – gar nicht vor. “<<

Lieber Herr Lachenmann, wenn alle so wenig Sprachmut hätten wie Sie, würde es heute weder Bahnhof noch (Zug-)Abteil noch Fahrkarte geben. Das neue Wort prüflesen hat den Vorteil, daß jedes Schulkind es in etwa und ohne langes Erklären versteht.

Das Sprachempfinden „sehr fremd und reingeschmeckt“ werden nur wenige Menschen teilen, denen die Wendung Korrektur lesen ans Herz gewachsen ist; keiner meiner Kunden, Mitarbeiter und Schüler hat prüflesen je beanstandet. Übrigens sehe ich die Wortbildung so wie bei schneidbrennen (mit Azetylen und Sauerstoff) oder trennschleifen (mit dem Trennschleifer, der Flex, dem Winkelschleifer, welche gleichbedeutend sind). Sinnvolle Anwendungen sind selten, aber deutlich: „Mit dieser Maschine kann man besonders gut trennschleifen“ oder: „Die Auszubildenden sollen können: auftragschweißen, schneidbrennen, trennschleifen.“ – Hierfür noch ein hübsches Zitat aus dem Netz:
„Especially productive in German are double verb compounds, e.g. trennschleifen (cut off by grinding); spritzgießen (make a molding with the help of an injection molding machine); streckziehen (stretch-form).“ (www.ncta.org/html/art1.html)
Gerade die Fachsprachen haben einen hohen Bedarf an noch genaueren Wörtern, und dafür sind Zusammensetzungen Tuwort+Tuwort nützlich. (Übrigens, die Fachsprachen sind es, mit denen der Mehrwert geschaffen und das Geld verdient wird. Ohne Fachsprachen kein Erdgas, kein Kraftverkehr und keine Bananen.)

Je mehr sich die Schreiber in diesem Forum sicher sind, daß es jenes Wort prüflesen eigentlich gar nicht gibt, um so ungetrübter ist meine Freude, daß ich es erfunden habe. Danke!

Wenn ein Abiturient (grob geschätzt) jedes zweite Wort aus dem Duden kennen soll, so muß er vom 2. bis zum 19. Lebensjahr, also in 17 Jahren, etwa 60.000 Wörter lernen; das sind rund 10 Wörter an jedem Tag; auch im Kindergarten, auch sonntags und auch in den Ferien. Wörter wie Korrektur oder Billet oder Perron lassen sich schlechter lernen und auch behalten als Berichtigung, Fahrkarte, Bahnsteig, Hausschuh, Regenrinne, Affenstall, Hasenstall, Kaninchenstall, Kuhstall, Pferdestall, Hühnerstall – etliche dieser Wörter kennt der Mensch, auch wenn er sie bisher noch kein einziges Mal gehört hat.

Auch das von Professor Ickler der Kürze wegen gelobte Wort bat ist weniger gut als die gute alte deutsche Fledermaus: Letzeres Wort läßt sich ohne weiteres nach einmaligem Hören mindestens im Passivwortschatz behalten, denn Maus ist bekannt, und für mittelmäßig begabte Kinder ist es einfach, die gedankliche Brücke von Fleder- zu Flatter- zu schlagen.
In meiner Kindheit hatte mein Bruder eine blecherne Lötlampe aus DDR-Produktion mit eingeprägtem Fledermausbild und den drei Buchstaben BAT. Hätte dort Fledermaus gestanden, hätte ich den Zusammenhang sicherlich buchstabierend ergründet; BAT brachte ich eher mit der Abkürzung British American Tobacco in Verbindung, welche auf den Lithfaßsäulen an meinem Schulweg zu sehen war.

Die Wortzusammensetzungen im Deutschen sind eine große Stärke dieser Sprache; deswegen finde ich die neuen Wörter (und teilweise Übersetzungen) prüflesen, Netzpost, Netzziel, (Netz-)Knoten, Rasterkasten, Festplatte, herunterladen, Hartware, Weichware, Mäusewiese, Mäuseklavier, Klappwegweiser gut.

Wo wir bei den deutschen Wörtern sind: Bemerkenswert ist, daß die Verdeutschung Triebwerk es „nur“ bis zu den Turbinen-Motoren der Flugzeuge geschafft hat und immerhin einmal bis in eine Werbeanzeige von BMW; und Wagen muß wohl mindestens Ledersitze haben und breite Schlappen; sonst sagen wohl die meisten Leute Auto dazu.

Gruß,
__________________
Detlef Lindenthal

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Walter Lachenmann
18.04.2002 21.10
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Re: Prüf, Spritz

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Zum Fall „prooflesen“ würde man gerne mal die Expertenmeinung von Verleger Walter Lachenmann hören.
Im Verlagswesen kommt der Begriff »prooflesen« nicht vor. Den Begriff »Proof« kennt man nur als elektronisch/chemisch erzeugten Ersatz für Andrucke, also Bilder. Beim »Proofen« wird das Druckergebnis im voraus simuliert, um die Bildqualität vor dem eigentlich Drucken beurteilen und darauf Einfluß nehmen zu können. Solche Proofs »liest« man natürlich nicht, man schaut sie an und vermerkt darauf gegebenenfalls seine Änderungswünsche usw.
Was den Text angeht, so spricht man vom Korrektur(en)lesen. Prüflesen ist kein gängiger Begriff in diesem Bereich, klingt sehr fremd und reingeschmeckt, kommt eigentlich – soweit ich sehe – gar nicht vor. Gegenlesen ist wieder etwas anderes, das ist eher die Kontrolle eines Textes durch einen Kollegen auf Inhaltliches hin, wobei natürlich auch Orthographiefehler angemerkt werden.

Nicht uninteressant ist, daß der Beruf des Korrektors traditionell ein Arbeiterberuf war. Ein Korrektor mußte (auch aus gewerkschaftlichen Gründen) die Berufsausbildung des Schriftsetzers absolviert haben (Voraussetzung war Volksschulabschluß), daran schlossen sich Weiterbildungskurse in Rechtschreibung an, die aber schon in der Setzerausbildung eine wichtige Rolle spielte. Beim Korrekturlesen geht es nicht allein um die Orthographie, sondern zum Beispiel auch darum, Schriftschnitte richtig zu erkennen, auf Einhaltung typographischer Regeln zu achten, grammatikalisch wohl nicht falsche aber »unprofessionelle« Schreibungen anzumerken (keine Silben abtrennen mit weniger als drei Buchstaben, jedenfalls nicht hinten, Wörter unter fünf Silben nicht trennen, auch wenn es nicht falsch wäre, z.B. Ha-se, ei-ne usw.)

Korrektoren hatten vom ganzen Berufsverständnis und Selbstverständnis her eine sehr angenehme handwerklich-solide, ästhetisch sensible und pragmatische Prägung, aus der auch der für die orthographische Praxis wegweisende »Buchdrucker-Duden« wohl entstanden sein mag, und viele Korrektoren und Setzer eigneten sich durch den intensiven Umgang mit Texten aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten eine beeindruckende Bildung an. Ich volontierte in den 50er Jahren in einer Tübinger Universitätsdruckerei, in der sich Schriftsetzer bzw. Korrektoren und Professoren durchaus »auf Augenhöhe« über griechische, hebräische und andere wissenschaftliche Texte bzw. deren orthographische Darstellung berieten.

Ein neu nach Tübingen berufener Professor aus Norddeutschland berichtete gleich in den ersten Tagen seines Aufenthalts in der schwäbischen Universitätsstadt nach Hause, wie beeindruckt er davon sei, daß selbst das einfache Volk in dieser Stadt das Griechische in die Alltagssprache aufnähme. Er hätte den Satz zwar rein vom Vokabular her nicht verstanden, aber ein Einheimischer habe, als das Licht plötzlich ausging, in homerischer Manier ausgerufen: Isinixmai! Das muß kein Schriftsetzer gewesen sein, denn das heißt auf tübingerisch nichts anderes als »Ich sehe nichts mehr.« – Über Tübingen wirkt eben Hölderlins Äther, es ist schon was dran.

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Walter Lachenmann

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