Wortfeld und Wortfamilie
Im einstigen Grammatikunterricht der allgemeinbildenden (neuerdings allgemein bildenden) Schulen kam man an den Begriffen „Wortfeld“ und „Wortfamilie“ nicht vorbei. Dabei hat eine ernsthaft betriebene Sprachbetrachtung dem Schüler Entscheidungshilfen vermittelt, hat Sprachgefühl bewirkt und hat sowohl für Sprach- als auch für Rechtschreibsicherheit gesorgt.
Seinerzeit war die Grammatik der große Zulieferer beim Aufbau des gesprochenen und geschriebenen Wortschatzes.
Jeder Schüler wurde ehemals mit den Standardwortfeldern „gehen“ und „sehen“ traktiert.
Beispiele:
Gehen: laufen, schreiten, stolzieren, wanken, humpeln ...
Sehen: schauen, gucken, erspähen, beobachten, äugen ...
Jeder Schüler mußte sich auch mit gleichartigen Wortfamilien auseinandersetzen.
Beispiele:
Gehen: vorgehen, weggehen, abgehen, nachgehen, Gang, gängig ...
Sehen: vorsehen, zusehen, wegsehen, nachsehen, Sicht, vorhersehbar ...
Jedem Schüler wurde im Verlaufe besagter Grammatik-Inselstunden klar, daß „sehen“ nicht immer gleichbedeutend ist mit „schauen“, und daß „gehen“ nicht immer etwas mit körperlicher Bewegung zu tun hat.
Zugleich wurde jedem Schüler ein Wortreichtum vermittelt, und je nach persönlichem Fleiß ergaben sich große oder kleine „Höfe von Wörtern“.
Mich wundert, daß ein Schüler der Realschule (10. Klasse) derart banale Fragen (siehe Beitrag 1 des hiesigen Leitfadens) stellt, und mich wundert ganz besonders, daß ein Heranwachsender nicht selbst erkennt, welche Fähigkeiten in ihm grundgelegt wurden.
Es gibt doch keinerlei Veranlassung, den Rechtschreibreformern rechtzugeben, denn die Oberhoheit der Sprachregulierung liegt doch eindeutig bei der Grammatik!
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