moll-kleinschreibungs-konvention?
Die Tatsache, ob ein im Deutschen gebräuchlicher Tonname groß oder klein geschrieben im Text steht (A oder a, Fis oder fis, ...), kann nach musikwissenschaftlicher Konvention zweierlei ausdrücken.
Erstens die Unterscheidung einer Oktavlage. „A“ bezeichnet hierbei den konkreten Ton, der (in der Regel ca.) 110 Hertz hat, „a“ hingegen den, der 220 Hertz hat. (Das nur der Vollstänigkeit halber; und um einen Vorschlag einzubringen: die „große Oktave“ in „Große Oktave“ und die „kleine Oktave“ in „Kleine Oktave“ umzubenennen)
Zweitens die Unterscheidung des Tongeschlechts eines Akkordes bzw. einer Tonalität. „A“ bedeutet hierbei nicht mehr und nicht weniger als „Der Grundton (des Akkordes bzw. der einem Stück zugrundeliegenden Tonart) ist a, das Tongeschlecht ist Dur“, und „a“ bedeutet entsprechend „Der Grundton ... ist a, das Tongeschlecht ist Moll“.
In beiden Fällen benötigt der jeweilige Tonname keinen Zusatz, wenn aus dem Zusammenhang ersichtlich ist, welcher der beiden Fälle gemeint ist (das ist auch eigentlich immer klar). Die Bedeutung ergibt sich dann gemäß der betreffenden Konvention.
Die zweitgenannte Abkürzungskonvention ist (zumindest in den Zusammenhängen, in denen sie benutzt wird, also dort, wo das musikalische Denken und Schaffen vorwiegend auf den Dur-Moll-Bereich beschränkt ist) durchaus sinnvoll und praktisch. Vollkommen unsinnig und überflüssig hingegen ist es, die Kleinschreibung des Symbols im Falle Moll (die ja dort eine wichtige Information liefert) auf das ausgeschriebene Substantiv Moll in der Erweiterung „a-Moll“ zu übertragen („a-moll“). Wenn man als Gegenwert für dieses Abweichen von der allgemeinen Schreibkonvention (nach der Substantive eben groß zu schreiben sind), wenigstens eine fachliche Zusatzinformation oder irgendeinen Vorteil erhielte, könnte man noch darüber „verhandeln“; aber das ist ja nicht der Fall.
Im Gegensatz zu einer immer wieder anzutreffenden Meinung gibt es die Konvention, daß man das Wort „Moll“ in Verbindungen wie „a-Moll“ klein zu schreiben habe, eben nicht. Es handelt sich m.E. eher um eine dumme Angewohnheit bzw. einen „gedanklichen Übertragungsfehler“, der so entstanden sein könnte: Kleines Symbol bedeutet Moll, also klein=Moll, also Moll immer klein, also „Moll“ schreibt man klein.
Musikwörterbücher und musikwissenschaftliche Publikationen benutzen – bis auf ganz wenige Ausnahmen – die Bezeichnungen „A-Dur“ und „a-Moll“, pflegen also konsequente Großschreibung der Substantive. Die Falschschreibung „a-moll“ ist hingegen relativ oft anzutreffen in Ankündigungen von Konzerten und den dazu erscheinenden Programmheften, ferner auf Begleittexten zu Tonträgern.
Zu den o.g. Ausnahmen bei Fachpublikationen gehört z.B. „Metzler Musik Chronik“ (1993). Hier schreibt man alles klein: „A-dur“ und „a-moll“. Der von Herrn Metes schon angeführte dtv-Atlas zur Musik (dtv und Bärenreiter-Verlag, 1977) verfuhr auch noch so, hat aber in seiner Neuauflage (2001) auf konsequente Großschreibung umgestellt.
Wenn man also „a-moll“ wirklich zuließe, warum dann nicht auch „A-dur“? Und am besten gleich auch die Schreibweise „Akkustik“, die immer und immer wieder so in Konzertkritiken oder Beschreibungen von Instrumenten anzutreffen ist – ergooglen Sie’s mal!
Halbernster Nachtrag:
Übertragen wir doch mal spaßeshalber das „Problem“ der schriftlichen Bezeichnung von musikalischen Geschlechtern auf das der von biologischen. Wäre es nicht seltsam, wenn geschriebene Redetexte begännen mit „Meine sehr geehrten damen und Herren“? Die Damen wären zu Recht verwundert, denn sie unterscheiden sich doch ohnehin schon „wesentlich“ von den Herren (wie der Mollklang vom Durklang), zweitens auch noch durch das sie bezeichnende Wort „Damen“ von „Herren“ (wie „Moll“ von „Dur“). Warum sollte man da zur weiteren Unterscheidung die Damen auch noch klein schreiben? Etwa um symbolisch zu demonstrieren, daß es sich eben nur um das „zweitwichtigste“ Geschlecht handelt? Wie bei „moll“ gegenüber „Dur“? Leider kann sich das Wörtchen „Moll“ in den Fällen seiner Klein(er)schreibung nicht so wehren, wie es wohl im obigen Fall die Damen tun würden. Und deshalb wollte ich ihm hier ein wenig helfen.
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