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Sigmar Salzburg
23.07.2013 05.26
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Schmachthagen …

...wieder mit einigen Klopfern. Aus Zeitmangel kann ich nicht darauf eingehen oder kürzen. Nur eins: Eine „Absichtserklärung“ ist kein Vertrag. Aber von Anfang an haben auch die Politiker mit diesem Etikettenschwindel gearbeitet.

23.07.13, 06:27

Deutschstunde
... und noch ein paar Stolpersteine mehr

Der belgische König wird auf Deutsch vereidigt – aber Ausländer und Einheimische schwören nicht auf die deutsche Rechtschreibung

Von Peter Schmachthagen

Wer gehört hat, wie der neue belgische König am Sonntag seinen Amtseid nicht nur auf Französisch und auf Flämisch, sondern auch auf Deutsch abgelegt hat, schöpfte Hoffnung, dass unsere Muttersprache sogar jenseits der Grenzen der Bundesrepublik überleben wird. Die Rechtschreibreform von 1996 war kein Putsch einiger wild gewordener Germanisten, sondern die vertragliche Verpflichtung zwischen den deutschen Bundesländern, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und weiteren Staaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen, mit einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung die im Laufe der Zeit etwas aus dem Ruder gelaufenen Regeln des Jahres 1901 zu vereinfachen.

Niemand beherrschte die alte Rechtschreibung ohne Fehler. Der Breslauer Lehrer Oskar Kosog veröffentlichte 1912 ein Diktat mit allen amtlichen Fallen und Gemeinheiten, das bis heute niemand fehlerfrei geschrieben hat.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es nach den neuen Regeln keine Schwierigkeiten mehr gibt. Aber die Reformer bemühten sich um mehr Systematik, ohne die zahlreichen Stolpersteine der deutschen Orthografie abgeschafft zu haben. Die in der vorigen Folge erwähnten Stolpersteine haben viele Fragen nach sich gezogen.

Häufig klingen einzelne Wörter gleich (homophon), haben aber eine unterschiedliche Bedeutung und Schreibweise. Mit Fieber bezeichnet man eine zu hohe Körpertemperatur, mit Fiber eine Muskel- oder Pflanzenfaser. Ein Lied kann man singen, während das Lid über dem Auge ohne „e“ buchstabiert wird. Ein Stiel ist ein Griff oder Stängel, der Stil jedoch die Einheit der Ausdrucksweise oder einer Kunstrichtung.

Der Leib ist ein Körper, der jedoch beim Brot oder Käse zum Laib wird. Sorgfältig müssen wir die Seite in einem Buch von der Saite auf der Geige unterscheiden. Wir können zwar andere Seiten aufschlagen, aber nur andere Saiten aufziehen. Er zeigte sich von seiner besten Seite, indem er eine ganz andere Saite seines Wesens zum Erklingen brachte.

Zusammensetzungen mit dem Substantiv Tod bekommen ein „d“: todblass, todernst, todkrank, todmüde. Es handelt sich dabei meistens um Adjektive. Verben entstehen bei der Zusammensetzung mit dem Eigenschaftswort tot und werden mit „t“ geschrieben: totarbeiten, totfahren, totlachen, totschlagen. Auch die Ableitungen von Ende haben ein „d“ (endgültig, endlich), während die Vorsilbe ent- ein „t“ benötigt: entflammbar, entkommen, Entscheidung.

Mit „t“ buchstabiert man „hoffentlich, gelegentlich, ordentlich, wesentlich, wöchentlich“, aber nicht morgendlich. Hier liegt eine tageszeitliche Analogie zu abendlich vor, und dem Abend wollen wir sein „d“ nicht nehmen. In allen Reportagen über Reisen in die Polargegend laufen Herden von Rentieren über den Bildschirm, die wir nicht mit Doppel-n schreiben dürfen, obwohl sie so rennen. Das Wort Rentier ist eine verdeutlichende Zusammensetzung zum Ren, einer Hirschart in Skandinavien.

Der letzte Tag des Jahres wird korrekt Silvester mit „i“ geschrieben, denn der Tagesheilige des 31. Dezember ist Papst Silvester I. (314–335). Vielleicht gibt es in irgendeinem Alpental einen Holzfällerbuben namens Sylvester mit „y“, aber der hat nichts im Kalender zu suchen. Achten sollten wir auch darauf, dass bei Libyen das Ypsilon hinten und bei Syrien vorn steht.

Wer in den Geheimdiensten zurzeit Held, Verräter oder Spion ist, ist offenbar selbst für die Kanzlerin schwer zu durchschauen. Klar bleibt nur die Orthografie. Ein Informand ist eine Person, die mit einer Sache vertraut gemacht wird, ein Informant jedoch jemand, der Informationen liefert.

Nicht verwechseln sollte man seit und seid; „seit“ ist eine Präposition (seit dem 1. Juli) bzw. Konjunktion (seit er das Haus verlassen hat), „seid“ jedoch eine gebeugte Form des Verbs sein: Seid nett zueinander! Heißt es eigentlich ich säe oder ich sähe? Die korrekte Schreibweise hängt von der Bedeutung ab: Das Verb säen im Sinne von „Saatgut ausbringen“ hat kein „h“. Mit „h“ schreibt man hingegen den Konjunktiv des Präteritums von sehen: Ich sähe es lieber, die Rechtschreibung wäre nicht so kompliziert.

abendblatt.de 23.7.2013

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Sigmar Salzburg
20.07.2013 07.44
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Peter Schmachthagen ...

... schreibt im Abendblatt über „Stolpersteine der Rechtschreibung“

... Lassen wir an dieser Stelle nach Reform und Reform der Reform einmal beiseite, dass es heute häufig zwei amtlich richtige Antworten auf eine solche Frage gibt. Es geht darum, wenigstens eine richtige Form herauszufinden. Dazu kann selbst bei Erwachsenen der Griff zum Wörterbuch nicht immer vermieden werden. Wenn ich jetzt den Duden erwähne, höre ich im Geiste das Naserümpfen einiger Bildungsbürger, die den Duden nicht benutzen, aber genau wissen, was sie von den Leuten zu halten haben, die das tun. Wer eine vermeintlich höhere Marke fahren will, darf auch den Wahrig aufschlagen. Nur: Auch im Wahrig steht's nicht anders.

Nehmen wir die Pleite, den umgangssprachlichen Ausdruck für die Zahlungsunfähigkeit, den Bankrott. Als Substantiv schreibt man das Wort groß, als Adjektiv klein. Also: Er ist pleite (wie?). Zudem führen das Hilfsverb sein und alle seine Formen als Prädikat immer zur Kleinschreibung. Aber: Er macht Pleite (was?).

Ebenso: Er geht „Pleite“ – könnte man meinen. Doch jetzt wird es kompliziert: pleitegehen schreibt man zusammen¹, da die Wörterbücher, die schließlich verkauft werden wollen, hier „pleite“ als Verbzusatz sehen. Das Erstglied und der verbale zweite Bestandteil bilden auch bei Distanzstellung eine inhaltliche Einheit mit kleinen Buchstaben: eislaufen/ sie läuft eis; feststehen/ fest steht, dass; achtgeben/ gib acht!; wundernehmen/ es nimmt wunder; kopfstehen/ alles stand kopf; leidtun/ es tut mir leid – und eben: Er geht pleite, jedoch: Er macht Pleite.

Der Ausdruck „Pleite“ ist Gaunersprache aus jiddisch plejte (Flucht vor den Gläubigern), aber selbst bei deutschen Erb- und Lehnwörtern müssen wir häufig nach der Herkunft forschen, um die korrekte Schreibweise festzustellen – oder eben nachschlagen.

abendblatt.de 19.7.2013

¹) Eigentlich ja nicht, aber anders waren die Kultusminister von ihrer großen Pleite nicht abzubringen.
Schmachthagen als Verfechter der Urreform schiebt nun den Wörterbuchverlagen die Verantwortung zu.

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Sigmar Salzburg
11.06.2013 17.36
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Schmachthagen !

Das unsägliche große Du in Briefen ...
... kann auch kleingeschrieben werden, sorgt jedoch für Verwirrung bei den Anredefürwörtern. Ein Blick auf die Pronomen
Von Peter Schmachthagen
[…]
Nomen schreibt man groß, Pronomen schreibt man klein – im Allgemeinen. Selbst die Pronomen „du“ und „ihr“ sowie die entsprechenden Possessivpronomen „dein“ und „euer“ werden kleingeschrieben: Was hast du dir dabei gedacht? Ich habe euch vorhin in der Stadt gesehen. Leider gibt es eine unsägliche Ausnahme, die seit Generationen an dieser Stelle für Verwirrung sorgt: In Briefen kann das vertrauliche Anredepronomen auch großgeschrieben werden: Liebe Oma, wie hat Dir/dir Dein/dein Geschenk gefallen?

Bis 1998 musste das Du in Briefen großgeschrieben werden, bis 2006 musste es auch in Briefen kleingeschrieben werden, nach der Verschlimmbesserung der Rechtschreibreform soll es jetzt (in Briefen) wieder großgeschrieben werden, muss aber nicht. Der Duden, der auf seine 26. Auflage zusteuert, will ja mit jeder Ausgabe etwas Neues oder etwas Altes neu bieten und empfiehlt Großschreibung. Das gilt jedoch nur in Briefen!

Leider wurde und wird diese Ausnahme selbst in professionellen Texten, Medien und Zitaten auch auf die wörtliche Rede übertragen: „Das bleibt Dein Problem“, sagte Schweinsteiger zu Lahm. Das ist Unfug, das ist falsch! Eine wörtliche Rede ist kein Brief.

Die Höflichkeitsanrede „Sie“ und das Possessiv „Ihr“ werden dagegen immer großgeschrieben – immer, im Brief, im Text, in der wörtlichen Rede und auch in dieser Kolumne, wenn ich Sie als Leser anrede. Die Formen entsprechen dabei der 3. Person Plural, egal ob eine Einzelperson oder eine Gruppe gemeint ist: „Kommen Sie doch herein!“, sagte Vater zum Nachbarn wie auch: „Treten Sie näher!“, bat Mutter die Gäste. Als häufiger Fehler ist zu beobachten, dass zwar das Personalpronomen großgeschrieben wird, aber nicht das zugehörige besitzanzeigende Fürwort: „Grüßen Sie ihre Frau!“, sagte er zum Abschied. Nein, natürlich „Ihre“ Frau! Wir wollen hier nicht untersuchen, ob man eine Frau besitzen kann, aber großschreiben sollte man sie schon – zumindest orthografisch gesehen.

abendblatt.de 11.6.2013

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Sigmar Salzburg
19.02.2013 13.32
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Ein Reformfreund, etwas reformgeschockt:

Hin und über ist noch lange kein Hin-über

Es gibt Sprechsilben und Sprachsilben, und es bleibt eine Streitfrage der Reform, an welcher Stelle ein Wort getrennt werden soll

Von Peter Schmachthagen
[…]
Wo trennen wir nun? Wenden wir heute die syllabische Worttrennung nach Sprechsilben oder die morphematische Trennung nach Wortbestandteilen an, die vor der Rechtschreibreform obligatorisch war?

Nehmen wir die kurzen deutschen Wörter hin und über, die eigentlich auch ein Schüler ohne Mühe erkennen und also als hin-über trennen könnte – könnte, aber schon zu Großvaters Zeiten selten tat. Es hagelte Fehler im Diktat, sodass die Reformer auch die Trennung nach Sprechsilben erlaubten: hi-nüber, was mir und den meisten Älteren noch immer einen orthografischen Schock versetzt.

Das Gleiche gilt zum Beispiel für wo-rauf/wor-auf, wa-rum/war-um, da-runter/dar-unter, ei-nander/ein-ander oder wo-rum/wor-um . Das betrifft auch die Ilme-nau/Ilmen-au, denn der Name hat schließlich etwas mit der Au, dem Bach, zu tun. Selbst die Teltow-er Rübchen sollten korrekterweise nach dem „w“ getrennt werden, denn das „w“ ist stimmlos.

Komplizierter war und ist es bei Fremdwörtern, bei denen es sich weit schwieriger gestaltet, die fremdsprachigen Morpheme zu erkennen: Ab-itur, an-onym, äs-thetisch, Atmo-sphäre, aut-ark, Chir-urg, Dia-gnose, Ex-amen, Inter-esse, in-szenieren, Si-gnal, Päd-agogik, par-allel, Hekt-ar, Heliko-pter, Nost-algie, Di-phthong, Vit-amin, Lin-oleum, Log-arithmus, Ma-gnet, Manu-skript, Mon-archie, Phil-ipp, Pull-over, Pseud-onym, Sym-ptom, Chru-schtschow oder Hämor-rhoiden.

Wie soll ein Grundschüler wissen, dass ein Psych-iater den Weg in die Seele findet, während ein Psy-chologe sich in die Psy-che anderer hineindenken kann? Klein Fritzchen müsste also erst im Kindergarten das Latinum und Graecum ablegen, bevor es in die 1. Klasse darf, um Deutsch zu lernen. [:-(]

Heute wird meistens nach Sprechsilben getrennt. Die Textverarbeitungsprogramme trennen so, ebenfalls die Redaktionssysteme, sodass auch das Abendblatt am Zeilenende syllabisch daherkommt. Auch mein MS Word, mit dem ich zu Hause gerade das Manuskript für diese Kolumne schreibe, weigert sich konstant, die alten Beispiele zu akzeptieren. Der Duden ist da vorsichtiger. Er legt sich nicht fest. Er setzt seine Fugenzeichen nach alter sowie neuer Norm, selbst wenn das wenig kon|s|t|ruk|tiv ist. Sie haben die Wahl!
abendblatt.de 19.2.2013

Vernünftiger wäre es gewesen, bei den Korrekturprogrammen nur die sprachrichtige Trennung einzubauen und im freien Gebrauch Milde walten zu lassen. Aber die Trennung nach Sprechsilben war ein altes Reformerdogma, das man nicht aufgeben wollte, um noch genügend Reformbedarf vorweisen zu können – obwohl es wegen der technischen Entwicklung überflüssig war.

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Sigmar Salzburg
05.02.2013 12.20
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Schmachthagens Deutschstunde

Ein Komma bringt Opa bannig ins Tüdern

Die Zeichensetzung hat ihre Tücken, doch die Regeln änderten sich kaum mit der Reform. Selbst vor „und“ kann ein Komma stehen

Von Peter Schmachthagen

Kommata tauchen so häufig in den gedruckten Texten auf, dass wir den fremden Plural „Kommata“ inzwischen durch die deutsche Mehrzahlbildung Kommas ersetzt haben. Diese Vereinfachung eroberte zuerst die Umgangssprache, dann die Fachsprache. Wir schreiben deutsch und nicht altgriechisch, meinte ein Kollege. Der Begriff Kommata, häufig auch noch fälschlicherweise mit einem Schluss-s zu „Kommatas“ verballhornt, sei quasi ein Oldtimer in der Sprache wie bei den Kraftfahrzeugen ein VW Käfer mit geteiltem Rückfenster, Seilzugbremsen und Reservehebel.
Gut, ich gebe nach ...

… beginnen wir mit einer guten Nachricht für die Älteren: Trotz der Rechtschreibreform können Sie 99 Prozent der früheren Interpunktionsregeln weiterhin anwenden. Zwingend geändert hat sich nur, dass der Begleitsatz zur wörtlichen Rede jetzt immer mit Komma abgetrennt wird, auch wenn die wörtliche Rede mit Ausrufe- oder Fragezeichen endet. Also: „Wie geht es dir?“, fragte er. Früher: „Wie geht es dir?“ fragte er. Um die Anwendung vor 1998 ja nicht zu einfach zu machen, gab es eine dieser unzähligen Ausnahmen, die die alte Schreibweise alles andere als klassisch und klar gestalteten. Trat ein „so“ hinzu, stand doch ein Komma: „Wie geht es dir?“, so fragt er.

Ansonsten können Sie bei der Interpunktion alles beim Alten lassen…

abendblatt.de 5.2.2013

Hat Herr Schmachthagen nicht die Kommakatastrophe durch die „Reform“ mitbekommen? Nicht umsonst hatten die Nachrichtenagenturen die alten Kommaregeln beibehalten.

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Sigmar Salzburg
22.01.2013 15.15
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Narrenzug jetzt im Plural

Deutschstunde
Opa wollte nur einmal kurz Hallo sagen

Von Peter Schmachthagen

[Bild: Peter Schmachthagen ist "Hamburgisch"-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts]

Sagen oder besser schreiben wir eigentlich Hallo oder hallo ? Groß oder klein? Beides ist möglich. Hier haben wir es wieder einmal mit einer der unsäglichen fakultativen Schreibweisen zu tun…

Bis zum Juni 2004 konnte man in Schulen und Medien gut damit leben, sodass die Kultusminister nach fünfjähriger Probephase die neue Rechtschreibung für verbindlich erklärten. Die Ministerpräsidenten ließen sich jedoch von einigen lautstarken Stimmen einschüchtern und setzten einen zusammengewürfelten Rat für deutsche Rechtschreibung ein, um die Reform überprüfen zu lassen. Man darf unterstellen, dass das nicht aus Sorge um das Kulturgut der deutschen Sprache geschah, sondern einfach aus Angst um die Wählerstimmen. Wer eine durchaus verständliche Unsicherheit bei der Rechtschreibung spürt, sucht als vermeintliche Ursache gern einen Schuldigen, wofür sich die Rechtschreibreform anbot – obwohl es in diesem Fall egal war, ob man die alte oder die neue Rechtschreibung nicht beherrschte.

Was der (Un-)Rat der Kultusministerkonferenz am Rosenmontag des Jahres 2006 als Ergebnis seiner Arbeit vorlegte, glich den vielen Narrenzügen jenes Tages, doch die Minister wollten den Streit endlich beenden und segneten alles ab. Die Reformschreibweise wurde nicht etwa abgeschafft, sondern blieb bestehen, doch Altes wurde wieder zum Leben erweckt und ganz Neues geschaffen. Die Möglichkeiten haben seitdem Konjunktur und die Wörterbücher sogar Hochkonjunktur…

In Hamburg sagt man Tschüs, und zwar mit großem „T“ und kleinem „s“, obwohl beim Streit über die richtige Schreibweise schon Freundschaften zerbrochen und Urheberrechtsprozesse angedroht worden sind. Angeblich hat Heidi Kabel „In Hamburg sagt man Tschüss“ mit Doppel-s gesungen, wobei ich mich frage, wie man ein Doppel-s singen kann. Als der Duden noch die alleinige Entscheidung über die Schreibweisen hatte, war nur tschüs! möglich. Die Reformer ließen auch Tschüss zu, was nicht nachvollziehbar ist, denn das "ü" wird ja nicht kurz, sondern ganz lang gesprochen.

Dieser norddeutsche Abschiedsgruß ist aus der Form atschüs! gekürzt worden, die durch Erweichung des „j“ aus niederdeutsch adjüs (kurz: tjüs ) entstanden ist, logischerweise hinten mit einem einfachen „s“. Fremde Seeleute gebrauchten häufig das spanische adiós (lat. ad deum – Gott befohlen, frz. adieu, span. a diós – zu Gott)…
abendblatt.de 22.1.2013

Schmachthagen, Anhänger der Urreform, hat den „Narrenzug“ schon des öfteren hier und da als Bild für die politischen und orthographischen Flickreformer von 2006 empfohlen. Wenn man die ganze Reform als solchen begriffen hat, sitzt er allerdings auch mit obendrauf.

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Sigmar Salzburg
11.12.2012 19.30
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Ruf aus der Reformsteinzeit

Deutsch oder deutsch, das ist hier die Frage

Was sprechen wir? Wie sprechen wir? Die Groß- und Kleinschreibung bei der Bezeichnung einer Sprache ist ein bisschen verzwickt

Von Peter Schmachthagen

... Angela Merkel spricht Russisch, Wladimir Putin spricht Deutsch, sodass die beiden bei ihrem Treffen im Kreml abwechselnd deutsch und russisch miteinander sprachen. Da Putins Begleiter jedoch kein Wort Deutsch verstanden, unterhielt man sich meistens auf Russisch. Nanu, wo kommt das große „R“ her, steckt hier doch ein Wie in der Aussage, ein Hinweis auf die Art und Weise des Sprechens?

Richtig, aber unsere Grammatik und Orthografie (Rechtschreibung) wären nun wirklich zu einfach, wären sie nicht mit vielerlei Ausnahmen gespickt. [... seit Schmachthagens Lieblingsreform:] Nach den Präpositionen auf und in wird Deutsch immer großgeschrieben: Das Buch erscheint auf Deutsch, der Brief wurde in Deutsch verfasst…

Übrigens kann man „Deutsch/deutsch“ nicht nur großschreiben, sondern auch groß schreiben. Die Wortgruppen Adjektiv und Verb bzw. Partizip und Verb werden zusammengeschrieben, wenn das Adjektiv in einer Verbindung weder gesteigert noch erweitert werden kann wie bei „großschreiben“.

abendblatt.de 11.12.2012

Schmachthagen lebt noch in der Reformsteinzeit von 1996: Die Steigerungsprobe wurde mit der 2. Reparaturreform 2006 wieder abgeschafft. Ansonsten siehe auch hier.

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Sigmar Salzburg
04.10.2012 09.22
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Kindische Erleichterungen

[Schmachthagens] DEUTSCHSTUNDE

Als ein Tollpatsch durch die Straßen wankte

Wie die Fußlappen ungarischer Soldaten die deutsche Rechtschreibung bestimmten.
Einige notwendige Angleichungen durch die Reform


Von Peter Schmachthagen

Wissen Sie, was ein Tollpatsch ist? Natürlich, ein ungeschickter Mensch, der schwerfällig durch die Gegend tollt und dabei womöglich noch einfältig um sich patscht. Alles spricht auf den ersten Blick dafür, dass der Tollpatsch zur Wortfamilie des Adjektivs toll gehört, das bereits im Althochdeutschen „dumm und töricht“ bedeutete und später mit „getrübt, umnebelt, verwirrt“ erklärt wurde.

Das heißt, aus dem Niederländischen wanderte dol auch in der Bedeutung „ausgelassen“ nach Deutschland und traf zuerst auf die Rheinländer. Was damit angerichtet worden ist, sehen wir während der drei tollen Tage, die einen kühlen Norddeutschen zu der Überzeugung kommen lassen, dass die Erklärung „umnebelt und verwirrt“ doch passender gewesen wäre.

Wir kennen die Tollheit, das Tollhaus und die Tollkirsche. Die Tollwut ist eine Zusammenrückung aus tolle Wut, und tollkühn heißt „auf tolle Weise kühn“. Dennoch – unser Tollpatsch hat nichts mit dem Adjektiv toll zu tun. Vielmehr müssen wir den deutschen Sprachraum Richtung Budapest verlassen. Ein Tolpatsch ist ursprünglich ein ungarischer Fußsoldat, ein talpas, ein „Breitfüßiger“, von ung. talp (Sohle).

Im 17. Jahrhundert bekamen die ungarischen Infanteristen keine Schuhe, sondern befestigten sich Fußlappen mit Schnüren als Sohlen unter den nackten Füßen. Wenn die besser ausgestatteten Österreicher so einen ungarischen Fußsoldaten, dessen Sprache sie zudem nicht verstanden, unsicher auf den Beinen durch die Straßen wanken sahen, nannten sie ihn einen Tolpatsch – und da es sich um die Eindeutschung des ung. talpas handelte, natürlich analog mit nur einem „l“.

Falls vor der Rechtschreibreform ein Schüler „toller Tolpatsch“ schreiben sollte, fiel es ihm schwer, zwischen einem und zwei „l“ zu unterscheiden. Zur Not half damals auch einmal eine Ohrfeige, bis er es kapiert hatte. Ohrfeigen im Unterricht sind heutzutage glücklicherweise verboten und in diesem Fall auch nicht mehr notwendig. Seit 1998 schreiben wir den Tollpatsch mit Doppel-l.

Ich will in dieser Kolumne möglichst den Rechtschreibfrieden wahren, aber um zu zeigen, was ist, ist es ab und zu angebracht, einen Blick darauf zu werfen, was war. Neben umfassenden Regeln wie die ss/ß-Auslautung oder die klare Bestimmung „Verb und Verb immer getrennt“ änderten die Reformer nicht nur beim Tollpatsch, sondern bei rund 40 Wörtern die Schreibweise, indem sie den Stamm oder die Analogie (Vergleichbarkeit) anpassten.

Wir Älteren mussten uns zuerst daran gewöhnen, dass der „Stengel“ zum Stängel, die „Gemse“ zur Gämse und die „Greuel“ zu Gräueln geworden waren. Manch einer schnäuzte („schneuzte“) sich überschwänglich ("überschwenglich“) und sah sein Fachwissen bedroht. Die deutsche Sprache ist jedoch so kompliziert, dass jede Vereinfachung ihre Akzeptanz nur erhöhen kann.

Wenn früher Väter oder Lehrer doch einmal zum Rohrstock griffen, um uns den Hintern zu versohlen, war dieser Körperteil hinterher unter Umständen blau. Also heißen die zugehörigen Verben auch verbläuen oder einbläuen? Heute ja, damals nein. Mit den blauen Flecken, zu denen die Schreibweise umgangssprachlich gezogen worden ist, hat diese Tätigkeit primär nichts zu tun; „verbleuen“ kommt vom althochdeutschen bliuwan (schlagen) und wurde deshalb bis 1998 mit „e“ geschrieben.

Zu Recht angeglichen hat man die nicht angepassten Schreibweisen „mit Nummern numerieren, auf dem Platz plazieren“ oder den „Tip auf dem Tippschein“. Als Kind dachte ich immer, bei einem Albtraum laste ein ganzes Gebirge auf der Brust. Dabei kommt der Ausdruck von dem Alb, einem Naturgeist, der ein solches Albdrücken hervorruft, und nicht von den Alpen.

Und dann hätten wir da noch das Wort belämmert, das mit der Reform vom „e“ zum "ä" wechseln musste und zum Schlagwort in der Rechtschreibdiskussion wurde. Schließlich komme „belämmert“ nicht von den Lämmern, die auf der Weide stünden und belämmert nach der Mutter blökten, sondern sei 2. Partizip des niederd. Verbs belemmeren (hindern, lähmen).

Da ein Abc-Schütze diesen sprachhistorischen Hintergrund jedoch nicht beherrscht, blieb es beim "ä". Belämmert, in der Tat!

abendblatt.de 2.10.2012

Immerhin hat dieser Teil der „Reform“ Deutschlands Dichtern und Denkern zu neuen politischen Einsichten verholfen.

Mehr Schmachthagen weiter unten


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Sigmar Salzburg
29.08.2012 07.20
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Schmachthagen macht wieder unser Deutsch unsicher

Deutschstunde
Die Lehre von der Leere


Peter Schmachthagen

Es gibt Wörter im Deutschen, die klingen gleich, sind es aber nicht. Dabei handelt es sich um die sogenannten Homofone (Schreibweise nach Duden-Empfehlung) oder meinetwegen auch Homophone . Ein Homophon ist ein Wort, das mit einem anderen gleich lautet, aber verschieden geschrieben wird, z. B. Lehre – Leere, Weise – Waise oder sogar dreifach Ferse – Verse – Färse …

[Homophone sind gleichklingende Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen, die aber sehr wohl auch gleich geschrieben werden können.]

Beim Sprechen hören wir keinen Unterschied. Allerdings benötigen wir den Satz, um dem Wort seine Bedeutung zuordnen zu können. Wenn der Chef beispielsweise diktiert: „Die Lehre ...“, kann die Sekretärin noch nicht losschreiben; erst wenn er fortfährt: "... aus dieser bedauerlichen Angelegenheit ...“, darf sie mit dem Tippen beginnen…

Falls wir aber den Kontext¹ nötig haben, um die Schreibweise festzulegen, brauchten wir eigentlich keine unterschiedliche Schreibweise, um den Text zu verstehen. Doch auch hier haben die Rechtschreibreformer, allen Behauptungen zum Trotz, nichts geändert. Es blieb beim Alten.

[Letzteres ist nicht ganz richtig. Die Phonetiker unter den Reformern hätten wohl gerne diese Unterschiede abgeschafft. Weil man aber erstmal den Fuß in der Tür haben wollte, hat man sich zunächst damit begnügt, „greulich“ mit „gräulich“ zusammenfallen zu lassen.]

[...]

Der Verfasser, 71, ist „Hamburgisch“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags

abendblatt.de 28.8.2012

¹) Siehe auch Doris Ahnen und Peter Schmachthagen.

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Sigmar Salzburg
11.08.2012 17.36
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ARD-Korrespondent

Klaus Scherer – Ich bin dann mal wieder da
Bis vor Kurzem war Scherer in Washington. Jetzt ist er wieder in Hamburg. Ein Gespräch über das Ankommen und den „Wahnsinn Amerika“

Hamburg. Das Gesicht ist einem sofort vertraut. Fünf Jahre war Klaus Scherer als Korrespondent der ARD in Washington, vor wenigen Tagen erst ist er nach Hamburg zurückgekehrt…
[…]
Was fiel Ihnen besonders schwer?
Scherer: Naja, ich war zuvor in Nordkorea, ich war auf den Philippinen, es gab dort Hungertote und Armut – und hier diskutierte man die Rechtschreibreform. Das hab ich nicht hingekriegt. Das konnte ich nicht so ernst nehmen, wie manche es ernst genommen haben. Heute ärgert mich die Rechtschreibreform auch.
[…]
abendblatt.de 11.8.2012

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Sigmar Salzburg
02.08.2012 12.07
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Nachtrag zum Abendblatt-Artikel

Der unerschütterliche 96er-Reformgläubige „Peter Schmachthagen“ konnte zu dem auf unerklärliche Weise in „sein“ Abendblatt gerutschten Reformverriß natürlich nicht schweigen. Wegen der Unbedeutendheit bringen wir seine Einlassungen hier nur im Kleindruck, die aber wegen ihrer Dreistigkeit vollständig:

Debatte

Die Rechtschreibreform – ein Fortschritt

02.08.2012, 07:29 Uhr Peter Schmachthagen

98 Prozent der Einträge im Duden änderten sich durch die Umstellung nicht. Aber die Regeln sind seitdem klarer

Es gibt Themen, die hält man für erledigt und tief im Archiv verborgen, aber dann kommt jemand und zerrt sie wieder an die Öffentlichkeit: Barschels Tod in der Badewanne zum Beispiel, die jährlich neue Verschwörungstheorie über die Schüsse auf Kennedy – und nun der angebliche „Riesenfehler“ mit der Rechtschreibreform, obwohl die alte, die von Konrad Duden persönlich als Vermächtnis hinterlassene Orthografie aus dem Jahre 1901 doch so klar, verständlich und von jedermann beherrschbar war, „klassisch“ eben, was immer das auch bedeuten soll.

Das ist Unfug. Nach 15 Jahren, die ich mich beruflich mit dieser Thematik beschäftigen musste, gestatte man mir ausnahmsweise dieses deutliche Wort, um eventuell aufkeimenden Gerüchten von vornherein entgegenzutreten. Napoleon wird nachträglich die Schlacht von Waterloo nicht mehr gewinnen und Claudia Ludwig nicht die Debatte um die Rechtschreibreform, wenn sie es gestern an dieser Stelle auch versucht hat.

Die Rechtschreibreform war keine Gutschreibreform, das wäre wegen der Komplexität unserer Muttersprache auch nicht möglich gewesen, aber sie war erst recht keine Schlechtschreibreform. Nennen wir sie eine Besserschreibreform. Die Reformer versuchten, in den Wildwuchs des alten Regelwerks mit seinen unübersichtlichen Ausnahmen und auswuchernden Vorschriften etwas Ordnung zu bringen.

98 Prozent der Einträge im Duden änderten sich dabei 1998 übrigens nicht, und rund 90 Prozent der Änderungen bezogen sich auf die ss/ß-Regel, die sogar von den meisten Kritikern der Reform verteidigt wurde: nach kurzem Vokal ss (Fluss), nach langem Vokal (Fuß) oder nach Diphthong (heiß) ß. Es ging nicht darum, eine dritte Möglichkeit im Auslaut zu schaffen, sondern darum, die Rektion zu vereinfachen ¹): Musste Klein Fritzchen früher deklinieren: der Fluß, des Flusses, dem Fluß/Flusse, den Fluß, die Flüsse“, so heißt es heute: einmal ss, immer ss. Wer das „bei bestem Willen und größter Anstrengung“ nicht kapiert, der braucht in der Tat keine weitere Erleichterung.

Übrigens wurde die Rechtschreibreform nicht 2006, sondern bereits 1998/1999 eingeführt. 2006 wurde sie lediglich verschlimmbessert. Nachdem die Kultusministerkonferenz im Juni 2004 nach fünfjähriger Testphase die neue Rechtschreibung mit einigen leichten Korrekturen („leidtun“) abgesegnet hatte und die Deutsche Presse-Agentur sie so übernehmen wollte, erreichten einige Kritiker an einflussreicher Stelle, dass die Ministerpräsidenten erst einmal den Rat für deutsche Rechtschreibung einsetzten, den „Unrat“ zu nennen nach seinen Ergebnissen erlaubt sein muss.

Dieser Rat legte den Kultusministern seine Ergebnisse ausgerechnet am Rosenmontag des Jahres 2006 vor, und der Sprecher eines Lehrerverbandes nannte diese Ergebnisse „den längsten Narrenzug der Republik“. Da aber die bisherigen Schreibweisen nicht ersetzt wurden, sondern daneben bestehen blieben, kam es zu den beklagten fakultativen Schreibweisen im Duden. Der Duden unterlegt bei „Gewinn bringend/gewinnbringend“ übrigens „gewinnbringend“ mit gelber Markierung, sodass wir uns an diese Empfehlung halten und den Lesern ein weitgehend einheitliches Schriftbild bieten können.

Wenn aber beide Möglichkeiten amtlich richtig sind, ist nicht einzusehen, warum Klein Fritzchen Wörterbücher wälzen und schwere Lexika in die Schule schleppen sollte, um im Diktat keinen Punktabzug zu bekommen: Ob er nun so oder so schreibt, es wäre doch so oder so kein Fehler!

Die Reformer versuchten es mit klaren neuen Regeln, die hier heute nicht im Detail vorgestellt werden können. Ich habe früher einmal 40 alte Schreibweisen wie „toller Tolpatsch, numerieren, plazieren, Tip auf dem Tippschein, Stuck des Stukkateurs, einbleuen, in bezug, mit Bezug“ herumgereicht, wobei nur „richtig“ oder „falsch“ angekreuzt werden sollte.

Hätte man gewürfelt, hätte man irgendwann 20 Treffer erreichen müssen. Die Beste war eine pensionierte Kollegin mit acht Richtigen. Wer behauptet, die alte Rechtschreibung habe keiner Reform bedurft, bei dem ist es ohnehin egal, ob er die alte oder die neue Rechtschreibung nicht beherrscht.

abendblatt.de 2.8.2012



¹) Gegen die „neue“ Heyse-ss-Schreibung hier nur Karin Pfeiffer-Stolz und meine eigene Kurzfassung.

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Sigmar Salzburg
01.08.2012 09.24
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Zum mehrfachen Inkraftsetzungstag ¹) der Reformexperimente:

Die Rechtschreibreform – ein Riesenfehler

Claudia Ludwig

Vor genau sechs Jahren traten die neuen Regeln in Kraft. Seitdem herrscht Verwirrung, beklagt die Autorin und Lehrerin

95 Jahre lang gehörte sie zu unserem Alltag: die „alte“, die klassische Rechtschreibung. Wir lasen sie in allen Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Werbeanzeigen, auf Plakatwänden und in Gebrauchsanweisungen. Sie war uns vertraut, und sie war vor allem eins: einheitlich und eindeutig. Wer zweifelte, sah im Duden nach, und dann waren schnell alle Unklarheiten beseitigt, man konnte zum Tagesgeschäft übergehen.

Vier Generationen hatten sie erlernt. Großeltern schrieben, wie ihre Enkel es in der Schule lernten, konnten helfen, waren kompetent. Sekretärinnen, Lektoren, Menschen, zu deren Beruf die Schrift gehört, beherrschten sie, diese „alte“ Rechtschreibung. Das war schon etwas wert!

Und dann beschlossen Politiker (wer eigentlich?), zwölf Sprachwissenschaftler zu beauftragen (mit welchem Recht eigentlich?), die Rechtschreibung zu vereinfachen (warum eigentlich?). Es begann ein zähes Ringen, denn jeder dieser Experten hatte Vorlieben, die er unbedingt realisiert haben wollte. Dann kam das Werk an die Öffentlichkeit. Ein Sturm der Entrüstung brach los, Gegner und Befürworter bekämpften einander. Es wurde diskutiert, verändert, mehrmals nachgebessert und schließlich verkündet: Am 1. August 2006 war die endgültige Fassung der „neuen“ deutschen Rechtschreibung geboren: „moderner und viel einfacher“.

Eines aber blieb in dem Trubel unbeachtet: Diese „neue“ Rechtschreibung war und ist nur bindend für Behörden, Schulen, Universitäten, für alle Institutionen, deren oberster Dienstherr der Staat ist. Dieser Tatbestand bot die einzigartige Chance, die „Reform“ zu stoppen. Es ist nicht passiert.

Und was haben wir jetzt? Wir haben mehr Vielfalt in den Schreibweisen, was allerdings für den Leser nicht unbedingt erfreulich ist. Wir haben eine Vielzahl an neuen Regeln, die auch bei bestem Willen und größter Anstrengung nicht mehr auswendig zu beherrschen sind. So sind z. B. aus zwei Möglichkeiten, das scharfe „s“ am Wortende zu schreiben (alt: „s“ oder "ß") drei Möglichkeiten geworden („s“, "ß" oder „ss“) – eine Erleichterung?

Und schreibt man in klassischer Rechtschreibung eindeutig: „gewinnbringend, ausschlaggebend, alleinerziehend und herzerquickend“, so bietet der neueste Duden folgende Schreibweisen an: „Gewinn bringend/gewinnbringend, ausschlaggebend, allein erziehend/alleinerziehend und herzerquickend“. Alles klar?

Sicherheit beim Schreiben wird es so nie mehr geben. Und wozu führt das? Schüler feilschen mit Lehrern um die Schreibweise eines Wortes. Wörterbücher werden gewälzt und zur Schule geschleppt. Es geht ja immerhin um einen, vielleicht gar den ausschlaggebenden Punkt. Da es keine eindeutigen Schreibweisen mehr gibt, führt das zu wachsender Verwirrung bei allen Schreibenden, worauf die einen mit Gleichgültigkeit reagieren (Ich schreibe jetzt, wie ich will!), andere, die professionell mit Schrift umgehen, häufiger im Duden nachschlagen müssen. Und es gibt viele neue Fehler.

Unsere Situation heute ist somit die gleiche, die Konrad Duden vor mehr als hundert Jahren zu seiner Reform motivierte. Duden stellte entsetzt fest, daß in zwei nicht weit voneinander entfernten Schulen völlig unterschiedliche Schreibweisen gelehrt wurden. Flugs machte er sich – ganz Praktiker – ans Werk und erarbeitete eine Rechtschreibung, die vor allem ein Ziel hatte: die Schreibweisen zu vereinheitlichen, um das Schreibenlernen zu erleichtern.

Diese Einheitlichkeit hat die „Rechtschreibreform“ nun endgültig zerstört. Dabei würde uns gerade heute – bei unserer vielfältigen Kommunikation – eine eindeutige, verläßliche Rechtschreibung hilfreich sein. Denn erst auf einer einheitlichen Basis kann man mit Sprache spielen, wie es uns die Amerikaner vormachen.

Aber vielleicht kommt sie ja wieder, die klassische Rechtschreibung – eines Tages, irgendwann? Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich immer zuletzt oder: Träumen darf man ja noch.

Die Autorin hat diesen Text in der bis 2006 gültigen Rechtschreibung geschrieben. ²)

Abendblatt.de 1.8.2012

¹) 1.8.1998 offiz. Einführung, 1.8.2005 „unstrittige“ Teile verbindlich gültig, 1.8.2006 reformierte Reform gültig, 1.8.2007 reformierte Reform verbindlich gültig, 1.8.2008 in Österreich, 1.8.2009 in der Schweiz.

²) Die traditionelle Rechtschreibung ist immer noch gültig. Nur für Behörden und Schulen konnte sie 1999 und 2005 vom Staat verboten werden. Oder meinen die Abendblättler „im Springer-Konzern gültig“?

Siehe auch hier
.



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Sigmar Salzburg
02.08.2011 12.04
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Reform-Fundi 'Schmachthagen'

Der ehem. Abendblatt-Chef und Reform-Fundamentalist „Schmachthagen“ alias Peter Meyer schlägt wieder zu:

Leider geriet die Reform 2004 in „einen geistigen Bürgerkrieg, politischen Separatismus und (eine) orthografische Guerillabewegung“ (Eckhard Fuhr in der „Welt“), sodass der flugs eingesetzte (Un-)Rat für Rechtschreibung den Kultusministern überflüssige Korrekturen unterschob, aber das Bisherige stehen ließ…

Abendblatt.de 2.8.2011 ... zum Hintergrund: FDS Schmachthagen

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Sigmar Salzburg
27.04.2011 16.11
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Hans Fallada (1893-1947)

Fallada exklusiv: Die Verkäuferin auf der Kippe

Teil II der exklusiven Reihe: Über 80 Jahre schlummerten Falladas „Hamburger Miniaturen“ unentdeckt in den Archiven der Staatsbibliothek.

... Nee, Hans ist schlapp. Der heult höchstens. Natürlich tut er mir leid, aber was soll ich dabei machen? Wenn er zu Vater läuft, der ist imstande und verhaut mich. Vater hat keine Ahnung von uns Mädels heute, daß muß doch alles so sein wie auf seiner Landstelle in Mecklenburg. Hätt er doch besser aufgepaßt in der Inflation, dann müßte ich heut nicht für 90 Mark ...
Also schön, Fräulein, wir machen jetzt Schluß. Und sieh dir das Crêpesatinkleid an. Goldig, sage ich dir. Diese Woche kriege ich's noch, wetten? Trudel! Trudel!! Schon weg. Na, denn nicht. Verkaufen wir also wieder Trikotagen.

Mit freundlicher Genehmigung des Aufbau Verlags

abendblatt.de 21.4.2011

Unreformierte Veröffentlichung, allerdings nicht ohne Fehl (Falladas?).

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Sigmar Salzburg
06.08.2010 06.22
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Standhaft: Matthias Politycki

Sofakunst
Matthias Politycki: Fremdschämen für die Kunst

Von Matthias Politycki 5. August 2010, 06:54 Uhr

Der Schriftsteller Matthias Politycki ließ sich einen Tag lang zum Teil eines Kunst-Projekts machen – mit einem Selbsterfahrungstrip auf einem Sofa.

[Foto]
Auch am Elbstrand stellte Künstler Josef Trattner sein Sofa für Autor Matthias Politycki auf.
Foto: Josef Trattner/Foto:Fritz Jaenecke

… Was Sofakunst im öffentlichen Raum für mich an potentiellen Verlegenheiten in petto führt, habe ich mir als geübter Fremdschämer weidlich ausgemalt. Dabei ist der Künstler, der sich mir vor Wochen augenzwinkernd als Michelangelo Trattner vorstellte und im Verlauf eines fidelen Abends in seinem Atelier zunehmend als Schaumstoff-Josef entpuppte, dabei ist der Künstler ein durch und durch sympathischer, freundlicher, obendrein witziger Mensch, der jeden Zwischenfall gewiß ganz ohne rote Ohren meistern wird; eigentlich könnte ich ganz entspannt sein.

[Fotostrecke]
Politycki auf Sofatour durch Hamburg

Denn er hat sie ja bereits gemeistert: All das, was bei Sofa-Installationen in österreichischer Berg- und europäischer Stadtlandschaft überhaupt an Reaktionen erfolgen kann, es ist bereits erfolgt, wie Trattner bereitwillig erzählt: von wütenden Protesten bis zur mutwilligen Zerstörung, vom sukzessiven Zerrupfen durch Tiere bis zum schlagartigen Platzverweis durch die Obrigkeit, von hartnäckiger Inbesitznahme durch Penner bis zum Versuch einiger Punks, das Sofa abzufackeln. Als Künstler, der im öffentlichen Raum agiert, muß man wohl starke Nerven haben, stärkere als ein Schriftsteller, der dort allenfalls inkognito Notizen macht und sich ansonsten möglichst unauffällig in Beobachtung übt. […]

Der Schriftsteller Matthias Politycki , Jahrgang 1955, lebt in Hamburg und München. Nach seinem viel beachteten „Weiberroman“ (1997) schrieb er unter anderem den großen Kuba-Roman „Herr der Hörner“, das Kreuzfahrt-Logbuch „In 180 Tagen um die Welt“ sowie zuletzt die „Jenseitsnovelle“. Voraussichtlich im Frühjahr erscheint bei Hoffmann und Campe „London für Helden“, derzeit arbeitet Politycki an seinem nächsten Roman: „Samarkand Samarkand“.
Politycki schreibt in alter Rechtschreibung.

abendblatt.de 5.8.2010

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