DLF -- Kommentar von Margarete Limberg
Zitat: Kommentar von Margarete Limberg im Deutschlandfunk, 08.10.04
„Nach den teilweise hysterischen Diskussionen dieses Sommers haben die Ministerpräsidenten den Weg für die Rückkehr zur Vernunft freigemacht. Der Rat für Rechtschreibung, in dem auch Kritiker der Rechtschreibreform sitzen sollen, wird den Weg dieser Reform kritisch begleiten und kann, wo er nicht akzeptable Ungereimtheiten, Sinnentstellendes oder allzu provinziell Eingedeutschtes entdeckt, Änderungen einfordern, die dann auch in das Regelwerk eingearbeitet werden können. Diese ständige Überprüfung wird für die Akzeptanz des neuen Regelwerks sicher von größter Bedeutung sein. Wenn die Länderchefs, die in dieser Frage so gespalten waren wie der Rest der Gesellschaft es schaffen, einen Kompromiß zu finden, dann ist dies für die ewig Aufgeregten in diesem Lande durchaus zur Nachahmung zu empfehlen.
Niedersachsens Ministerpräsident Wulff, der nach dem Paukenschlag, mit dem einige Zeitungsverlage im Sommerloch die Rückkehr zur alten Schreibweise ankündigten, auf den populistischen Zug der Reformgegner aufgesprungen ist, übrigens, kurz nachdem sein eigener Kultusminister der Reform zugestimmt hatte, blieb für eine so groteske Rolle rückwärts die Zustimmung seiner Kollegen zum Glück versagt. Damit kehrt nun hoffentlich mehr Gelassenheit und das Ende eines geradezu absurden, zum großen Teil mediengesteuerten Theaters ein. Oder wollen die Reformgegner den Millionen Kindern, die mit den neuen Regeln aufgewachsen sind, wirklich sagen, daß sie das alles möglichst schnell wieder vergessen sollen? Wollen sie die neuen Schulbücher finanzieren, die bei einer Rückkehr zu den alten Regeln fällig werden? Kaum jemand bestreitet, daß die Reform auch Unsinniges enthält. Aber das muß sich doch mit etwas gutem Willen ändern lassen. Es ist höchste Zeit, daß sich die Regierungschefs der Länder wichtigeren Themen zuwenden. Denn die Kultur- und Bildungspolitik leidet weniger unter neuen Rechtschreibregeln, als unter finanziellen Nöten und der gegenseitigen Blockade von Bund und Ländern aus rein machtpolitischen oder populistischen Motiven, wie der Streit um die Ganztagsschulen, das Hin und Her um die Förderung von Spitzenuniversitäten, das Aus für den Juniorprofessor und zuletzt der von Wulff ohne Not und aus durchsichtigen Motiven ausgelöste Konflikt um die Kultusministerkonferenz zeigen. Daß Forschheit Politik nicht ersetzt, mußte Wulff heute gleich zweimal erleben. Der Beschluß über die Unverzichtbarkeit der Kultusministerkonferenz wurde mit seiner Stimme gefaßt. Rein macht- und parteipolitische Spielchen verträgt die Bildungspolitik nicht, verträgt der deutsche Föderalismus insgesamt nicht. Von seiner überfälligen Reform hängt die Zukunftsfähigkeit der Reform der Bundesrepublik ganz sicher mehr ab als vom Für und Wider neuer Rechtschreibregeln.“
Mein Kommentar zum Kommentar:
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man dieses Elaborat als Musterbeispiel manipulativer Redetechnik verwenden – das hat nichts mehr mit einem Kommentar zu tun.
Wir lernen: Gegner der Rechtschreibreform diskutierten hysterisch, hätten sich von der Vernunft entfernt und wären ewig Aufgeregte, die eine Rolle rückwärts befürworteten – und Unglück bezweckten. Sie veranstalteten ein Theater ohne Gelassenheit, das absurd und mediengesteuert wäre. Und, natürlich, aus reinem Populismus. Die Befreiung käme von den Länderchefs, die mit ihrem Kompromiß Vorbilder für den Gesellschaftsrest sein sollten.
Nichts wird zur Sache gesagt. Kein einziges Argument, warum die Reform auch nur irgendwem den geringsten Vorteil bringt, wird erwähnt. Natürlich: Rücknahme ... Kinder ... Kosten ... – die Schallplatte mit dem Sprung spielt im Hintergrund.
Bei wohlwollender Betrachtung des Kommentars ließen sich allenfalls die sachlichen Punkte aufführen, daß die Reform nicht akzeptable Ungereimtheiten, Sinnentstellendes und allzu provinzielle Eindeutschungen enthält. Das Wohlwollen ist aber zu Ende, wenn die Konsequenz daraus beschrieben wird: Alles nicht so schlimm, weil der Rat (gemeint ist allerdings nicht der Rat, dem eine Nobelpreisträgerin angehört) Änderungen vorschlagen kann, die dann eingearbeitet werden können. Diese kreative Form des Konjunktivs irrealissimus beschreibt deutlich, was man davon erwarten kann.
Wo sind die Millionen Kinder, die mit der Neuschreibung aufgewachsen sind? Abgesehen von der Frage, was man zehnmal mehr Millionen Menschen sagen will, die eben nicht damit aufgewachsen sind: Die Aussage ist falsch. Ein paar Grundschuljahrgänge haben zwanzig Wörter in neuer Schreibung gelernt, die gegenüber den -zig Wörtern, die sie nun vermehrt falsch schreiben, nicht ins Gewicht fallen. Und aufgewachsen sind sie keinesfalls in einer neuschrieblichen Welt – abgesehen von den analphabetischen Elternhäusern mit dem Telefonbuch als einziger Literatur.
Nun, ich glaube, der Kommentar von Margarete Limberg, die ja auch für die „Zeit“ schreibt, ist ganz banal ein Auftragswerk, das, um bezahlt zu werden, einfach die redaktionell vorgeschriebene Meinung wiedergeben muß. Hier könnte man Kosten sparen.
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Klaus Eicheler
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